TE Vwgh Erkenntnis 2019/2/27 Ra 2017/15/0067

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Index

E3L E09301000
E6J
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

UStG 1994 §19 Abs1a
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art199 Abs1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art199 Abs2
62011CJ0395 BLV Wohn- und Gewerbebau VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der K GmbH in H, vertreten durch die Steßl und Kasper Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Sporgasse 11/2/512, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. Juni 2017, Zl. RV/2101374/2015, betreffend Umsatzsteuer 2013, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende GmbH betreibt ein Unternehmen zur Durchführung von Trockenbauarbeiten.

2 Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass die Revisionswerberin im Jahr 2013 von der Z GmbH mit Trockenbauarbeiten beim Projekt S gasse (Errichtung von Dachgeschoßwohnungen) beauftragt worden sei. Die darüber erstellte Schlussrechnung habe die Revisionswerberin zu Unrecht mit folgendem Vermerk fakturiert:

"Aufgrund der im 2. AÄG 2002 vorgenommenen Ergänzung des § 19 Abs. 1a UStG sowie aufgrund Pkt. 2 und 6 des dazugehörigen Erlasses geht die Umsatzsteuerschuld auf den Leistungsempfänger über. Anzuwendender Steuersatz 20 %"

3 Eine bei der Z GmbH im Jahr 2013 durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung habe ergeben, dass besagtes Unternehmen als Bauträger auftrete, auf eigene Rechnung tätig werde und somit selber keine Bauleistungen erbringe. Da die Z GmbH keine Bauleistungen selber ausführe, könne die Steuerschuld nicht auf sie übergehen. Im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung sei vereinbart worden, dass die Rechnungen von den ausstellenden Unternehmen berichtigt würden.

4 Der Geschäftsführer der Revisionswerberin habe bestätigt, dass im Vertrag mit der Z GmbH eine Bruttoverrechnung vereinbart worden sei. Nachdem die erste Teilrechnung mit Umsatzsteuer fakturiert worden sei, habe die Z GmbH jedoch verlangt, dass die Rechnungen mit Übergang der Steuerschuld auszustellen seien. Die Revisionswerberin habe daher auf der ersten Teilrechnung den Vermerk angebracht, dass die Rechnung laut telefonischer Auskunft der Z GmbH (einer namentlich genannten Person) entsprechend zu ändern sei. Die weiteren Fakturierungen seien dann sogleich ohne Ausweis von Umsatzsteuer erfolgt. Auf die Frage, ob die Revisionswerberin von der Z GmbH nicht von der vorzunehmenden Rechnungsberichtigung informiert worden sei, habe der Geschäftsführer der Revisionswerberin erklärt, dass sich sein Unternehmen seit Ende 2013 mit der Z GmbH in einem Rechtsstreit befinde und die beiden Firmen seither nur mehr im Wege ihrer Anwälte miteinander kommunizierten. Die vorzunehmende Rechnungskorrektur sei der Revisionswerberin nicht zur Kenntnis gelangt.

5 Gegen den im Sinne der Prüfungsfeststellungen ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 28. April 2015 erhob die Revisionswerberin Beschwerde. Für die Revisionswerberin sei nicht erkennbar gewesen, ob die Z GmbH als Bauträger überwiegend für fremde Rechnung tätig werde. Es sei nicht möglich und auch nicht zumutbar, einerseits jedes Projekt der Z GmbH dahingehend zu prüfen, ob sie dabei im eigenen oder im fremden Namen tätig werde und in weiterer Folge auch noch die Umsätze aus den Projekten auf ihr Überwiegen zu prüfen. Die Mitteilung der Z GmbH, dass die Rechnungen als Bauleistungsrechnungen auszustellen seien, könne nur als Mitteilung verstanden werden, dass der Leistungsempfänger ein Unternehmer sei, der üblicherweise Bauleistungen erbringe und es daher zum Übergang der Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 komme. Die Umsatzsteuerrichtlinien (Rz. 2602f) sähen vor, dass es in einem solchen Falle trotz Feststellungen der Umsatzsteuerprüfung, dass die Z GmbH nicht üblicherweise Bauleistungen erbringe, beim Übergang der Steuerschuld bleibe. Zudem sei die Revisionswerberin über die bei der Z GmbH getroffene Feststellung nicht informiert worden. Die Revisionswerberin habe die Rechnung im guten Glauben als Bauleistungsrechnung ausgestellt.

