TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/17 97/16/0080

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Veröffentlicht am 17.02.2000
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Index

14/02 Gerichtsorganisation;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

ABGB §1380;
Geo §371 Abs4;
GGG 1984 §14;
GGG 1984 §18 Abs2 Z2;
ZPO §204 Abs1;
ZPO §235;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der P Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Walter Prüfling, Rechtsanwalt in Wien XII, Schönbrunner Schlossstraße 46, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5. Februar 1997, Zl. Jv 7668-33a/96, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war Klägerin einer ursprünglich beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingebrachten, in der Folge dem Bezirksgericht Josefstadt überwiesenen Klage (GZ 5C 223/93a) wegen Räumung und Bezahlung von Mietzins für die Monate Oktober 1992 bis Jänner 1993 von jeweils S 44.176,31, wobei der Gesamtstreitwert S 183.905,24 betrug. Beim Bezirksgericht Josefstadt wurde weiters (GZ 5C 316/93b) der Mietzins für die Monate Februar und März 1993 (Gesamtstreitwert S 88.352,62) eingeklagt. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 2. April 1993 wurden die Verfahren 5C 223/93a und 5C 316/93b zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Akt 5C 316/93b wurde als "führend" bezeichnet.

Anlässlich der Verhandlung vom 7. Mai 1993 dehnte die Beschwerdeführerin "um den Mietzins Mai 1993 von S 44.176,31 s.A."

aus. Eine Zuordnung zu einer der beiden Klagen erfolgte anlässlich dieser Ausdehnung nicht.

Bei der Verhandlung vom 3. August 1993 wurde ein Vergleich geschlossen, bei dem sich der Beklagte zur Zahlung eines Betrages von S 355.430,67 sowie zur Räumung des Bestandobjektes verpflichtete.

Der Kostenbeamte ordnete die Ausdehnung in der Verhandlung vom 7. Mai 1993 dem führenden Akt zu, weshalb mit Zahlungsauftrag vom 28. Oktober 1996 eine weitere Pauschalgebühr von S 3.600,-- (sowie Einhebungsgebühr von S 100,--) vorgeschrieben wurde.

Dem dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berichtigungsantrag gab die belangte Behörde keine Folge. Sie ging davon aus, dass "im Zweifel" die Ausdehnung im führenden Verfahren erfolgte, weshalb durch Erhöhung des Streitwertes auf S 132.528,93 in Anwendung des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG unter Anrechnung der schon entrichteten Pauschalgebühr die Vorschreibung erfolgt sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, wobei aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar ist, dass sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht darauf verletzt erachtet, dass ihr für die Klaglosstellung keine weitere Pauschalgebühr auferlegt wird. Es wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG (in der hier anzuwendenden Fassung) enthält bei S 100.000,-- einen Tarifsprung. Bis S 100.000,-- beträgt die Pauschalgebühr S 2.640,--, darüber (bis S 500.000,--) S 6.240,--. Die hier erfolgte Nachforderung ergab sich daraus, dass die Ausdehnung um S 44.176,31 einer Klage mit einem Streitwert unter S 100.000,-- zugeordnet wurde; wäre die Ausdehnung der anderen Klage oder dem Gesamtbetrag zugeordnet worden, wäre es zu keiner Nachforderung gekommen, weil mit der Klage 5C 223/93a bereits die S 100.000,-- -Grenze überschritten wurde, aber auch durch die Summierung die S 500.000,-- -Grenze nicht überschritten wurde.

Im Streitfall hat die Beschwerdeführerin als Klägerin nicht ausdrücklich erklärt, ob sie die Ausdehnung hinsichtlich der einen oder der anderen Klage vornimmt. Die belangte Behörde nahm eine Zuordnung zum "führenden" Akt vor. Weder die Zivilprozessordnung noch das GGG kennen diesen Begriff. Die Bestimmung eines "führenden" Aktes erfüllt lediglich die Erfordernisse der Geschäftsbehandlung (§ 371 Abs. 4 Geo: Wenn mehrere Sachen miteinander verbunden werden, sind die Akten zu einem Aktenbunde zu vereinigen. Die Geschäftsstücke, die nach der Verbindung zuwachsen, werden alle zu einem Akte, dem "führenden", genommen. Zum führenden Akt wird der älteste oder der am meisten fortgeschrittene Akt gewählt).

