TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/25 LVwG-AV-303/001-2019

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Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

GdwasserleitungsG NÖ 1978 §10
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §15
BAO §114 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin
HR Dr. Grassinger über die Beschwerde von Frau A, ***, ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 30. Jänner 2019, Zl. ***, mit welchem der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 25. September 2018, Zl. ***, betreffend die Vorschreibung der Wasserbezugsgebühr für die Jahre 2013 bis 2017 gemäß § 10 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBl. 6930, in der geltenden Fassung, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt wurde, wie folgt:

1.   Die Beschwerde wird abgewiesen. Der Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 30.01.2019, Zl. ***, wird bestätigt.

2.   Eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung (BAO)

§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) iVm

Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom
25. September 2018, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführerin und dem
weiteren Hälfteeigentümer für die Liegenschaft Grundstück Nr.: ***, KG ***,
EZ ***, mit der Anschrift ***, ***, für den Zeitraum
1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2017 die Wasserbezugsgebühr wie folgt vorgeschrieben:

Jahr       Verbrauch   Grundgebühr  Wasserbezugsgebühr

2013       158,00 m³   € 2,05    € 323,90

2014       162,00 m³   € 2,05    € 332,10

2015       177,00 m³   € 2,05    € 362,85

2016       206,00 m³   € 2,20    € 453,20

2017       212,00 m³   € 2,20    € 466,40

Summe                 € 1.938‚45

+ 10 % USt € 193,85

€ 2.132,30

Davon bereits bezahlt:       € 1.063,40

Gesamtbetrag am Fälligkeitstag zu entrichten:    € 1.068,90

Begründend wurde unter Verweis auf § 10 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 ausgeführt, dass gemäß der jeweiligen Fassung der Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** für die Jahre 2013, 2014 und 2015 die Grundgebühr mit
€ 2,05 (pro m³) festgesetzt gewesen sei. Für die Jahre 2016 und 2017 sei diese mit
€ 2,20 (pro m³) festgesetzt gewesen.

Im Ausspruch des an beide Hälfteeigentümer gerichteten erstinstanzlichen Abgabenbescheides wurde auf die Rechtsfolgen des § 101 Abs. 1 BAO hingewiesen.

Dieser Abgabenbescheid wurde u.a. der Beschwerdeführerin am 15.10.2018 zugestellt.

Mit am 08. November 2018 beim Gemeindeamt *** eingelangten Schriftsatz erhob (ausschließlich) die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung gegen den Bescheid vom 25. September 2018 und begründete diese im Wesentlichen damit, dass sie keine rechtliche Grundlage erkennen könne, welche die Nachforderung der Wasserbezugsgebühr auf fünf Jahre rechtfertige. Bei der Einstellung der Beschwerdeführerin sei ihr mitgeteilt worden, dass sie den Wasserbezug als Gemeindebedienstete begünstigt zur Verfügung habe. Sie habe das und sehe das noch heute als Teil ihres Gehaltes an. Sie beantrage daher die sofortige Einstellung der Vollziehung, bis über ihren „Widerspruch“ entschieden worden sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 30. Jänner 2019, Zl. ***, der einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung im Gemeindevorstand (TOP 6 des Sitzungsprotokolles des Gemeindevorstandes vom 28.01.2019) zu Grunde gelegt wurde, wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Begründend wurde nach Wiedergabe des bisherigen Abgabenverfahrens und der Bezug habenden Rechtsvorschriften ausgeführt, dass, da die Beschwerdeführerin bis zum Jahr 2009 in einem Dienstverhältnis mit der Marktgemeinde *** gestanden sei, für die Liegenschaft ***, ***, eine verringerte Wasserbezugsgebühr mittels Lastschriftanzeige vorgeschrieben worden sei. Diese Wasserbezugsgebühr sei insofern berechnet worden, als die als verbraucht angezeigte Wassermenge in Kubikmeter nur mit der halben für einen Kubikmeter festgesetzten Grundgebühr vervielfacht worden sei.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes seien Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld, wie etwa auch über einen teilweisen oder gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung, ohne abgabenrechtliche Bedeutung. Insbesondere könne die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten (VwGH 88/17/0128 vom 29.04.1992).