6 Seine abweisende Beschwerdevorentscheidung begründete das Finanzamt damit, dass die Z GmbH nach den unbestrittenen Feststellungen einer bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung selbst nicht überwiegend Bauleistungen erbringe. Die Z GmbH saniere eigene Grundstücke bzw. baue diese aus und erbringe keine Bauleistungen iSd § 19 Abs. 1a UStG 1994. Die Z GmbH sei weder mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt noch handle es sich bei ihr um ein Unternehmen, das selbst überwiegend Bauleistungen erbringe.

7 Ihrem Vorlageantrag schloss die Revisionswerberin die von der Z GmbH - in anderen Punkten, nicht aber hinsichtlich der Steuer - korrigierte Schlussrechnung an. Alle beim

gegenständlichen Projekt tätig gewordenen Unternehmen hätten die Leistungen ursprünglich als Bauleistungen fakturiert. Dass es eine entsprechende Mitteilung der Z GmbH gegeben habe, könne somit als unstrittig angesehen werden. Die ablehnende Begründung des Finanzamtes gehe nicht darauf ein, dass die Revisionswerberin keine Mitteilung über das Ergebnis der bei der Z GmbH durchgeführten Betriebsprüfung erhalten habe und welche Rechtsfolgen dieser Umstand zeitige.

8 Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht gab der Geschäftsführer der Revisionswerberin bekannt, dass die Z GmbH mittlerweile in Konkurs sei. Die Forderung der Revisionswerberin von ursprünglich 209.000 EUR sei im Konkursverfahren zunächst auf rund 119.000 EUR reduziert worden. Die voraussichtliche Quote betrage 8 %, maximal 20 %. In rechtlicher Hinsicht führte der steuerliche Vertreter der Revisionswerberin aus, es sei nicht unplausibel, dass Bauträger üblicherweise Bauleistungen erbringen würden (Hinweis auf VwGH 25.4.2013, 2012/15/0161; sowie Scheiner/Kolacny, UStG 1994, § 19 Abs. 1a Tz 64).

9 Die Vertreterin des Finanzamtes erklärte, dass es der Abgabenbehörde auf Grund des Vermerks auf der Rechnung ("Urgenz Herr (K)") nicht möglich sei nachzuvollziehen, was bei diesem Gespräch genau gesagt worden sei. Insbesondere sei unklar, ob von Seiten der Z GmbH erklärt worden sei, dass sie selbst mit Bauleistungen beauftragt worden sei.

10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es stehe unstrittig fest, dass die Z GmbH weder mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt gewesen sei noch üblicherweise selbst Bauleistungen erbringe. Damit lägen die materiellen Voraussetzungen für den Übergang der Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 nicht vor.

11 Im Revisionsfall habe der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmen im Nachhinein fälschlicherweise mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für den Übergang der Steuerschuld nach der genannten Gesetzesstelle vorlägen. Das Gesetz sehe in diesem Fall vor, dass auch der Leistungsempfänger die auf den Umsatz entfallende Steuer schulde. Es komme jedoch nicht zum Übergang der Steuerschuld.

12 Ein Übergang der Steuerschuld aus - im Gesetz ohnedies nicht ausdrücklich vorgesehenen - Vertrauensschutzgründen scheide im Revisionsfall bereits deshalb aus, weil die Rechnungsberichtigung bloß auf Grund einer telefonischen Urgenz vorgenommen worden sei. Wenngleich die Revisionswerberin aus verständlichen Gründen versucht habe, ihrem Geschäftspartner entgegenzukommen, könne sie dennoch ein sorgfältiges Handeln, wie für die Annahme eines Vertrauensschutzes notwendig, nicht für sich in Anspruch nehmen. Der Umstand, dass der Abnehmer Eigentümer des Gebäudes (und damit nicht selbst mit der Bauleistung beauftragt) gewesen sei, sei durch einen leicht zu bewerkstelligenden Blick auf "die homepage" herauszufinden. Auch nach den Umsatzsteuerrichtlinien seien Bauträger keine Unternehmer, die üblicherweise Bauleistungen erbringen. Die Revisionswerberin hätte daher bereits bei einer oberflächlichen Befassung mit der Sachlage das Vorliegen der Voraussetzungen für den Übergang der Steuerschuld zumindest anzweifeln und nähere Erkundigungen einholen müssen, was unterblieben sei.

