TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/5 96/16/0176

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Veröffentlicht am 05.07.1999
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;
35/04 Zolltarifgesetz Präferenzzollgesetz;
39/04 Zollabkommen;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §177 Abs1;
NomenklaturKonv Zolltarifschema 1960;
ZollG 1988 §7 Abs3;
ZollG 1988 Zolltarif;
ZTG 1988 §4;
ZTG 1988 §5;
ZTG 1988 §6;
ZTG 1988 Zolltarif;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. Gabriel Lansky, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Juni 1996, Zl. GA 13 - 7/St-202/1/95, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Spediteur meldete am 18. März 1992 auf dem Einheitspapier (WE-Nr. 100-814.918/02/2) 780 Eimer Champignons aus dem Ursprungsland Niederlande zur Verzollung an. Als Warennummer wurde "200310 111 A7" angegeben. Angeschlossen wurden die Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 Nr D921049 vom 16. März 1992 und eine Rechnung. Weitere Angaben über die Beschaffenheit der Ware gehen aus der Anmeldung nicht hervor. Die Anmeldung wurde zollamtlich am 18. März 1992 geprüft und die Konformität bestätigt. Mit Bescheid vom 9. April 1992 erfolgte die Abgabenfestsetzung. Unter Heranziehung der angemeldeten Warennummer wurde der Zollsatz mit S 370,-- pro 100 kg festgesetzt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer, der Empfänger der Ware war, Berufung. Die Ware sei unrichtigerweise in die genannte Warennummer eingereiht worden. Voraussetzung für die Einreihung in diese Warennummer wäre nämlich eine luftdichte Verpackung, welche im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen sei. Die Champignons seien in Plastikkübel verpackt gewesen, welche mit einer Plastikfolie verschlossen gewesen seien. Diese Plastikfolie habe nicht einem luftdichten Verschluss, sondern einzig zur Verhinderung des Überschwappens der in einem wässrigen, kochsalzhältigen Aufguss befindlichen, blättrig geschnittenen Champignons gedient. Um den Anschein einer luftdichten Verpackung von vornherein auszuschließen, sei bereits vom holländischen Absender diese Plastikfolie mit Löchern versehen worden. Richtigerweise hätten die Champignons in die Warennummer 200310 112 A4 eingereiht werden und ein Zollsatz von S 75,-- pro 100 kg zur Anwendung gelangen müssen.

Mit der Berufung legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des niederländischen Absenders der Ware vom 20. Mai 1992 vor. Dieses lautet:

"Hiermit bestätigen wir Ihnen, dass die Eimer mit Champignons

(Halbkonserven) die von Konservenfabriek .... B.V. nach Österreich

geliefert wurden und werden, mit Plastikfolie zugeschweißt sind, die von einen oder mehreren Löchern versehen wurden. Diese Verpackung ist also nicht luftdicht verschlossen."

Mit freundlichen Grüssen,

Conservenfabriek ... B.V.

P. van L."

Eine Unterschrift enthielt dieses Schreiben nicht.

Das Zollamt hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. Dezember 1993 vor, die Überprüfung einer vorgelegten Warenprobe (Champignons in einem Kunststoffeimer, dessen Öffnung mit einem Kunststoffdeckel verschlossen ist) habe ergeben, dass am Rand der Eimeröffnung eine Klarsichtsiegelfolie eingeschweißt war. Die Verbundfolie, die in einem aufwendigen Verfahren aufgebracht (aufgeschweißt) worden sei, sei zerstört und somit der ursprünglich luftdichte Zustand des Gebindes in den nicht luftdichten Zustand überführt worden. Eine derartige Zerstörung der Abdeckfolie sei im Hinblick auf deren Hochwertigkeit nicht als übliches Charakteristikum derartiger Verpackungen anzusehen. Es sei davon auszugehen, dass die Beschädigung der Umschließung (auch in Form einer Durchlochung der beschriebenen Kunststofffolie) ein rasches Verderben des Packgutes, insbesondere bei nicht winterlichen Temperaturen, begünstige und somit als unerwünschte Beschädigung anzusehen sei. Die beantragte Tarifierung sei trotz innerer Beschau von den Abfertigungsbeamten anerkannt worden und sei das Vorhandensein von Löchern in der Abdeckfolie in der (hier nicht gegenständlichen) Anmeldung vom 25. August 1992 vom Zollorgan in Abrede gestellt worden. Daher liege ein Nachweis im Sinne des § 250 Abs. 2 BAO hinsichtlich der Übereinstimmung der vorgelegten Warenprobe mit den Waren aus der beeinspruchten Sendung sowie deren Unverändertheit nicht vor. Für den Abfertigungsbeamten habe kein Zweifel an der vom Anmelder erklärten Warennummer bestanden.