Die gegenständliche Berechnung sei entgegen den Bestimmungen des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetzes und entgegen der jeweiligen Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** erfolgt und sei aus diesen Gründen unzulässig.

Gemäß NÖ Landesregierung und gemäß § 114 BAO hätten Abgabenbehörden darauf zu achten, dass alle Abgabenpflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt würden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt würden.

Nach Hinweisen auf §§ 207 und 208 BAO und auf § 8 der geltenden Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** stellte die Berufungsbehörde fest, dass die Abgabenbehörde erster Instanz die erwähnte verbleibende Differenz zu der vollen Abgabengebühr der letzten fünf Jahre mit dem angefochtenen Abgabenbescheid *** vorgeschrieben habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Die gegenständliche Berufungsentscheidung wurde (u.a.) der Beschwerdeführerin am 01.02.2019 zugestellt.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wendete die Beschwerdeführerin nach Darlegung des Verfahrensganges ein, dass ihr bei ihrer Einstellung mündlich mitgeteilt worden sei, dass sie als Gemeindebedienstete den Wasserbezug begünstigt zur Verfügung habe. Für sie sei die Begünstigung ein Teil ihres Gehaltes. Im laufenden Verfahren sei ihr zur Kenntnis gelangt, dass es dafür einen Beschluss vom 01.09.1969 gegeben habe. Daraus leite sie einen Rechtsanspruch auf die Vergünstigung ab. Wie der Beschluss rechtlich einwandfrei umzusetzen sei, liege in der Verantwortung der Gemeinde. Die Beschwerdeführerin beantragte, alle Bescheide der Marktgemeinde ***, die in dieser Sache an sie ergangen seien, aufzuheben und den von ihr bezahlten Betrag von € 1.068,90 an sie zurückzuzahlen.

Mit Schriftsatz vom 8. März 2019 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Bezug habenden Akt der Marktgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch, weiters durch Erhebung (betreffend die notorisch bekannte Tatsache der erstmaligen Vorschreibung der Wasserbezugsgebühren mit den verfahrensgegenständlichen Abgabenbescheiden sowie hinsichtlich des Zustelldatums in Bezug auf den Abgabenbescheid der Behörde erster Rechtsstufe) bei der Marktgemeinde ***.

Von folgendem, als feststehend anzusehenden Sachverhalt ist auszugehen:

Die Beschwerdeführerin ist (ebenso wie Herr B) grundbücherliche Hälfteeigentümerin des Grundstückes Nr. *** EZ *** KG *** (***), mit der Anschrift ***, ***.

Die Liegenschaft ist an die Ortswasserleitung angeschlossen.

Mit Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde *** in der Sitzung vom
01. September 1969 war beschlossen worden, dass „die Gemeindebediensteten die Wasserabgabe ohne Endgeld“ erhalten sollten. Entsprechend gemeindeinternen Vorgaben in Bezug auf Dienstnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses, dies ohne zu Grunde liegendem Beschluss des Kollegialorganes, erfolgte die Vorschreibung der Wasserabgaben gegenüber ehemaligen Dienstnehmern, so auch verfahrensgegenständlich, lediglich zur Hälfte.

Der Wert der Wassergebührenbefreiung wurde weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer als Sachbezug oder Ähnliches versteuert.

Der Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde *** vom
01. September 1969 wurde mit Beschluss des Gemeindevorstandes vom
26.11.2018 aufgehoben.