13 Soweit die Revisionswerberin vorbringe, Bauträger seien grundsätzlich mit einer Bauleistung beauftragt, sei zunächst zu klären, was unter einem Bauträger zu verstehen sei. Dazu habe die Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung zwei Entscheidungen ins Treffen geführt. Zum einen eine Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates, in dem dieser im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem Schluss gekommen sei, dass die Käufer des Grundstückes den als "Bauträger" bezeichneten Unternehmer tatsächlich beauftragt hätten, die Gebäude zu errichten. Eine derartige Konstellation sei im Revisionsfall nicht gegeben. Im Zeitpunkt der Arbeiten könne es noch keine Käufer gegeben haben, die die Z GmbH mit der Erbringung der Bauleistung hätten beauftragen können, weil die Wohnungen laut Angaben der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung bis heute noch nicht alle verkauft seien. Auch aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 2013, 2012/15/0161, sei für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Käufer von Wohnungen würden nicht mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, sondern beauftragten andere Unternehmen mit der Bauleistung.

14 "Bauträger" im hier vorliegenden Fall bedeute "Bauherr". Die Z GmbH habe die Revisionswerberin beauftragt, Bauleistungen in einem in ihrem Eigentum stehenden Gebäude durchzuführen. Nach Abschluss der Arbeiten erfolgte die Verwertung der Liegenschaft, im Revisionsfall durch den Verkauf. Das sei keine Bauleistung.

15 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde unter Wiedergabe des Gesetzestextes des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Bundesfinanzgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde erwogen hat:

17 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Vertrauensschutzes fehle, wenn der Leistungsempfänger fälschlicherweise mündlich mitteilt, dass eine Bauleistung vorliege und deshalb netto zu fakturieren sei. Die Revisionswerberin habe entsprechend der Instruktion des Auftraggebers und Leistungsempfängers gehandelt. Darüber hinaus habe es die Z GmbH in der Folge grob fahrlässig unterlassen, die Revisionswerberin nach der Umsatzsteuersonderprüfung über die vorzunehmende Rechnungsberichtigung zu informieren. Weiters sei ungeklärt, ob für den Leistungserbringer eine Nachprüfungsverpflichtung bestehe und ob es überhaupt für Teilgewerke möglich sei festzustellen, ob ein Auftraggeber überwiegend Bauleistungen erbringe, wenn er dies behaupte. Diesbezüglich stelle sich die Frage, wie der Leistungserbringer den Nachweis erbringen solle und inwiefern der Leistungserbringer, und vor allem in welchem Ausmaß er zur Überprüfung verpflichtet sei. Zudem widerspreche das vorliegende Erkenntnis auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 25.4.2013, 2012/15/0161).

21 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 22 Gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 (idF 2. Abgabenänderungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 132/2002) wird die Steuer bei Bauleistungen vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist. Der Leistungsempfänger hat auf den Umstand, dass er mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist, hinzuweisen. Erfolgt dies zu Unrecht, so schuldet auch der Leistungsempfänger die auf den Umsatz entfallende Steuer. Werden Bauleistungen an einen Unternehmer erbracht, der üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt, so wird die Steuer für diese Bauleistungen stets vom Leistungsempfänger geschuldet. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen.

23 Die unionsrechtliche Grundlage für die Regelung des § 19 Abs. 1a UStG 1994 findet sich für das Streitjahr in Art. 199 Abs. 1 lit. a Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), 2006/112/EG. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, wenn an ihn Bauleistungen (einschließlich Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbruchleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken sowie die als Lieferung von Gegenständen betrachtete Erbringung bestimmter Bauleistungen) bewirkt werden. Nach Art. 199 Abs. 2 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten näher bestimmen, für welche Lieferungen und Dienstleistungen und für welche Kategorien von Lieferern, Dienstleistungserbringern und Dienstleistungsempfängern sie vom Wahlrecht Gebrauch machen.

24 Im Urteil vom 13. Dezember 2012, BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH, C-395/11, hat der EuGH klargestellt, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, die Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben, vorausgesetzt jedoch, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts beachtet werden (Rn. 42, sowie VwGH 19.9.2013, 2011/15/0049).

