TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/14 99/11/0246

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.1999
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Spitzy, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 8, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nach § 13 a BEinstG vom 17. Dezember 1998, Zl. 44.140/51-7/98, betreffend Zustimmung zur Kündigung einer begünstigten Behinderten (mitbeteiligte Partei:

Wiener Städtische Allgemeine Versicherung AG in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Zottl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde in Stattgebung eines Antrages der mitbeteiligten Partei vom 24. März 1997 die Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung der Beschwerdeführerin, einer Arbeitnehmerin der mitbeteiligten Partei seit September 1985 und einer begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) seit 15. Dezember 1994, erteilt.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 2 erster und zweiter Satz BEinstG darf die Kündigung eines begünstigten Behinderten von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss nach Anhörung näher genannter Gremien zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt. Nach § 8 Abs. 3 BEinstG ist bei einer Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 (Förderungsmaßnahmen) zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann. Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber nach § 8 Abs. 4 BEinstG insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn (u.a.) b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann.

Die Beschwerdeführerin war von der mitbeteiligten Partei mit Wirkung vom 31. Dezember 1995 entlassen worden. Sie bekämpfte diesen Ausspruch durch Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien auf Feststellung des aufrechten Bestandes ihres Dienstverhältnisses über den 31. Dezember 1995 hinaus. Dieses Verfahren ist - nach Ergehen eines stattgebenden Urteiles vom 29. Jänner 1997 und eines dieses Urteil aufhebenden Beschlusses des OLG Wien vom 15. Juli 1998 - nach der Aktenlage noch bei der ersten Instanz anhängig.

1. Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, dass die belangte Behörde ihr (Verwaltungs-)Verfahren hätte aussetzen müssen, um den Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens betreffend Wirksamkeit der Entlassung zum 31. Dezember 1995 abzuwarten.

Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, wieso der Umstand, dass die belangte Behörde über den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung der Beschwerdeführerin abgesprochen hat, ohne den Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens abzuwarten, für die Rechte der Beschwerdeführerin von Bedeutung sein soll. Die mitbeteiligte Partei hat die Zustimmung zu einer auszusprechenden, dadurch bedingten Kündigung beantragt, dass die Entlassung der Beschwerdeführerin zum 31. Dezember 1995 nicht rechtswirksam geworden sei; die belangte Behörde hat diese beantragte Zustimmung erteilt. Es besteht kein Anhaltspunkt für das Zutreffen der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie wäre durch die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise in ihren Rechten berührt, geschweige denn verletzt worden. Sollte sich die Entlassung zum 31. Dezember 1995 im arbeitsgerichtlichen Verfahren als rechtswirksam herausstellen, wäre das vorliegende Verwaltungsverfahren und damit auch die Erlassung des angefochtenen Bescheides gegenstandslos. Im gegenteiligen Fall wäre der Weg für eine auszusprechende Kündigung der Beschwerdeführerin rechtlich frei.

2. Die Beschwerdeführerin behauptet, der angefochtene Bescheid sei nichtig, weil sie während der Dauer des vorliegenden Verwaltungsverfahrens prozessunfähig gewesen und zu ihrem Beistand kein Sachwalter bestellt worden sei.

Dem ist entgegen zu halten, dass sich die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten erfolgte Bestellung eines Sachwalters nur auf das Verfahren vor diesem Gericht betreffend Bestellung eines (allgemeinen) Sachwalters bezieht; im Übrigen war die Beschwerdeführerin in ihrer Handlungs- und Prozessfähigkeit durch einen behördlichen Akt nicht beschränkt. Dass es ihr darüber hinaus an der Prozessfähigkeit faktisch gemangelt hätte, ist eine durch nichts belegte Behauptung, die im Verwaltungsverfahren auch durch die für die Beschwerdeführerin einschreitenden Rechtsvertreter nicht aufgestellt wurde. Das Verwaltungsverfahren wurde vielmehr unter Mitwirkung der Beschwerdeführerin durchgeführt. Dabei ist kein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, dass es ihr an der erforderlichen Einsicht mangle, um ihren Standpunkt - die Zustimmung zu einer Kündigung sei zu versagen - vertreten zu können.

3. In der Sache macht die Beschwerdeführerin geltend, es wäre keine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung durch die mitbeteiligte Partei zu erteilen gewesen, weil ihr in deren Unternehmen ein ihren (eingeschränkten) Möglichkeiten entsprechender Arbeitsplatz zugewiesen werden könne. Dies sei der mitbeteiligten Partei als "Milliardenunternehmen" im Zuge der gegenseitigen Interessenabwägung zumutbar.

Aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten (ärztlichen und berufskundlichen) Gutachten konnte die belangte Behörde in unbedenklicher Weise den Schluss ziehen, dass die Beschwerdeführerin auf absehbare Zeit für keinen bei der mitbeteiligten Partei zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz in Betracht komme. Sie sei unfähig, eine den Anforderungen entsprechende Arbeitsleistung zu erbringen, da sie kommunikativ nicht belastbar und zu keiner geordneten Dialogführung in der Lage sei.

Diesen sachverständigen Äußerungen hat die Beschwerdeführerin nichts entgegen gesetzt, das die Aussagekraft der Gutachten zu erschüttern geeignet gewesen wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass die in § 8 Abs. 2 bis 4 BEinstG vorgesehene Ermessensübung der belangten Behörde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1999, Zl. 98/11/0322), die der Sache nach von der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Beschwerdeführerin für die mitbeteiligte Partei im Sinne des § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG ausgegangen ist, unbedenklich ist. Es kann keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes gehandelt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch zur Feststellung veranlasst, dass sich aus dem in der Beschwerde erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17 (richtig 27.) April 1989, Zl. 88/09/0124 (= Slg. Nr. 12 922/A), nicht ergibt, der Dienstgeber wäre zu organisatorischen Änderungen seines Betriebes verpflichtet, um einen Arbeitsplatz für einen begünstigten Behinderten zu schaffen und auf diese Weise seine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.

Die Beschwerde erweist sich als insgesamt unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil die Pauschalsätze für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung die Umsatzsteuer bereits enthalten.

Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den - zur hg. Zl. AW 99/11/0046 protokollierten - Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 14. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110246.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten