TE Vwgh Erkenntnis 2019/3/27 Ro 2017/10/0004

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art135 Abs4
B-VG Art139 Abs3
B-VG Art140 Abs3
B-VG Art89
B-VG Art89 Abs1
B-VG Art89 Abs2
Satzung Frauenförderungsplan Uni Linz 2011 §39 Abs6
UniversitätsG 2002 §19 Abs1
UniversitätsG 2002 §19 Abs2 Z6
UniversitätsG 2002 §20b
UniversitätsG 2002 §42
UniversitätsG 2002 §42 Abs7
UniversitätsG 2002 §42 Abs8
UniversitätsG 2002 §43 Abs2
VwGG §42 Abs1 Z1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der Johannes Kepler Universität Linz, vertreten durch Lichtenberger & Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wollzeile 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Oktober 2016, Zl. W128 2117806- 1/4E, betreffend Verletzung des Frauenförderungsplanes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Schiedskommission der Johannes Kepler Universität Linz; weitere Partei: Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

1 Mit Bescheid der Schiedskommission der Johannes Kepler Universität Linz (der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde) vom 30. September 2015 wurde die wegen Verletzung des § 39 Abs. 6 der "Satzung der Johannes Kepler Universität Linz Frauenförderungsplan einschließlich der Zusammensetzung des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen" (im Folgenden: ST FFP) erhobene Beschwerde des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der Johannes Kepler Universität Linz (im Folgenden: AKG) gegen die Auswahlentscheidung des Rektors im Berufungsverfahren "S" abgewiesen.

2 Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die vorliegenden Unterlagen der Berufungskommission würden für die belangte Behörde keine Möglichkeit einer ausreichenden Würdigung der Gesamtqualifikationen des (erstgereihten) Bewerbers bzw. der (zweitgereihten) Bewerberin eröffnen. Bei gleicher Qualifikation sei die Bewerberin in Umsetzung der Frauenförderungsbestimmungen vorrangig zu berücksichtigen. Die belangte Behörde habe zur Beurteilung einer allfälligen gleichwertigen Qualifikation zwei gutachterliche Expertisen eingeholt. Im Hinblick auf die besondere Aufgabenstellung der ausgeschriebenen Professur werde die von der Berufungskommission vorgenommene Gewichtung der Ausschreibungskriterien und die daraus resultierende Bewertung des Bewerbers bzw. der Bewerberin als sachlich gerechtfertigt beurteilt. Die Reihung der Bewerber müsse vom Rektor daher nicht im Hinblick auf das Frauenförderungsgebot geprüft werden, weil dieses ausschließlich bei gleicher Qualifikation der Bewerberin und des Bewerbers zu berücksichtigen sei. Eine in diskriminierender Weise erfolgte Beurteilung der Qualifikationen der Bewerberin sei von den Gutachtern nicht festgestellt worden und sei nicht anzunehmen. Entgegen einer Stellungnahme des Rektors sei der AKG gemäß § 39 Abs. 6 ST FFP zur Beschwerde an die Schiedskommission berechtigt gewesen; die Beschwerde sei auch fristgerecht erfolgt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Oktober 2016 wurde eine dagegen vom AKG erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Beschwerde des AKG gegen die Auswahlentscheidung des Rektors im Berufungsverfahren "S" gemäß § 43 Abs. 1 Z 2 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) als unzulässig zurückgewiesen werde (Spruchpunkt A). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei (Spruchpunkt B).

4 Begründend ging das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges davon aus, dass der AKG mit Schreiben vom 12. Juni 2015 rechtzeitig Beschwerde gegen die am 29. Mai 2015 mitgeteilte Auswahlentscheidung des Rektors im Berufungsverfahren "S" wegen Verletzung des § 39 Abs. 6 ST FFP erhoben habe.

