TE Vwgh Erkenntnis 2018/9/25 Ra 2017/17/0701

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Veröffentlicht am 25.09.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
34 Monopole;

Norm

ABGB §309;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §53;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/17/0702

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision 1. des A J in W, 2. der I s.r.o. in B, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Februar 2017, VGW-002/V/042/8437/2016, VGW- 002/042/3501/2016, VGW-002/042/10082/2016 und VGW- 002/V/042/8438/2016, betreffend Bestrafung und Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Die angefochtene Entscheidung wird in Spruchpunkt B) 4) wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte A) 1), A) 2) und A) 4) der angefochtenen Entscheidung richtet, zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit den Spruchpunkten A) 1) und A) 2) der angefochtenen Entscheidung gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) den Beschwerden des Erstrevisionswerbers gegen zwei ihn betreffende Straferkenntnisse nach § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG teilweise Folge, indem es die Geldstrafen und die Ersatzfreiheitsstrafen jeweils herabsetzte. Mit Spruchpunkt A) 4) derselben Entscheidung wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der zweitrevisionswerbenden Partei gegen die ihr gegenüber gemäß § 54 GSpG ausgesprochene Einziehung näher bezeichneter Glücksspielgeräte ab. Mit Spruchpunkt B) 4) dieser Entscheidung wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Erstrevisionswerbers gegen eine Beschlagnahme von näher bezeichneten Glückspielgeräten (samt allfälligem Inhalt der Gerätekassenladen) zurück. Weiters sprach das Verwaltungsgericht zu jedem dieser Spruchpunkte aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.

2 Gegen diese Entscheidungen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924, mwN).

7 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff, sowie 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sowie vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

8 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55).

9 Hinsichtlich der Spruchpunkte A) 1), A) 2) und A) 4) der angefochtenen Entscheidung wirft das Zulässigkeitsvorbringen der Revision auch sonst keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10 Soweit sich die Revision gegen die genannten Spruchpunkte richtet, war sie daher nach § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

11 Hinsichtlich Spruchpunkt B) 4) erweist sich die Revision jedoch als zulässig und berechtigt, weil das Verwaltungsgericht - wie das Zulässigkeitsvorbringen der Revision zutreffend aufzeigt -

in diesem Punkt von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

12 Das Verwaltungsgericht hat die Zurückweisung der Beschwerde des Erstrevisionswerbers gegen den Beschlagnahmebescheid damit begründet, dass der Erstrevisionswerber lediglich der Inhaber des Lokals, in dem die näher bezeichneten Geräte vorgefunden und beschlagnahmt worden seien, nicht hingegen der Eigentümer dieser Geräte gewesen sei. Er habe mit der zweitrevisionswerbenden Partei, der Eigentümerin der beschlagnahmten Glücksspielgeräte, nur einen Vertrag über deren Aufstellung in seinem Lokal (bzw. über diesbezügliche Betreuungspflichten) abgeschlossen. In diesem Vertrag seien ihm aber keine Rechte an den Geräten eingeräumt worden. Der Erstrevisionswerber sei auch nicht als Veranstalter anzusehen. Folglich komme ihm auch keine Parteistellung im Beschlagnahmeverfahren zu.

13 Damit verkennt das Verwaltungsgericht jedoch die Rechtslage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt nämlich auch dem Inhaber von gemäß § 53 GSpG beschlagnahmten Gegenständen die Berechtigung zu, gegen eine bescheidmäßig verfügte Beschlagnahme Beschwerde (vormals Berufung) zu erheben (vgl. etwa VwGH 1.9.2016, 2013/17/0502) und zwar unabhängig davon, ob der Inhaber formal als Adressat des Beschlagnahmebescheides bezeichnet wurde oder nicht (vgl. etwa VwGH 15.9.2011, 2011/17/0133).

14 Inhaber ist beispielsweise eine Person, die einen beschlagnahmten Gegenstand in ihrer Gewahrsame hat, um diesen den Spielern zugänglich zu machen, wie etwa der Wirt, der sich von der Aufstellung eines Glücksspielapparates durch dessen Betreiber zumindest eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft oder vom Automatenbetreiber Miete erhält (vgl. nochmals VwGH 15.9.2011, 2011/17/0133).

15 Daraus ergibt sich aber, dass der Erstrevisionswerber, der Betreiber des Lokals, in dem die in der Folge beschlagnahmten Gegenstände den Spielern zugänglich gemacht worden sind, grundsätzlich als deren Inhaber (vgl. § 309 ABGB erster Satz) anzusehen ist. Damit kam ihm auch das Recht zu, Beschwerde gegen die Beschlagnahme zu erheben.

16 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte und die Beschwerde des Erstrevisionswerbers gegen den Beschlagnahmebescheid zurückgewiesen hat, belastete es diese Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

17 Die angefochtene Entscheidung war daher in Spruchpunkt B) 4) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufzuheben.

18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. September 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170701.L00

Im RIS seit

15.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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