TE Lvwg Erkenntnis 2018/12/10 LVwG-AV-1104/001-2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.12.2018

Norm

WRG 1959 §29 Abs1
AVG 1991 §59 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer im Verfahren über die Beschwerde von 1) A sowie 2) B GmbH, beide vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 11. September 2018, ***, betreffend Erlöschen eines Wasserbenutzungsrechtes, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung

A)   beschlossen:

Das Verfahren wird, soweit es sich auf den über die Bekämpfung der Erfüllungsfrist hinausgehenden Teil der Beschwerde bezieht, eingestellt.

und

B)   zu Recht erkannt:

Die Frist zur Durchführung der mit dem angefochtenen Bescheid aufgetragenen Maßnahmen (letztmaligen Vorkehrungen einschließlich Erfüllungsnachweis mittels Fotodokumentation) wird mit einem Zeitraum bis zum 31. Dezember 2023 festgelegt.

Gegen diese Entscheidung (Teil A und B) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 27, 28 Abs. 1 und 2 sowie 31 Abs. 1 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F.)

§ 59 Abs. 2 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.g.F.)

§ 29 Abs. 1 WRG 1959 (Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 i.d.g.F.)

§ 25a VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr.10/1985 i.d.g.F.)

Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 i.d.g.F.)

Entscheidungsgründe

1.   Angefochtener Bescheid

Mit Bescheid vom 11. September 2018, ***, stellte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt unter Spruchteil II. das Erlöschen des unter Postzahl *** des Wasserbuches für den Verwaltungsbezirk Wiener Neustadt eingetragenen Wasserbenutzungsrechtes für eine Wasserversorgungs-anlage fest und verpflichtete A und die B GmbH dazu, folgende Maßnahmen bis zum 31. März 2019 zu treffen:

„1. Die Baulichkeiten dieser Wasserversorgungsanlage sind zur Gänze wie folgt

zu entfernen:

a) Beim Brunnen auf dem Grundstück Nr. *** KG ***,

b) beim Hochbehälter auf dem Grundstück Nr. *** KG *** und

c) beim Quellfassungsbauwerk auf dem Grundstück Nr. *** KG ***
sind jene Bauteile, die das Bodenniveau überragen, zu entfernen.

2. Die unter 1.a) bis c) genannten Anlagenteile sind mit gut durchlässigem Schot-

termaterial zu verfüllen und eine Oberflächendeckung mit Humus samt Begrü-

nung ist vorzunehmen.

Die Vorkehrungen sind bis spätestens 31.03.2019 durchzuführen und der Behörde mittels Fotodokumentation nachzuweisen.“

2.   Beschwerde

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des A und der B GmbH vom 9. Oktober 2018, mit welcher die Anordnung der oben angeführten letztmaligen Vorkehrungen zunächst in vollem Umfang bekämpft wurde. Im Wesentlichen stützt sich die Beschwerde einerseits auf das Argument, dass die aufgetragenen Maßnahmen im Lichte der Zielsetzungen des § 29 Abs. 1 WRG 1959 nicht erforderlich seien, andererseits auf die beabsichtigte Nutzung der Wasseranlagen im Rahmen einer bewilligungsfreien Nutzung im Sinne des § 10 Abs. 1 WRG 1959.

3.   Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 5. Dezember 2018 eine mündliche Verhandlung durch, bei der Feststellungen zur derzeitigen Nutzung der Liegenschaften der Beschwerdeführer getroffen, ein Lokalaugenschein durchgeführt und ein wasserbautechnischer Amtssachverständiger befragt wurden. Die Beschwerdeführer schränkten bei der Verhandlung schließlich ihr Rechtsmittel auf die Bekämpfung der Erfüllungsfrist ein.

4.   Erwägungen des Gerichts

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

4.1. Feststellungen und Beweiswürdigung

Die unter PZ *** des Wasserbuches für den Verwaltungsbezirk Wiener Neustadt eingetragenen Wasserversorgungsanlagen dienten zuletzt dem Betriebsanlagenkomplex „***“ zur Nutzwasserversorgung. Eine Betriebstätigkeit oder Nutzung zu Wohnzwecken findet derzeit schon aufgrund des baufälligen Zustandes der Gebäude nicht statt. Die Eigentümer beabsichtigen künftig eine Reaktivierung bzw. Verwertung der Liegenschaften und möchten die Option zur Nutzung der bestehenden Wasserversorgungsanlagen wahren. Dem stünden die von der belangten Behörde angeordneten Maßnahmen, die auf eine Zerstörung der wesentlichen Anlagenteile hinauslaufen, entgegen.

Deren Durchführung (im Wesentlichen: Abtragen der oberirdischen Anlagenteile bei Brunnen, Hochbehälter und Quellfassungsbauwerk; Verfüllung der Hohlräume und Rekultivierung der Oberfläche) ist – unter Berücksichtigung einer angemessenen Vorbereitungszeit – binnen weniger Monate technisch möglich.

Diese Feststellungen resultieren aus den Akten der belangten Behörde, dem Vorbringen der Beschwerdeführer, den Wahrnehmungen beim gerichtlichen Lokalaugenschein und den Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen; sie sind allesamt unstrittig. Dass die Beseitigung der in Rede stehenden Teile der Wasserversorgungsanlage inklusive Rekultivierung innerhalb weniger Monate möglich wäre, ist evident. Der Amtssachverständige hat – unter Berücksichtigung von gegenwärtigem Anlagenzustand und beabsichtigter Erhaltung zur allfälligen weiteren Nutzung – eine längere Fristsetzung (bis zu fünf Jahren) zur Ermöglichung einer Weiterverwendung von Anlagenteilen aus technischer Sicht für vertretbar erachtet; darauf wird bei der rechtlichen Beurteilung einzugehen sein.