5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es sei zu prüfen, ob durch § 39 Abs. 6 ST FFP die in § 43 Abs. 1 UG 2002 normierten Aufgaben der Schiedskommission - im Sinne einer Kompetenz zur bescheidmäßigen Entscheidung über Verletzungen des Frauenförderungsplanes bei Auswahlentscheidungen - erweitert würden. Gemäß Art. 81c Abs. 1 zweiter Satz B-VG handelten die öffentlichen Universitäten im Rahmen der Gesetze autonom und könnten Satzungen erlassen. Die Wendung "im Rahmen der Gesetze" solle nach der Absicht des Gesetzgebers den Universitäten einen Spielraum gewähren, der weiter gehe als jener nach Art. 18 B-VG. Die Verordnungskompetenz der Universitäten unterliege daher nur einer verdünnten Gesetzesbindung. Verordnungen der Universitätsorgane in den in Art. 81c Abs. 1 B-VG umschriebenen Angelegenheiten dürften zwar nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen, sie bedürften aber keiner gesetzlichen Grundlage iSd Art. 18 Abs. 2 B-VG. Das Gesetz sei für das Handeln der Universitätsorgane zwar Schranke, aber nicht unabdingbare Grundlage (Verweis auf Mayer in Mayer, Kommentar zum Universitätsgesetz 20022 (2010), § 19 I.1.).

6 Im Revisionsfall fänden sich die gesetzlichen Schranken in § 43 Abs. 1, 2 und 5 UG 2002. Eine bescheidmäßige Erledigung sei gemäß § 43 Abs. 5 UG 2002 nur in den Angelegenheiten des Abs. 1 Z 2 leg. cit. (Entscheidung über Beschwerden wegen einer Diskriminierung) vorgesehen. Auch wenn die Kompetenzen der Schiedskommission in § 43 Abs. 1 UG 2002 nicht abschließend aufgezählt seien und eine Erweiterung durch die Satzung prinzipiell zulässig sei (Verweis auf Kucsko-Stadlmayer in Mayer, aaO, § 43 I.2.), fänden sich im Beschwerderecht des AKG iSd § 43 Abs. 1 Z 2 leg. cit. weitere Schranken durch die ihm zukommenden Aufgaben. Diese seien in § 42 UG 2002 definiert. Die in § 39 Abs. 6 ST FFP vorgesehene Berechtigung zur Anrufung der Schiedskommission, wenn Grund zur Annahme bestehe, dass eine Auswahlentscheidung dem Frauenförderungsplan widerspreche, sei daher "im Lichte des angeführten gesetzlichen Rahmens zu betrachten" und finde bei einer bescheidmäßigen Erledigung iSd § 43 Abs. 5 UG 2002 "ihre Grenze im zwingenden Vorliegen einer Diskriminierung". Allenfalls berechtige eine Verletzung des Frauenförderungsgebotes den AKG gemäß § 39 Abs. 6 ST FFP zu einem Vermittlungsverfahren gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 UG 2002, welches jedoch keiner bescheidmäßigen Erledigung zugänglich sei.

7 Sowohl der Antrag des AKG als auch der Bescheid der Schiedskommission und die dagegen erhobene Beschwerde an das Verwaltungsgericht seien jedoch eindeutig auf eine Nichtanwendung des Frauenförderungsgebotes gerichtet, darin werde eine Diskriminierung erblickt. Dem sei entgegen zu halten, dass eine Verletzung des Frauenförderungsgebotes und anderer Bestimmungen, die - über den Diskriminierungsschutz hinausgehend - der faktischen Gleichstellung der Frauen an Universitäten dienten, nicht als Diskriminierung zu qualifizieren sei. Wegen einer solchen Verletzung könne daher nicht Beschwerde bei der Schiedskommission erhoben werden. Dies ändere nichts an der Rechtswidrigkeit solcher Maßnahmen. Der AKG könne diesbezüglich ein Gutachten bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission einholen und das Organ, das eine solche Maßnahme gesetzt habe, könne dienst- und disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen werden (Verweis auf Kucsko-Stadlmayer in Mayer, aaO, § 42 VIII.2.).

8 Ebenso stehe § 43 Abs. 2 UG 2002, so das Verwaltungsgericht weiter, der Zulässigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Entscheidung entgegen. Auch wenn die Einholung eines Gutachtens bei der Gleichbehandlungskommission per se keinen Rechtszug darstelle, so diene dieses Gutachten als Beweis im Verfahren bei der Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 20 B-GlBG und sei sowohl im Verfahren vor der Dienstbehörde als auch vor Gericht zwingend iSd § 20 Abs. 5a B-GlBG zu würdigen. Ein solches Verfahren stelle demgegenüber sehr wohl einen Rechtszug dar. Da § 43 Abs. 2 UG 2002 keine Einschränkung auf den administrativen Rechtszug zu entnehmen sei, stelle auch die Anrufung der ordentlichen Gerichte die gesetzliche Schranke für die Kompetenz der Schiedskommission iSd § 43 Abs. 2 UG 2002 dar, die durch die Satzung nicht überschritten werden könne. Demgemäß sei § 43 Abs. 1 Z 2 UG 2002 als lex specialis zu § 43 Abs. 2 leg. cit. konstruiert und sehe auch dann eine Beschwerdemöglichkeit an die Schiedskommission vor, wenn im Falle einer Diskriminierung auf Grund eines der aufgezählten verpönten Motive ein Rechtszug bestehe. Im Revisionsfall sei jedoch nicht über eine Diskriminierung iSd § 43 Abs. 1 Z 2 UG 2002 entschieden worden, sondern über die Nichtbeachtung des Frauenförderungsgebotes iSd § 11 iVm 11b B-GlBG.