In seiner Stellungnahme dazu erklärte der Beschwerdeführer, dass die Zollbehörde nur jenen Tarif berechnen könne, der dieser Ware bei Überschreiten der Grenze tatsächlich entspreche. Darüber hinaus sei der Nachweis erbracht worden, dass bereits vom Beginn des Transportes an die Absicht des Absenders und des Empfängers vorgelegen sei, keine luftdichte Verpackung zu verwenden. Die durchlöcherte Plastikfolie diene lediglich der Verhinderung des Überschwappens. Die vorgenommene Art der Konservierung in einer kochsalzhaltigen Lösung widerspreche der Konservierungsmethode durch luftdichten Verschluss. Abermals wurde das Schreiben des Absenders vom 20. Mai 1992 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die Anbringung der Löcher nach erfolgtem Schweißvorgang die zweckentsprechendste Methode gewesen sei.

Ein vom Zollamt herangezogener Amtssachverständiger der belangten Behörde (TUA) führte in seinem Gutachten vom 30. März 1994 aus, dass die behauptete Methode des Abpackvorganges von Champignons in einem wässrigen, koch- und milchsäurehaltigen Aufguss und Versiegelung der gefüllten Eimer mit einer hochwertigen Verbundfolie und anschließenden Beschädigung von diesen soeben aufgebrachten Verschlussfolien in technologischer Hinsicht als unüblich erscheine, da auch eine intakte Siegelfolie ein allfälliges Überschwappen des Eimerinhaltes verhindern würde. Es bestehe die technologische Möglichkeit, Gemüse mit Kochsalz bzw. in Salzlake haltbar zu machen; nach den hier durchgeführten Untersuchungen liege jedoch der Kochsalzgehalt der vorgelegten Proben im Bereich um nur ca. ein Gewichtsprozent und diese Kochsalzmengen würden in sich keine ausreichende konservierende Wirkung gewährleisten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 24. März 1995 wies das Hauptzollamt Wien die Berufung als unbegründet ab. Entscheidend sei der Zustand der Ware im Zeitpunkt des Grenzübertrittes; diesbezüglich sei kein Nachweis erbracht worden. Die Stellungnahme der technischen Untersuchungsanstalt habe ergeben, dass der Kochsalzgehalt der Ware keine ausreichende Konservierung gewährleiste, sodass der Argumentation betreffend des Widerspruches zwischen Verpackung in einer luftdichten Umschließung und der Konservierung in einer kochsalzhaltigen Lösung nicht befolgt werden könne. Die bei der Anmeldung angegebene Warennummer sei vom Abfertigungsbeamten unwidersprochen geblieben; anlässlich einer Anmeldung vom 25. August 1992 sei eine innere Beschau durchgeführt und seien keine Löcher festgestellt worden. Die damals gegenständliche Ware (gleichfalls Eimer mit Champignons, die vom selben Absender an den Beschwerdeführer gesendet wurden) sei luftdicht verpackt gewesen. Dies wurde der im Schreiben vom 20. Mai 1992 wiedergegebenen Aussage des Erzeugers entgegen gehalten und weiters darauf hingewiesen, dass der Verschluss durch einen Kunststoffdeckel zur Hintanhaltung des Überschwappens der Salzlake ausreichen würde.

Nach dem Vorlageantrag durch den Beschwerdeführer wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab. Bei Untersuchungen durch die Technische Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung seien zwar Einschnitte in die Folie festgestellt wurden, diese seien aber als unbeabsichtigt und unerwünscht qualifiziert worden. Wenn der Anmelder dennoch die verfahrensgegenständlichen Champignons unter der Warennummer 200310 111 A7 mit der dort vorgesehenen höheren Zollbelastung erklärt habe, dann könne dies nur dahingehend interpretiert werden, dass er genau diese Warennummer auch erklären wollte.

Die amtswegige Ermittlungspflicht gemäß § 115 Abs. 1 BAO trete gegenüber der Mitwirkungspflicht der Partei bei Begünstigungsbestimmungen in den Hintergrund; hier ergebe sich die Begünstigung daraus, dass bei nicht luftdicht verschlossenen Champignons der günstigere Zollsatz von S 75.-- pro 100 kg zur Anwendung komme. Die nachträglich vorgelegte Bestätigung des Versenders könne "daran" nichts ändern, zumal aus mindestens einem aktenkundigen Fall ersichtlich sei, dass die Plastikfolien nicht immer durchlöchert waren.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Anwendung der Nummer 2003 Unternummer 10 B des Zolltarifes und in seinem Recht auf amtswegige Erforschung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unstrittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Einreihung der gegenständlichen Ware unter der Warennummer 2003 Unternummer 10 (Warenbezeichnung: "Pilze und Trüffeln, ohne Essig oder Essigsäure zubereitet oder haltbar gemacht"). Strittig ist die Einreihung beim handelsstatistischen Zusatz und EDV-Zusatz, ob die Einreihung unter 111 A 7 (Warenbezeichnung: In luftdicht verschlossenen Umschließungen mit einem Gewicht von 15 kg oder weniger") oder 112 A 4 (Warenbezeichnung: "Andere") erfolgen soll, also zunächst die Tatfrage, ob die gelieferten Champignons luftdicht verpackt waren oder nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwSlg. 6273/F und VwSlg. 6596/F) sind im Interesse der Rechtssicherheit und der Messbarkeit des Verwaltungshandelns die Waren grundsätzlich nach ihrer objektiven Beschaffenheit in den Zolltarif, der als international verbindliches Warenverzeichnis für die Signatarstaaten der Konvention über das Zolltarifschema für die Einreihung der Waren in die Zolltarife (BGBl. Nr. 1960/103) die Grundlage für die Einreihung der weltweit gehandelten Waren bildet, eingeordnet. Es kommt also grundsätzlich auf an der Ware selbst feststellbare objektive Merkmale an.

