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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §77 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der Stadt Linz, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 17/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26. Juli 1999, RV406/1-10/1998, betreffend Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung (Familienbeihilfenangelegenheit), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 30. Juni 1995 wurde den Eltern der minderjährigen SK die Obsorge entzogen und gemäß § 176a ABGB dem Amt für Jugend und Familie des Magistrates Linz übertragen, welches vom 30. Juni 1995 bis zum 18. Juli 1996 gesetzlicher Vertreter des Kindes war. Später wurde das Obsorgerecht und das Recht zur gesetzlichen Vertretung des Kindes wieder dessen Vater WK zugesprochen (Amtsbestätigung des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 18. Juli 1996).
Am 20. Jänner 1997 beantragte WK die Zuerkennung der Familienbeihilfe für SK für den Zeitraum Oktober 1995 bis Juli 1996 mit der Begründung, er habe auch in dieser Zeit überwiegend die Kosten des Unterhaltes für das Kind getragen. Das Finanzamt gab diesem Antrag Folge. Zugleich erließ es aber einen - mit 17. Juni 1998 datierten - Bescheid, mit welchem es die der minderjährigen SK für den Zeitraum Oktober 1995 bis Juli 1996 gewährte Familienbeihilfe zurückforderte; dieser Bescheid erging an SK zu Handen ihres gesetzlichen Vertreters WK.
Mit Schriftsatz vom 14. August 1998 beantragte die beschwerdeführende Landeshauptstadt Linz die Zustellung des Rückforderungsbescheides vom 17. Juni 1998 und führte zur Begründung aus, WK habe von ihr (Amt für Jugend und Familie des Magistrates) aus dem Titel des Schadenersatzes eine Zahlung in Höhe der für Oktober 1995 bis Juli 1996 ausbezahlten Familienbeihilfe gefordert. Da das Amt für Jugend und Familie in der Zeit von Juni 1995 bis Juli 1996 alleiniger gesetzlicher Vertreter der minderjährigen SK gewesen sei, komme ihm gemäß § 8 AVG alleinige Parteistellung und damit das Recht auf Bescheidzustellung zu, weil der Bescheid die in diesen Zeitraum fallende Familienbeihilfe betreffe.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1998 wies das Finanzamt den Antrag auf Bescheidzustellung ab. Von den Schadenersatzforderungen des Kindesvaters abgesehen werde die Stadt Linz durch den Bescheid rechtlich nicht tangiert. Der Bescheid könne ihr nicht zugestellt werden. Im Juli 1996 sei die Obsorge über das Kind dem Kindesvater WK zugesprochen worden.
In der Berufung gegen diesen Bescheid verwies die Stadt Linz darauf, dass die Familienbeihilfe im Wege des SOS-Kinderdorfs zu Handen des Magistrates ausgezahlt worden sei. Die Stadt Linz sei vom Rückforderungsbescheid als seinerzeitiger gesetzlicher Vertreter der SK unmittelbar in rechtlich geschützten Interessen betroffen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 78 Abs. 1 BAO sei der Abgabepflichtige Partei im Abgabenverfahren. Dies sei gemäß § 77 BAO derjenige, der nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht komme. Nach § 2 Abs. 2 FLAG habe eine Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs. 1 genanntes Kind, wenn das Kind zu ihrem Haushalt gehöre oder sie überwiegend die Unterhaltskosten trage. Nach § 6 Abs. 1 und 2 FLAG hätten Vollwaisen, nach § 6 Abs. 5 Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisteten, unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe. Als Parteien kämen nur diese anspruchsberechtigten Personen in Betracht. Seit Juli 1996 stehe die gesetzliche Vertretung der SK ausschließlich dem Kindesvater WK zu. Nur ihm komme daher Parteistellung im Beihilfenverfahren zu. Eine Parteistellung könne sich zwar auch aus § 78 Abs. 3 BAO ergeben, nämlich für Personen, auf welche sich aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit der Abgabenbehörde beziehe. Bloß wirtschaftliche Interessen begründeten allerdings keine Parteistellung. Im gegenständlichen Fall sei entscheidend, dass der Rückforderungsbescheid keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber der Stadt Linz entfalte. Das Finanzamt habe daher den Antrag auf Bescheidzustellung zu Recht abgewiesen.