Für die Jahre 2013 bis 2017 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin als Hälfteeigentümerin der Bezug habenden Liegenschaft (sowie gegenüber dem weiteren Hälfteeigentümer B) für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft kein Bescheid zur Vorschreibung der jeweiligen Wasserbezugsgebühr erlassen. Mit dem im Instanzenzug und vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bekämpften Bescheid vom 25.09.2018, Zl ***, wurde somit die Wasserbezugsgebühr (für die Jahre 2013 bis 2017) gegenüber der Beschwerdeführerin als Hälfteeigentümerin der Bezug habenden Liegenschaft (sowie gegenüber dem weiteren Hälfteeigentümer B) erstmals bescheidgemäß vorgeschrieben. Die Wasserendabrechnung war bis dahin gegenüber der Beschwerdeführerin und gegenüber dem weiteren Hälfteeigentümer mittels einer vierteljährlichen Lastschriftanzeige im Ausmaß der Hälfte der gemäß der jeweils geltenden Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** angefallenen Wasserbezugsgebühr erfolgt. Die Bekanntgabe der verbrauchten Wassermenge erfolgte jeweils nach Selbstablesung.

Dieser Sachverhalt ergab sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem Inhalt der Abgabenbescheide erster und zweiter Instanz, dem Bezug habenden Grundbuchauszug sowie auf Grund des durch das erkennende Gericht erzielten Erhebungsergebnisses betreffend die notorisch bekannte Tatsache der erstmaligen Vorschreibung der Wasserbezugsgebühren mit den verfahrensgegenständlichen Abgabenbescheiden sowie betreffend die Rechtzeitigkeit der Berufung.

In rechtlicher Hinsicht wurde hierüber erwogen:

Bundesabgabenordnung – BAO:

§ 1 (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.

§ 114 (1) Die Abgabenbehörden haben darauf zu achten, daß alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfaßt und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, daß Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.

§ 279 (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBl. 6930-7, idgF:

§ 10 Wasserbezugsgebühr

(1) Für den Wasserbezug aus der Gemeindewasserleitung ist eine Wasserbezugsgebühr zu entrichten.

(2) Die Wasserbezugsgebühr ist derart zu berechnen, daß die vom Wasserzähler innerhalb eines Ablesungszeitraumes als verbraucht angezeigte Wassermenge in Kubikmeter mit der für einen Kubikmeter festgesetzten Grundgebühr vervielfacht wird.

(3) Als verbrauchte Wassermenge hat die Differenz zwischen der vom Wasserzähler am Ende des Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl abzüglich der am Ende des vorhergegangenen Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl zu gelten.

(4) Der Ablesungszeitraum ist vom Gemeinderat in der Wasserabgabenordnung festzusetzen und darf nicht kürzer als zwei Monate sein.

….

(8) Wenn die Richtigkeit der vom Wasserzähler angezeigten Wassermenge bestritten und dessen Prüfung beantragt wird, so hat die Gemeinde die Prüfung durch die Eichbehörde zu veranlassen und den Wasserzähler während der gesamten Verfahrensdauer aufzubewahren. Ergibt die Prüfung, daß die Wassermenge richtig gemessen wird, hat der Abgabenschuldner der Gemeinde die Prüfungskosten zu ersetzen. Die Wassermenge gilt auch dann als richtig gemessen, wenn die Abweichung nicht mehr als 5 % beträgt. Beträgt die Abweichung mehr als 5 %, ist die Wassermenge zu schätzen.

….

§ 15 Entstehung des Abgabenanspruches; Abgabenschuldner

(4) Der Anspruch auf die Wasserbezugsgebühr entsteht mit Ablauf des Ablesungszeitraumes, in dem die der Berechnung der Wasserbezugsgebühr zugrundegelegte Wassermenge verbraucht wurde. Dies gilt im Fall des § 11 Abs. 3 sinngemäß.

(6) Abgabenschuldner ist der Eigentümer der angeschlossenen Liegenschaft, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nicht anderes ergibt.

….

Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** idF vom 29. Oktober 2012:

§ 6 Wasserbezugsgebühren

(1) Die Wasserbezugsgebühren werden für Liegenschaften, für die von der Gemeinde ein Wassermesser beigestellt ist, nach den Bestimmungen des § 10 Abs.2 des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 berechnet.

