TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/16 W248 2207504-1

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Veröffentlicht am 16.10.2018
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Entscheidungsdatum

16.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §16 Abs4
BFA-VG §17
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W248 2207504-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. NEUBAUER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2018, Zl. XXXX - XXXX , zu Recht:

A)

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1 Verfahrensgang

1.1 Erster Antrag auf internationalen Schutz:

XXXX , geb. XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer), StA. Afghanistan, stellte am 18.10.2015 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seinen Fluchtgründen machte der Beschwerdeführer folgende Angaben:

"Meine Mutter sagte dass sie Afghanistan damals aus Angst vor den Taliban verlassen. Ich selbst war nie in Afghanistan. Den Iran habe ich verlassen, weil ich dort keine Dokumente hatte und die Afghanen dort schlecht behandelt werden."

In der Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer am 01.07.2016, zu seinem Fluchtgrund befragt, nach der ausdrücklichen Aufforderung, dies möglichst lebensnah, d.h. mit sämtlichen Details und Informationen, zu schildern und sich dafür ruhig Zeit zu nehmen, Folgendes an:

"Ich hatte Schwierigkeiten im Iran und habe gesehen dass es mehr wurde. Ich war illegal dort. Ich habe Schwierigkeiten, ich habe keine Dokumente, es gab keine Schule. Was soll ich noch großartig erklären. Wenn die Polizei jemanden aufgegriffen haben wurden sie geschlagen oder nach Afghanistan abgeschossen, oder nach Syrien zum Kämpfen. In meiner Stadt gab es auch Gegenden wo man als Afghane nachts geschlagen wird, wenn man sich dort aufhält.

Auf die Frage, ob er somit alle seine Gründe für die Asylantragstellung genannt habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass das alle Gründe seien, mehr könne er nicht dazu angeben.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) vom 11.01.2017, Zl. XXXX / XXXX , wurde der Antrag vom 18.10.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG. iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei.

Gemäß § 55 Absatz 1-3 FPG betrug die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Verfahrens (Spruchpunkt IV).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2017, Zl. XXXX , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12.12.2017, XXXX , wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.

Der Beschwerdeführer blieb trotz rechtskräftiger Ausweisung nach Afghanistan illegal in Österreich.

1.2 Zweiter (gegenständlicher) Antrag auf internationalen Schutz

Der Beschwerdeführer stellte am 02.07.2018 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Im Zuge der Befragung zu diesem Folgeantrag am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, er habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen könnten. Er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen.

Auf die Frage, warum er jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag stelle und was sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber seinem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat - verändert habe, erläuterte der Beschwerdeführer, er habe in der ersten und zweiten Einvernahme nicht immer die Wahrheit gesagt, aber jetzt werde er die Wahrheit sagen. Er habe in seiner ersten Einvernahme gesagt, dass sein Vater tot sei, in Wahrheit sei er jedoch am Leben. Seine gesamte [Familie] lebe in Quom/Iran. Er sei auch in Mashad/Iran geboren. Er habe dort das Land verlassen, weil er nicht nach Afghanistan zurückkehren wollte. Deshalb habe er entschieden, nach Europa zu gehen, um hier ein besseres Leben zu haben. Er sei krank, er habe Probleme mit dem Gehör. Er könne nun nicht mehr nach Afghanistan gehen, weil er niemanden mehr dort habe. Außerdem habe er Angst. Als er damals den Iran verlassen habe, seien seine Dokumente abgelaufen. Er könne nun weder im Iran noch in Afghanistan leben.

Auf ausdrückliche Nachfrage bestätigte der Beschwerdeführer, dass er damit alle Ausreise-, Flucht- oder Verfolgungsgründe genannt habe.

Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, erklärte der Beschwerdeführer abermals, er habe niemanden dort und es könne sein, dass er getötet werde. Seine gesamte Familie sei im Iran. Konkrete Hinweise, dass ihm bei seiner Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen könnte oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, gebe es nicht.

Mit Verfahrensanordnung vom 13.07.2018 des BFA gem. § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass seitens des Bundesamtes die Absicht bestehe, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Diese Verfahrensanordnung wurde vom Beschwerdeführer am 14.07.2018 übernommen.

Am 16.08.2018 wurde der Beschwerdeführer durch einen Organwalter des BFA, in Anwesenheit eines Rechtsberaters sowie eines beeideten Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen. Dabei erklärte er, seine Muttersprache sei Dari. Er spreche auch sehr gut Farsi, ganz wenig Englisch und etwas Deutsch, letzteres jedoch nicht so gut, dass die Einvernahme auf Deutsch geführt werden könnte.

