TE Vwgh Erkenntnis 2018/10/3 Ra 2017/07/0135

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Veröffentlicht am 03.10.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;
WRG 1959 §138;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der G M in K, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 28. September 2017, Zl. LVwG-AV-1179/001- 2017, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG:

Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei:

Gemeinde R, vertreten durch Dr. Heinrich Nagl und Mag. Timo Ruisinger, Rechtsanwälte in 3580 Horn, Pfarrgasse 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Horn (BH) vom 5. Juli 2011 begehrte die Revisionswerberin, die Wassergräben in der KG R. entlang des Jweges und neben ihrem Grst. Nr. 351 zu sanieren.

2 Auf dieses Schreiben wird in Punkt 4. des Devolutionsantrages der Revisionswerberin vom 24. April 2013 verwiesen.

3 Gegenstand der vom Landesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlungen am 24. Juli 2017 und am 11. September 2017 war auch Punkt 4. dieses Devolutionsantrages.

4 Das in der Verhandlung am 11. September 2017 abgegebene Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen lautet auszugsweise wie folgt:

"Die Vernässungen auf dem Grundstück Nr. 351, KG R, sind auf das beträchtliche Einzugsgebiet zurückzuführen, das über die straßenparallelen Gräben und die Straße zum nordwestlichen Bereich des Grundstückes Nr. 351 entwässert. Im Bereich der Zufahrt bestehen grundsätzlich zu klein dimensionierte Rohrdurchlässe. Der Rohrdurchlass vom Graben östlich des Jweges zum Grenzgraben zwischen Grundstück 356/3 und 351 ist ungünstig positioniert, sodass die Beaufschlagung nicht optimal gegeben ist. In diesem Bereich sind aus technischer Sicht Verbesserungsmaßnahmen sinnvoll. Unabhängig davon kann der Grenzgraben zwischen Grundstück Nr. 356/3 und 351 bei entsprechenden Regenereignissen die Wassermengen nicht schadlos abführen.

Durch die Entfernung des Bewuchses von den bestehenden Gräben, könnte die Abflusskapazität erhöht werden. Damit würden Überflutungen seltener auftreten. Die gänzliche Abfuhr aller bei entsprechenden Regenereignissen anfallenden Niederschlagswässer ist trotzdem nicht denkbar. Der Aufwand für die Entfernung des Bewuchses wird als sehr hoch eingestuft, da die Mäharbeiten und die Entfernung des Grasschnittes händisch durchgeführt werden müssten."

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 28. September 2017 wertete das Landesverwaltungsgericht Punkt 4. des Devolutionsantrages vom 24. April 2013 als Säumnisbeschwerde und wies diese gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.). Die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde als nicht zulässig erachtet (Spruchpunkt 2.).

6 In seinen Entscheidungsgründen hielt das Landesverwaltungsgericht fest, dass sich entlang des Jweges in den Katastralgemeinden T. und R. links und rechts Abflussgräben befänden, die bereits vor dem Jahr 1985 existiert hätten. Die Gräben seien stark mit Gras und Unkraut bewachsen. Sie dienten zur Ableitung von Oberflächenwässern von mehreren Feldern im Ausmaß von etwa 35 ha. Das Abflusssystem sei nicht geeignet, bei jedem Regenereignis alle Niederschlagswässer abzuführen.

7 Die Zuständigkeit zur Entscheidung über Punkt 4. des Devolutionsantrages der Revisionswerberin vom 24. April 2013, welcher "nach heutiger Rechtslage" als Säumnisbeschwerde zu werten sei, sei auf das Landesverwaltungsgericht übergegangen.