(2) Für die im Abs. (1) genannten Liegenschaften wird die Grundgebühr für 1 m³ Trinkwasser mit € 2,05 festgelegt.

Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** idF vom 14. Dezember 2015:

§ 7. Grundgebühr zur Berechnung der Wasserbezugsgebühr

(1) Die Grundgebühr gemäß § 10 Abs. 5 des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 wird für 1 m³ Wasser mit € 2,20 festgesetzt.

Das Ausmaß der im Zeitraum zwischen 2013 und 2017 zu Grunde gelegten Verbrauchsmenge laut Feststellungen im durch die Berufungsbehörde bestätigten Abgabenbescheid der Abgabenbehörde erster Rechtsstufe wurde nicht bestritten.

Zu beurteilen war gegenständlich die Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung des Bezug habenden Gemeinderatsbeschlusses vom
01. September 1969 (welcher mit Beschluss des Gemeindevorstandes vom 26.11.2018 aufgehoben wurde), verfahrensgegenständlich: Vorschreibung der Abgaben lediglich zur Hälfte entsprechend gemeindeinternen Vorgaben in Bezug auf Dienstnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses, dies ohne zu Grunde liegendem Beschluss des Kollegialorganes, ein Rechtsanspruch auch im Zusammenhang mit der nunmehr auf Grundlage der Bestimmungen des Gemeindewasserleitungsgesetzes und der Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** für die Jahre 2013 bis 2017 vorgeschriebenen Wasserbezugsgebühren entstanden ist bzw. ob sie die jeweilige Reduktion der Wasserbezugsgebühr um die Hälfte als Gehaltsbestandteil einstufen durfte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Festsetzung einer Abgabe nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. z.B. VwGH 2005/17/0055 und VwGH 2005/17/0168). Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Abgabenbehörden jeweils rechtsrichtig die Wasserabgabenordnung in den Fassungen vom 29. Oktober 2012 und vom 14. Dezember 2015 den Vorschreibungen zugrunde gelegt haben.

Hinsichtlich der Wasserbezugsgebühr ergibt sich der Abgabentatbestand aus § 10 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978. Gemäß § 10 Abs. 2 leg.cit. ist die Wasserbezugsgebühr derart zu berechnen, dass die vom Wasserzähler innerhalb eines Ablesungszeitraumes als verbraucht angezeigte Wassermenge in Kubikmeter mit der für einen Kubikmeter festgesetzten Grundgebühr vervielfacht wird. Die verbrauchte Wassermenge ergibt sich wiederum gemäß § 10 Abs. 3 leg.cit. aus der Differenz zwischen der vom Wasserzähler am Ende des Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl abzüglich der am Ende des vorhergegangenen Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl. Gemäß § 10 Abs. 4 leg.cit. ist der Ablesungszeitraum vom Gemeinderat in der Wasserabgabenordnung festzusetzen und darf nicht kürzer als zwei Monate sein.

Die Richtigkeit der angewendeten Gebührensätze wurde von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet.

Mit dem (aufgehobenen) Gemeinderatsbeschluss vom 1. September 1969 wurde gegenüber den Gemeindebediensteten ausgesprochen, dass diese Wasser ohne Entgelt beziehen sollten. Diese Regelung hatte somit einen zivilrechtlichen Inhalt.

Eine zivilrechtliche Rechtsgestaltung, der zufolge die Abgabenschuld trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit nicht (bzw. nicht in voller Höhe) entstünde, kann ohne eine diesbezügliche (Berücksichtigungsregelung) Regelung in den Abgabenvorschriften (Abgabenverfahrensvorschriften) weder das Entstehen des Abgabenanspruches hindern noch dessen Inhalt verändern. Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Abgabenschuld, einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns sind nämlich ausschließlich durch Gesetz geregelt (vgl. VwGH 99/17/0187).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld, wie etwa auch über einen teilweisen oder gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung, ohne abgabenrechtliche Bedeutung. Insbesondere kann die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten (VwGH 88/17/0128 vom 29.04.1992).

