TE Vfgh Erkenntnis 2017/3/15 E46/2016

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Veröffentlicht am 15.03.2017
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Index

81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
WRG 1959 §15, §102, §111, §117
AHG §11
EMRK Art13
EU-Grundrechte-Charta Art47

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurückweisung der Beschwerde eines Fischereiberechtigten gegen die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung von Anlagen für das "Frequency Festival 2015"; fehlendes Rechtsschutzinteresse infolge Ablaufs des Bewilligungszeitraumes; Entzug des gesetzlichen Richters durch Verneinung der Zuständigkeit zur Entscheidung über den geltend gemachten Entschädigungsanspruch; inhaltliche Entscheidung der Wasserrechtsbehörde angesichts der sukzessiven Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte erforderlich; keine Zuständigkeit des VfGH zur Entscheidung über die beanstandete Verfahrensführung

Spruch

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, soweit er sich auf Spruchpunkt IV. lita und b des bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 10. August 2015 bezieht, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird in diesem Umfang abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Beschluss in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

II. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, soweit er sich auf Spruchpunkt IV. litc des bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 10. August 2015 bezieht, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der angefochtene Beschluss wird in diesem Umfang aufgehoben.

III. Der Antrag auf Feststellung der Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die Rechtswidrigkeit des behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Vorgehens wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.        Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1.       Mit Anbringen vom 3. Juli 2015 beantragte die beteiligte Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof die wasserrechtliche Genehmigung für das "Frequency Festival 2015" samt Campingplatz. In Bezug auf diesen Antrag fand am 7. August 2015 eine mündliche Verhandlung statt, zu der auch die beschwerdeführende Partei vor dem Verfassungsgerichtshof als Fischereiberechtigte geladen war. Im Zuge der Verhandlung brachte die beschwerdeführende Partei – übereinstimmend mit dem Obmann des Fischereiverbandes IV – vor, durch das geplante Festival komme es zu wesentlichen Beeinträchtigungen der Ausübung der Fischerei. Für den Fall der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung – welche sie grundsätzlich ablehne – regte die beschwerdeführende Partei näher bezeichnete Sicherungsmaßnahmen für die Fischerei an.

2.       Die beschwerdeführende Partei brachte dazu zusammengefasst Folgendes vor: In den letzten Jahren habe sich bei vergleichbaren Veranstaltungen gezeigt, dass es durch die Veranstaltung zu einer erheblichen Beeinträchtigung des ökologischen Zustandes und der Fischfauna, insbesondere im Traisenfluss, komme. Diese Beeinträchtigungen seien umso bedeutender in Zeiten, in denen der Traisenfluss nur eine geringfügige Wasserführung aufweise. Während außerhalb der Veranstaltungszeiten lediglich wenige Personen den Traisenfluss zum Baden verwendeten, hielten sich während des "Frequency Festivals" bis zu 1.000 Personen gleichzeitig im Fluss auf und trügen damit zu einer erhöhten Verschmutzung des Wassers durch Sonnenöl, Shampoos und Fäkalien bei. Hiedurch komme es zu einer Beeinträchtigung der im Wasser lebenden Tiere, auch die Gefahr eines Fischsterbens sei gegeben. Zur Hintanhaltung dieser Beeinträchtigungen werde insbesondere die Erlassung eines Badeverbots im Traisenfluss, während des Festivals sowie dessen Durchsetzung durch die Sicherheitskräfte des Veranstalters, aufklärende Information der Festivalbesucher durch den Veranstalter und die Abzäunung des Flussbettes im Veranstaltungsgelände angeregt.

3.       Mit Bescheid vom 10. August 2015 erteilte der Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten als zuständige Wasserrechtsbehörde gemäß §38, §98, §105, §108 und §111 Wasserrechtsgesetz 1959 ("WRG 1959") für den Zeitraum von 14. bis 24. August 2015 die befristete wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung diverser Anlagen für das "Frequency Festival 2015" auf näher bezeichneten Grundstücken entlang des Traisenflusses unter Vorschreibung mehrerer Auflagen. Mit Spruchpunkt IV. dieses Bescheides wies der Bürgermeister die Einwendungen bzw. Forderungen des Obmannes des Fischereirevierverbandes IV bzw. der beschwerdeführenden Partei als unzulässig zurück bzw. als unbegründet ab. Zur allfälligen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wurde die beschwerdeführende Gesellschaft gemäß §117 WRG 1959 auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

4.       Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wies diese Beschwerde mit Beschluss vom 24. November 2015 zurück. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hiezu aus, zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 11. September 2015 sei der Bewilligungszeitraum bereits abgelaufen gewesen, womit der Bescheid in diesem Zeitpunkt nicht mehr dem Rechtsbestand angehört habe. Da sich die Beschwerde gegen einen nicht mehr existenten Bescheid richte, sei sie mangels Anfechtungsgegenstandes unzulässig.