9 Da die Beschwerde des AKG somit auf eine Entscheidung der Schiedskommission gerichtet gewesen sei, die dieser von Gesetzes wegen nicht zugestanden und zu deren Beantragung der AKG auch nicht legitimiert gewesen sei, hätte die Schiedskommission die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gehabt.

10 Seinen Ausspruch nach § 25a VwGG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zur Ausweitung der in § 43 UG 2002 normierten Kompetenzen der Schiedskommission durch die Satzung der Universität keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Weiters entspreche die Lösung der Rechtsfrage, ob eine Verletzung des Frauenförderungsgebotes als Diskriminierung zu qualifizieren sei, der Lehre (Verweis auf Kucsko-Stadlmayer in Mayer, aaO, § 42 VIII.2.), eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu liege aber nicht vor.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

12 Das Verwaltungsgericht legte die Akten vor. 13 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

14 Der Revisionswerber replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

     15 Das Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002

idF BGBl. I Nr. 21/2015 (UG 2002), lautet auszugsweise:

     "Satzung

     § 19. (1) Jede Universität erlässt durch Verordnung (Satzung)

die erforderlichen Ordnungsvorschriften im Rahmen der Gesetze und Verordnungen selbst. Die Satzung ist vom Senat auf Vorschlag des Rektorats mit einfacher Mehrheit zu beschließen und zu ändern.

(2) In der Satzung sind insbesondere folgende Angelegenheiten zu regeln:

...

6. Frauenförderungsplan und Gleichstellungsplan (§ 20b);

...

Frauenförderungsplan und Gleichstellungsplan § 20b. (1) Der Frauenförderungsplan und der Gleichstellungsplan sind Teil der Satzung (§ 19 Abs. 2 Z 6). Das Recht auf Vorschlag des Frauenförderungsplanes und des Gleichstellungsplans sowie das Recht auf Vorschlag einer Änderung des Frauenförderungsplanes und des Gleichstellungsplanes an das Rektorat stehen dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen zu (§ 44). Ein Abgehen vom Vorschlag des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen durch das Rektorat ist nur mit einer entsprechenden Begründung an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen möglich. Über den Frauenförderungsplan und der Gleichstellungsplan ist innerhalb von sechs Monaten ab Vorlage des Vorschlages des Rektorats vom Senat ein Beschluss zu fassen.

(2) Der Frauenförderungsplan und der Gleichstellungsplan dienen der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur tatsächlichen Gleichstellung gemäß Art. 7 Abs. 2 und 3 B-VG sowie des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlung im Bereich des Bundes (B-GlBG), im Hinblick auf die Universitäten und die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zur Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern. Zusätzlich zum Frauenförderungsplan gemäß § 11a B-GlBG sind in einem eigenen Gleichstellungsplan insbesondere die Bereiche Vereinbarkeit (§ 2 Z 13) sowie Antidiskriminierung (2. Hauptstück des I. Teils B-GlBG) zu regeln.

...

3. Abschnitt

Gleichstellung von Frauen und Männern Frauenfördergebot

§ 41. Alle Organe der Universität haben darauf hinzuwirken, dass in allen universitären Arbeitsbereichen ein ausgewogenes Zahlenverhältnis zwischen den an der Universität tätigen Frauen und Männern erreicht wird. Die Erreichung dieses Ziels ist durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch die Erlassung und Umsetzung eines Frauenförderungsplans, anzustreben.

Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen § 42. (1) An jeder Universität ist vom Senat ein Arbeitskreis

für Gleichbehandlungsfragen einzurichten, dessen Aufgabe es ist, Diskriminierungen durch Universitätsorgane auf Grund des Geschlechts sowie auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung entgegenzuwirken und die Angehörigen und Organe der Universität in diesen Angelegenheiten zu beraten und zu unterstützen.

