TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/22 99/02/0148

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Veröffentlicht am 22.10.1999
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §47;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §4 Abs5b idF 1996/201;
ZPO §226 Abs3;
ZPO §293;
ZPO §75 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des C S in W, vertreten durch Dr. Thomas Mader, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rauhensteingasse 1, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. März 1999, Zl. MA 65-11/24/99, betreffend Gebührenvorschreibung gemäß § 4 Abs. 5b StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1999, Zl. 98/02/0048. Mit diesem hatte der Verwaltungsgerichtshof den dem Landeshauptmann von Wien zuzurechnenden Berufungsbescheid vom 21. November 1997 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der erkennenden Behörde aufgehoben.

Mit dem nunmehr im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 26. März 1999 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 24. Februar 1997, Zl. Rh 190/1/Sch/96, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt, mit dem gemäß § 4 Abs. 5b StVO eine Gebühr in Höhe von S 500,-- vorgeschrieben worden war. Unbestritten ist, dass am 19. November 1996 um 14.15 Uhr an einem näher umschriebenen Ort in Wien der Beschwerdeführer als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges und ein ungarischer Fahrzeuglenker an einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden beteiligt gewesen waren.

Strittig ist, ob der Beschwerdeführer die Intervention der Polizei deshalb angefordert hat, weil der ungarische Fahrzeuglenker unmittelbar nach dem Unfall den Austausch der Daten verweigert hatte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. In dieser macht der Beschwerdeführer "Gesetzwidrigkeit" des Inhaltes des bekämpften Bescheides geltend; er erachtet sich in seinem Recht auf gebührenfreie Aufnahme der Anzeige eines Verkehrsunfalles verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 5 ff StVO in der Fassung des Art. 69, Z. 1 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, haben folgenden

Wortlaut:

"(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

(5a) Wenn nach einem Verkehrsunfall bei dem nur Sachschaden entstanden ist, eine der im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von dem Unfall verständigt, obwohl dies im Sinne des Abs. 5 nicht nötig wäre, haben die Organe dieser Dienststelle auf Verlangen der betreffenden Person Meldungen über diesen Verkehrsunfall, insbesondere über Unfallort, Unfallzeit, Lichtverhältnisse, Straßenzustand, Unfallbeteiligte, nähere Unfallumstände und verursachte Schäden, entgegen zu nehmen.

(5b) Für Verständigungen nach Abs. 5 und Meldungen gemäß Abs. 5a ist eine Gebühr von 500 S einzuheben, es sei denn, die Verständigung nach Abs. 5 ist deshalb erfolgt, weil die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander Namen und Anschrift nicht nachweisen konnten. Von der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühr sind die Gebietskörperschaften und Lenker von Fahrzeugen derselben ausgenommen. Auf Wunsch erhält jede Person des Abs. 5, die eine gebührenpflichtige Verständigung oder Meldung vorgenommen hat oder die die Gebühr entrichtet, eine Ausfertigung des von der Polizei- oder Gendarmeriedienststelle erstatteten Unfallberichtes. Die Gebühren sind, soferne sie nicht ohne weiteres entrichtet werden, von den Bezirksverwaltungsbehörden, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser vorzuschreiben. Sie fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Organe zu tragen hat."

Der Beschwerdeführer wendet unter anderem ein, dass die Bescheinigung der Identität nicht durch die bloße Bekanntgabe der Daten erfolgen könne, sondern der Identitätsnachweis geeignete Urkunden erfordere, aus denen sowohl die Lenkerberechtigung als auch die Eigentumsverhältnisse entnommen werden könnten. Diese Eigenschaft träfe jedoch nur auf öffentliche inländische Urkunden zu.

Um den vom Gesetz geforderten Identitätsnachweis zu erbringen, bedarf es der Angabe der für die Anbringung einer Klage nach den Vorschriften der ZPO erforderlichen Personaldaten des Schädigers, wobei es sich gemäß den §§ 226 Abs. 3, 75 Z. 1 ZPO um den Vor- und Zunamen, die Beschäftigung und den Wohnort, einschließlich der Straßen- und Hausnummer des Betreffenden handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1981, Zl. 02/2793/80 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1981, Zl. 02/1537/80 mit weiteren Nachweisen).

Ein "Nachweis" der Identität kann daher nicht darin bestehen, lediglich unbewiesene Behauptungen aufzustellen, etwa wie man heiße oder wo man wohne, sondern es muss ein Verhalten gesetzt werden, aus dem sich für den Geschädigten zweifelsfrei die Richtigkeit solcher Behauptungen ergibt. Erst dann ist für ihn die Gewähr gegeben, dass der Schädiger mit der Person ident ist, als die er sich selbst bezeichnet.

Der Geschädigte muss in die Lage versetzt werden, seine aus dem Verkehrsunfall resultierenden Schadenersatzansprüche gegenüber dem Schädiger geltend zu machen, und er soll nach der eindeutigen Absicht des Gesetzgebers nicht Gefahr laufen, auf Grund unrichtiger Angaben des Schädigers allenfalls um die Durchsetzung seiner Ansprüche gebracht zu werden. Der vom Gesetzgeber geforderte Nachweis der Identität hat daher in der Regel durch Vorweis des Führerscheines oder sonstiger geeigneter amtlicher Unterlagen (öffentlicher Urkunden) zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1969, Slg. 7640/A).

Entscheidend für die Qualifikation als öffentliche Urkunde im Sinne des § 47 AVG ist, dass die beurkundende Stelle eine inländische Behörde ist. Ausländische öffentliche Urkunden werden in Österreich als öffentliche Urkunden angesehen, wenn unter anderem die formelle Gegenseitigkeit zwischen Österreich und dem Errichtungsstaat besteht. Der ausländische Staat muss eine österreichische öffentliche Urkunde bezüglich ihrer Beweiskraft den eigenen öffentlichen Urkunden gleichstellen (vlg. Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren2, 758, E 22; vgl. auch § 293 Abs. 2 ZPO).

Ausländische öffentliche Urkunden können aber dann nicht zum Zweck des Identitätsnachweises im Sinn des § 4 Abs. 5 StVO dienen, wenn sie nicht in der in Österreich anzuwendenden Amtssprache abgefasst sind und so die Möglichkeit nicht gegeben ist, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klar stellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinander zu setzen haben wird.

Der ungarische Fahrzeuglenker hätte daher im Beschwerdefall den vom Gesetz geforderten Nachweis gegenüber dem Beschwerdeführer nur dann erbringen können, wenn er sich öffentlicher Urkunden bedient hätte, die entweder in Deutsch abgefasst gewesen wären oder denen doch die erforderlichen Angaben mit hinreichender Klarheit auch für einen der betreffenden Sprache nicht Kundigen zu entnehmen gewesen wären. Diesbezügliche Feststellungen hat die belangte Behörde im bekämpften Bescheid nicht getroffen.

Dem Inhalt der vorgelegten Akten ist jedoch zu entnehmen, dass der ungarische Fahrzeuglenker zumindest einen Führerschein, ausgestellt in Budapest, dem einschreitenden Sicherheitswacheorgan vorlegte. Ob diesem Ausweis die erforderlichen Angaben (vgl. nunmehr § 23 Abs. 6 FSG) zu entnehmen waren, ist nicht ersichtlich.

Da die belangte Behörde im dargelegten Sinne geeignete Feststellungen nicht getroffen hat, ist schon aus diesem Grunde der bekämpfte Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig.

Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. im Hinblick darauf, dass Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegen steht, aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Hiebei war zu berücksichtigen, dass im Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer enthalten ist.

Aus prozessökonomischen Gründen sei für das von der belangten Behörde fortzusetzende Verfahren noch angemerkt, dass es - wie insbesondere dem erstinstanzlichen Bescheid entnommen werden könnte - nicht darauf ankommt, ob den Unfallsbeteiligten der Nachweis der erforderlichen Daten (zu irgendeinem Zeitpunkt) möglich ist, sondern darauf, dass sie diesen Nachweis auch tatsächlich vorzunehmen bereit sind und so ihrer aus § 4 Abs. 5 StVO abzuleitenden Pflicht entsprechen (aus den oben dargelegten Erwägungen betreffend die Möglichkeit der Klagserhebung kann Kloiber, Die Blaulichtsteuer und ihr Vollzug - Probleme, ZVR 1998, 2(3), nicht gefolgt werden). Der Beschwerdeführer hat nach dem Inhalt der Verwaltungsakten mehrfach vorgebracht, dass der ungarische Fahrzeuglenker zur Bekanntgabe der erforderlichen Daten erst nach Verständigung (und Eintreffen) der Sicherheitswacheorgane bereit gewesen sei. Der Beschwerdeführer wurde zu dieser seiner Behauptung nach dem Akteninhalt nie vernommen. Ob die Aussage des einschreitenden Sicherheitswacheorganes allein genügt, entsprechend sichere Schlüsse auf das Geschehen vor dem Einschreiten zuzulassen, hat die belangte Behörde zu beurteilen.

Wien, am 22. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999020148.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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