TE Vwgh Beschluss 2018/7/30 Ra 2018/11/0140

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Veröffentlicht am 30.07.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E05202000;
E3L E06202000;
E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
60/01 Arbeitsvertragsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

31996L0071 Entsende-RL Art3 Abs7;
62013CJ0396 Sähköalojen ammattiliitto VORAB;
ASVG §49 Abs3;
AVRAG 1993 §7i Abs5;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des M H in P, vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in 4240 Freistadt, Hauptplatz 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 9. Mai 2018, Zl. LVwG- 301514/28/KL/CG, betreffend Übertretungen des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber als vertretungsbefugter Geschäftsführer einer in Tschechien ansässigen Gesellschaft schuldig erkannt, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin vier namentlich genannte Arbeitnehmer mit tschechischer Staatsangehörigkeit am 25. Februar 2016 auf einer Baustelle in Oberösterreich beschäftigt habe, ohne diesen den für angelernte Arbeiter nach dem Kollektivvertrag für das Bauhilfsgewerbe zustehenden Grundlohn (EUR 11,46 brutto Stundenlohn) bezahlt zu haben, weil dieser um jeweils 11,69% unterschritten worden sei. Über den Revisionswerber wurden daher wegen Übertretung des § 7i Abs. 5 AVRAG (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 152/2015) vier Geldstrafen zu je EUR 2.000,-- (Mindeststrafhöhe) und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und Beiträge zu den Verfahrenskosten vorgeschrieben.

2 Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001 und 18.2.2015, Ra 2015/08/0008).

7 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

8 Zunächst ist, was die erforderliche Präzisierung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung durch die Revision betrifft, festzuhalten, dass die Revision zwar über mehrere Seiten Ausführungen zu ihrer "Zulässigkeit" enthält, in denen jedoch über weite Strecken eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht präzisiert wird (vgl. aus vielen den Beschluss VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, wonach für den Fall der behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls die diesbezügliche Entscheidung durch Anführung der Geschäftszahl zu präzisieren und darzustellen ist, inwieweit bzw. in welchen Punkten das Verwaltungsgericht von dieser Entscheidung abgewichen ist, und für den Fall des behaupteten Fehlens von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die noch nicht entschiedene Rechtsfrage zu präzisieren ist).

9 Vielmehr stellen die in Rede stehenden Ausführungen der Revision zur "Zulässigkeit" der Sache nach weitgehend Revisionsgründe dar (was nicht zuletzt der Umstand bestätigt, dass - in den Revisionsgründen -"zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Zulässigkeit" verwiesen und diese "kurz wiederholt" werden), sodass insoweit taugliche Zulässigkeitsausführungen fehlen (vgl. VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, mwN).

10 Soweit die Revision im Rahmen der Zulässigkeit die unzutreffende Qualifikation der Arbeiter als "angelernte Arbeiter" anstelle von (nach dem Kollektivvertrag niedriger zu entlohnenden) "Hilfsarbeitern" und diesbezügliche Verfahrensmängel ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung, wie ein bestimmter Arbeitnehmer nach dem Kollektivvertrag bzw. den gehaltsrechtlichen Vorschriften einzuordnen ist, regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmen ist, sodass diese Beurteilung noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründet, es sei denn, diese Beurteilung wäre in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden (vgl. VwGH 9.11.2016, Ra 2016/11/0120, mwN). Von einer in unvertretbarer Weise erfolgten Beurteilung ist gegenständlich nicht auszugehen, hat doch das Verwaltungsgericht die Rechtsansicht, dass es sich um "angelernte Arbeiter" handelt (denen der in der Tatumschreibung genannte Stundenlohn zusteht), nach durchgeführter Verhandlung und Einholung von Stellungnahmen sowohl der Wirtschaftskammer und der Kammer für Arbeiter und Angestellte auf die (auch mit der Lebenserfahrung übereinstimmende) Annahme gestützt, dass die von den Arbeitnehmern durchgeführten Arbeiten (Beplankung einer vorgefertigten Unterkonstruktion mit Rigipsplatten auf teils abgeschrägten Flächen samt Notwendigkeit des Ausmessens und Zuschneidens der Platten in den Kanten und Ecken) nach dem Berufsbild der Stuckateure und Trockenbauer nicht bloß Hilfsarbeiten wie das Herbeibringen von Material betrafen.

11 Nicht zielführend ist auch das Zulässigkeitsvorbringen der Revision, das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung, ob die Arbeitnehmer das ihnen nach den österreichischen Rechtsvorschriften zustehende Entgelt erhalten haben, die diesen ausbezahlten Diäten und Entsendungszulagen unberücksichtigt gelassen und damit gegen Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 96/71/EG verstoßen.

12 Die genannte Bestimmung der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (auch kurz: Entsenderichtlinie) lautet:

"Artikel 3

Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen

...

(7) Die Absätze 1 bis 6 stehen der Anwendung von für die Arbeitnehmer günstigeren Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen nicht entgegen.

Die Entsendungszulagen gelten als Bestandteil des Mindestlohns, soweit sie nicht als Erstattung für infolge der Entsendung tatsächlich entstandene Kosten wie z.B. Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten gezahlt werden."

13 Das Verwaltungsgericht hat zu den Diäten bzw. zur Entsendezulage festgehalten, dass es sich dabei um eine Aufwandsentschädigung handle (die Entsendezulage diene gemäß dem Arbeitsgesetzbuch der Tschechischen Republik als Auslandszulage für die ausländische Verpflegung), die gemäß § 7i Abs. 5 erster Satz AVRAG iVm § 49 Abs. 3 (Z 1) ASVG nicht als Entgeltbestandteil anzusehen sei.

14 Ein Widerspruch zu Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 96/71/EG besteht nicht, weil auch nach dieser Bestimmung die Entsendezulage dann nicht als Bestandteil des Entgelts anzusehen ist, wenn sie als Erstattung für infolge der Entsendung tatsächlich entstandene Kosten gezahlt wird (vgl. zur Berücksichtigung von Zulagen und Zuschlägen ausführlich das Erkenntnis VwGH 9.11.2016, Ro 2015/11/0015, und die darin angeführte Rechtsprechung des EuGH; zur Erstattung der den Arbeitnehmern infolge ihrer Entsendung tatsächlich entstandenen Lebenshaltungskosten siehe insbesondere auch das dort zitierte Urteil EuGH 12.2.2015, C-396/13, Rechtssache Sähköalojen ammattiliitto ry, Rn 61 bis 63).

15 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juli 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62013CJ0396 Sähköalojen ammattiliitto VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110140.L00

Im RIS seit

13.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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