...

(7) Das Rektorat hat gleichzeitig mit der Information des zuständigen Betriebsrats den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen darüber in Kenntnis zu setzen, mit welcher Bewerberin oder mit welchem Bewerber ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll. Arbeitsverträge, die ohne vorherige Verständigung des Arbeitskreises oder vor Ablauf der Frist gemäß Abs. 8 abgeschlossen werden, sind unwirksam.

(8) Hat der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen Grund zur Annahme, dass die Entscheidung eines Universitätsorgans eine Diskriminierung von Personen auf Grund ihres Geschlechts oder auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darstellt, ist er berechtigt, innerhalb von drei Wochen die Schiedskommission anzurufen.

...

(9) Erhebt der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen Beschwerde an die Schiedskommission, ist die Vollziehung der Entscheidung des Universitätsorgans bis zur Entscheidung der Schiedskommission unzulässig.

...

Schiedskommission

§ 43. (1) An jeder Universität ist eine Schiedskommission

einzurichten. Zu ihren Aufgaben zählen:

1.        die Vermittlung in Streitfällen von Angehörigen der

Universität;

2.        die Entscheidung über Beschwerden des Arbeitskreises für

Gleichbehandlungsfragen wegen einer Diskriminierung auf Grund des

Geschlechts oder auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der

Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen

Orientierung durch die Entscheidung eines Universitätsorgans;

3.        Entscheidung über Einreden der unrichtigen

Zusammensetzung des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen

binnen vier Wochen;

4.        Entscheidung über Einreden der Mangelhaftigkeit des

Wahlvorschlages des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen binnen 14 Tagen.

(2) Angelegenheiten, die einem Rechtszug unterliegen, und Leistungsbeurteilungen sind von der Prüfung durch die Schiedskommission ausgenommen.

...

(5) Die Schiedskommission hat in den Angelegenheiten gemäß Abs. 1 Z 2 innerhalb von drei Monaten mit Bescheid darüber abzusprechen, ob durch die Entscheidung des Universitätsorgans eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung vorliegt. Betrifft die Beschwerde den Vorschlag der Findungskommission oder den Vorschlag des Senates zur Bestellung der Rektorin oder des Rektors, so hat die Schiedskommission binnen 14 Tagen zu entscheiden.

(6) Bejaht die Schiedskommission in den Fällen des Abs. 1 Z 2 das Vorliegen einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung, hat das Universitätsorgan eine neue Personalentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Schiedskommission zu treffen. Betrifft die Diskriminierung den Vorschlag der Findungskommission oder des Senates zur Bestellung der Rektorin oder des Rektors, ist der Vorschlag an die Findungskommission oder den Senat zurückzustellen. Die Findungskommission und der Senat sind in diesem Fall verpflichtet, den der Rechtsanschauung der Schiedskommission entsprechenden Rechtszustand unverzüglich herzustellen.

(7) Der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen und das betroffene Universitätsorgan haben das Recht, gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid vor dem Bundesverwaltungsgericht Beschwerde zu führen.

(8) Arbeitsverträge, die von der Rektorin oder vom Rektor während eines anhängigen Verfahrens vor der Schiedskommission oder trotz eines negativen Bescheids der Schiedskommission abgeschlossen werden, sind unwirksam.

...

Berufungsverfahren für Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren

§ 98. (1) ...

(9) Die Rektorin oder der Rektor hat ihre oder seine Auswahlentscheidung dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen vor Aufnahme der Berufungsverhandlungen bekannt zu geben. Der Arbeitskreis hat das Recht, innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zu erheben. Über diese entscheidet die Schiedskommission mit Bescheid.

(10) Weist die Schiedskommission die Beschwerde ab, kann die Rektorin oder der Rektor die Berufungsverhandlungen aufnehmen. Gibt die Schiedskommission der Beschwerde statt, wird die Auswahlentscheidung unwirksam. Eine neue Auswahlentscheidung ist unter Beachtung der von der Schiedskommission vertretenen Rechtsanschauung zu treffen.

..."

16 Die "Satzung der Johannes Kepler Universität Linz Frauenförderungsplan einschließlich der Zusammensetzung des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen", Mitteilungsblatt vom 29. Juni 2011, 27. Stk., Nr. 223 (ST FFP), lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 39 Auswahlverfahren

...

