TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/17 I414 2198338-2

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Veröffentlicht am 17.08.2018
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Entscheidungsdatum

17.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §71 Abs1
AVG §71 Abs6
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I414 2198338-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX alias XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich (BAT) vom 17.05.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass die im Spruch zitierten Gesetzesbestimmungen im Spruchpunkt I. "gemäß § 71 Abs 1 AVG" und im Spruchpunkt II. "gemäß § 71 Abs 6 AVG" zu lauten haben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 08.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid vom 28.09.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise besteht eine Frist von 14 Tagen (Spruchpunkt IV.).

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an der Adresse XXXX durch Hinterlegung in der Abgabeeinrichtung am 03.10.2017 zugestellt. Die Abholfrist begann am 04.10.2017 zu laufen. Das Schriftstück wurde an die belangte Behörde mit dem Vermerk "nicht behoben" am 25.10.2017 retourniert. Die Verfahrensanordnung vom 29.09.2017, wonach dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt wird, wurde der nunmehrigen Vertretung ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe per E-Mail am selben Tag übermittelt.

Mit Schriftsatz vom 20.02.2018 wurden die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt und eine Bescheidbeschwerde eingebracht. Der Beschwerdeführer habe erst am 16.02.2018 im Zuge eines Beratungsgesprächs erfahren, dass bereits ein negativer Asylbescheid vorliege. Er habe sich über den Stand des Verfahrens erkundigen wollen und konnte der Rechtsberater ihm diese Auskunft durch Einsichtnahme in das Betreuungsinformationssystem erteilen. Der Beschwerdeführer wohne in einem Zimmer in einem Quartier für AsylwerberInnen und seien dort aktuell 20 Personen untergebracht. Alle Personen würden gemeinsame Briefkästen verwenden, welche nicht versperrt seien. Jeder Person könne die Klappe hochheben und die Post herausnehmen. Auch gebe es keinen Portier, der die Post entgegennehme. Der Beschwerdeführer habe keine alleinige Verfügung über seinen Postkasten. Der abweisende Bescheid sei dem Beschwerdeführer somit nie zugestellt worden und treffe ihn kein Verschulden. Er habe erst durch Kontaktaufnahme mit der Rechtsberatung von dem negativen Asylbescheid erfahren.

Mit Bescheid vom 17.05.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.).

Dagegen wurde rechtzeitig und zulässig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und wird die Begründung aus dem Antrag vom 20.02.2018 im Wesentlichen wiederholt.

Die Beschwerde gegen den die abweisende Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Beschwerde gegen den abweisenden Asylantrag wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 15.06.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. wiedergegeben Verfahrensgang wird zu den Feststellungen erhoben.

Der Antragsteller ist seit 22.06.2016 in der Ortsgemeinde XXXX unter der Adresse XXXX aufrecht gemeldet.

Der Bescheid der belangten Behörde vom 28.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer an seine ausgewiesene Adresse am 03.10.2017 zugestellt. Die Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokumentes (RSa) wurde in der Abgabeeinrichtung eingelegt und begann die Abholfrist am 04.10.2017. Das Schriftstück wurde nicht behoben.

Der Beschwerdeführer brachte kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vor, das ihn an der fristgerechten Erhebung eines Rechtsmittels gehindert hätte.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und auch unbestrittenen Akteninhalt und einer Abfrage des Zentralen Melderegisters.

Die Angaben zum Zustellversuch, der Hinterlegung und dem Nichtbeheben sind auf dem Rückschein des behördlichen Schriftstückes und retournierten Kuvert abzulesen.

Zur Feststellung, wonach der Beschwerdeführer kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vorbrachte, das ihn an der fristgerechten Erhebung seines Rechtsmittels gehindert hätte, ist wie nachstehend ausgeführt anzumerken:

Der Beschwerdeführer ist seit 22.06.2016 an der oben genannten Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet und wurde ihm bereits im August 2017 die Ladung zur niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde durch Hinterlegung (in Abgabeeinrichtung eingelegt) an seiner Wohnadresse zugestellt. Zum angesetzten Einvernahmetermin ist der Beschwerdeführer auch erschienen und hat er die Ladung somit auch erhalten.

Der Bescheid vom 28.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer auf dieselbe Art und Weise und an derselben Adresse zugestellt. Wenn der Beschwerdeführer nun vorbringt, dass er nicht die alleinige Verfügungsmacht über seinen Postkasten habe und jede Person den Briefkasten öffnen könne, so hat er damit kein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis vorgebracht. Zum einen brachte er selbst vor:

"[...] Briefkästen sind nicht verschließbar. Jede Person, die die Briefkastenklappe hochklappt kann die Post herausnehmen. Die Asylwerber beanstandeten dies beim Quartiergeber, aber es wurde keine Veränderung unternommen." und wusste er somit, dass er zur Erlangung seiner Post besondere Sorgfalt walten lassen müsste. Es war für ihn somit nicht mehr unvorhersehbar und auch nicht unabwendbar. Aufgrund der übereinstimmenden Erhebungsberichte der PI XXXX vom 30.01.2018 und 23.02.2018 und einer telefonischen Auskunft des Unterkunftgebers am 25.4.2018 konnte erhoben werden, dass sich der Beschwerdeführer nicht täglich und auch nicht regelmäßig an seiner Unterkunft aufhält. Wenn der Beschwerdeführer schon angibt zu wissen, dass auch andere Personen in seinen Briefkasten einsehen könnten, so hat er durch seine längeren Abwesenheiten nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen, um seine Poststücke auch tatsächlich zu bekommen und einer möglichen Entnahme durch andere entgegenzuwirken. Zum anderen brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, dass auch andere Personen durch Hochklappen des Briefkastendeckels die Poststücke entnehmen könnten, nicht aber, dass dies auch so geschehen ist. Die bloße Möglichkeit, in diesem Fall nicht aus, um von einem unvorhersehbaren und unvermeidbaren Ereignis sprechen zu können.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zur (funktionellen) Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Zur anzuwendenden Rechtslage:

Der mit "Hinterlegung" betitelte § 17 ZustG lautet:

"§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Gemäß § 71 Abs 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, das sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (Z 1), oder die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, das kein Rechtsmittel zulässig sei (Z 2). Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (Abs 3). Gemäß Abs 4 ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Die Behörde kann gemäß Abs 6 dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Es blieb unbestritten, dass die Zustellung durch Hinterlegung ordnungsgemäß erfolgte. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134 u. a.). Ein eigenes ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werden, wenn die Partei tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, d. h. die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden oder für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (VwGH 14.07.1993, 93/03/0136 u.a.).

Im gegenständlichen Fall hat das der Beschwerdeführer unterlassen, basierend auf seinem Wissen über die Zustellgepflogenheiten und die Briefkästen an seiner Wohnadresse die nötige Sorgfalt walten zu lassen, um seine Poststücke zu erhalten. Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II. ausführlich dargestellt konnte der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen kein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis geltend machen. Es trifft ihn somit mehr als ein minderer Grad des Versehens.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auf Grundlage des § 33 VwGVG erlassen. Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes. Eine Anwendbarkeit für die belangte Behörde ist somit nicht vorgesehen und hätte sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf § 71 AVG stützen müssen. Im Ergebnis ändert sich aufgrund der gleichlautenden gesetzlichen Bestimmungen dadurch nichts, der richtigen Gesetzeszitierung wurde durch Abänderung des Spruchs Rechnung getragen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Hinterlegung, mangelnder Anknüpfungspunkt, Wiedereinsetzung,
Wiedereinsetzungsantrag, zumutbare Sorgfalt, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2198338.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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