TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/13 W208 2200155-1

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Veröffentlicht am 13.08.2018
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Entscheidungsdatum

13.08.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GEG §9 Abs2
UVG §24
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W208 2200155-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX, geboren XXXX, XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN vom 22.05.2018, Zl. Jv 52031-33a/18 (Ziv 464482/18-8), betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Im Grundverfahren (einer Pflegschaftssache) GZ XXXX wurden der nunmehrigen beschwerdeführenden Partei (im Folgenden: bP) Gerichtsgebühren in einer Gesamthöhe von € 366,80 (Entscheidungsgebühren § 24 UVG) rechtskräftig vorgeschrieben.

2. Mit Schreiben vom 24.04.2018 brachte die bP ein als Nachlassantrag gem § 9 Abs 2 GEG gewertetes Schreiben beim Bezirksgericht XXXX (in der Folge: BG) ein, welches vom Gericht des Grundverfahrens an die belangte Behörde - den Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN (OLG) - zur Entscheidung weitergeleitet wurde.

Begründet war der Antrag damit, dass die bP nur 15 Wochenstunden Teilzeit arbeite, € 547,- brutto verdiene, € 420,-- für die Miete benötige sowie von der Sozialhilfe und Zuwendungen ihrer Bekannten lebe.

3. Am 26.04.2018 wurde eine Fahrnis- und Gehaltsexekution gegen die bP bewilligt, wodurch zu den € 366,80 noch weitere € 68,70 Exekutionskosten kamen und sich die Forderung auf € 435,50 erhöhte.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22.05.2018 wurde dem Antrag der bP auf Nachlass der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren iHv € 435,50 (nach einem Ermittlungsverfahren) nicht stattgegeben.

In der Begründung wurde, nach Wiedergabe der Ermittlungsergebnisse und Zitierung des § 9 Abs 2 GEG, im Wesentlichen ausgeführt, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten nur dann zu einem Nachlass führen könnten, wenn mit einer Besserung auf Dauer nicht gerechnet werden könne. Dies sei bei der pP nicht der Fall.

4. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 28.05.2018) erhob die bP am 25.06.2018 (Postaufgabedatum) Beschwerde. Sie führte darin im Wesentlichen an, dass sie aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht belastbar sei und deshalb keine Chance auf Vollbeschäftigung habe. Weiters listete sie ihre Schulden (in Summe € 7.940,--) bei der Telekom, Banken, Fitnesscenter und beim Finanzamt auf. Sie müsse Raten zahlen und lasse ihr geringes Einkommen kaum zu ihre elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. Sie habe ein sehr schweres Leben.

Der Beschwerde beigelegt waren:

-

ein Lohnzettel vom März 2018 für eine Tätigkeit als Reinigungskraft, der einen Nettoauszahlungsbetrag von € 422,54 ausweist;

-

Befundberichte eines Facharztes für Psychiatrie vom 02.01.2018 und 20.09.2017, wonach die bP sich seit 12.11.2012 bei ihm in Behandlung befinde, unter Waschzwang, manisch-depressiver Störung, Panikattacken, Cephalaea und Somoforme Störung leide. Durch die Einnahme der verordneten Medikamente ginge es ihr etwas besser und würde sich eine günstigere Wohnung (die bP könne sich die Miete ihrer Wohnung nicht mehr leisten) günstig auf ihren Zustand auswirken.

5. Mit Schriftsatz vom 28.06.2018 (eingelangt am 05.07.2018) legte die belangte Justizverwaltungsbehörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem unter I. festgestellten Verfahrensgang und Sachverhalt ausgegangen. Insbesondere wird festgestellt, dass die bP den Feststellungen der belangten Behörde im Bescheid, wonach in Zukunft nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie ihre wirtschaftliche Lage (zum Besseren) ändere, mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht ausreichend überzeugend entgegengetreten ist.

