TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/7 96/21/0999

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Veröffentlicht am 07.04.2000
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
StGB §76;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des J R in Traun, geboren am 4. Jänner 1954, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger, Dr. Klaus Dorninger, Dr. Klaus Steiner, Mag. Marcus Bumberger, Mag. Klaus Renner und Mag. Felix Kraupa, Rechtsanwälte in 4021 Linz, Figulystraße 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. Oktober 1996, Zl. St 224/96, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 14. November 1991 seinen Stiefsohn durch zwei Schüsse in den Kopf getötet. Das Landesgericht Linz habe den Beschwerdeführer deshalb mit Urteil vom 12. November 1992 wegen Totschlags nach § 76 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Aufgrund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Da der Beschwerdeführer bereits seit 1969 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig sei, seine Gattin und seine beiden Kinder, alle österreichische Staatsbürger, in Österreich lebten und der Beschwerdeführer darüber hinaus bis zu seiner Inhaftierung einer geregelten Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen sei, werde durch das Aufenthaltsverbot mit Sicherheit in beträchtlicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen.

Jedoch schon durch die Art und Schwere der Straftat sei nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Lichte des § 19 FrG dringend geboten.

Strafbare Handlungen nach § 76 StGB gehörten zu den schwersten Übertretungen nach dem StGB überhaupt und seien dementsprechend zu werten. Die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer verübten Tat führe daher dazu, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit wesentlich schwerer wögen als die privaten Interessen des Beschwerdeführers.

Dem Beschwerdeführer sei zwar durch verschiedene Personen attestiert worden, dass derartige Handlungen in Hinkunft bei ihm unwahrscheinlich wären, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne eine derartige Gefährdung (gemeint wohl: Gefährlichkeit) jedoch auch durch ein Gutachten nicht ausgeschlossen werden. Selbst wenn man nämlich beachte, dass der Beschwerdeführer sich zum Tatzeitpunkt seinen Behauptungen zufolge in einer außergewöhnlichen Belastungssituation befunden habe, so könne dies nicht zur Rechtfertigung eines der schwersten Delikte herangezogen werden. Es könne nämlich keinesfalls - auch nicht durch Gutachten - ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer neuerlich - aus welchem Grund auch immer - in eine außergewöhnliche Belastungssituation komme (unter Umständen wiederum in Kombination mit Alkohol) und in dieser Situation Menschenleben gefährde.

Da nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, wegfielen, sei das Aufenthaltsverbot unbefristet zu erlassen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid angesichts der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe offensichtlich in den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, eine Grundlage fände und somit nicht gemäß § 114 Abs. 4 leg. cit. außer Kraft getreten ist (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 (u. a.) zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist somit die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen erheblich gefährdet.

§ 18 Abs. 1 FrG ordnet sohin an, dass bei Vorliegen einer der in Abs. 2 aufgezählten Tatbestände auf der Grundlage des entsprechenden Sachverhalts eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob in concreto die umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Um diese Gefährlichkeitsprognose treffen zu können, ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 1997, Zl. 95/21/0234.)

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde nicht, wegen Totschlags nach § 76 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren rechtskräftig verurteilt worden zu sein, wodurch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Mit dem Vorbringen, mehrere Gutachten würden ihm eine positive Zukunftsprognose bescheinigen und er habe sich seit seiner Haftentlassung im März 1996 bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Oktober 1996 wohl verhalten, wendet er sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

Diesbezüglich ist dem Beschwerdeführer vorerst entgegenzuhalten, dass ein Zeitraum von einem halben Jahr seit Entlassung aus der Haft viel zu kurz ist, um eine Prognose über ein zukünftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers erstellen zu können. Was indes den Umstand anlangt, dass einige Gutachter dem Beschwerdeführer eine positive Zukunftsprognose attestieren, so verwies die belangte Behörde mit Recht auf die besondere Schwere der vom Beschwerdeführer verübten Tat. Wenn auch diesem Totschlag familiäre Auseinandersetzungen und Provokationen vorausgegangen sind, dürfen die Umstände des Tathergangs nicht übersehen werden. Der Beschwerdeführer verantwortete sich - wie dem in den Verwaltungsakten erliegenden Vernehmungsprotokoll vom 14. November 1991 zu entnehmen ist - im Wesentlichen damit, er habe seinen Stiefsohn, der nach einer tätlichen Auseinandersetzung und einer nachfolgenden Versöhnung noch wach im Bett gelegen sei, gefragt, ob dieser immer noch Hass auf die Kroaten habe. Nach der Antwort "Noch immer" habe der Beschwerdeführer sein Flobertgewehr aus dem Kasten geholt, das Patronenmagazin angesteckt, durchgeladen, aus etwa 2 m Entfernung seinem Stiefsohn in den Kopf geschossen, repetiert und noch einmal abgedrückt. Diese Tat zeigt eine Bereitschaft des Beschwerdeführers zu Gewaltakten ohne Bedachtnahme auf schwerste Folgen. Wenn auch eine besondere familiäre Situation gegeben und der Beschwerdeführer alkoholisiert war, so kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass er sich unter ähnlichen Verhältnissen zu einer ebenso folgenschweren Handlung hinreissen lassen könnte.

Die belangte Behörde hat somit - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - in durchaus nachvollziehbarer Weise offen gelegt, warum sie meint, der Beschwerdeführer gefährde im Grund des § 18 Abs. 1 FrG die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit.

Gemäß § 19 FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Weiters darf gemäß § 20 Abs. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist nach der letztgenannten Gesetzesstelle auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Die belangte Behörde verkannte in ihren Ausführungen nicht, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines bereits 27-jährigen Aufenthaltes in Österreich hier weitgehend integriert ist. Sie berücksichtigte auch die familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich, die allerdings dadurch, dass der Beschwerdeführer gerade ein Familienmitglied tötete, in ihrem Gewicht wesentlich gemindert sind.

Wenn die belangte Behörde angesichts der besonderen Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Straftat (Totschlag) und des daraus - wie oben dargelegt - abzuleitenden hohen Grades der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit einerseits das Aufenthaltsverbot als dringend geboten erachtete und andererseits den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht beimaß als den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers, so begegnet dies seitens des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken.

Entgegen der Beschwerdemeinung ist der angefochtene Bescheid ausreichend begründet; dies auch im Blick auf die dargelegte Interessenabwägung, zu deren Vornahme die Einholung eines Gutachtens nicht erforderlich war.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. April 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996210999.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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