TE Vwgh Beschluss 2019/2/18 Ra 2018/01/0046

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Veröffentlicht am 18.02.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71 Abs1 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des A M D in W, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 5. September 2017, Zl. VGW- 102/013/10621/2017, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber erhob am 31. Juli 2017, per E-Mail um 17.03 Uhr außerhalb der Amtsstunden und somit verspätet an das Verwaltungsgericht Wien versendet, Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Landespolizeidirektion Wien, und unter anderem gegen die erst am 19. Juni 2017, um 00.20 Uhr, beendete Anhaltung, soweit sie länger als 40 Minuten gedauert habe.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht Wien die Maßnahmenbeschwerde als verspätet zurück (Spruchpunkt I.), den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.). Begründend führte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf näher dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst aus, dass der Wiedereinsetzungsantrag kein substantiiertes Vorbringen zur erforderlichen Kontrolle des Rechtsvertreters über seine Hilfsorgane enthalte, weshalb nicht von einem minderen Grad des Versehens auszugehen sei.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit dahin, dass es entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einem behaupteten Versehen einer Hilfsperson eines Rechtsvertreters als Wiedereinsetzungsgrund keines substantiierten Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag über die Vornahme einer täglichen Kontrolle und deren Art und Weise bedürfe, wenn wie im vorliegenden Fall eine Frist nicht um einen Tag sondern nur um einige Stunden versäumt worden sei. Eine tägliche Fristenkontrolle greife nur bei einer Fristversäumnis um einen Tag. Eine stündliche Fristenkontrolle innerhalb einer täglichen Kontrolle sei hingegen unzumutbar. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe daher den Fehler seiner Mitarbeiterin entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts trotz bestehender Kontrolle erst durch den ihm am 7. August 2017 zugekommenen Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichts entdecken können. Das angefochtene Erkenntnis weiche somit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Erfordernis eines substantiierten Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag ab.

7 Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Macht ein Wiedereinsetzungswerber ein Versehen einer Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, dass es zur Fehlleistung der Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Erlaubt das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag über den vom Rechtsanwalt des Wiedereinsetzungswerbers eingerichteten Kanzleibetrieb samt Kontrollsystem und über die konkreten Umstände, auf die die Versäumung der maßgeblichen Frist zurückzuführen ist, eine Beurteilung der Frage nach dem Letzterem nicht, so schließt dies die Annahme eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes aus (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/20/0541, Rn. 16, mwN).

8 Der Revisionswerber stützte die begehrte Wiedereinsetzung auf ein Versehen der Kanzleiangestellten seines Rechtsvertreters, die übersehen habe, dass sich im Aktenstoß abzufertigender Schriftstücke ganz unten der Akt mit der Maßnahmenbeschwerde befunden habe, weshalb die Maßnahmenbeschwerde mittels E-Mail zwar am letzten Tag der Frist aber außerhalb der laut Kundmachung des Verwaltungsgerichts Wien nach § 13 Abs. 2 und 5 AVG für die Einbringung per Telefax und E-Mail maßgeblichen Amtsstunden an das Verwaltungsgericht versendet worden sei.

9 Der Wiedereinsetzungsantrag enthält jedoch kein Vorbringen, ob und welche Maßnahmen in der Rechtsanwaltskanzlei gesetzt wurden, um eine Reihung der dem Sekretariat zur Abfertigung von Schriftstücken übergebenen Akten nach Dringlichkeit sicherzustellen und somit eine fristgerechte Einbringung von Eingaben zu gewährleisten, vor allem wenn diese per E-Mail an Verwaltungsgerichte übermittelt werden.

10 Dass dem beruflichen und rechtskundigen Vertreter des Revisionswerbers kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens - wie im vorliegenden Fall wesentlich - bei der Organisation des Kanzleibetriebs anzulasten ist, wurde somit mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan.

11 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

12 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 18. Februar 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018010046.L00

Im RIS seit

18.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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