Es steht fest, dass die vierzigjährige bP derzeit unter einer angespannten Einkommens- und Vermögenssituation leidet. So geht aus den Ermittlungsergebnissen der belangten Behörde und der von der bP vorgelegten Unterlagen hervor, dass sich die bP momentan in einer wirtschaftlichen Notlage befindet, sie erhält Mindestsicherung iHv rund € 400,--, Mietbeihilfe von rund € 100,--, ist von der Rezeptgebühr befreit, verdient € 422,-- im Monat und hat eine Ratenvereinbarung mit der WIENENERGIE abgeschlossen. Ebenso geht aber hervor, dass sie nach Ansicht des Amtes für Jugend und Familie der Stadt WIEN bei einer Vollzeittätigkeit als Hilfsarbeiterin mindesten € 1.200,-- netto verdienen könnte und sie in einer Klage gegen ihren Ex-Ehemann (der als Mediziner eine Ordination für Ästhetische Medizin in WIEN betreibt und sich um die gemeinsamen Kinder kümmert) eine Unterhaltsleistung von € 3.000,-- pro Monat eingefordert, diese Klage aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen zurückgezogen hat, obwohl sie diesem drei noch minderjährige Kinder geboren und sie als Hausfrau bis zur Trennung erzogen hat.

Die von ihr vorgelegten Befunde über psychischen Probleme, enthalten keinen Hinweis darauf, dass ihr eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung über eine geringfügige Beschäftigung hinaus, künftig nicht möglich ist (dzt. ist sie als arbeitssuchend gemeldet) und kann sie unter Heranziehung von Verfahrenshilfe erneut eine Klage gegen ihren Ex-Ehemann einbringen, der - wie eine Internetrecherche ergeben hat - nach wie vor seine Ordination in Wien als Schönheitschirurg betreibt.

Es steht daher nicht fest, dass ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht nur vorübergehender Natur sind.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf die Angaben der bP, ihrem Antrag und ihrer Beschwerde sowie den im Akt einliegenden in den Feststellungen zitierten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit des Verfahrens

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst zulässig.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im GEG liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften von Amts wegen aufgreifen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2013, § 27, K2).

Gemäß § 28 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (Abs 1). Über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Abs 2).

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - ungeachtet eines Parteienantrags, der hier ohnehin nicht vorliegt - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von "civil rights" unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305; 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage feststeht und die Rechtsfrage nicht derart komplex ist, dass es deren Erörterung in einer Verhandlung bedürfte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Rechtsgrundlagen

Gebühren und Kosten können gemäß § 9 Abs 2 GEG nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Bei der Bestimmung des § 9 Abs 2 GEG handelt es sich nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig. In diesem Zusammenhang kommt sowohl eine besondere Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung als auch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht, die die Einbringung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Diese Voraussetzung hat die Justizverwaltungsbehörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (VwGH 25.06.2013, 2009/17/0164).

Zwar hat ein Antragsteller alle jene Umstände, auf die er sein Ansuchen stützt, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel darzulegen. Jedoch hat die Behörde über den Antrag ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten und die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen. Dabei hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides Feststellungen über den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu treffen (VwGH 24.09.2009, 2008/16/0130, mwN). Insbesondere ist es Aufgabe der Behörde, im Einzelfall bezogen auf die persönlichen Verhältnisse des Nachsichtwerbers jene Feststellungen zu treffen, die es ermöglichen, die Entscheidung zu überprüfen, dass die Voraussetzungen für den Nachlass im gegebenen Fall nicht vorliegen (VwGH 09.09.1993, 92/16/0119; VwGH 16.10.2014, 2011/16/0232).

Im Verfahren betreffend den Nachlass von Gerichtsgebühren und Kosten ist kein Raum dafür, allfällige Versäumnisse, die im Vorschreibungsverfahren unterlaufen sind, nachzuholen und (nochmals) die Frage der Richtigkeit der Gebührenbemessung aufzurollen (VwGH 28.04.2005, 2005/16/0025; 23.11.2005, 14.03.2016, Ra 2016/16/0011, VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Selbst die Einbringung einer zwar rechtskräftigen, materiell gesehen aber zu Unrecht vorgeschriebenen Gebühr (schon allein wegen ihres Unrechtsgehalts) führt nicht zu einer "besondere Härte" für den Zahlungspflichtigen (vgl. VwGH 29.01.1996, 95/16/0306; VwGH 19.12.2017, Ra 2016/16/0039).