25 Zum Grundsatz der Rechtssicherheit war vom vorlegenden Gericht vorgebracht worden, die nationale Regelung könne zur Folge haben, dass die Steuerpflichtigen Schwierigkeiten bei der Feststellung haben könnten, wer Steuerschuldner sei, wenn sie keinen Einblick in die Verhältnisse des Vertragspartners hätten. Denn nach der fraglichen nationalen Regelung sei bei Vorliegen einer Bauleistung der Leistungsempfänger nur dann Steuerschuldner, wenn u. a. zumindest 1 % seines Weltumsatzes im vorigen Jahr aus derartigen Bauleistungen bestanden habe.

26 Dazu wies der EuGH darauf hin, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit in besonderem Maße gelte, wenn es sich um eine Regelung handle, die sich finanziell belastend auswirken könne, denn die Betroffenen müssten in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu kennen (Hinweis auf EuGH 16.9.2008, Isle of Wight Council u.a., C-288/07, Rn. 47). Der Grundsatz der Rechtssicherheit sei von jeder mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten innerstaatlichen Stelle zu beachten (Hinweis auf EuGH 17.7.2008, ASM Brescia, C-347/06, Rn. 65). Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu prüfen, ob es sich im beim vorlegenden Gericht anhängigen Fall so verhalte, dass der betreffende Steuerpflichtige den Umfang seiner Verpflichtung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer nicht genau erkennen könne, und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich seien, um die nachteiligen Folgen einer den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen.

27 In § 19 Abs. 1a UStG 1994 hat der nationale Gesetzgeber den Übergang der Steuerschuld auf den Empfänger der Bauleistung davon abhängig gemacht, dass der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung einer Bauleistung beauftragt ist, oder der Empfänger Unternehmer ist, der üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt.

28 Dazu hat das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis die Ansicht vertreten, dass es der Revisionswerberin gegenständlich leicht möglich gewesen wäre, zu erkennen, dass keiner der beiden Fälle eines Übergangs der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger vorliegen könne und die Revisionswerberin daher selbst Steuerschuldner der Umsatzsteuer bleibe. Durch einen leicht zu bewerkstelligenden Blick auf "die homepage" hätte die Revisionswerberin herausfinden können, dass der Abnehmer der Bauleistung Eigentümer des Gebäudes sei und er damit nicht selbst mit einer Bauleistung beauftragt sein könne.

29 Diese Erwägungen sind nicht schlüssig. Unklar ist schon, von welcher homepage die Rede ist. Geht man davon aus, dass damit die homepage der Z GmbH (oder des Wohnbauprojektes S gasse) gemeint war und sich dort die Information befunden habe, dass die Z GmbH Eigentümerin des Gebäudes in der S gasse sei, taugt diese Information für sich genommen jedenfalls nicht, einen Übergang der Steuerschuld auf die Z GmbH verneinen zu können.

30 Die Eigentumsverhältnisse am Gebäude schließen es nicht aus, dass die Z GmbH üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt. Feststellungen über den Betriebsgegenstand der Z GmbH wurden nicht getroffen. Solcher Feststellungen hätte es aber bedurft, um in der Folge beurteilen zu können, ob es sich bei der Z GmbH um eine Person handelt, die nach der Verkehrsauffassung üblicherweise Bauleistungen erbringt.

31 Bei den im Revisionsfall offenbar vorliegenden Dachbodenausbauten kann auch ein Verkauf der Rohdachböden vorliegen und der Ausbau über Wunsch und Auftrag der künftigen Eigentümer erfolgen. Wenn das Bundesfinanzgericht diese Möglichkeit mit der Begründung ausschließt, dass "die Wohnungen bis heute noch nicht alle verkauft" seien, erweist sich auch diese Erwägung als unschlüssig. Dass bis "heute" noch nicht alle Wohnungen verkauft wurden, schließt es nicht aus, dass im Zeitpunkt der Leistungserbringung durch die Revisionswerberin hinsichtlich einzelner Wohnungen eine "Beauftragung (der Z GmbH) mit Bauleistungen" vorgelegen haben könnte.

32 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

33 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 Wien, am 27. Februar 2019

Gerichtsentscheidung

EuGH 62011CJ0395 BLV Wohn- und Gewerbebau VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017150067.L00

Im RIS seit

25.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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