Daraus folgt, dass die bisher offenbar gepflogene Vorgangsweise, bestimmten Gemeindebediensteten bzw. ehemaligen Dienstnehmern die Abgabenschuld trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit nicht bzw. nicht in voller Höhe vorzuschreiben, rechtswidrig war. Die Behörde war damit verpflichtet, von dieser als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Dies auch deshalb, da die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten darf (vgl. VwGH 88/17/0128).

Auch aus der Bestimmung des § 114 Abs. 1 BAO ergibt sich die Verpflichtung der Abgabenbehörden, darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabevorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden.

Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zeitigt der Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit Auswirkungen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. VwGH 2002/14/0148 und VwGH Ra 2015/15/0007).

Das Vertrauen auf die Beibehaltung einer von der Abgabenbehörde geübten (unrichtigen) Vorgangsweise (hier: Teilvorschreibung der Abgabe über einen gewissen Zeitraum) ist nach der Rechtsprechung somit nicht schon deshalb im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben geschützt.

Die Abgabenbehörden waren somit verfahrensgegenständlich verpflichtet, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen, wobei die rückwirkende Vorschreibung der jeweiligen Abgabe unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben betreffend die Verjährung (gemäß §§ 207 und 208 BAO) zu erfolgen hatte, was verfahrensgegenständlich berücksichtigt wurde.

Eine Grenze für die Vorschreibung ergibt sich in einem solchen Fall lediglich aus den Verjährungsvorschriften der BAO.

Gemäß § 208 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Die Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes und das Bestehen einer Abgabenschuld voraus. Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 82/17/0085).

Im vorliegenden Fall ist der Anspruch auf die Wasserbezugsgebühr gemäß § 15
Abs. 4 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 mit Ablauf des Ablesungszeitraumes, in dem die der Berechnung der Wasserbezugsgebühr zu Grunde gelegte Wassermenge verbraucht wurde, entstanden. Der Abgabenanspruch für das Jahr 2013 ist im selben Jahr entstanden.

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden.

Die Festsetzungsverjährung von 5 Jahren (§ 207 Abs. 2 BAO), beginnend mit Ablauf des Jahres der Entstehung des Anspruches (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO) wäre demnach mit Jahresende 2018 abgelaufen.

Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren über die Verjährung hinaus stehen gemäß § 209a Abs. 1 BAO einer Berufungsentscheidung nicht im Wege. Dies gilt auch für die absolute Verjährung (vgl. VwGH 2010/15/0033 und VwGH 2012/15/0111). Auch durch eine meritorische Berufungsentscheidung in Abgabensachen wird eine Abgabe "festgesetzt" (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2206).

Im vorliegenden Fall wurden aber in den Jahren 2018 (Bescheid vom 25. September 2018) und 2019 (Berufungsverfahren bis zur Anrufung des Landesverwaltungsgerichtes) derartige Maßnahmen iSd § 209 BAO gesetzt, sodass eine Festsetzungsverjährung nicht eingetreten ist.

Auf Grund der oben dargelegten Sach- und Rechtslage war daher die Berufungsentscheidung spruchgemäß zu bestätigen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt und ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Da die Beschwerde ausschließlich von Frau A erhoben wurde, die gegenständliche Beschwerdeentscheidung somit nur an diese Einschreiterin adressiert ist, und durch die gegenständliche Entscheidung der Abgabenbescheid der Abgabenbehörde erster Rechtsstufe nicht abgeändert wurde, war eine Verfügung gemäß § 101 Abs. 1 BAO nicht zu treffen.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Wasserbezugsgebühr; Abgabenschuld; Berücksichtigungsregelung; Zivilrecht; Treu und Glauben;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.303.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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