Es fehlt aber jeglicher Anhaltspunkt im Gesetz dafür, dass der Bestimmung zum "führenden Akt" gerichtsgebührenrechtlich irgendwelche Relevanz zukäme. Entscheidend ist zunächst die Zuordnung durch den Kläger, da ja der Kläger den Streitwert seiner Klage und damit gemäß § 14 GGG die Bemessungsgrundlage bestimmt. Wenn, wie hier, eine solche Zuordnung nicht erfolgt, dann ist der Fall nicht anders zu behandeln, wie wenn in einem das (bzw. die) Verfahren abschließenden Vergleich die Bezahlung einer höheren Summe als der ursprüngliche Klagsbetrag vereinbart wird (§ 18 Abs. 2 Z. 2 GGG).

Gemäß § 18 Abs. 1 Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984 (GGG), bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Nach der Vorschrift des Abs. 2 Z. 2 dieser Gesetzesstelle tritt hievon u.a. folgende Ausnahme ein: Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 30. Mai 1994, Zl. 92/16/0158, einen vergleichbaren Fall zu behandeln. Damals wurden die Verfahren X (S 35.000,--) und Y (S 200.000,--) verbunden und in der Folge ein Vergleich über insgesamt S 41,000.000,-- geschlossen; ein Vergleichspunkt war, dass damit alle weiteren Zivilprozesse erledigt wären. Der Verwaltungsgerichtshof billigte die Bemessungsgrundlage in Höhe des Vergleichsbetrages, behob den Bescheid aber deshalb, weil die entrichtete Pauschalgebühr aus dem Verfahren Y nicht eingerechnet worden war; nicht folgte er dem Ansinnen des damaligen Beschwerdeführers, die Pauschalgebühren aus den 13 weiteren Verfahren (S 310.000,--) einzurechnen. Wörtlich wurde ausgeführt:

"§ 18 GGG regelt, wie auch aus der Überschrift hervorgeht, Wertänderungen; die Regelbestimmung ist § 18 Abs. 1 GGG, wonach die Bemessungsgrundlage für DAS VERFAHREN (also ein bestimmtes Verfahren) gleich bleibt. Abs. 2 dieser Bestimmung nennt Ausnahmen, wobei die Z. 2 die Klagserweiterung neben den Vergleich mit einer das Klagebegehren übersteigenden Leistung stellt. Der letzte Halbsatz des § 18 Abs. 2 Z. 2 sieht vor, dass die bereits entrichtete Pauschalgebühr (also nicht etwa: "Pauschalgebühren") einzurechnen sei. Die Einrechnung einer bereits entrichteten Pauschalgebühr kann also nur in jenem Verfahren erfolgen, in welchem einer der Ausnahmstatbestände des Abs. 2 des § 18 eingetreten ist. Das ist im vorliegenden Fall das Verfahren 11 Cg 15/90 und das damit verbundene Verfahren 37 Cg 276/89. Hinsichtlich dieser beiden Verfahren trat eine 'Streitwertänderung' durch den Vergleich ein, sodass nach Neuberechnung die bereits entrichteten Pauschalgebühren abzuziehen sind."

Wenn aber der verglichene Betrag, der höher ist als die Summe der beiden ursprünglichen Streitwerte, als Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist und davon die beiden schon entrichteten Pauschalgebühren abzuziehen sind, so gilt dies genauso für den Fall, dass eine Klagsausdehnung ohne Zuordnung zu einem einzelnen Verfahren erfolgt; § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG betrifft die Klagsausdehnung ebenso wie den höherwertigen Vergleich.

Da die belangte Behörde den Erweiterungsbetrag nicht den beiden ursprünglichen, sondern nur einem der beiden Klagsbeträge zugerechnet hat, hat sie § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG unrichtig angewendet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Februar 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997160080.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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