Mit Beschluss vom 30. November 1999, B 1557/99, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof trägt die Beschwerdeführerin vor, als seinerzeitige gesetzliche Vertreterin des Kindes SK, zu deren Handen im Wege des SOS-Kinderdorfs die Auszahlung der Familienbeihilfe erfolgt sei, sei sie unmittelbar in rechtlichen Interessen betroffen. Die Grundsätze betreffend die übergangene Partei fänden auch in einem Verfahren nach der BAO Anwendung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
§ 2 BAO lautet:
"Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, soweit sie hierauf nicht unmittelbar anwendbar sind und nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß in Angelegenheiten
a) der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten
1. Beihilfen aller Art und
..."
§ 3 Abs. 1 BAO lautet:
"Abgaben im Sinn dieses Bundesgesetzes sind, wenn nicht anderes bestimmt ist, neben den im § 1 bezeichneten öffentlichen Abgaben und Beiträgen auch die im § 2 lit. a angeführten Ansprüche sowie die in Angelegenheiten, auf die dieses Bundesgesetz anzuwenden ist, anfallenden sonstigen Ansprüche auf Geldleistungen einschließlich der Nebenansprüche aller Art."
§ 78 BAO idF BGBl. I 9/1998 lautet:
"(1) Partei im Abgabenverfahren ist der Abgabepflichtige (§ 77), im Berufungsverfahren auch jeder, der eine Berufung einbringt (Berufungswerber), einem Berufungsverfahren beigetreten ist (§§ 257 bis 259) oder, ohne Berufungswerber zu sein, einen Antrag auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 276 Abs. 1 gestellt hat.
(2) Parteien des Abgabenverfahrens sind ferner,
a) wenn die Erlassung von Feststellungsbescheiden vorgesehen ist, diejenigen, an die diese Bescheide ergehen (§ 191 Abs. 1 und 2);
b) wenn nach den Abgabenvorschriften Steuermessbeträge oder Einheitswerte zu zerlegen oder zuzuteilen sind, die Körperschaften, denen ein Zerlegungsanteil zugeteilt worden ist oder die auf eine Zuteilung Anspruch erheben;
c)
(aufgehoben durch BGBl. 681/1994)
d)
im Verfahren über eine Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafe die Personen, gegen die eine solche Strafe verhängt wird;
e) im Verfahren über einen Kostenersatz die Personen, denen die Verpflichtung zum Kostenersatz auferlegt wird.
(3) Andere als die genannten Personen haben die Rechtsstellung einer Partei dann und insoweit, als sie auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht."
Gemäß § 77 Abs. 1 BAO ist Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.
§ 26 Abs. 1 FLAG regelt für denjenigen eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Familienbeihilfe, der diese zu Unrecht bezogen hat. Das Finanzamt hat gestützt auf § 26 Abs. 1 FLAG einen Rückforderungsbescheid erlassen. Das Leistungsgebot ist ausschließlich an das Kind SK gerichtet. Dieses ist somit als Abgabenschuldner herangezogen worden.
Bei dieser Konstellation kommt ausschließlich dem Kind Parteistellung zu (§ 78 Abs. 1 BAO), welchem gegenüber mit dem Bescheid des Finanzamtes das Leistungsgebot ausgesprochen worden ist.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Partei Handlungsfähigkeit zukommt. Liegt diese nicht vor, bedarf es eines Vertreters. Bescheide sind in einem solchen Fall dem Vertreter bekanntzugeben (insbesondere zuzustellen), da die Bekanntgabe an den Handlungsunfähigen verfahrensrechtlich unwirksam wäre (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 784). Ab 18. Juli 1996 war unbestritten die Beschwerdeführerin nicht mehr gesetzlicher Vertreter des Kindes.
Die Beschwerdeführerin bringt auch vor, dass WK ihr gegenüber Schadenersatzansprüche behaupte und dass sich aus dem gegenüber SK ergangenen Bescheid eine Bindung für das zivilgerichtliche Verfahren ergebe.
Ob die Gerichte im zivilgerichtlichen Verfahren an rechtskräftige Bescheide gebunden sind, und zwar insbesondere auch dann, wenn den im gerichtlichen Verfahren Beteiligten im Verwaltungsverfahren keine Parteistellung zugekommen ist, kann dahingestellt bleiben (kritisch gegenüber einer solchen Bindung OGH 26. Juni 1997, 2 Ob 182/97x, RdW 1998, 201). Aus einer allfälligen Bindung leitet sich nämlich nach der BAO kein Anspruch auf Bescheidzustellung ab.
Durch die mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug erfolgte Ablehnung des Antrages auf Bescheidzustellung ist die Beschwerdeführerin sohin nicht in ihren Rechten verletzt worden.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 26. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000140011.X00Im RIS seit
20.11.2000