Der Zolltarif verwendet, soweit wie möglich, einfache und klare Unterscheidungsmerkmale, die es dem abfertigenden Zollbeamten wie dem Anmelder der Waren ermöglichen, an der Ware selbst die für die Einreihung maßgebenden Merkmale festzustellen. Diesem Anliegen dienen Begriffe wie z.B. im Streitfall "In luftdicht verschlossenen Umschließungen mit einem Gewicht von 15 kg oder weniger", die eine rasche Überprüfung bei der Verzollung ermöglichen und anderseits die Hinzuziehung von Sachverständigen erübrigen. Werden diese Feststellungen von versierten und erfahrenen Zollbeamten getroffen, die allgemein in der zolltariflichen Warenkunde sehr gut ausgebildet sind, erübrigt sich idR die Hinzuziehung eines Sachverständigen im Zuge der Abfertigung der Waren zum freien Verkehr.

Zur Klärung der in Streit gezogenen Tarifierung liegen als Beweismittel das Ergebnis einer inneren Beschau bezüglich einer Lieferung vom 25. August 1992, die Untersuchungen von Warenproben betreffend andere Lieferungen, ein Sachverständigengutachten über die Konservierungsmöglichkeit und ein Schreiben des Absenders vor. Die belangte Behörde geht aufgrund dieser Beweisergebnisse offenbar - eindeutige Feststellungen fehlen - davon aus, dass die Ware luftdicht verpackt abgesendet wurde, und dass allfällige Durchlöcherungen unbeabsichtigt und unerwünscht aufgetreten seien. Dem liegt eine durchaus schlüssige und nachvollziehbare Beweiswürdigung zugrunde. Vor allem hat der Anmelder selbst die Luftdichtheit durch die von ihm vorgeschlagene Einreihung bekundet; das nicht unterfertigte Schreiben des Absenders, wonach die Plastikfolien mit einem oder mehreren Löchern versehen worden seien, wird durch die Sachverständigenäußerung überzeugend widerlegt. Der Inhalt des Gutachtens wurde dem Beschwerdeführer in der Berufungsvorentscheidung vorgehalten, er hat im Vorlageantrag dem nichts entgegen gehalten. Es steht also auch für den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Schlüssigkeitsprüfung fest, dass die Champignons stets luftdicht verpackt abgesendet wurden.

Dass die Verpackung bei allen Verpackungseinheiten im Zeitpunkt des Grenzübertrittes unbeschädigt und damit luftdicht gewesen wäre, stellt die Behörde allerdings nicht fest, sondern geht unter Hinweis auf vergleichbare Abfertigungen davon aus, dass zufällige und unerwünschte Beschädigungen vorlagen.

Die Relevanz solcher Veränderungen der Beschaffenheit der Ware ist an Hand des § 7 Abs. 3 ZollG 1988 zu werten. Danach ist für zollhängige Waren, die nur infolge natürlicher Einflüsse, durch Zufall oder höhere Gewalt ihre tarifmäßige Art und Beschaffenheit oder ihr Gewicht ändern, dieser geänderte Zustand für die weitere Zollbehandlung maßgebend.

Dieser Tatbestand erfasst somit genau den Fall, in dem beim Transport eine tariflich relevante Veränderung der Beschaffenheit eintritt, ohne dass dies vom Absender oder vom Empfänger gewünscht bzw. beabsichtigt gewesen wäre. Wenn im vorliegenden Fall die Verpackung Durchlöcherungen aufweist, wo auch immer diese Durchlöcherungen herrühren und wie auch immer sie beschaffen sind, ist die Luftdichtheit nicht mehr gegeben, was bei der Tarifierung zu beachten ist.

Dadurch, dass die belangte Behörde entgegen § 7 Abs. 3 ZollG 1988 nicht vom Zustand der Ware im Zeitpunkt des Grenzübertrittes ausging und bloß feststellte, dass die Ware beim Absender luftdicht verpackt war, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. An der durch Rückschlüsse aus dem Zustand bei der Anmeldung zu treffenden Feststellung des Zustandes beim Grenzübertritt wird die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers in besonderem Maße zum Tragen kommen.

Die in diesem Zusammenhang geäußerte Rechtsauffassung der belangten Behörde, der vom Beschwerdeführer gewünschte ermäßigte Zollsatz der Warennummer 200310 112 A 4 stellte eine Begünstigung dar, weshalb die amtswegige Ermittlungspflicht in den Hintergrund trete, kann allerdings nicht geteilt werden. Allein deshalb, weil der gewünschte Zollsatz niedriger ist, kann von einer "Begünstigung" (vgl etwa §§ 4 bis 6 ZolltarifG) noch keine Rede sein.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der dortige Pauschalsatz deckt auch die Umsatzsteuer ab. Wien, am 5. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996160176.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

02.01.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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