Der Beschwerdeführer erklärte weiters, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren. Er sei nicht krank, aber ein wenig schwerhörig. Wenn er leise spreche, könne er sich nicht gut hören. Deshalb müsse er etwas leiser sprechen. Er sei dahingehend bereits im Iran operiert worden, und eine weitere Operation habe in Österreich im Jahre 2018 stattgefunden; er stehe nun nicht mehr in ärztlicher Betreuung und/oder Behandlung bzw. Therapie. Bei einem Arzt sei er zuletzt im Mai 2018 gewesen.

Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an, sei ledig und habe keine Kinder. Seine Familie (Eltern, 2 Schwestern und 1 Bruder) würden nach wie vor in der Stadt Quom in Teheran leben. Seinen Familienangehörigen gehe es gesundheitlich gut, und er habe zuletzt am Tag vor der Einvernahme sowie am Tag davor mit seiner Mutter Kontakt gehabt.

In Österreich gehe er keiner Arbeit bzw. Beschäftigung nach und habe hier weder Verwandte noch sonstige enge soziale Bindungen, aber viele Freunde und Bekannte.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende Dokumente vor:

* Tazkira

* iranischer Impfpass (2 Teile)

* iranische Arbeitserlaubnis

* iranische Aufenthaltskarte

* 2 iranische Schulzeugnisse [2. Und 3. Klasse]

* Ärztlicher Entlassungsbrief vom LK Neunkirchen [stationärer Aufenthalt vom 04.05.2018-08.05.2018]

* Ärztlicher Entlassungsbrief von UniKlinikum St. Pölten vom 01.04.2018

* Bestätigung der Mentor Management-Entwicklung-Organisation GmbH & Co. OG vom 01.08.2018, über den Antritt des Beschwerdeführers zur schriftlichen (31.07.2018) und mündlichen (01.08.2018) ÖSD-A2-Prüfung

Einen Reisepass oder eine ID Card habe er nie besessen.

Der Beschwerdeführer erklärte, er habe Deutsch gelernt (Deutsch A2 abgeschlossen) und ein Jahr ehrenamtlich und freiwillig gearbeitet. Er habe Kontakt zu Österreichern und Österreicherinnen und spiele Fußball. Bei einem Verein oder einer sonstigen Organisation sei er nicht tätig.

Zu seinen Fluchtgründen bzw. zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung machte der Beschwerdeführer nach der ausdrücklichen Aufforderung, chronologisch, wahrheitsgemäß und detailreich sowie in freier Erzählung zu schildern, folgende Angaben:

"Von Afghanistan weiß ich gar nichts. Ich habe nie in Afghanistan gelebt. Viele meiner Freunde und Bekannte von Iran sind ausgereist und sind nach Europa gekommen. Ich habe mich auch dafür entschieden nach Europa zu reisen. Ich habe etwas gespart von meiner Arbeit. Ich bin nach Österreich gekommen mit dem Flüchtlingsstrom. Es gab Polizei und da habe ich einen Asylantrag gestellt. Ich habe einen Dolmetscher beim Hauptbahnhof getroffen und ihn gefragt wegen Asylantragstellung. Wie der Ablauf so wäre. Er sagte es gibt eine Einvernahme und ich solle dort alles einbringen was ich zu sagen habe. Nach einem halben Jahr würde ich Dokumente bekommen und dann könnte ich in den Iran reisen. Bei der Einvernahme solle ich sagen dass mein Vater getötet worden ist und dass ich im Iran illegal aufhältig war. Oder ich sollte sagen dass iranische Behörde mich nach Syrien in den Krieg schicken will, dann bekomme ich Dokumente bzw. Aufenthaltsgenehmigung. Dann habe ich mir etwas ausgedacht und gesagt, aber danach habe ich mich dazu entschlossen die Wahrheit zu sagen. [...] Ich habe niemanden in Afghanistan. Ohne eine Unterstützung in Afghanistan kann ich nicht leben. In den Iran kann ich auch nicht zurück. Mein Aufenthalt im Iran wurde bereits beendet. Wenn man 1 oder 2 Mal nicht bei der Aufenthaltsgenehmigung dabei ist, dann bekommt man nie wieder die Aufenthaltsgenehmigung vom Iran."

Auch auf ausdrückliche Nachfrage, ob es jemals irgendwelche andere Probleme, außer den genannten, mit privaten Personen, Personengruppen, Banden oder kriminellen Organisationen, gegeben habe, oder ob es sonstige den Beschwerdeführer betreffende Schwierigkeiten gebe, die noch nicht zur Sprache gekommen seien, erklärte der Beschwerdeführer, dass all dies nicht der Fall sei. Er habe alles gesagt.