5.       Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK, auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art47 GRC sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG und ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip behauptet wird.

6.       Der Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in welcher er dem Beschwerdevorbringen entgegentritt.

7.       Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legte die Gerichtsakten vor.

II.      Rechtslage

1.       Die §§15, 102, 111 und 117 Wasserrechtsgesetz 1959 ("WRG 1959"), BGBl 215/1959, idF BGBl I 98/2013, lauten:

"Einschränkung zugunsten der Fischerei.

§15. (1) Die Fischereiberechtigten können anläßlich der Bewilligung von Vorhaben mit nachteiligen Folgen für ihre Fischwässer Maßnahmen zum Schutz der Fischerei begehren. Dem Begehren ist Rechnung zu tragen, insoweit hiedurch das geplante Vorhaben nicht unverhältnismäßig erschwert wird. Für sämtliche aus einem Vorhaben erwachsenden vermögensrechtlichen Nachteile gebührt den Fischereiberechtigten eine angemessene Entschädigung (§117).

(2) Auf Antrag der Fischereiberechtigten oder der nach den landesgesetzlichen Vorschriften zur Wahrnehmung der Fischereiinteressen berufenen Stellen (Landesfischereirat, Fischereirevierausschüsse) sind Wasserstrecken oder Wasserflächen, die zum Laichen der Fische oder zur Entwicklung der jungen Brut besonders geeignet erscheinen, von der Wasserrechtsbehörde nach Anhörung der Parteien und Beteiligten (§102) gegen Widerruf als Laichschonstätten zu erklären, wenn nicht Rücksichten von überwiegender Bedeutung entgegenstehen.

(3) Das gleiche gilt für die Erklärung entsprechender Wasserstrecken oder Wasserflächen als Winterlager der Fische.

(4) Unter denselben Voraussetzungen kann auf Antrag der nach Abs2 zur Antragstellung Berechtigten die Wasserrechtsbehörde das Einlegen von Hanf und Flachs für bestimmte Gewässerstrecken verbieten.

(5) In den Laichschonstätten ist während der von der Wasserrechtsbehörde zu bestimmenden Zeit jede mit einer Gefährdung des Laichens oder der Fischbrut verbundene Tätigkeit verboten, insbesondere das Abmähen und Ausreißen der im Wasserbette wurzelnden Pflanzen, die Entnahme von Sand, Schotter und Schlamm, das Fahren mit Wasserfahrzeugen, das Baden, die Errichtung von Uferbauten, das Fällen von Uferholz, das Eintreiben, Einlassen, Schwemmen und Tränken von Haustieren, namentlich von Wassergeflügel. Die von der Wasserrechtsbehörde bestimmten Laichschonstätten kann der Fischereiberechtigte während der Laichzeit einzäunen, um das Einlassen, Schwemmen und Tränken von Haustieren zu verhindern.

(6) In Winterlagern ist verboten, die Eisdecke zu entfernen oder Schlamm, Sand, Kies, Steine und Pflanzen zu entnehmen.

(7) Die Wasserrechtsbehörde kann in einzelnen Fällen Ausnahmen von den in den Abs5 und 6 ausgesprochenen Verboten gestatten.

(8) Die Fischereiberechtigten haben Laichschonstätten oder Winterlager durch Aufstellung von Zeichen oder durch Aufschriften kenntlich zu machen, jedoch außerhalb des Gewässers auf fremdem Grunde nur dann, wenn sie hiezu berechtigt sind. Die mit der Erklärung als Laichschonstätten oder Winterlager zusammenhängenden Verbote (Abs5 und 6) sind von der Wasserrechtsbehörde durch Verfügung eines Anschlages an der Amtstafel der betreffenden Gemeinde kundzumachen.

[…]

Parteien und Beteiligte.

§102. (1) Parteien sind:

a) der Antragsteller;

b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§12 Abs2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§15 Abs1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl Nr 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§17, 109) geltend machen;

ferner

c) im Verfahren über die Auflassung von Wasseranlagen oder über das Erlöschen von Wasserrechten die im §29 Abs1 und 3 genannten Personen;

d) Gemeinden im Verfahren nach §111a, sonst nur zur Wahrung des ihnen nach §13 Abs3 und §31c Abs3 zustehenden Anspruches;

e) diejenigen, die als Mitglieder einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbandes herangezogen werden sollen;

f) im Verfahren über die Auflösung von Wassergenossenschaften oder Wasserverbänden die im §83 Abs3 genannten Personen und Stellen;

g) diejenigen, deren wasserwirtschaftliche Interessen durch ein Regionalprogramm (§55g Abs1 Z1) als rechtliche Interessen anerkannt wurden;

h) das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung der in §55 Abs2 lita bis g genannten Aufgaben, nach Maßgabe des §55 Abs5.

(2) Beteiligte im Sinne des §8 AVG. sind – nach Maßgabe des jeweiligen Verhandlungsgegenstandes und soweit ihnen nicht schon nach Abs1 Parteistellung zukommt – insbesondere die Interessenten am Gemeingebrauch, alle an berührten Liegenschaften dinglich Berechtigten, alle, die aus der Erhaltung oder Auflassung einer Anlage oder der Löschung eines Wasserrechtes Nutzen ziehen würden, und im Verfahren über den Widerstreit von Entwürfen (§109) alle, die bei Ausführung eines dieser Entwürfe als Partei (Abs1) anzusehen wären.

(3) Die Beteiligten sind berechtigt, im Verfahren ihre Interessen darzulegen, die Erhebung von Einwendungen steht ihnen jedoch nicht zu.

(4) Im wasserrechtlichen Verfahren können sich Parteien und Beteiligte auch fachkundiger Beistände bedienen.

[…]

Inhalt der Bewilligung

§111. (1) Nach Beendigung aller erforderlichen Erhebungen und Verhandlungen hat die Wasserrechtsbehörde, wenn der Antrag nicht als unzulässig abzuweisen ist, über Umfang und Art des Vorhabens und die von ihm zu erfüllenden Auflagen zu erkennen. Der Ausspruch über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang von Zwangsrechten (§60) hat, wenn dies ohne Verzögerung der Entscheidung über das Vorhaben möglich ist, in demselben Bescheid, sonst mit gesondertem Bescheid zu erfolgen. Alle nach den Bestimmungen dieses Absatzes ergehenden Bescheide sind bei sonstiger Nichtigkeit schriftlich zu erlassen.

(2) Das eingeräumte Maß der Wasserbenutzung muß im Bescheide durch eine genaue Beschreibung der zur Wasserführung dienenden Vorrichtungen (Stauwerk, Überfall, Schleusen, Fluder, Kanal, Rohrleitung, Ausgleichsbecken und andere) sowie aller sonst maßgebenden Teile der Anlage, insbesondere der hydromotorischen Einrichtung und Angabe der Gebrauchszeiten, festgesetzt werden. Das Maß der zur Benutzung kommenden Wassermenge ist, soweit tunlich, auch ziffermäßig durch Festsetzung des zulässigen Höchstausmaßes zu begrenzen. Bei Wasserkraftanlagen sind die Rohfallhöhe, die Stationsfallhöhe und die einzubauende Leistung sowie womöglich auch das Jahresarbeitsvermögen anzugeben.

(3) Alle im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens getroffenen Übereinkommen sind auf Antrag der Beteiligten mit Bescheid zu beurkunden. Bilden den Gegenstand des Übereinkommens Rechtsverhältnisse, zu deren Regelung im Entscheidungswege die Wasserrechtsbehörde in Ermangelung eines Übereinkommens zuständig gewesen wäre, findet bei Streitigkeiten über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens §117 sinngemäß Anwendung.

