TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/3 LVwG-AV-767/001-2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2018
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Entscheidungsdatum

03.08.2018

Norm

WRG 1959 §48
WRG 1959 §138 Abs1
AWG 2002 §1 Abs3
AWG 2002 §2
AWG 2002 §73

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerde von A und B, beide vertreten durch C, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 10. April 2018, Zl. ***, betreffend einen gewässerpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

I.  Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 5. Juli 2018, Zl. ***, ersatzlos behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 48, 138 Abs. 1 WRG 1959 (Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idgF)

§ 1a Abs. 1 bis 3 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idgF

§§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 bis 3, 73 Abs. 1 bis 6 AWG 2002 (Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002)

§§ 15 Abs. 1, 24, 27, 28 Abs. 1 und 2 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF)

§ 25a Abs. 1 VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idgF)

Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF)

Entscheidungsgründe

1.   Sachverhalt

Dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Schreiben vom 19. Februar 2018 berichtete der Forstaufsichtsdienst der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom Ergebnis einer Begehung am 19. Februar 2018, bei der im Westen des Grundstücks Nr. ***, KG ***, „Verunreinigungen in Form eines großen Gras-Materialhaufens“ festgestellt worden seien. Der betreffende Teil des genannten Grundstückes sei nach Auffassung des Forstsachverständigen kein Wald im Sinne des Forstgesetzes; Luftbilder und der Zustand vor Ort belegten eine jahrzehntelange gärtnerische Nutzung mit Rasen und Obstbäumen.

Am 7. März 2018 nahm daraufhin ein Organ der technischen Gewässeraufsicht der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha eine Überprüfung vor. Dessen Bericht zufolge handelt es sich bei den Ablagerungen um Grünschnitt, Strauch- und Baumschnitt im Ausmaß von etwa 50 m³. Teilweise hätten sich die Grasschnittlagerungen bereits in einer fortgeschrittenen Verrottungsphase befunden. Die Lagerungen befänden sich im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich (gemeint: der ***). Hier sei die Lagerung von Abfällen und anderen die Beschaffenheit der Gewässer beeinträchtigenden Stoffe generell verboten. Im Hochwasserfall könne es zu Veränderungen der Abflussverhältnisse und durch Abschwemmen der gelagerten Materialien zu einer Verletzung fremder Rechte kommen. In Verrottung befindliche organische Materialien wie Grünschnitt verursachten organisch hoch belastete Sickersäfte, vergleichbar mit denen einer Kompostierung. Eine Verunreinigung von Grund und Boden und des Grundwassers bei Regenereignissen könne nicht ausgeschlossen werden. Unbehandeltes Strauch-, Baum- und Grünschnittmaterial bleibe bis zu einer fachgerechten Entsorgung und Verwertung Abfall.

Nach unbeantwortet gebliebener Einräumung des Parteiengehörs erließ die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha den Bescheid vom 10. April 2018, ***, mit dem B und A als Eigentümer des Grundstücks Nr. *** (gemeint: KG ***) verpflichtet wurden, bis zum 7. Mai 2018 die Grünschnittablagerungen auf dem genannten Grundstück im Hochwasserabflussbereich fachgerecht zu entsorgen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen sowie der Behörde darüber schriftlich zu berichten.

Außerdem wurde die Verpflichtung zur Bezahlung von Verfahrenskosten in Höhe von € 13,80 ausgesprochen.

Hinsichtlich der Sachentscheidung stützt sich der angefochtene Bescheid auf die §§ 48 und 138 Abs. 1 WRG 1959; hinsichtlich der Kostenentscheidung auf § 77 AVG iVm § 1 der Landes-Kommissionsgebührenverordnung 1976.

Begründend gibt die Behörde den Bericht des Gewässeraufsichtsorgans sowie die angewendeten Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes wieder und kommt schließlich zum Schluss, dass sich der Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands auf das Gutachten der technischen Gewässeraufsicht, die Kostenentscheidung auf die angeführten Bestimmungen stützte.

Dagegen erhoben innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist B und A Beschwerde, mit der sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides begehren. Begründet wird dies damit, dass es sich bei den gegenständlichen Ablagerungen um einen „normalen Hauskomposthaufen“ handle, welcher schon von den Voreigentümern eingerichtet worden sei; die Beschwerdeführer hätten die Liegenschaft erst seit dem Jahr 2007 im Eigentum. Es liege „Verschweigung durch die Behörde“ vor, weil es bisher trotz Kontrollen zu keinerlei Beanstandungen gekommen sei. Es würden lediglich Grasschnitt, Erde, Baumschnitt und Küchenabfälle abgelagert, wodurch die Bodenqualität bereichert würde. Außerdem wurden Verfahrensmängel in Zusammenhang mit der Einräumung des Parteiengehörs und der Fristsetzung geltend gemacht. Überdies sei gegen die Bestimmung des § 60 AVG verstoßen worden.