Befragt zu den Gründen, warum seine Familie Afghanistan verlassen hat, präsentierte der Beschwerdeführer ein Voicemail, von dem er angab, dass er es am 04.07.2018 von seinem Vater erhalten habe. Dieses Voicemail wurde vorgespielt und vom Dolmetscher übersetzt. Es hat folgenden Inhalt:

"Wir haben Afghanistan verlassen wegen Krieg zwischen Russischen und Afghanischen Rebellen. Im Jahr 1374 (1995) wurden wir nach Afghanistan abgeschoben. Wir haben 3 Jahre in Afghanistan gelebt. Der Taliban kam an die Macht. Es gab wieder Krieg und wir mussten wieder Afghanistan verlassen. Seitdem leben wir im Iran. Zuerst haben wir 1 Jahr in Teheran gelebt, dann haben wir eine Aufenthaltsgenehmigung genommen, seitdem leben wir in der Stadt Quom."

Der Beschwerdeführer wurde an die von ihm übernommene Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG 2005 erinnert und ihm die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. Er gab folgende Erklärung ab:

"Ich kenne die afghanische Gesellschaft nicht, weil ich im Iran ausgewachsen bin. Meine gesamte Familie und Verwandten leben im Iran. Ich habe niemanden in Afghanistan."

Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr ins Heimatland Afghanistan befürchte, erklärte der Beschwerdeführer:

"Ich weiß es nicht wo soll ich hingehen in Afghanistan. Ich weiß nicht was mit mir passieren wird. Vl werde ich getötet. Ich weiß es nicht. Vl werde ich auch wegen meiner Volksgruppe Probleme bekommen."

In die aktuellen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA Afghanistan samt den darin enthaltenen Quellen wollte der Beschwerdeführer trotz ausdrücklicher diesbezüglicher Aufforderung weder Einsicht noch dazu Stellung nehmen, weil er nicht nach Afghanistan zurück möchte.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 24.09.2018, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.01.2017 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt und wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 26.09.2018 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der XXXX als Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid des BFA vom 26.09.2018, Zl. XXXX - XXXX , welcher dem Beschwerdeführer am 27.09.2018 zugestellt wurde, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den XXXX , mit Schreiben vom 08.10.2018 fristgerecht Beschwerde, welche mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden war. Eine Vollmacht für den XXXX war bereits am 07.06.2017 erteilt worden.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen das Vorliegen der entschiedenen Sache bestritten.

Der Bescheid des BFA wurde zur Gänze, somit in seinen Spruchteilen l., II., III., IV., V. und VI. angefochten. Geltend gemacht wurden unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung.

In der Beschwerde wird u.a. vorgebracht, der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme ausführlich erklärt, worin die neu entstandenen Verfolgungsmomente bestehen. Außerdem sei er aus Afghanistan völlig entwurzelt, auch wegen der von ihm entwickelten westlichen Lebensanschauung und sei nicht in der Lage, eine menschenwürdige Existenz zu führen. Aufgrund der Verschlechterungen der Lage in Afghanistan und seiner Verwurzelung in Österreich habe der Beschwerdeführer daher einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stellen müssen. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei nunmehr eine wesentlich schlechtere und die persönliche Situation des Beschwerdeführers eine völlig andere, da er keine relevanten Anknüpfungspunkte in seiner Heimat mehr habe, die ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative bzw. menschenwürdige Existenz ermöglichen würden, und er auch Gründe seine Integration betreffend vorgebracht habe, die beurteilt werden hätten müssen.

Aus den Länderberichten gehe im Übrigen hervor, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers glaubwürdig ist.

Zur gegenwärtigen Situation in Afghanistan sei festzustellen, dass aus den Länderberichten hervorgehe, dass gravierende Veränderungen seit der Entscheidung des ersten Asylverfahrens des Beschwerdeführers vorliegen würden, wie vom Beschwerdeführer in der Einvernahme "ausführlich erklärt und mit Beweismitteln unterlegt" worden sei.

Das Bundesamt begnüge sich diesbezüglich mit einem lapidaren Verweis darauf, dass sich die maßgebliche allgemeine Lage im Herkunftsland nicht geändert habe, ohne tatsächlich eine inhaltliche Beurteilung der aktuellen Lage in Afghanistan zu treffen. Dem Bescheid hafte daher ein Begründungsmangel an.