(6) Gleichzeitig mit der Information des zuständigen Betriebsrats ist der AKG darüber in Kenntnis zu setzen, mit welche/r/m Bewerber/in ein Arbeitsvertrag abgeschlossen oder eine Leitungsfunktion besetzt werden soll. Hat der AKG Grund zur Annahme, dass eine Auswahlentscheidung dem Frauenförderungsplan widerspricht, so ist er berechtigt, innerhalb von drei Wochen die Schiedskommission anzurufen. Arbeitsverträge bzw. Funktionsbesetzungen, die ohne vorherige Verständigung des AKG oder vor Ablauf der Einspruchsfrist bei der Schiedskommission oder vor der Entscheidung der Schiedskommission abgeschlossen werden, sind unwirksam (§ 42 Abs 7 UG).

..."

17 Entgegen der Begründung des Ausspruches nach § 25a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, ob eine Verletzung des Frauenförderungsgebotes jedenfalls als Diskriminierung zu qualifizieren sei, bereits - dies verneinend - Stellung genommen. Es kann insofern gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2016, Ra 2015/10/0117, VwSlg. 19465 A, verwiesen werden.

18 Dessen ungeachtet erweist sich die vorliegende Revision als zulässig und im Ergebnis auch als begründet:

19 Nach § 39 Abs. 6 ST FFP ist der AKG gleichzeitig mit der Information des zuständigen Betriebsrats darüber in Kenntnis zu setzen, mit welchem Bewerber bzw. welcher Bewerberin ein Arbeitsvertrag abgeschlossen oder eine Leitungsfunktion besetzt werden soll. Hat der AKG Grund zur Annahme, dass eine Auswahlentscheidung dem Frauenförderungsplan widerspricht, so ist er berechtigt, innerhalb von drei Wochen die Schiedskommission anzurufen. Arbeitsverträge bzw. Funktionsbesetzungen, die ohne vorherige Verständigung des AKG oder vor Ablauf der Einspruchsfrist bei der Schiedskommission oder vor der Entscheidung der Schiedskommission abgeschlossen werden, sind unwirksam (§ 42 Abs. 7 UG 2002).

20 Die wiedergegebene Satzungsbestimmung begründet damit unmissverständlich ein Beschwerderecht des AKG an die Schiedskommission gegen eine der genannten Auswahlentscheidungen wegen Verletzung des Frauenförderungsplanes. Wie sich aus dem zweiten und dritten Satz des § 39 Abs. 6 ST FFP ergibt, hat die Schiedskommission darüber eine - bescheidmäßige - Entscheidung zu fällen, andernfalls abgeschlossene Arbeitsverträge bzw. Funktionsbesetzungen unwirksam sind.

21 Die Einrichtung eines diesbezüglichen Beschwerdeverfahrens vor der Schiedskommission ergibt sich somit bereits aus dem Wortlaut der Norm. Der Verweis in § 39 Abs. 6 ST FFP auf § 42 Abs. 7 UG 2002 bekräftigt zudem, dass der Satzungsgeber ein dem Beschwerdeverfahren nach § 42 Abs. 8 UG 2002 nachgebildetes Beschwerdeverfahren wegen Verletzung des Frauenförderungsplanes vorsehen wollte. Dies erlaubt es nicht, die in Geltung stehenden Vorschriften entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut in die Richtung auszulegen, dass ein derartiges Beschwerderecht nicht bestünde. Für eine - einer berichtigenden Auslegung gleichkommende - "gesetzeskonforme Interpretation" der in Rede stehenden Satzungsbestimmung besteht somit kein Raum (vgl. etwa VwGH 23.10.1995, 93/10/0128, VwSlg. 14346 A).