In der Folge ergänzte die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren durch Befassung eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen. Dieser führte in seinem Gutachten vom 18. Mai 2018 aus, dass die gegenständliche Liegenschaft beim 30-jährlichen Hochwasser der *** mit einer Höhe von ca. 1,7 Meter überflutet würde; die Entfernung zur *** bei Normalwasserführung betrage etwa 600 Meter.

Bei größeren Hochwasserereignissen sei von einer Abdrift der Ablagerungen und einer Vergrößerung der „Verheerungen“ auszugehen. Die Hochwasserereignisse 2002 und 2013 hätten gezeigt, dass es im gesamten Bereich der *** Verheerungen durch Erosionen, Treibgut und Ablagerungen gekommen sei. Jede zusätzliche Ablagerung wie die gegenständliche führe zu einer Vergrößerung dieser Verheerung. Bei kleineren Hochwässern mit geringerer Überflutungshöhe sei auch von einer Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Wassers auszugehen. Im Nahbereich könne es durch Sickersäfte des Rotteprozesses zu einer maßgeblichen Verunreinigung kommen.

Vor allem Grünschnitt produziere durch den Verrottungsvorgang Sickersäfte, die stark mit organischen Anteilen, gemessen an den Parametern chemischer und biochemischer Sauerstoffbedarf, sowie mit Stickstoffverbindungen und Phosphor belastet seien. Bei einer Versickerung sei von einer Verunreinigung des Grundwassers auszugehen. Auch die Ablagerung von Küchenabfällen führe in weiterer Folge zu einer Belastung des Grundwassers. Bei einer Kompostierung sei für die Heißrotte nach heutigem Stand der Technik eine abgedichtete Fläche erforderlich, nicht jedoch für eine geordnete Nachrotte. Im gegenständlichen Fall sei aber die Lage im Hochwasserabflussbereich maßgeblich, wo nach dem Stand der Technik derartige Ablagerungen unzulässig seien.

In ihrer Stellungnahme dazu geben die Beschwerdeführer die wesentlichen Ausführungen des Amtssachverständigen wieder, ohne ihnen substantiell entgegenzutreten. Vorgebracht wird in der Folge wiederum, dass sich die gegenständliche Kompostierung bereits seit mehr als 10 Jahren an der gleichen Stelle befände; der Komposthaufen hätte der Behörde daher bereits früher auffallen müssen; die Behörde hätte sich verschwiegen; das Wasserrechtsgesetz hätte sich seit den Hochwasserereignissen 2002 und 2013 in den maßgeblichen Bestimmungen nicht geändert.

Die Beschwerdeführer lebten in *** und hielten sich nur an den Wochenenden in *** auf; kompostiert würden hauptsächlich Grünschnitt vom Rasenmähen sowie die Küchenabfälle von zwei Tagen (im Wesentlichen ohne tierische Produkte).

Es sei (gemeint: hinsichtlich des Standes der Technik für Kompostierungen) auf den Errichtungszeitpunkt abzustellen, welcher vor dem Jahr 2002 liege.

Der Grünschnitt könne mit Phosphor belastet werden, welcher aus der Landwirtschaft stamme.

In der weiteren Folge beantragen die Beschwerdeführer weiterhin die Behebung des Bescheides.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 5. Juli 2018, ***, wies die belangte Behörde die Beschwerde ab und wiederholte den gewässerpolizeilichen Auftrag unter Setzung einer neuen Erfüllungsfrist.

Begründend führt die Behörde nach Wiedergabe aus dem Verfahrensverlauf und der Beschwerde sowie des Gutachtens des wasserbautechnischen Amtssachverständigen sowie teilweise der angewendeten Rechtsvorschriften Folgendes aus:

Es sei unwidersprochen geblieben, dass sich auf dem Grundstück der Beschwerdeführer Ablagerungen in Form von Grünschnitt, Strauch- und Baumschnitt sowie Küchenabfälle mit einer Mächtigkeit von ca. 50 m³ auf einer Fläche von 40 m² befänden. Aus dem schlüssigen Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen ergebe sich die Gefahr einer Vergrößerung der Verheerung im Fall einer Überflutung sowie einer erheblichen Beeinträchtigung des Wassers infolge der gegenständlichen Ablagerungen. Diesen Feststellungen seien die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Es lägen daher die Voraussetzungen des § 48 WRG 1959 vor, weshalb ein Entfernungsauftrag zu erlassen (gewesen) wäre.

