TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/14 99/11/0344

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Veröffentlicht am 14.12.1999
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Index

L92709 Jugendwohlfahrt Kinderheim Wien;

Norm

JWG Wr 1990 §21 Abs2;
JWG Wr 1990 §22 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und den Senatspräsidenten Dr. Waldner sowie die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Andreas Schmid, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. September 1997, Zl. MA 11-NP/B/2434/95, betreffend Bewilligung zur Übernahme von Kindern in Tagespflege und Erziehung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt II. des im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. September 1995 auf Erteilung der Bewilligung der Übernahme von Kindern in Tagespflege und Erziehung an einer näher umschriebenen Anschrift im

21. Wiener Gemeindebezirk bzw. in anderen noch einzurichtenden Räumlichkeiten gemäß § 22 Abs. 4 und 5 des Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes 1990 - WrJWG 1990, LGBl. Nr. 36, abgewiesen. Dieser Bescheid ist ein Ersatzbescheid nach dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1997, Zl. 96/11/0294, mit dem der auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte (aufhebende und an die erste Instanz zurückverweisende) Vorbescheid vom 12. März 1996 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit (Verletzung der Verpflichtung der belangten Behörde als Berufungsbehörde zur Fällung einer Sachentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG) aufgehoben worden war. (Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde der zwischen Erlassung des Vorbescheides vom 12. März 1996 und Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1997 erlassene neuerliche Erstbescheid vom 17. Februar 1997 aufgehoben).

In seiner erkennbar nur gegen Spruchpunkt II. gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat aus Anlass der Beratung über diese Beschwerde mit Beschluss vom 24. Februar 1998 gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit seiner Auffassung nach präjudizieller Bestimmungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes (des Bundes) sowie des WrJWG 1990 gestellt. Mit Erkenntnis vom 30. September 1999, G 55, 56/98, hat der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag teils ab-, teils zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher bei der Entscheidung über diese Beschwerde von der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlagen des angefochtenen Bescheides auszugehen.

Die Abs. 1 bis 6 des § 22 WrJWG 1990 lauten

"(1) Pflegekinder unter 16 Jahren dürfen nur mit Bewilligung (Bescheid) des Magistrats in Pflege und Erziehung übernommen werden.

(2) Die Bewilligung darf nur für ein bestimmtes Pflegeverhältnis erteilt werden. Bewilligungen, die Tagesmüttern/-vätern erteilt werden, müssen die Namen der Kinder nicht enthalten. Im Bescheid ist jedoch nach Erfordernis durch Auflagen sicherzustellen, daß die ordnungsgemäße Pflege und Erziehung der Kinder gewährleistet ist.

(3) Personen (Bewilligungswerber), die ein Pflegekind übernehmen wollen, haben die Bewilligung zur Übernahme in Pflege und Erziehung beim Magistrat zu beantragen.

(4) Die Bewilligung zur Übernahme in Pflege und Erziehung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 vorliegen. Insbesondere müssen die Bewilligungswerber persönliche Einstellungen und Fähigkeiten besitzen, welche die bestmögliche Förderung des Pflegekindes sicherstellen und die soziale Integration des Pflegekindes gewährleisten.

(5) Die Bewilligung zur Übernahme in Pflege und Erziehung kann versagt werden, wenn einer der in Z 1 angeführten Umstände bei einer mit dem Bewilligungswerber in Wohngemeinschaft lebenden Person vorliegt. Sie ist zu versagen, wenn einer der nachfolgend angeführten Umstände beim Bewilligungswerber vorliegt

1. ansteckende, schwere chronische oder psychische Erkrankungen oder Auffälligkeiten, geistige Behinderung oder Sucht, die das Wohl des Pflegekindes gefährdet erscheinen lassen,

2. gerichtliche Verurteilungen wegen Handlungen, die das Wohl des Pflegekindes gefährdet erscheinen lassen,

3.

Betreuungsmängel bei leiblichen Kindern,

4.

sonstige Gründe, die das Wohl des Pflegekindes gefährdet erscheinen lassen.

