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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, in der Rechtssache des Antrages des A, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 2018, W148 2133447-1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 28. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den am 4. Oktober 2015 gestellten Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19. April 2018 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Antragstellers im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt und gelangte am 23. April 2018 in seinen elektronischen Verfügungsbereich. Es galt somit gemäß § 21 Abs. 8 BVwGG als am 24. April 2018 zugestellt. Der letzte Tag der sechswöchigen Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts war somit der 5. Juni 2018.
3 Der Antragsteller begehrt mit Antrag vom 29. Juni 2018 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts. Unter einem wird die versäumte Handlung nachgeholt.
4 Begründet wird der Antrag im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller erst am 20. Juni 2018 durch ein Schreiben des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, mit welchem er aufgrund des negativ abgeschlossenen Asylverfahrens aus der Grundversorgung entlassen worden sei, von dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts Kenntnis erlangt habe. Der Vertreter des Antragstellers hätte zwar bereits zuvor das diesem zugestellte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts postalisch an die Wohnadresse des Antragstellers übermittelt, doch hätte der ebenfalls dort wohnhafte Onkel des Antragstellers das Schreiben gemeinsam mit anderen Erkenntnissen entgegengenommen und aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht erkannt, dass auch das Erkenntnis des Antragstellers enthalten war, wodurch es an diesen nicht weitergeleitet wurde. Das Verhalten des Onkels sei dem Antragsteller aber nicht zurechenbar. In jedem Fall handle es sich um kein Versehen beziehungsweise jedenfalls nur um einen minderen Grad des Versehens und somit um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis. Da der Antragsteller erst am 20. Juni 2018 Kenntnis von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erlangt habe, sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedenfalls rechtzeitig gestellt worden.
5 Im gegenständlichen Fall war der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht rechtsfreundlich vertreten. Das Verschulden des Parteienvertreters trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hierbei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0557, mwN).
6 Der Antrag auf Wiedereinsetzung stützt sich darauf, dass der Antragsteller keine Kenntnis von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erlangen habe können, weil dessen ebenfalls dort wohnhafter Onkel das Schreiben des Vertreters des Antragstellers an diesen nicht weitergeleitet habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen. Führt das Fehlverhalten anderer Personen zu einer Fristversäumung, so ist zu prüfen, ob die Partei selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, dass sie eine ihr auferlegte Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen hat (z.B. Auswahlverschulden, vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0222). Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft (vgl. VwGH 15.10.2009, 2008/09/0225, mwN). Dies ist dem Antragsteller mit dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht gelungen. Ist - wie hier nach dem Vorbringen - mit dem rechtsfreundlichen Vertreter vereinbart, dass dieser die - mehrere Familienmitglieder betreffenden - Erkenntnisse an einen gemeinsamen Empfänger übermittelt, ist zu erwarten, dass sich der Antragsteller für die Sichtung von Postsendungen und der darin enthaltenen Schriftstücke nicht einer Person bedient, die (was im Wiedereinsetzungsantrag eingeräumt wird) mangels ausreichender Deutschkenntnisse keine Zuordnung der Schriftstücke zu den betroffenen Personen vornehmen kann. Er hat somit bei der Auswahl jener Person (Onkel), die als für die Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als evident ungeeignet anzusehen war und dennoch von ihm als Hilfsperson herangezogen wurde, die ihm zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen. Entgegen den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag handelt es sich bei einem solchen Verhalten nicht um einen bloß minderen Grad des Versehens.
7 Dem Antragsteller ist es somit nicht gelungen, einen Sachverhalt darzustellen, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG erfüllen könnte, weshalb gemäß § 46 Abs. 1 VwGG der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen war.
Wien, am 26. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140003.L00Im RIS seit
18.10.2018Zuletzt aktualisiert am
02.11.2018