4.2. Anzuwendende Rechtsvorschriften

WRG

§ 29. (1) Den Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes hat die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde festzustellen und hiebei auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat.

(…)

VwGVG

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(…)

 

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(…)

AVG

§ 59. (1) Der Spruch hat die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages gelten Einwendungen als miterledigt. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden.

(2) Wird die Verbindlichkeit zu einer Leistung oder zur Herstellung eines bestimmten Zustandes ausgesprochen, so ist im Spruch zugleich auch eine angemessene Frist zur Ausführung der Leistung oder Herstellung zu bestimmen.

VwGG

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Art. 133 (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(…)

4.3. Rechtliche Beurteilung

In Folge der (teilweisen) Zurückziehung der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht (insoweit) seine Zuständigkeit zur meritorischen Erledigung verloren (vgl. dazu die auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren anzuwendende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zB VwGH 06.05.1971, 227/70). Das auf Grund der Beschwerde anhängige Verfahren ist daher insoweit mit Beschluss gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen (vgl. zB VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

Da die Beschwerde nunmehr lediglich in Bezug auf die Erfüllungsfrist der Verpflich-tung zur Durchführung letztmaliger Vorkehrungen aufrecht ist, hat das Gericht (nur) darüber zu entscheiden; die Überprüfung der angeordneten Maßnahmen selbst obliegt ihm nicht (mehr). Da das Gericht grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen hat (vgl. VwGH 1.7.2015, Ra 2014/12/0013), muss die Erfüllungsfrist den Anforderungen der Angemessenheit im Entscheidungszeitpunkt entsprechen. Maßstab hiefür ist grundsätzlich der – unter objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende – Zeitbedarf für den Leistungspflichtigen unter Anspannung all seiner Kräfte der Lage des konkreten Falles nach (zB VwGH 24.4.2003, 2000/07/0247). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu §138 WRG 1959 ist allerdings bei gewässerpolizeilichen Aufträgen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. VfSlg 13587/93, VfSlg 14489/96) eine Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und der Adäquanz vorzunehmen, und zwar im Sinne einer objektiven Zumutbarkeit aufgrund der Verhältnismäßigkeit von Mitteleinsatz und "Erfolg" (vgl. zuletzt VwGH 23.07.2018, Ra 2018/07/0372). Dies scheint – schon aufgrund eines Größenschlusses (ist doch im Gegensatz zu konsenslosen Neuerungen mit dem Erlöschen eines Wasserbenutzungsrechtes selbst keine Übertretung des Gesetzes verbunden) – auch auf die Vorschreibung letztmaliger Vorkehrungen gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 und die mit der Festsetzung der Erfüllungsfrist dabei verbundene Ermessensübung übertragbar. In Anwendung dieser Überlegung hält es das Gericht für gerechtfertigt, die vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen aufgrund eines Lokalaugenscheins und der Erörterung mit den Beschwerdeführern (respektive deren Rechtsvertreter) vorgeschlagene fünfjährige Frist einzuräumen. Diese soll den Beschwerdeführern die Gelegenheit bieten, die Wasserversorgungsanlagen bzw. deren wesentlichen Teile für eine Reaktivierung in absehbarer Zeit zu erhalten, indem die Zerstörung noch brauchbarer Anlagen für einen vertretbaren Zeitraum zunächst aufgeschoben wird. Freilich werden die Beschwerdeführer (bzw. ihre Rechtsnachfolger) gegebenenfalls rechtzeitig eine neuerliche wasserrechtliche Bewilligung zu erwerben haben, welche einer Vollstreckung der gegenständlichen Anordnungen nach Fristablauf entgegenstünde. Für eine bewilligungsfreie Nutzung träfe dies nach Auffassung des Gerichts dann zu, wenn diese tastsächlich (im Rahmen des § 10 Abs. 1 WRG 1959) erfolgte. Die bloße abstrakte Möglichkeit, eine für andere Zwecke errichtete Brunnenanlage auch für einen „Haus- und Wirtschaftsbedarf“ im Sinne des Gesetzes heranzuziehen, der – wie gegenwärtig in der vorliegenden Situation – gar nicht existiert und auch nicht unmittelbar konkret absehbar ist, kann demgegenüber weder der Anordnung noch der Vollstreckung angeordneter letztmaliger Vorkehrungen entgegenstehen.

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Instandhaltungsverpflichtung nach § 50 WRG 1959 zum Schutz fremder Rechte und öffentlicher Interessen bis zur vollständigen Erfüllung der angeordneten letztmaligen Vorkehrungen aufrecht bleibt (vgl. VwGH 23.2.2012, 2010/07/0039).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung war im Zusammenhang mit dieser Entscheidung nicht zu lösen, ging es doch um die Anwendung einer durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärten Rechtslage bzw. um die einzelfallbezogene Ausübung des Ermessens im Rahmen der Fristsetzung unter Anwendung der aus der Judikatur resultierenden Grundsätze. Die ordentliche Revision (Art. 133 Abs. 4 B-VG) gegen diese Entscheidung ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; wasserrechtliche Anlage; letztmalige Vorkehrungen; Verfahrensrecht; Zurückziehung; Einstellung; Leistungsfrist;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1104.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten