TE Vwgh Beschluss 2000/1/24 96/17/0076

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Veröffentlicht am 24.01.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
55 Wirtschaftslenkung;

Norm

AMA-Gesetz 1992 §21i;
AMA-Gesetz 1992 §29 Abs3;
AMA-Gesetz 1992 §3 Abs2;
BAO §243;
BAO;
B-VG Art132;
MOG 1985 §105 Abs1;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/17/0088 B 28. Jänner 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, in der Beschwerdesache des K, vertreten durch Dr. M und Dr. R, Rechtsanwälte in K, gegen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten der Festsetzung einer Anlieferungs-Referenzmenge nach der Milch-Referenzmengen-Zuteilungsverordnung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner am 7. März 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG wurde mit Bescheid (des Vorstandes für den Geschäftsbereich I) der Agrarmarkt Austria vom 17. Juli 1995 mit Punkt 2 des Bescheidspruches ein Antrag des Beschwerdeführers auf Berichtigung der Mitteilung der Anlieferungs-Referenzmenge abgewiesen und mit Punkt 3 des Bescheidspruches dem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung des Parteiengehörs in slowenischer Sprache keine Folge gegeben. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Beschwerdeführers hat er gegen diesen Bescheid am 16. August 1995 eine Berufung an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingebracht. Eine Entscheidung sei ihm bisher noch nicht zugestellt worden.

Mit Berichterverfügung vom 21. März 1996 leitete der Verwaltungsgerichtshof über diese Beschwerde das Vorverfahren ein und lud die als belangte Behörde bezeichnete Finanzlandesdirektion unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein, für den Fall, dass sie sich als unzuständig erachten sollte, sich zu den Gründen einer allfälligen Unzuständigkeit zu äußern. Diese Berichterverfügung wurde der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland am 11. April 1996 zugestellt.

Innerhalb der in der oben erwähnten Verfügung eingeräumten Frist von drei Monaten zur Nachholung des versäumten Bescheides langte am 3. Mai 1996 eine Stellungnahme der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland beim Verwaltungsgerichtshof ein. Darin führte diese Behörde aus, dass der Akt der Agrarmarkt Austria nach Klärung der Zuständigkeitsfrage zur Entscheidung über die vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung sich nunmehr im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft befinde; diese Behörde erachte sich als Berufungsinstanz für zuständig.

Am 9. Mai 1996 übermittelte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft dem Verwaltungsgerichtshof die Ausfertigung eines mit 6. Mai 1996 datierten Bescheides, in dem über die Berufung des Beschwerdeführers abgesprochen wird.

In der Folge übermittelte der Verwaltungsgerichtshof mit Schreiben vom 20. Juni 1996 die am 3. Mai 1996 eingelangte Stellungnahme der belangten Behörde dem Beschwerdeführer. Eine Äußerung hiezu erfolgte nicht.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG als belangte Behörde die oberste Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache verlangt wurde.

Sinn dieser Bestimmung ist es, in einer jeden Zweifel ausschließenden Art und Weise den Verwaltungsgerichtshof erkennen zu lassen, welcher Behörde Säumnis vorgeworfen wird (vgl. die hg. Beschlüsse vom 30. September 1993, Zl. 92/17/0223 und vom 22. Februar 1991, Zl. 90/17/0181).

Welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, kann allerdings nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist.

Dies gilt auch in Säumnisbeschwerdefällen, wenn aus der Beschwerde in ihrem Gesamtzusammenhang (einschließlich allfälliger Beilagen, wie z.B. Berufungen an die säumige Behörde) zweifelsfrei hervorgeht, welcher obersten Behörde im Sinne des Art. 132 B-VG die Verletzung der Entscheidungspflicht vorgeworfen wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. März 1986, Zl. 85/18/0078, Rechtssatz veröffentlicht in Slg. 12.088/A, wo fallbezogen ausgesprochen wurde, es sei nach der damaligen Aktenlage eindeutig erkennbar, dass sich die Beschwerde nicht gegen den in ihr bezeichneten "Hilfsapparat" des Amtes der Landesregierung, sondern gegen die Landesregierung selbst richte; vgl. überdies die bereits zitierten Beschlüsse vom 30. September 1993 und vom 22. Februar 1991).