Der Bescheid des BFA sei auch mangelhaft, weil keine aktuellen Recherchen im Heimatstaat des Beschwerdeführers stattgefunden hätten, sodass eine Verletzung des Willkürverbotes nach Art. 7 B-VG bzw des Verbotes der Ungleichbehandlung Fremder untereinander gemäß Art. I des BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung vorliege.

Hinsichtlich der vorgebrachten Fluchtgründe des Beschwerdeführers habe keinerlei erkennbare Beurteilung seitens des Bundesamtes stattgefunden, und daher könne unmöglich ungeschaut angenommen werden, das Vorbringen enthalte keinen glaubwürdigen Kern, der eine Neubeurteilung erforderlich mache, und es liege daher ein Begründungsmangel im angefochtenen Bescheid vor.

Zur Asylrelevanz des Vorbringens des Beschwerdeführers sei festzustellen, dass insbesondere in Fällen wie dem des Beschwerdeführers weder eine Schutzwilligkeit noch eine Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden gegeben sei.

Nach ständiger Judikatur könne auch einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung Asylrelevanz zukommen, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden.

Auch wenn kein Staat jeden Übergriff Dritter verhindern könne, sei die Frage zu beantworten, ob im Fall des Beschwerdeführers eine Verfolgung entsprechender Intensität aufgrund von Konventionsgründen durch Dritte mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.

Der Verwaltungsgerichtshof habe beispielsweise in seiner Entscheidung 2011/23/0064 erkannt: "Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat, oder ihm dieser Nachteil auf Grund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. Im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen".

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer auch eine Verfolgung durch den afghanischen Staat direkt befürchte, treffe dies auf den Beschwerdeführer jedenfalls zu, da die afghanischen Behörden, wie die generell miserable Sicherheitslage verdeutliche, eine Schutzfähigkeit nicht gewährleisten könnten, auch seitens der islamistischen Terroristen.

Der behördlichen Ermittlungsverpflichtung sei nicht adäquat Rechnung getragen worden. Die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe des Beschwerdeführers sei ebenso falsch wie die Bewertung der Gefährdung, der er bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre, und ob er in Afghanistan eine zumutbare Existenz führen könnte. Die Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers seien wohl begründet, eine Abschiebung widerspreche Art. 2 und 3 der EMRK, und das BFA hätte daher jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren gehabt.

Auch hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers sei eine nur unzureichende Behandlung mit seinem Vorbringen erfolgt. Der Beschwerdeführer spreche bereits sehr gut Deutsch, und er habe sich in Österreich sehr gut eingelebt. Er sei selbsterhaltungsfähig und habe umfangreiche soziale und familiäre Kontakte in Österreich. Warum das Bundesamt das Gegenteil behaupte, sei nicht nachvollziehbar.

Der bloße Verweis des Bundesamtes auf die Aufenthaltsdauer könne die Integration des Beschwerdeführers in Österreich nicht entkräften, und könne jedenfalls alleine kein überzeugender Grund für eine Ablehnung der Schützenswürdigkeit des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers sein.

Die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei daher keiner adäquaten Beurteilung unterzogen worden, und tatsächlich hätte festgestellt werden müssen, dass eine Ruckkehrentscheidung einen Widerspruch zu Art. 8 und ebenso Art. 2 bzw. 3 EMRK darstellt.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass dem Bundesamt aus den genannten Gründen in keiner nachvollziehbaren Weise gelungen sei, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu widerlegen und dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachverhaltsänderungen sowie die Veränderungen in der Sicherheitslage in Afghanistan seit der Rechtskraft des Vorverfahrens nicht in die Beweiswürdigung eingeflossen seien.

Das Bundesamt beschränke sich in seiner Beweiswürdigung auf das Zitieren vorgeformter, formelhafter Textbausteine, ohne den Fall des Beschwerdeführers konkret zu beurteilen.

Den Erklärungen dazu fehle jeglicher Begründungswert. Das Vorbringen des Beschwerdeführers entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig und gründlich substantiiert.

Dem Beschwerdeführer drohe in seiner Heimat Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und es wäre ihm daher Asyl zu gewähren gewesen.

Der Beschwerdeführer beantragt in seiner Beschwerde,

* den Asylantrag des Beschwerdeführers inhaltlich zu behandeln;

* dem Beschwerdeführer Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen;

* allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren;

* allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die l. Instanz zurückzuverweisen;

* aufschiebende Wirkung zu gewähren;

* einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Afghanistan befasst;

* eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen;

* allenfalls einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen;

* allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären;

* allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Mit Schreiben vom 09.10.2018 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht den gegenständlichen Verfahrensakt vor. Dieser langte am 12.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein wurde am selben Tag der Gerichtsabteilung W248 zugewiesen.

