TE Vwgh Beschluss 2018/9/5 Ra 2018/03/0096

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Veröffentlicht am 05.09.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07203020;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

32009R1072 Grenzüberschreitender Güterkraftverkehrsmarkt Art8 Abs1;
32009R1072 Grenzüberschreitender Güterkraftverkehrsmarkt Art8 Abs3;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 2017/I/062;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z9;
GütbefG 1995 §23 Abs4;
GütbefG 1995 §7 Abs2;
VStG §1 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei F W in F, Deutschland, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. Juni 2018, Zl. LVwG- 2018/37/0746-7, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 7. Februar 2018 wurde der Revisionswerber einer Übertretung des GütbefG schuldig befunden. Am 7. Mai 2017 sei mit einem nach den Kennzeichen bestimmten Sattelzug ein gewerbsmäßiger Gütertransport mit Belade- und Entladeort in Österreich von F nach W durchgeführt worden (Kabotage), ohne einen ordnungsgemäß ausgefüllten Beleg vorzuweisen. Der Revisionswerber habe dadurch § 23 Abs. 1 Z 9 GütbefG in Verbindung mit § 7 Abs. 2 GütbefG und Art. 8 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1072/2009 verletzt. Wegen dieser Übertretung wurde über den Revisionswerber gemäß § 23 Abs. 1 und 4 zweiter Satz GütbefG eine Geldstrafe von EUR 1.460,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden) verhängt.

2 Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof als nicht zulässig erklärt. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Lenker des auf den Revisionswerber zugelassenen Kraftfahrzeugs am 7. Mai 2017 jedenfalls nach F gefahren sei und dort den Lebensmitteltank mit Milch habe befüllen lassen. Die Ladung hätte in weiterer Folge nach W verbracht werden sollen. Dass vor diesem innerösterreichischen Transport eine grenzüberschreitende Beförderung stattgefunden habe, lasse sich nicht feststellen. Der Lastkraftwagen sei allerdings vor dem innerösterreichischen Gütertransport ohne Ladung nach Österreich eingefahren. Anlässlich der Kontrolle am 7. Mai 2017 auf der Kontrollstelle Radfeld habe der Lenker einen Beleg gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 für den innerösterreichischen Gütertransport (Kabotage) nicht vorweisen können.

In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass, wenn eine grenzüberschreitende Güterbeförderung in einen anderen Mitgliedstaat - also nicht in Österreich - durchgeführt werde, die Durchführung einer Kabotagebeförderung in Österreich (Transitkabotage) nach der Einfahrt des unbeladenen Fahrzeuges ("Leereinfahrt" nach Österreich) innerhalb von drei Tagen erlaubt sei. Jeder Verkehrsunternehmer, der Kabotagefahrten durchführe, müsse eindeutige Belege für die grenzüberschreitende Beförderung nach Österreich sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen in Österreich mitführen und im Fall einer Kontrolle vorweisen. Die Belege müssten die in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 angeführten Angaben enthalten.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 dürfe eine solche Kabotage nur im Anschluss an eine grenzüberschreitende Güterbeförderung unter Beachtung der weiteren in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen durchgeführt werden. Zwecks Überprüfung der Einhaltung der in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 definierten Voraussetzungen seien bei innerstaatlichen Güterkraftverkehrsdiensten, die im Aufnahmemitgliedstaat von gebietsfremden Verkehrsunternehmen durchgeführt würden, gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 Belege für die grenzüberschreitende Beförderung in den betreffenden Mitgliedstaat sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen vorzuweisen.

Der vom Revisionswerber zu verantwortende innerstaatliche Gütertransport wäre daher nur im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung bei Einhaltung der weiteren in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 definierten Voraussetzungen zulässig gewesen. Als Nachweis für die Einhaltung der für Kabotagefahrten notwendigen Voraussetzungen gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 sei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, den Lenker des auf ihn zugelassenen Fahrzeugs mit den entsprechenden Belegen nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 auszustatten.

Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein habe zu Recht nicht die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Z 8 GütbefG in der nunmehr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 62/1017 herangezogen, da die Novelle BGBl. I Nr. 62/1017 erst am 23. Mai 2017 in Kraft getreten sei, die für das Verfahren relevante innerösterreichischen Güterbeförderung aber bereits am 7. Mai 2017 stattgefunden habe. Das Vorbringen des Revisionswerbers, die Bezirkshauptmannschaft Kufstein habe verabsäumt festzustellen, ob eine grenzüberschreitende Güterbeförderung stattgefunden oder der Lastkraftwagen ohne Ladung nach Österreich eingefahren sei, ändere nichts am Vorliegen des Verwaltungsstraftatbestandes. Eine Zusammenschau des Abs. 2 und des Abs. 3 des Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 ergebe eindeutig, dass die vom Revisionswerber zu verantwortende Kabotagefahrt innerhalb von Österreich nur im Anschluss an eine grenzüberschreitende Güterbeförderung zulässig gewesen sei. Dementsprechend sei der Revisionswerber gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 verpflichtet gewesen, als gebietsfremder Verkehrsunternehmer für die Kabotagefahrt innerhalb Österreichs seinem Lenker die entsprechenden Belege zur Verfügung zu stellen.

     3 In seiner außerordentlichen Revision bringt der

Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, diese beziehe sich

     "ausschließlich auf die Fragen

-        einer Kabotagefahrt nach einem grenzüberschreitenden

Gütertransport bzw. nach einer Einfahrt in unbeladenem Zustand und

-        der Vorlage der ordnungsgemäß ausgefüllten Belege bei

einer Kabotagefahrt nach einer Einfahrt in unbeladenem Zustand."