(4) Hat sich im Verfahren ergeben, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt, und ist weder vom Grundeigentümer eine Einwendung erhoben noch von diesem oder vom Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach §63 litb gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden, so ist mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne des §63 litb als eingeräumt anzusehen. Allfällige Entschädigungsansprüche aus diesem Grunde können in Ermangelung einer Übereinkunft binnen Jahresfrist nach Fertigstellung der Anlage geltend gemacht werden (§117).

(5) Durch Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft können nähere Bestimmungen über den Inhalt und die Form von Bewilligungsbescheiden getroffen werden.

[…]

Entschädigungen und Beiträge.

§117. (1) Über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, entscheidet, sofern dieses Bundesgesetz (§26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde. In der Entscheidung ist auszusprechen, ob, in welcher Form (Sach- oder Geldleistung), auf welche Art, in welcher Höhe und innerhalb welcher Frist die Leistung zu erbringen ist. Gebotenenfalls können auch wiederkehrende Leistungen und die Sicherstellung künftiger Leistungen vorgesehen sowie die Nachprüfung und anderweitige Festlegung nach bestimmten Zeiträumen vorbehalten werden.

(2) Bei Ansuchen um Verleihung einer wasserrechtlichen Bewilligung oder um Einräumung eines Zwangsrechtes sind die im Abs1 bezeichneten Leistungen in der Regel schon in dem über das Ansuchen ergehenden Bescheide festzusetzen und nur, wenn dies nicht möglich ist, binnen angemessener, ein Jahr nicht überschreitender Frist durch Nachtragsbescheid zu bestimmen. Diesem Nachtragsbescheide kann eine eigene mündliche Verhandlung (§107) vorangehen.

(3) Eine Partei, der eine Entschädigung unter Vorbehalt der Nachprüfung zuerkannt wurde, kann jederzeit – also auch ohne Rücksicht auf im Sinne des Abs1 bestimmte Zeiträume – eine Nachprüfung zwecks allfälliger Neufestsetzung der Entschädigung verlangen. Für den Kostenersatz findet in diesem Falle §123 Abs2 Anwendung.

(4) Gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs1 ist eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht zulässig. Die Entscheidung tritt außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann ohne Zustimmung des Antragsgegners nicht zurückgenommen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt mangels anderweitiger Vereinbarungen die wasserrechtsbehördlich festgelegte Leistung als vereinbart. Hat nur der durch die Einräumung eines Zwangsrechtes Begünstigte das Gericht angerufen, so darf das Gericht die Entschädigung nicht höher festsetzen, als sie im Bescheid der Verwaltungsbehörde festgesetzt war; hat nur der Enteignete das Gericht angerufen, so darf es die Entschädigung nicht niedriger festsetzen. Dies gilt sinngemäß für die Festsetzung von Ersätzen, Beiträgen und Kosten.

(5) Der durch die Einräumung eines Zwangsrechtes Begünstigte kann das Gericht nicht anrufen, wenn er die wasserrechtsbehördlich festgesetzte Leistung erbracht hat, ohne sich spätestens gleichzeitig ausdrücklich die Anrufung des Gerichtes vorbehalten zu haben.

(6) Zuständig ist jenes Landesgericht, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung oder Belastung oder der für die Festlegung von Ersätzen, Beiträgen und Kosten maßgebliche Gegenstand befindet. Auf Verfahren betreffend die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen und Beiträgen finden die Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, BGBl Nr 71/1954 in der geltenden Fassung, sinngemäße Anwendung. In Verfahren betreffend die Pflicht zur Leistung von Kosten (§§31 Abs3 und 4 und 138 Abs3 und 4) sind die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen anzuwenden.

(7) Soweit Angelegenheiten des Abs1 in Übereinkommen (§111 Abs3) geregelt werden, hat über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens das Gericht (Abs6) zu entscheiden."

III.    Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist teilweise begründet.

1.       Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich verkennt in seinem Beschluss, soweit er sich auf Spruchpunkt IV. lita und b des bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 10. August 2015 bezieht, die Rechtslage, indem es generell davon ausgeht, ein Bescheid, welcher eine befristete Bewilligung zum Gegenstand hat, scheide nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes aus dem Rechtsbestand aus. Ein Bescheid scheidet nämlich durch bloßen Zeitablauf einer Befristung nicht aus dem Rechtsbestand aus; vielmehr kann er auch weiterhin Rechtswirkungen entfalten (vgl. auch VwGH 26.1.2011, 2009/07/0098). Die Beschwerde wäre allerdings aus anderen Gründen als unzulässig zurückzuweisen gewesen, womit sich die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich im Ergebnis als rechtskonform erweist:

Sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof gehen in ihrer Rechtsprechung davon aus, dass in Verfahren, welche die Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte zum Gegenstand haben, das Rechtsschutzinteresse eine Prozessvoraussetzung darstellt. Ein derartiges Interesse ist zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Rechtsschutzwerbers keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Rechtsschutzwerber keinen objektiven Nutzen (mehr) hat, die im Rechtsbehelf aufgeworfenen Rechtsfragen also bloß noch theoretische Bedeutung besitzen. Ist ein Rechtsschutzinteresse nicht erkennbar, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (zB VwGH 26.4.2016, Ra 2016/03/0043; 30.6.2016, Ro 2016/21/0008; VfSlg 11.764/1988).

Das Rechtsschutzinteresse liegt unter anderem dann nicht vor, wenn sich der Rechtsschutzwerber gegen eine befristet erteilte Bewilligung wendet und der Zeitraum, für welchen die Bewilligung erteilt wurde, im Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsbehelfs bereits abgelaufen ist. In Ermangelung einer Möglichkeit zur rückwirkenden Herstellung des geltend gemachten Rechtes hätte die Entscheidung hier nämlich keinen Einfluss mehr auf die Rechtsstellung des Rechtsschutzwerbers und die Erreichung des Verfahrenszieles für diesen keinen objektiven Nutzen mehr. Da die Behandlung des Rechtsbehelfs in derartigen Konstellationen auf eine rein abstrakte Prüfung der Rechtmäßigkeit hinausliefe und die Verwaltungsgerichte für Derartiges nicht zuständig sind, muss eine solche Beschwerde zurückgewiesen werden (vgl. VwGH 30.6.1994, 91/06/0241; 24.10.1994, 94/10/0048; 25.4.1996, 95/07/0029; 26.4.2016, Ra 2016/03/0043).

Im Übrigen zählen auch Rechtspositionen, die im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden können, nicht zu der rechtlich geschützten Interessensphäre, die zur Erhebung eines Rechtsbehelfs legitimiert. Durch das Unterbleiben einer Sachentscheidung ist das Amtshaftungsgericht nämlich nicht gehindert, einen Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nach §11 AHG zu stellen (zB VwGH 27.4.1993, 93/04/0016; 30.11.2015, Ra 2015/08/0111).

Schon aus diesem Grund erweist sich die von der beschwerdeführenden Gesellschaft an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erhobene Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt IV. lita und b des bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 10. August 2015 richtet, als unzulässig.

2.       Im Übrigen ist zu beachten, dass das Wasserrechtsgesetz 1959 dem Fischereiberechtigten bloß eine begrenzte Rechtsposition zugesteht. Dieser ist im wasserrechtlichen Verfahren nämlich darauf beschränkt, Maßnahmen zum Schutz der Fischerei zu begehren. Folglich kann es auch nur dann zu einer Verletzung seiner Rechte kommen, wenn einem solchen Begehren durch einen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid zu Unrecht nicht Rechnung getragen wurde. Ein Eingriff in diese Rechte ist regelmäßig (nur) durch die Leistung einer Entschädigung kompensierbar und damit zulässig (VwGH 26.3.2015, 2013/07/0263; 3.8.2016, Ro 2016/07/0008 mwN).

Die eingeschränkte Parteistellung des Fischereiberechtigten erlaubt es dagegen nicht, die Bewilligung des Vorhabens zu verhindern: Ein Vorhaben kann auch im Fall entgegenstehender Forderungen des Fischereiberechtigten nach Maßnahmen zum Schutz der Fischerei bewilligt werden (vgl. VwGH 26.3.2015, 2013/07/0263; 3.8.2016, Ro 2016/07/0008).