Innerhalb der zweiwöchigen Frist stellten die Beschwerdeführer einen Vorlageantrag. Die belangte Behörde legt daraufhin den Akt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor.

2.    Erwägungen des Gerichts

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen.

2.1.     Feststellungen und Beweiswürdigung

Der unter Punkt 1. festgestellte Verfahrensablauf und Inhalt von Schriftstücken ergibt sich aus den Akten der belangten Behörde und ist insoweit unstrittig.

Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt ist daraus abzuleiten:

Die Beschwerdeführer sind seit dem Jahr 2007 Eigentümer des Grundstücks Nr. ***, KG ***. Auf diesem lagern sie biogene Stoffe (wie Grünschnitt vom Rasenmähen und Küchenabfälle) ab. Das Volumen der Ablagerungen betrug im Zeitpunkt der Erhebung der technischen Gewässeraufsicht etwa 50 m³. Die Ablagerungen verrotten an Ort und Stelle. Bei der Verrottung derartiger organischer Materialien entstehen organisch hochbelastete Sickersäfte wie bei einer Kompostierungsanlage. Stand der Technik für Kompostierungsanlagen ist die Vornahme der sogenannten Heißrotte auf abgedichteter Fläche, welche bei der in Rede stehenden Ablagerung nicht vorhanden ist. Diese befindet sich innerhalb der Grenzen im 30-jährlichen Hochwasser der ***. Bei einem derartigen Ereignis wird das Grundstück der Beschwerdeführer mit einer Wasserhöhe bis zu 1,70 Meter überflutet. Im Hochwasserfall kann es zu einer Abschwemmung der biogenen Abfälle kommen. Bei kleineren Hochwässern mit geringerem Verdünnungseffekt ist auch eine lokale Beeinträchtigung der Wasserqualität durch Sickersäfte aus dem Verrottungsprozess zu erwarten. Die gegenständliche Ablagerung befindet sich auf einem Grundstücksteil, welcher seit Jahrzehnten als Garten (Wiese mit Obstbäumen) genutzt wird.

Diese Feststellungen ergeben sich aus den substantiell nicht bestrittenen Erhebungsergebnissen der belangten Behörde und decken sich im Wesentlichen – soweit ein Vorbringen erfolgte – mit den Aussagen der Beschwerdeführer.

Feststellungen zu Beginn und Dauer der Kompostierung am gegenständlichen Ort, welche von den Beschwerdeführern ins Treffen geführt wurde, bedarf es, wie sich aus den rechtlichen Erwägungen ergeben wird, nicht.

2.2.     Anzuwendende Rechtsvorschriften

WRG 1959

§ 48. (1) Bei Gewässern, die häufig ihre Ufer überfluten, dürfen an den Ufern und innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses (Überschwemmungsgebietes, § 38 Abs. 3) keine Ablagerungen vorgenommen werden, die Wasserverheerungen erheblich vergrößern oder die Beschaffenheit des Wassers wesentlich beeinträchtigen können. Dasselbe gilt für die Ablagerung von Abfällen in aufgelassenen Brunnen oder in Sand- und Schottergruben.

(2) Überdies kann der Landeshauptmann, soweit dies zur Instand- und Reinhaltung von Gewässern sowie zur Vermeidung von Wasserschäden für bestimmte Gewässerstrecken oder Grundwasserbereiche – ausgenommen zum Schutz von Wasserversorgungsanlagen nach § 34 – notwendig ist, durch Verordnung untersagen oder regeln:

a)   die Ausübung der Viehweide auf den Uferböschungen und Dämmen sowie im Bereich der Uferpflanzungen,

b)   jede die Lockerung und den Abbruch des Erdreiches fördernde Art der Bodenbenutzung,

c)   die Ablagerung von Abfälle und anderen die Beschaffenheit der Gewässer beeinträchtigenden Stoffen an den Ufern und in Überschwemmungsgebieten,

d)   die Verwendung näher zu bezeichnender Stoffe zur Düngung oder Schädlingsbekämpfung.