(6) Der Altersunterschied zwischen den Pflegepersonen und dem Pflegekind hat dem natürlichen Altersunterschied zwischen leiblichen Eltern und Kindern zu entsprechen. Wenn es das Kindeswohl erfordert, sind Ausnahmen möglich. "

Gemäß § 21 Abs. 2 WrJWG 1990 hat jede Vermittlung dem Wohl des Kindes zu dienen. Sie ist nur vorzunehmen, wenn begründete Aussicht besteht, daß zwischen den Pflegeeltern (Pflegepersonen) und dem Pflegekind, ausgenommen bei vorübergehender Unterbringung, eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung hergestellt wird und die bestmögliche individuelle und soziale Entfaltung des Minderjährigen gesichert ist.

Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf zwei von ihr eingeholte ärztliche Gutachten (einer ärztlichen Amtssachverständigen und eines Facharztes für Kinderheilkunde), aus denen sich ergebe, dass der Beschwerdeführer eine Fülle von auffälligen Persönlichkeitsmerkmalen aufweise, die aus entwicklungspsychologischer Sicht geeignet seien, das psychische Wohlergehen von Kindern und Säuglingen zu gefährden. Auch bei Vorlage "unauffälliger Privatgutachten" durch den Beschwerdeführer blieben diese von zwei Sachverständigen geäußerten Bedenken bestehen. Sein inhomogenes Persönlichkeitsbild und seine Berufslaufbahn ließen keine Hinweise zu, die angestrebte Tätigkeit des Beschwerdeführers werde den Kriterien des § 22 Abs. 4 WrJWG 1990 gerecht. Diese Berufslaufbahn bestehe nach der Begründung des angefochtenen Bescheides in kurzen Tätigkeiten als Stationsgehilfe, davon ungefähr sieben Monate an einem Kinderspital mit "durchschnittlicher bis minder entsprechender" Dienstbeschreibung sowie einer viermonatigen Tätigkeit in einem Kindergarten sowie der halbjährigen Verrichtung von Hilfsdiensten in einer vergleichbaren Einrichtung. An einschlägiger Ausbildung weise er kein Zeugnis über einen absolvierten Lehrgang betreffend den Umgang mit Kindern auf; er habe lediglich in den Jahren 1969/70 und 1974/82 Fernkurse als Sprechstundenhelfer und als Kindergärtner absolviert. Dazu komme, dass er mit einem Lebensalter von 51 Jahren im Verhältnis zu "Babys" und Kleinkindern (bis sechs Jahren) im Lichte des § 22 Abs. 6 WrJWG 1990 zu alt sei.

Der Beschwerdeführer macht zunächst eine Verletzung des § 63 Abs.1 VwGG geltend; die belangte Behörde sei der aus dem Vorerkenntnis vom 18. Februar 1997 erfließenden Bindung nicht gerecht geworden, indem sie Ergebnisse von Ermittlungen, die vor dem Ergehen des Erkenntnisses angestellt worden seien, im angefochtenen Bescheid verwertet habe; auch sei es ihm dadurch verwehrt geblieben, vier weitere von ihm eingeholte ärztliche Gutachten vorzulegen.

Mit diesem Vorbringen kann er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, die zu dessen Aufhebung zu führen hätte, nicht dartun. Der Verwaltungsgerichtshof hat im erwähnten Vorerkenntnis weder bestimmte Ermittlungen vorgeschrieben noch ausgesagt, dass Ergebnisse früherer Ermittlungen nicht verwertet werden dürfen; Aufhebungsgrund war lediglich eine Verletzung der Verpflichtung der belangten Behörde als Berufungsbehörde, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn nicht die (neuerliche) Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich ist. Der bloße Umstand, dass die Behörde zusätzliche Ermittlungen für notwendig erachtete, sei kein Grund für die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Erstbehörde. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wieso der Beschwerdeführer daran gehindert gewesen sein sollte, die von ihm aufgezählten, allesamt vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides entstandenen Beweismittel der Behörde vorzulegen.