Im Nachsichtsverfahren besteht kein Raum dafür, die Behauptung des Abgabepflichtigen, seine Gebührenpflicht wäre durch das Verschulden bestimmter anderer Personen herbeigeführt worden, zu überprüfen (VwGH 31.10.1991, 90/16/0227, 29.01.1996, 95/16/0306).

Die Gewährung eines Nachlasses setzt voraus, dass sowohl die Entrichtung zu einem späteren Zeitpunkt als auch die Entrichtung in - allenfalls sehr kleinen - Monatsraten noch immer eine besondere Härte darstellen würden, sodass nur mehr die endgültige Erlassung die Härte beseitigt. Wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur rechtfertigen zwar eine Stundung (Ratengewährung), aber keinen Nachlass (VwGH 28.03.1996, 96/16/0020, mwN; 27.05.2014, 2011/16/0241).

Eine Unbilligkeit kann nicht nur persönlich, sondern auch sachlich bedingt sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers (und seiner Familie) gefährdet. Eine sachliche Unbilligkeit ist dementsprechend anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit im Einzelfall ist dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen ist, die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft (VwGH 10.04.1986, 85/17/0147, 0148; 05.11.2003, 2003/17/0253).

3.3. Anwendung auf den konkreten Fall

Die bP führt in Ihrer Beschwerde zusammengefasst an, sie lebe derzeit von ihrem Teilzeitjob (mehr könne sie aus psychischen Gründen nicht leisten), von Sozialhilfe und Zuwendungen von Bekannten. Diese Umstände hat die belangte Behörde in Kern nicht bestritten, jedoch ausgeführt, dass daraus noch nicht geschlossen werden könne, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht nur vorübergehender Natur sind.

Mit ihrem Vorbringen erfüllt die bP - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Nachlass.

Es wurden keine außergewöhnlichen Umstände dargelegt, aufgrund derer von einer ungleichen, unbilligen Betroffenheit der bP von der Gebührenvorschreibung und somit vom Vorliegen einer besonderen - sachlich begründeten - Härte im Sinne des § 9 Abs 2 GEG auszugehen wäre. Die Entscheidungsgebühren nach § 24 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) treffen alle Unterhaltsschuldner gleich und kann auch Verfahrenshilfe beantragt werden.

In Ermangelung des Bestehens einer besonderen Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung, wäre im vorliegenden Fall der Nachlass aus dem Grund der besonderen Härte somit vom Vorliegen individueller (insbesondere wirtschaftlicher) Gründe abhängig, die die Eintreibung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Hinsichtlich des nach den obigen Ausführungen verbleibenden Anwendungsbereiches des § 9 Abs 2 GEG ist auf die dargestellte ständige Rechtsprechung des VwGH hinzuweisen, wonach es in einem Verfahren über den Nachlass von Gerichtsgebühren Sache der Antragstellerin ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzutun, auf die der Nachlass gestützt werden kann (erhöhte Mitwirkungspflicht).

Dieser erhöhten Mitwirkungspflicht ist die bP wie in der Beweiswürdigung dargelegt wurde nur unzureichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Antrag auf Nachlass und den von der bP letztlich vorgelegten Unterlagen bzw den Ermittlungsergebnissen der Behörde, dass sie offenbar eine besondere Härte des Gebühreneinzuges darin erblickt, dass sie aufgrund psychischer Probleme dzt. nur Teilzeit bzw. geringfügig arbeiten kann und Mindestsicherung bezieht sowie ihre monatlichen Ausgaben ihre Einnahmen übersteigen, weil sie Schulden habe und Raten zahlen müsse.

Mit dem Vorbringen zu ihrer zweifellos schwierigen wirtschaftlichen Situation, konnte die bP aus folgenden Gründen keine "besondere Härte" bei der Bezahlung von Gerichtsgebühren iHv € 435,50 im Sinne der oben genannten Rechtsprechung bescheinigen.