Es ist freilich unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei der von ihr vorgenommenen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes und der belangten Behörde ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dessen Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Diese Beurteilung gilt angesichts desselben dahinter stehenden Regelungszweckes sowohl für die Bezeichnung der belangten Behörde in Bescheidbeschwerden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG als auch für die Bezeichnung der belangten Behörde in Säumnisbeschwerden gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. (vgl. wiederum die bereits erwähnten hg. Beschlüsse vom 30. September 1993 und vom 22. Februar 1991 je mwN).

Zur Zuständigkeit und der Entscheidungsbefugnis der Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zlen. 96/17/0232, 0233, 0235, Stellung genommen: Im Hinblick auf die Gesamtheit der organisatorischen, verfahrensrechtlichen und die Zuständigkeit regelnden Vorschriften für die Tätigkeit der Agrarmarkt Austria (AMA) gegen erstinstanzliche Bescheide von Organen der AMA ist mangels ausdrücklichen Ausschlusses eines Rechtsmittels oder einer ausdrücklichen anders lautenden Regelung des Instanzenzuges die Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zulässig (vgl. insbesondere § 3 Abs. 2 und § 29 Abs. 3 AMA-Gesetz, BGBl. Nr. 376/1992, idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 664/1994). Auch § 21i AMA-Gesetz idF BGBl. Nr. 664/1994, kann nicht als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes angesehen werden, dass eine Berufung (an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) nur zulässig wäre, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Vor allem § 29 Abs. 3 AMA-Gesetz bringt vielmehr den umgekehrten Gedanken zum Ausdruck, dass sich durch die Übertragung der Zuständigkeit zur behördlichen Entscheidung auf die (Organe der) AMA am Instanzenzug, wie er bis zur Erlassung des AMA-Gesetzes geregelt war, nichts ändern sollte (wo die Materiengesetze die Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zuließen, sollte sie auch weiterhin zulässig sein, wo die Berufung ausgeschlossen war, sollte sie auch weiterhin nicht gegeben sein). Wenn auch § 29 Abs. 3 AMA-Gesetz sich nur auf die dort genannten Materiengesetze bezieht, zeigt er damit doch, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen ist, dass von der AMA (bzw. deren Organen) kein Rechtszug an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gegeben sei. Es kann daher auch im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass der Instanzenzug an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft grundsätzlich offen steht. Es steht auch nichts entgegen, den Verweis auf die BAO in § 105 Abs. 1 MOG auch als Verweis auf § 243 BAO betreffend die Möglichkeit der Berufung gegen erstinstanzliche Abgabenbescheide zu verstehen; sachlich zuständig ist dabei im Hinblick auf § 105 Abs. 1 MOG der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft.

Es ist unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG, dass jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag (Parteibegehren) zu entscheiden. Mit anderen Worten: Die Pflicht zur Entscheidung kann nur eine Behörde treffen, die zum Abspruch über das Parteibegehren sachlich und örtlich zuständig war (vgl. den hg. Beschluss vom 18. November 1994, Zl. 94/17/0119 sowie die bereits mehrfach zitierten hg. Beschlüsse vom 30. September 1993 und vom 22. Februar 1991 je mwN).

Da die im Beschwerdefall als belangte Behörde eindeutig bezeichnete Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Entgegenstehendes lässt sich der Säumnisbeschwerde in ihrer Gesamtheit nicht entnehmen) nach den obigen Ausführungen zur Entscheidung über die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung nicht zuständig war und ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Mai 1996, Zl. 94/05/0370), musste die vorliegende Beschwerde aus dem eben genannten Grund wegen Fehlens der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen werden. Ein solcher Beschluss ist gemäß Abs. 3 der eben genannten Gesetzesstelle in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

Der Umstand, dass dem Verwaltungsgerichtshof bekannt geworden ist, dass der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft inzwischen einen über die Berufung des Beschwerdeführers absprechenden Bescheid erlassen hat (die Zustellung des Bescheides vom 6. Mai 1996 wird vorausgesetzt), vermag keine andere Erledigung durch den Verwaltungsgerichtshof herbeizuführen, da Voraussetzung für eine solche die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 18. Dezember 1992, Zl. 92/17/0222).

Eine Entscheidung über Kosten hatte zu unterbleiben, da die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als belangte Behörde beigezogene Finanzlandesdirektion einen diesbezüglichen Antrag nicht stellte.

Wien, am 24. Jänner 2000

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996170076.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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