Nach Einlangen der Beschwerde erstellte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Auszüge aus den Datenbanken des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister, des ZMR sowie des GVS und holte eine aktuelle Strafregisterauskunft ein.

2 Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.1 Feststellungen (Sachverhalt):

Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

2.1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger; seine Identität steht nicht fest. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem und spricht als Muttersprache Dari. Außerdem spricht er auch Farsi.

Der Beschwerdeführer ist in Mashad/Iran geboren und hat den größten Teil seines Lebens im Iran verbracht. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Es konnte kein Sachverhalt festgestellt werden, der auf eine physische bzw. psychische oder psychologische Erkrankung bzw. notwendige und im Afghanistan nicht durchführbare medizinische Behandlung hindeuten würde.

Der Beschwerdeführer hält sich seit (mindestens) 18.10.2015 - somit ca. 3 Jahre - in Österreich auf und verfügte abgesehen vom Aufenthaltsrecht im Rahmen seines Asylverfahrens nie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder Familienangehörige noch andere enge soziale Bindungen hat. Seine Eltern und Geschwister halten sich nach wie vor im Iran auf, er steht in ständigem Kontakt mit ihnen.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.

Eine nachhaltige, umfassende und fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers hat während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht stattgefunden. Bestätigungen über erfolgreich abgelegte Deutschprüfungen wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt, er ist aber zur Deutschprüfung A2 angetreten. Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er geht in Österreich keiner Berufstätigkeit nach, hat keine Beschäftigungsbewilligung und auch keine Einstellungszusagen.

Der Beschwerdeführer hört nicht sehr gut und wurde deshalb sowohl im Iran als auch in Österreich operiert. Er leidet an keinen nennenswerten Krankheiten oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen und befindet sich nicht in dauernder medizinischer Behandlung oder Therapie.

Im gegenständlichen Verfahren ergab sich keine maßgebliche Änderung in Bezug auf die in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Umstände. Eine maßgebliche Änderung wurde vom Beschwerdeführer in seinem zweiten Asylverfahren vor der belangten Behörde zudem nicht vorgebracht.

Zum Entscheidungszeitpunkt kann keine aktuelle, konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.1.2 Zum ersten Antrag auf internationalen Schutz:

Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 18.10.2015 seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz mit der Begründung, seine Mutter habe gesagt, dass sie Afghanistan damals aus Angst vor den Taliban verlassen hätten. Er selbst sei nie in Afghanistan gewesen. Den Iran habe er verlassen, weil er dort keine Dokumente gehabt habe und die Afghanen dort schlecht behandelt würden.

Mit Bescheid des BFA vom 11.01.2017, Zl. XXXX , wurde dieser Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan rechtskräftig abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Es wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft beträgt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.04.2017, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen.

Aufgrund einer gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltunsgerichts erhobenen Beschwerde stellte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.12.2017, XXXX , fest, dass der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.

Der Beschwerdeführer blieb trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung illegal im Bundesgebiet aufhältig.

2.1.3 Zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz:

Am 02.07.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz mit der Begründung, im ersten Asylverfahren gelogen zu haben. Entgegen seinen Angaben im ersten Verfahren sei sein Vater nicht verstorben, sondern sei am Leben und befinde sich wie auch die restliche Familie des Beschwerdeführers im Iran. Er selbst sei im Iran geboren. Er habe den Iran verlassen, weil er nicht nach Afghanistan zurückkehren wollte. Deshalb habe er entschieden, nach Europa zu gehen, um hier ein besseres Leben zu haben. Er sei krank, er habe Probleme mit dem Gehör. Nach Afghanistan könne er nicht gehen, weil er niemanden mehr dort habe. Außerdem habe er Angst. Als er damals den Iran verlassen habe, seien seine Dokumente abgelaufen. Er könne nun weder im Iran, noch in Afghanistan leben. All diese anlässlich der Stellung des zweiten Antrags auf internationalen Schutz geltendgemachten Gründe haben bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahrens bestanden.

Das BFA führte in Folge ein weiteres Ermittlungsverfahren durch.

2.1.4 Zur Lage im Herkunftsland:

Im gegenständlichen Verfahren ergab sich keine maßgebliche Änderung in Bezug auf die den Beschwerdeführer betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat. Eine maßgebliche Lageänderung wurde vom Beschwerdeführer in seinem zweiten Asylverfahren vor der belangten Behörde auch nicht substantiiert vorgebracht.

2.1.4.1 Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan - Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 11.9.2018:

"[...]

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i-Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

[...]

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

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Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

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Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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