(3) Weitergehende Anordnungen der gemäß § 140 Abs. 1 Z 5 aufrechterhaltenen Gesetze bleiben unberührt.

§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a)    eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

b)    Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen durch geeignete Maßnahmen zu sichern, wenn die Beseitigung gemäß lit. a nicht oder im Vergleich zur Sicherung an Ort und Stelle nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist, c) die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Mißstände zu beheben,

c)    für die sofortige Wiederherstellung beschädigter gewässerkundlicher Einrichtungen zu sorgen.

(…)

Forstgesetz 1975

§ 1a. (1) Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes sind mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1 000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht.

(2) Wald im Sinne des Abs. 1 sind auch Grundflächen, deren forstlicher Bewuchs infolge Nutzung oder aus sonstigem Anlaß vorübergehend vermindert oder beseitigt ist.

(3) Unbeschadet ihrer besonderen Nutzung gelten als Wald im Sinne des Abs. 1 auch dauernd unbestockte Grundflächen, insoweit sie in einem unmittelbaren räumlichen und forstbetrieblichen Zusammenhang mit Wald stehen und unmittelbar dessen Bewirtschaftung dienen (wie forstliche Bringungsanlagen, Holzlagerplätze, Waldschneisen und Rückewege).

(…)

AWG 2002

§ 1. (…)

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1.   die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.   Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3.   die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.   die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.   Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.   Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.   das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.   die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.   Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

(…)

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1.   deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.   deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange

1.   eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.   sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall ist dann nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, wenn diese im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anfallen und im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.

§ 73. (1) Wenn

1.   Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.   die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

(3) Werden gefährliche Abfälle entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit anderen Abfällen oder Sachen vermischt, hat die Behörde dem Verpflichteten eine entsprechende Trennung aufzutragen, wenn dies technisch und wirtschaftlich möglich und zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist. Abs. 1 bleibt unberührt.

(4) Sind nach rechtlicher oder faktischer Stilllegung oder Schließung bei einer Deponie gemäß § 2 Abs. 7 Z 4 Maßnahmen, wie Untersuchungen, regelmäßige Beprobungen, die Vorlage eines Sicherungs- oder Sanierungskonzeptes, Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen, im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen demjenigen, der die Deponie betrieben hat, innerhalb einer angemessenen Frist mit Bescheid aufzutragen.

(5) Maßnahmen, die Gegenstand eines behördlichen Auftrags oder einer behördlichen Anordnung gemäß Abs. 1 bis 4 sind, bedürfen keiner Bewilligung oder Genehmigung nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften. Dies gilt nicht für die Genehmigung oder Bewilligung der Anlage, in der die Abfälle in der Folge behandelt werden, oder für die Verbringung der Abfälle.

(6) Auf Ablagerungen, bei denen gemäß Abs. 1 bis 4 vorzugehen ist, findet § 138 WRG 1959 keine Anwendung. Für Waldflächen, die dem Forstgesetz, BGBl. Nr. 440/1975, unterliegen, sind die Abs. 1 bis 3 nicht anzuwenden.

(…)

VwGVG

§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(…)

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.   der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.   die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3.   wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(…)

VwGG

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Art. 133. (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(…)

2.3.     Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einen gewässerpolizeilichen Auftrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 erlassen. Die diesen begründende Übertretung des Wasserrechtsgesetzes erblickt sie in der Verletzung der Bestimmung des § 48 Abs. 1 WRG 1959. In der Tat stellt ein Verstoß gegen § 48 Abs. 1 eine eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 leg.cit. dar (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG², § 48, K 4).

Allerdings findet diese Gesetzesbestimmung keine Anwendung auf Ablagerungen, bei denen gemäß § 73 Abs. 1 bis 4 AWG 2002 vorzugehen ist (vgl. § 73 Abs. 6 leg. cit.).

Dass es sich bei biogenen Stoffen wie den gegenständlich abgelagerten um Abfälle im Sinne des AWG 2002 handelt, ergibt sich bei Anwendung dessen § 2 Abs. 1 Z 2 iVm § 1 Abs. 3. Wie im von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen nachvollziehbar und unwidersprochen ausgeführt wurde, ist hinsichtlich biogener Stoffe eine ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse, da beim Verrotten dieser Stoffe hochbelastete organische Sickerwässer entstehen, die Boden und Gewässer verunreinigen können. Aus der Ausnahmebestimmung für landwirtschaftliche Kompostierungen (vgl. § 2 Abs. 3 letzter Satz AWG 2002) ergibt sich explizit, dass es sich bei typischerweise der Kompostierung zugeführten Materialen (wie jene im gegenständlichen Fall) um Abfälle im Sinne des AWG 2002 handelt.