Der Beschwerdeführer ist ferner nicht im Recht, wenn er behauptet, das Gebot eines dem leiblicher Eltern und Kinder entsprechenden Altersunterschiedes sei auf Tagesmütter/-väter nicht anzuwenden. In § 22 Abs. 6 WrJWG 1990 ist ausdrücklich von Pflegepersonen (worunter auch Tagesmütter/-väter fallen) und nicht von Pflegeeltern die Rede. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass zwischen ihm und Kleinkindern mehr als ein "natürlicher Altersunterschied" im Sinne des Gesetzes liegt.

Es kann dahinstehen, ob dies für sich ein eigener tragfähiger Versagungsgrund wäre, da jedenfalls auch ein anderer Versagungsgrund vorliegt:

In rechtlicher Hinsicht ist zunächst davon auszugehen, dass § 22 Abs. 4 WrJWG 1990 sowohl auf Pflegeeltern als auch auf andere Pflegepersonen wie Tagesmütter/-väter anzuwenden ist. Dies gilt grundsätzlich auch für die Verweisung auf § 21 Abs. 2, obwohl dort eine Einschränkung auf die Fälle nicht bloß vorübergehender Unterbringung normiert wird. Diese Einschränkung bezieht sich aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nur auf das Bewilligungserfordernis, dass die begründete Aussicht besteht, es werde eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung hergestellt. Bei Tagesmüttern/-vätern wäre ein solches Erfordernis nicht nur überspitzt, sondern im Gegenteil in Anbetracht des Umstandes, dass die Beziehung zu den leiblichen Eltern (einem Elternteil) aufrecht bleibt, sogar unerwünscht. Die in § 22 Abs. 4 geforderte Sicherstellung der bestmöglichen Förderung des Pflegekindes und die Gewährleistung seiner sozialen Integration ist aber auch in Ansehung von Tagesmüttern/-vätern für die Erteilung einer Bewilligung zur Übernahme in Pflege und Erziehung erforderlich.

Der Beschwerdeführer verkennt nämlich, dass es nach dem Gesetz für die Erteilung der begehrten Bewilligung nicht genügt, dass keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, allfällige Gefährdungen des Kindeswohles würden eintreten. Das Gesetz fordert umgekehrt in § 22 Abs. 4 die Sicherstellung der bestmöglichen Förderung des zu pflegenden Minderjährigen und die Gewährleistung seiner sozialen Integration. Es ist daher entgegen dem Beschwerdevorbringen durchaus so, dass begründete Zweifel (ein begründeter Verdacht) genügen, die Bewilligung zu versagen. Dementsprechend kommen die Verfasser der beiden von der belangten Behörde eingeholten schlüssigen Gutachten auf Grund der von ihnen aus dem jeweiligen aufgenommenen Befund gewonnenen Bedenken gegen die Eignung des Beschwerdeführers (also dem "Verdacht", der Beschwerdeführer könne nicht geeignet sein) zur Empfehlung, die Bewilligung zu versagen. Dies muss bereits als ein ausreichender Grund für die Versagung angesehen werden, auch wenn andere Gutachter solche Bedenken nicht geäußert haben. Davon, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 22 Abs. 4 WrJWG 1990 auf Grund seiner persönlichen Einstellungen und Fähigkeiten die bestmögliche Förderung ihm anvertrauter Pflegekinder sicherstellt bzw. die soziale Integration des Pflegekindes gewährleistet, kann keine Rede sein.

Angesichts dessen verletzt die Versagung der Bewilligung keine Rechte des Beschwerdeführers. Auf die weitere zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige Frage nach der Bedeutung der vom Beschwerdeführer zurückgelegten Ausbildung als Kindergärtner kommt es daher nicht mehr an.

Was die Nichteignung der vom Beschwerdeführer derzeit bewohnten Räumlichkeiten zur Betreuung von Tageskindern und die Möglichkeit der Anmietung geeigneter Räumlichkeiten im Falle der Erteilung der Bewilligung anlangt, hat die belangte Behörde diese Umstände nicht zur Begründung für die Versagung der begehrten Bewilligung genommen.

Die Beschwerde erweist sich als insgesamt unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110344.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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