8 In Punkt 4. des Devolutionsantrages der Revisionswerberin vom 24. April 2013 (nunmehr Säumnisbeschwerde) werde begehrt, eine Sanierung mehrerer Gräben in die Wege zu leiten. Dazu verweise die Revisionswerberin im Wesentlichen auf ihr Schreiben vom 5. Juli 2011 an die BH. In Frage kämen die beiden Abflussgräben links und rechts des Jweges, einerseits im Bereich der KG R., andererseits im Bereich der KG T.. Diese erstreckten sich vom höchsten Punkt des Geländes in der KG T. bis zur Zufahrt zu den Grst. Nrn. 356/3 und 351, KG R.. Da die Gräben bereits vor 1985 bestanden hätten, würden sie in der derzeitigen Form ex lege als bewilligt gelten.

9 Nach Artikel II Absatz 3 der WRG-Novelle 1997 würden Anlagen und Maßnahmen, für deren Bewilligung gemäß den §§ 38, 40 oder 41 ab dem 19. Juni 1985 strengere Bestimmungen eingeführt worden seien und die zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden hätten, u. a. dann als bewilligt gelten, wenn der Bestand nachgewiesen werde.

10 Das Beweisverfahren habe ergeben, dass es sich bei den Gräben um Entwässerungsanlagen nach § 40 WRG 1959 handle; der Bestand vor 1985 sei durch die übereinstimmenden Zeugenaussagen erwiesen. Ab dem Stichtag würden strengere Bestimmungen gelten.

11 Geltend gemacht werde von der Revisionswerberin die Erlassung eines gewässerpolizeilichen Auftrages zur Beseitigung von Missständen in diesen Gräben.

12 Gegenstand sei somit die Erlassung eines gewässerpolizeilichen Auftrages in Verbindung mit einer verletzten Instandhaltungspflicht nach § 50 WRG 1959; als Rechtsgrundlage diene § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959.

13 Nach dieser Bestimmung seien eigenmächtige Neuerungen zu beseitigen, die dem WRG 1959 widersprächen.

14 Bei der Prüfung, ob ein derartiger Auftrag erlassen werden könne, sei auch zu beachten, ob die aufzutragenden Maßnahmen verhältnismäßig seien.

15 Im gegenständlichen Fall ergebe sich aus dem Gutachten des Amtssachverständigen in der Verhandlung vom 11. September 2017, bei der die Revisionswerberin und auch ein Vertreter der mitbeteiligten Partei anwesend gewesen seien, dass die Entfernung des Bewuchses aus den bestehenden Gräben einen sehr hohen Aufwand bedeuten würde. Begründet werde dies vom Amtssachverständigen damit, dass die Mäharbeiten und die Entfernung des Grasschnittes händisch durchgeführt werden müssten. Aus diesen Gründen erscheine die Auferlegung eines gewässerpolizeilichen Auftrages gegenüber der mitbeteiligten Partei mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Von einer Erlassung sei daher Abstand zu nehmen. Diese wäre nicht zulässig.

16 Anzumerken sei auch, dass nach Meinung des Amtssachverständigen durch die gegenständlichen Abflussgräben generell nicht ein gänzliches Abführen bei jedem Regenereignis denkbar erscheine.

17 Die Nichtzulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass in der vorliegenden Angelegenheit "keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen" gewesen sei.

18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

19 Die Landeshauptfrau von Niederösterreich und die mitbeteiligte Partei erstatteten Revisionsbeantwortungen, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision als unbegründet beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

20 Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

21 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden.

22 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

23 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Spruch einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Zusammenhang mit dessen Begründung zu verstehen, wenn wegen der Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestehen (VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0039, mwN). Die Begründung einer Entscheidung kann daher zur Auslegung eines Spruches einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, dessen Inhalt für sich allein betrachtet Zweifel offen lässt, herangezogen werden (VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0722, mwN).

24 Genau davon ist im Revisionsfall auszugehen: Mit seiner angefochtenen Entscheidung vom 28. September 2017 wies das Verwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde "gemäß § 28 Absatz 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet" ab.

25 Eine Säumnisbeschwerde ist aber nur dann gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Die Zitierung von § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG legt vielmehr den Schluss nahe, dass das Verwaltungsgericht in der Sache selbst entscheiden wollte.