So ist die bP, arbeitsfähig und geht aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht hervor, dass sie - bei entsprechender medikamentöser Therapie - nicht Voll- oder Teilzeit arbeiten könnte. Mit dem Geburtsjahrgang 1978 ist sie auch keineswegs zu alt, um nicht eine Arbeit als Vollzeitbeschäftigte zu finden oder sich in einem Mangelberuf ausbilden zu lassen (sie ist laut den Unterlagen der Sozialversicherung "arbeitssuchend" gemeldet). Das Ende der Unterhaltspflicht für ihre drei minderjährigen Kinder ist ebenfalls absehbar und ist auch nicht auszuschließen, dass sie unter Zuhilfenahme von Verfahrenshilfe eine neuerliche Unterhaltsklage gegen ihren als Arzt in Wien tätigen Ex-Ehemann gewinnt und dieser ihr Unterhalt zahlen muss, oder sie eine neue Beziehung eingeht und sie bei ihrem neuen Lebenspartner wohnen kann (womit die Aufwendungen für die Miete wegfallen würden). Ihre Existenz ist aufgrund der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen (Mindestsicherung, Mietbeihilfe, Zuwendungen von Bekannten und geringfügiger Beschäftigung) nicht gefährdet, ebensowenig jene ihrer Kinder, für die deren Vater (Ex-Ehemann) sorgt.

Es handelt sich folglich um wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur und ist daher nicht von einer besonderen Härte, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des VwGH auszugehen, welche einen Nachlass rechtfertigen würde, zumal der bP die Beantragung einer Verlängerung der Zahlungsfrist bzw der Zahlung in (allenfalls kleinen) Raten (Stundung) gemäß § 9 Abs 1 GEG offen steht:

"§ 9. (1) Auf Antrag kann die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).

[...]

(3) Ein Stundungs- oder Nachlassantrag hat keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat, wenn sonst der Zweck der Entscheidung ganz oder teilweise vereitelt werden könnte, auf Antrag oder von Amts wegen die Einbringung bis zur Entscheidung über das Stundungs- oder Nachlassbegehren aufzuschieben, wenn das Begehren einen ausreichenden Erfolg verspricht und nicht die Einbringlichkeit gefährdet wird.

(4) Über Anträge nach Abs. 1 bis 3 entscheidet der Präsident des Oberlandesgerichts Wien im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid; er kann den Leiter oder andere Bedienstete der Einbringungsstelle ermächtigen, diese Angelegenheiten in seinem Namen zu erledigen und zu unterfertigen. Bei Beträgen über 30 000 Euro bedarf die Gewährung einer Stundung oder eines Nachlasses der Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz. Über Anträge auf Stundung und Nachlass von Beträgen aus Grundverfahren beim Bundesministerium für Justiz entscheidet die Bundesministerin für Justiz. Auf das Verfahren in Stundungs- und Nachlassangelegenheiten sind § 6b, § 7 Abs. 3 bis 7 sinngemäß anzuwenden. [...]"

Die Anerkennung als besondere Härte im Wege des Nachlasses im vorliegenden Fall, würde eine Überwälzung von Gerichtsgebühren auf die Allgemeinheit bedeuten, welche vom Gesetz nicht gedeckt ist und käme seinem Wesen nach der Schaffung einer neuen, im Gesetz nicht vorgesehenen Gebührenbefreiung bzw Gebührenbegünstigung gleich.

Das im § 9 Abs 2 GEG erwähnte öffentliche Interesse muss - um einen Nachlass zu rechtfertigen - im Einzelfall so gewichtig sein, dass es jenes allgemein bestehende öffentliche Interesse an der Einhebung der Gebühren eindeutig überwiegt (VwGH 31.10.1991, 90/16/0227). Dass ein solches Interesse bestünde hat die bP nicht behauptet und ist es auch sonst nicht ersichtlich, da dieses nicht schon durch das subjektive Interesse der bP an einer Entlastung von diesen Gebühren erfüllt ist (VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132).

An der Einhebung von Gerichtsgebühren - wie bei der Einhebung von Abgaben - besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse, da ohne diese dem Staat die Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben fehlen würden.

Da dem angefochtenen Bescheid vor diesem Hintergrund keine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG aus den von der bP angeführten Gründen anzulasten ist, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Auf die oben dargestellten grundlegenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

besondere Härte, Gebührennachlass, Mitwirkungspflicht,
Nachlassantrag, psychische Belastungsreaktion,
Teilzeitbeschäftigung, wirtschaftliche Schwierigkeiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W208.2200155.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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