Der Revisionswerber habe dazu vorgebracht, dass der Strafvorwurf auf § 23 Abs. 1 Z 9 GütbefG in Verbindung mit § 7 Abs. 2 GütbefG und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 gestützt werde, sohin die Rechtsfolgen bei einer Kabotagefahrt nach einem grenzüberschreitenden Gütertransport greifen würden. Gegenständlich sei jedoch eine Kabotagefahrt nach einer Einfahrt nach Österreich in unbeladenem Zustand gewesen. Art. 8 Abs. 2 zweiter Unterabsatz der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 räume auch die Möglichkeit ein, innerhalb von sieben Tagen Kabotagefahrten innerhalb von drei Tagen nach der Einfahrt des unbeladenen Fahrzeugs in einen weiteren Mitgliedstaat durchzuführen.

Diesem Rechtsstandpunkt des Revisionswerbers sei das Verwaltungsgericht mit der Begründung entgegengetreten, dass die Bezirkshauptmannschaft Kufstein zu Recht nicht die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Z 8 GütbefG in der nunmehr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 62/2017 herangezogen habe, da die Novelle BGBl. I Nr. 62/2017 erst am 23. Mai 2017 in Kraft getreten sei, die für das Verfahren relevante innerösterreichische Güterbeförderung aber bereits am 7. Mai 2017 stattgefunden habe. Diese Rechtsansicht sei aus mehreren Gründen verfehlt.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision ist nicht zulässig:

7 Vom Revisionswerber wird nicht in Zweifel gezogen, dass er zu verantworten hat, dass am 7. Mai 2017 eine innerösterreichische Kabotagefahrt durchgeführt wurde und der Lenker keine Belege im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 vorweisen konnte. Er versucht aber in den Ausführungen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision darzulegen, dass der Umstand, dass das Kraftfahrzeug in unbeladenem Zustand nach Österreich eingefahren ist, etwas an der Strafbarkeit des Verhaltens ändere. Der Revisionswerber - der auch vorbringt, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, Feststellungen dazu zu treffen, ob der LKW unbeladen in das Hoheitsgebiet eingefahren ist - übersieht dabei zunächst, dass das Verwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt hat, dass der LKW vor der Kabotagefahrt ohne Ladung nach Österreich eingefahren ist. Zudem gilt die Verpflichtung, eindeutige Belege vorweisen zu können, nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 "für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen", somit auch für "Transit-Kabotagefahrten" im Sinne des Art. 8 Abs. 2 zweiter Unterabsatz der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009. Es ist damit auch nicht nachvollziehbar, wie der Revisionswerber zur Auffassung kommt, dass § 23 Abs. 1 Z 9 GütbefG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 62/2017) in Verbindung mit § 7 Abs. 2 GütbefG und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 nur "die Rechtsfolgen bei einer Kabotagefahrt nach einem grenzüberschreitenden Gütertransport", nicht aber jene bei einer Kabotagefahrt nach einer Einfahrt nach Österreich in unbeladenem Zustand regeln würde. Wesentlich für die Verwirklichung des Tatbildes - und vom Revisionswerber unbestritten - ist, dass eine Kabotagefahrt durchgeführt wurde, und dass keine Belege im Sinne des § 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 vorgewiesen werden konnten. Ob die Kabotagefahrt als "Transit-Kabotagefahrt" (nach Einfahrt des unbeladenen Fahrzeugs im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009) oder als "reguläre" Kabotagefahrt (nach einer Beförderung in den Aufnahmemitgliedstaat, hier: Österreich) durchgeführt wurde, ist für die Verpflichtung, die entsprechenden Belege nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 vorweisen zu können, nicht relevant.

8 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers begegnet auch die Heranziehung des § 23 Abs. 1 Z 9 GütbefG in der - zum Tatzeitpunkt geltenden - Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 62/2017 keinen Bedenken. Nach § 1 Abs. 1 VStG kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) als Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. § 23 Abs. 1 Z 9 GütbefG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 62/2017 bedrohte eine Verletzung von Bestimmungen unter anderem der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 7.267 Euro; nach § 23 Abs. 4 GütbefG betrug die Geldstrafe bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 23 Abs. 1 Z 8 bis 10 GütbefG mindestens 1.453 Euro.

9 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 62/2017 wurde § 23 Abs. 1 Z 8 GütbefG dahin geändert, dass als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass (unter anderem) Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 entsprechende Belege an den Lenker ausgehändigt, während der Beförderung mitgeführt und auf Verlangen den Aufsichtsorganen ausgehändigt werden (an der Mindeststrafe nach § 23 Abs. 4 GütbefG, die auch bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 23 Abs. 1 Z 8 GütbefG anzuwenden ist, änderte die Novelle nichts). Zweck dieser Neufassung des § 23 Abs. 1 Z 8 GütbefG war, "die Rechtslage auch in Österreich zweifelsfrei zu gestalten" (vgl. den diesbezüglichen Initiativantrag 2093/A 125. GP). Damit hat sich aber weder an der Strafbarkeit des Verhaltens des Revisionswerbers noch an der Strafhöhe (Höchst- und Mindeststrafdrohung) durch die Novelle BGBl. I Nr. 62/2017 etwas geändert, sodass das Verwaltungsgericht zurecht die zum Tatzeitpunkt in Kraft befindliche Strafnorm herangezogen hat.

10 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 5. September 2018

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030096.L00

Im RIS seit

08.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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