26 Die Zweifel, die durch die unklare Formulierung des Spruches hervorgerufen werden, können mit Hilfe der Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ausgeräumt werden: So wird darin ausgeführt, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über Punkt 4. des Devolutionsantrages vom 24. April 2013 auf das Landesverwaltungsgericht übergegangen sei. Das Verwaltungsgericht setzt sich dann auch mit dem im Schreiben der Revisionswerberin vom 5. Juli 2011 enthaltenen Begehren, die Wassergräben in der KG R. entlang des Jweges und neben ihrem Grst. Nr. 351 zu sanieren, inhaltlich auseinander. Aus der Begründung ergibt sich somit eindeutig, dass das Verwaltungsgericht über das im Schreiben vom 5. Juli 2011 enthaltene Begehren inhaltlich abgesprochen hat (vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0127). Dadurch können die sich aus der Spruchgestaltung ergebenden Zweifel ausgeräumt werden.

27 Die im vorliegenden Fall in den Blick zu nehmende Bestimmung des § 138 WRG 1959 in der geltenden Fassung lautet samt Überschrift wie folgt:

"Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes.

§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder

die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

...

(6) Als Betroffene im Sinne des Abs. 1 sind die Inhaber bestehender Rechte (§ 12 Abs. 2), die Fischereiberechtigten sowie die Einforstungsberechtigten anzusehen."

28 Soweit die Revisionswerberin am Beginn ihrer Zulässigkeitsausführungen davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall ein auf § 138 Abs. 1 lit. a iVm § 50 Abs. 1 WRG 1959 gestützter Instandsetzungsauftrag im Hinblick auf die gegenständlichen ex lege bewilligten Wassergräben, die unter anderem auch auf den Grundstücken der mitbeteiligten Partei situiert sind, grundsätzlich in Frage komme, tritt sie damit der Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichtes implizit bei.

29 Vor diesem Hintergrund erweist sich die außerordentliche Revision in diesem Punkt als unzulässig (vgl. VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0022, 0023, 0024, mwN).

30 In ihren Zulässigkeitsausführungen wendet sich die revisionswerbende Partei auch gegen die Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichtes, wonach ein wasserpolizeilicher Auftrag aufgrund des damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwandes nicht berechtigt sei. Damit zeigt die revisionswerbende Partei ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das Landesverwaltungsgericht auf.

31 Zwar ist bei Aufträgen gemäß § 138 WRG 1959 eine Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und der Adäquanz vorzunehmen. Es handelt sich dabei aber nicht um eine subjektive, auf die jeweilige finanzielle Situation des Verpflichteten abstellende, sondern um eine objektive Zumutbarkeit im Sinne einer Verhältnismäßigkeit von Mitteleinsatz und Erfolg (VwGH 26.3.2009, 2005/07/0038; 17.6.2010, 2010/07/0028).

32 Das Landesverwaltungsgericht stellt dagegen bloß auf subjektive Elemente, nämlich den mit der Instandsetzung verbundenen, in keiner Weise quantifizierten Aufwand, ab, ohne die objektive Zumutbarkeit im Sinne einer Verhältnismäßigkeit von Mitteleinsatz und Erfolg zu prüfen. Es steht nämlich nach den Aussagen des Amtssachverständigen jedenfalls fest, dass eine Verbesserung der Abflussverhältnisse eintreten würde, wenn der Bewuchs entfernt werde. Es fehlt daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der mit der Erfüllung der in Betracht kommenden Instandsetzungsmaßnahme (Entfernung des vorhandenen Bewuchses) verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg (Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit der Entwässerungsanlagen und Erhöhung der Abflusskapazität, damit Überflutungen seltener auftreten) steht.

33 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

34 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Wien, am 3. Oktober 2018

Schlagworte

Spruch und BegründungBesondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017070135.L00

Im RIS seit

07.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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