Gemäß den schlüssigen Ausführungen des wasserbautechnischen Amts-sachverständige widerspricht die gegenständliche Form der Ablagerung (mit etwa 50m³ in nicht unbeträchtlicher Menge) den öffentlichen Interessen, namentlich dem Interesse an der Vermeidung von Boden- und Gewässerverunreinigungen, wozu im Hochwasserfall noch ein Beitrag zur Verunreinigung von Liegenschaften kommt, auf die derartige Materialen mit der Hochwasserwelle gelangen. Daraus folgt wiederum die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 AWG 2002 auf den gegenständlichen Fall, woraus aber die Nichtanwendbarkeit des § 138 WRG 1959 resultiert (vgl. VwGH 24.2.2005, 2004/07/0162). Die Ausnahmebestimmung (§ 73 Abs. 6 zweiter Satz AWG 2002) in Bezug auf den Anwendungsbereich des Forstgesetzes kommt gegenständlich auf Grund der Feststellungen des forttechnischen Amtssachverständigen, wonach es sich bei dem betroffenen Grundstücksteil wegen der jahrzehntelangen anderweitigen Nutzung nicht um Wald handelt (einer Beurteilung, der entgegenzutreten für das Gericht keine Veranlassung besteht), nicht zum Tragen. Auch ist nach Lage des Falles nicht davon auszugehen, dass es sich hier im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG 2002 um eine Lagerung von organisch kompostierbarem Material im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs handelt.

Die belangte Behörde (die auch selbst vom Vorliegen einer den öffentlichen Interessen widerstreitenden Abfallablagerung ausgegangen ist) hätte daher einen gewässerpolizeilichen Auftrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 nicht erlassen dürfen, sondern nach § 73 AWG 2002 vorgehen müssen (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG², § 48, K 4) bzw. hat sie dies weiterhin zu tun.

Anzumerken ist, dass eine „Verschweigung“ in der Art, dass behördliche Maßnahmen nicht mehr zulässig wären, wenn ein konsensloser Zustand über längere Zeit unbeanstandet bleibt, dem österreichischen Verwaltungsrecht unbekannt ist. Aus der Duldung eines rechtswidrigen Verhaltens durch eine Behörde kann keinesfalls ein Anspruch auf Aufrechterhaltung dieses gesetzwidrigen Zustandes erwachsen oder eine Bindung der Behörde bei ihrer Entscheidung über einen Antrag abgeleitet werden (VwGH 10.7.1987, 83/17/0174). Im Übrigen kann zugunsten gegenwärtig gesetzter (neuerlicher) Handlungen nicht ins Treffen geführt werden, dass für gleichartige Maßnahmen des Rechtsvorgängers in der Vergangenheit andere Rechtsvorschriften oder ein anderer Stand der Technik gegolten hätte. Vielmehr ist für Handlungen des gegenwärtigen Verursachers die Sach- und Rechtslage zum (derzeitigen) Entscheidungszeitpunkt anzuwenden.

Da das Verwaltungsgericht bei der Prüfung eines angefochtenen Bescheides im Rahmen der Sache nicht an die geltend gemachten Beschwerdegründe gebunden ist (vgl. zB VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066), war die Rechtswidrigkeit des gegenständlichen wasserpolizeilichen Auftrags aus dem genannten Umstand aufzugreifen, obgleich dieser von den Beschwerdeführern nicht geltend gemacht wurde.

Abgesehen davon liegt auch ein Fall funktioneller Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha als Wasserrechtsbehörde vor, was das Gericht von Amts wegen gemäß § 27 VwGVG wahrzunehmen hat.

Der angefochtene Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung ist daher ersatzlos aufzuheben. Im Hinblick auf die Akzessorietät der Kosten-entscheidung teilt diese das Schicksal der Sachentscheidung.

Da der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben war, womit im Ergebnis der Beschwerde stattgegeben wurde, bedurfte es nicht der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung war angesichts der klaren und eindeutigen Rechtslage im vorliegenden Fall nicht zu lösen. Die ordentliche Revision (Art. 133 Abs. 4 B-VG) gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; Abfallwirtschaft; gewässerpolizeilicher Auftrag; Gewässerschutz; Abfalleigenschaft; Beseitigungsauftrag;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.767.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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