22 Sowohl der Revisionswerber als auch die belangte Behörde sind im Verwaltungs- und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in diesem Sinne auch davon ausgegangen, dass die erhobene Beschwerde des Revisionswerbers an die belangte Behörde insofern zulässig und inhaltlich zu behandeln war. Dem angefochtenen Erkenntnis sind keine Ausführungen zu entnehmen, die diese Auslegung des § 39 Abs. 6 ST FFP argumentativ in Frage stellen. Das Verwaltungsgericht nimmt vielmehr - nach der oben wiedergegebenen Begründung - den Standpunkt ein, die in § 39 Abs. 6 ST FFP vorgesehene Berechtigung zur Anrufung der Schiedskommission, wenn Grund zur Annahme bestehe, dass eine Auswahlentscheidung dem Frauenförderungsplan widerspreche, sei "im Lichte des angeführten gesetzlichen Rahmens zu betrachten" und finde bei einer bescheidmäßigen Erledigung iSd § 43 Abs. 5 UG 2002 "ihre Grenze im zwingenden Vorliegen einer Diskriminierung". Damit geht das Verwaltungsgericht offenbar davon aus, dass das in § 39 Abs. 6 ST FFP vorgesehene Verfahren - mangels Übereinstimmung mit Bestimmungen des UG 2002 - gesetzwidrig und nicht anzuwenden sei.

23 Damit wird allerdings verkannt, dass dem Verwaltungsgericht im Grunde des Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 1 B-VG die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen nicht zusteht. Das Verwaltungsgericht hat, wenn es - wie offenbar im vorliegenden Fall - gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, vielmehr gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

24 Anzumerken ist, dass das Verwaltungsgericht auch nicht etwa festgestellt oder dahingehende Bedenken geäußert hat, dass die in Rede stehende Satzung nicht gehörig kundgemacht worden sei. Selbst wenn es derartige Bedenken gehabt hätte, ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2017, V 4/2017, von seiner bisherigen Rechtsprechung zu Art. 89 B-VG und Art. 139 Abs. 3 bzw. Art. 140 Abs. 3 B-VG, wonach nicht gehörig kundgemachte Verordnungen von den Gerichten auch ohne Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein nicht anzuwenden seien, abgegangen ist. Er vertritt nunmehr die Auffassung, dass auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen anzuwenden haben und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten haben; bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl. dazu VwGH 31.1.2018, 2017/15/0038).

25 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich demnach bereits aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig. Im Übrigen vermag der Verwaltungsgerichtshof aber auch die vom Verwaltungsgericht der Sache nach geltend gemachten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des in § 39 Abs. 6 ST FFP vorgesehenen Verfahrens nicht zu teilen:

26 Das Verwaltungsgericht leitet aus den Bestimmungen der §§ 42, 43 Abs. 1, 2 und 5 UG 2002 ab, dass eine Erweiterung der Kompetenzen der Schiedskommission und des AKG um ein Verfahren betreffend Verletzung des Frauenförderungsplanes unzulässig sei.

27 Dem ist zu erwidern, dass die Erweiterung der Aufgaben der Schiedskommission durch die Satzung als zulässig anzusehen ist, zumal der Senat gemäß § 19 Abs. 1 UG 2002 generell ermächtigt ist, "Ordnungsvorschriften" im Rahmen der Gesetze zu erlassen (vgl. Kucsko-Stadlmayer/Haslinger in Perthold-Stoitzner, Kommentar zum Universitätsgesetz 20023 (2016), § 43 Rz 2). Vor diesem Hintergrund ist auch eine Erweiterung der Aufgaben des AKG um die hier in Rede stehende Beschwerdemöglichkeit durch die Satzung unbedenklich, werden dem AKG im Bereich der Frauenförderung doch auch außerhalb von § 42 UG 2002 Aufgaben zugewiesen (vgl. abermals Kucsko-Stadlmayer/Haslinger in Perthold-Stoitzner, aaO, § 42 Rz 2; siehe weiters Benke/Holzleithner in Perthold-Stoitzner, aaO, § 20b Rz 12 f und 19). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes steht auch § 43 Abs. 2 UG 2002 einer Erweiterung der Kompetenz der Schiedskommission um das hier in Rede stehende Verfahren nicht entgegen, zielt diese Bestimmung doch primär auf jene behördlichen Entscheidungen von Universitätsorganen ab, die in Bescheidform ergehen und gegen die daher eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht offen steht (vgl. wiederum Kucsko-Stadlmayer/Haslinger in Perthold-Stoitzner, aaO, § 43 Rz 10).

28 Das angefochtene Erkenntnis war nach dem Gesagten daher gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

29 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

30 Da sowohl die revisionswerbende Partei als auch die belangte Behörde Organe desselben Rechtsträgers - der Johannes Kepler Universität Linz - sind, findet kein Kostenzuspruch statt (vgl. VwGH 5.10.2016, Ra 2015/10/0117, VwSlg. 19465 A, mwN).

Wien, am 27. März 2019

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Besondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017100004.J00

Im RIS seit

18.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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