Auf Grund dieser beschränkten Parteistellung konnte die beschwerdeführende Partei das von ihr angestrebte Verfahrensziel, soweit dieses in der Verweigerung der Bewilligung für die beantragte Veranstaltung liegt, von vornherein nicht erreichen. Eine nachträgliche Überprüfung der Vorschreibung bzw. Verweigerung von Vorkehrungen zum Schutz der Fischerei durch das Landesverwaltungsgericht kommt nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes nicht mehr in Betracht. Dem Fischereiberechtigten bleibt aber die Möglichkeit, einen Entschädigungsanspruch gemäß §15 iVm §117 WRG 1959 geltend zu machen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat daher im Ergebnis die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei gegen Spruchpunkt IV. lita und b des bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 10. August 2015 zu Recht zurückgewiesen.

3.       Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes verletzt, wenn das Verwaltungsgericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn es in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit ablehnt, etwa indem es zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

Die Anforderungen, welche an den Abspruch der Wasserrechtsbehörde über die Entschädigung des Fischereiberechtigten zu stellen sind, wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie jener des Obersten Gerichtshofes unterschiedlich bewertet: Während der Verwaltungsgerichtshof davon ausging, dass das Fehlen eines Abspruches über die Entschädigung eine implizite Verneinung des Anspruches darstelle (vgl. ua. VwGH 27.9.2000, 2000/07/0228), setzte der Oberste Gerichtshof für die Zulässigkeit des Rechtsweges nach §117 Abs4 WRG 1959 eine ausdrückliche Entscheidung in der Sache voraus (vgl. ua. OGH 22.10.2007, 1 Ob 135/07w). Der Verfassungsgerichtshof schloss sich in seinem Erkenntnis VfSlg 19.963/2015 aus Rechtsschutzerwägungen der Auffassung des Obersten Gerichtshofes an und hielt fest, dass die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gemäß §117 Abs4 WRG 1959 eine ausdrückliche inhaltliche "Entscheidung" der Wasserrechtsbehörde über das Entschädigungsbegehren erfordere. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung – der nun auch der Verwaltungsgerichtshof gefolgt ist (VwGH 29.10.2015, Ra 2014/07/0086) – ist die Wasserrechtsbehörde (§§98 ff. WRG 1959) dazu verpflichtet, über die Entschädigung des Fischereiberechtigten iSd §15 iVm §117 Abs1 WRG 1959 abzusprechen.

Diesen Anforderungen entspricht die Verweisung der beschwerdeführenden Partei auf den Zivilrechtsweg durch den Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten in Spruchpunkt IV. litc des Bescheides vom 10. August 2015 nicht. Damit hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten nämlich seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den vom Antragsteller geltend gemachten Entschädigungsanspruch zu Unrecht verneint. Da das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dies nicht aufgegriffen und den Bescheid des Bürgermeisters nicht insoweit aufgehoben hat, liegt eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG vor.

Der Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich ist daher insoweit aufzuheben, als er sich auf Spruchpunkt IV. litc des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 10. August 2015 bezieht.

4.       Was den Antrag der beschwerdeführenden Partei betrifft, der Verfassungsgerichtshof möge die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die Rechtswidrigkeit des behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Vorgehens feststellen, genügt der Hinweis, dass nur die Prüfung des angefochtenen Beschlusses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich Gegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG ist. Insoweit die beschwerdeführende Partei die Verfahrensführung (insbesondere die kurzfristige Anberaumung von Verhandlungen) betreffend die wasserrechtliche Bewilligung in – mit dem Beschwerdefall vergleichbaren – früheren Verfahren in vergangenen Jahren rügt und die Feststellung der Verletzung in verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten begehrt, besteht hiefür keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art144 B-VG iVm §88a Abs1 VfGG.

IV.      Ergebnis

1.       Soweit sich der angefochtene Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich auf Spruchpunkt IV. lita und b des bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 10. August 2015 bezieht, hat die behauptete Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK, auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art47 GRC sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG und der behauptete Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei insoweit in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde ist daher in diesem Umfang abzuweisen.

2.       Soweit sich der angefochtene Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich auf Spruchpunkt IV. litc des bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 10. August 2015 bezieht, ist die beschwerdeführende Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der angefochtene Beschluss wird in diesem Umfang aufgehoben.

3.       Der Antrag auf Feststellung der Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die Rechtswidrigkeit des behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Vorgehens ist mangels einer derartigen Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

4.       Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wasserrecht, Fischerei, Rechte subjektive öffentliche, Rechtsschutz, Amtshaftung, Parteistellung Wasserrecht, Entschädigung, Kompetenz sukzessive, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E46.2016

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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