TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/21 VGW-101/020/15052/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2017
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Entscheidungsdatum

21.11.2017

Index

93 Eisenbahn
14/01 Verwaltungsorganisation
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz
E3L E15101000
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

EisenbahnG 1957 §48 Abs1
SeilbG 2003 §13
SeilbG 2003 §14
SeilbG 2003 §39
SeilbG 2003 §40
UVPG 2000 §3 Abs7
UVPG 2000 §19 Abs4
32011L0092 UVP-RL Art 1 Abs2
B-VG Art 102 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Beschwerde der Bürgerinitiative "...", vertreten durch Rechtsanwalts GmbH, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, vom 06.10.2017, GZ: BMVIT-238.966/0037-IV/E6/2017,

zu Recht erkannt:

I.     Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch die Wortfolge „mangels Parteistellung“ entfällt.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom 21. August 2017 stellte die Bürgerinitiative "...", vertreten durch Rechtsanwalts GmbH (im Folgenden BI) an die belangte Behörde den näher begründeten Antrag, diese möge als zuständige Behörde gemäß dem Seilbahngesetz der Beschwerdeführerin sämtliche Verfahrensunterlagen sowie etwaig bereits vorhandener Bescheide zuhanden der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin zustellen.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde dieser Antrag mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde, mit welcher zunächst die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes behauptet und im Weiteren nach Darstellung der Zulässigkeit der Beschwerde und im Weiteren des Sachverhaltes eine Verletzung im gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Gewährung der Parteistellung und auf Feststellung der Parteistellung gemäß den Bestimmungen des UVP–G 2000 sowie auf Nichtgenehmigung des Antrages der mitbeteiligten Partei gemäß den Bestimmungen des Seilbahngesetzes 2003 infolge Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

1. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien

Unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.9.2016, Ro 2016/04/0014 bis 0045 fasste das Bundesverwaltungsgericht am 09.10.2017, W110 2127914-2/2E einen Beschluss, mit welchem eine gegen einen auf § 48 Abs. 1 2 Eisenbahngesetz gestützten Bescheid erhobene Beschwerde wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen wurde. Dieser Beschluss wurde in seinen hier interessierenden Teilen wie folgt begründet:

„Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.9.2016 nahm das Bundesverwaltungsgericht zum Anlass, seine Rechtsprechung über die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zum Seilbahngesetz, die er bis dahin angenommen hatte (insb. BVwG 19.10.2015, W219 2111328-1), mit Beschluss vom 25.11.2016, W219 2139873-1, zu ändern:

Da das Seilbahngesetz 2003 in §§ 13 und 14 einerseits die Zuständigkeit des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, andererseits aber auch die Möglichkeit der Delegation diverser Aufgaben durch den Bundesminister an den örtlich zuständigen Landeshauptmann vorsieht (wenn es im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist), ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Gesetzgeber des Seilbahngesetzes, das an sich zum Kompetenztatbestand "Verkehrswesen" iSd Art. 102 Abs. 2 B-VG zählt, durch die Einräumung einer Delegationsmöglichkeit von seiner verfassungsgesetzlichen Ermächtigung zur Besorgung des "Verkehrswesens" unmittelbar durch Bundesbehörden keinen Gebrauch gemacht hat.

Diese Rechtsansicht gründet auf der auch in der Literatur vertretenen Überlegung, dass es bei einer gesetzlich eingeräumten Delegationsmöglichkeit der Ministerzuständigkeit (in einer unmittelbar vollziehbaren Materie) der jeweilige Bundesminister in der Hand hätte, im Wege der Delegation eines Verfahrens die – verfassungsgesetzlich festgelegte – Zuständigkeit des jeweiligen Verwaltungsgerichts zu bestimmen bzw. zu verschieben. Dadurch käme es gerade zu jener zwischen den Landesverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht "nach organisatorischen Kriterien geteilten Zuständigkeit in ein und derselben (kompetenzrechtlichen) Angelegenheit", die der Verfassungsgesetzgeber durch die Konzentration aller Rechtssachen in einer Angelegenheit bei ein und demselben Gericht aus verfahrensökonomischen Gründen gerade vermeiden wollte (Eberhard/Pürgy/Ranacher, Rechtsprechungsbericht: Landesverwaltungsgerichte, Bundesverwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof, ZfV 2015, 395 [398]).“

Im Sinne dieses Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.11.2016 nahm auch das Landesverwaltungsgericht Tirol seine Zuständigkeit in derselben Beschwerdesache nach dem Seilbahngesetz wahr (LVwG Tirol 17.2.2017, LVwG 2016/19/2609-9).

Auch das Verwaltungsgericht Wien schließt sich im Lichte der zu Zuständigkeitsfragen ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes diesen Ausführungen an. Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien ist daher gegeben. Die örtliche Zuständigkeit wurde nicht in Zweifel gezogen und gründet sich in § 3AVG.

2. Zur behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 16 Seilbahngesetz ist zum Bau und Betrieb öffentlicher Seilbahnen eine Konzession gemäß § 21, zum Bau und Betrieb nicht öffentlicher Seilbahnen eine Genehmigung gemäß § 110 erforderlich.

Nach § 21 leg. cit. ist die Konzession die Voraussetzung für den Bau und Betrieb einer öffentlichen Seilbahn. Durch die Konzessionserteilung wird die Gemeinnützigkeit dieser Seilbahn festgestellt.

Gemäß § 23 Abs. 2 leg.cit. ist im Konzessionsverfahren für Standseilbahnen, Pendelseilbahnen, Kabinenseilbahnen und Sesselbahnen dem örtlich zuständigen Landeshauptmann, in allen übrigen Konzessionsverfahren dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie in allen Fällen denjenigen Gemeinden, deren örtlicher Wirkungsbereich durch die geplante Seilbahn berührt wird, innerhalb einer angemessenen, höchstens jedoch dreiwöchigen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Nach § 39 Seilbahngesetz ist den Behörden, deren örtlicher und sachlicher Wirkungsbereich berührt wird sowie den Parteien gemäß § 40 Gelegenheit zu geben, im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zum Bauentwurf Stellung zu nehmen. Dem Baugenehmigungsverfahren sind diejenigen Sachverständigen beizuziehen, deren Wissensgebiet durch das geplante Bauvorhaben berührt wird. Erachtet es die Behörde als erforderlich oder zweckmäßig, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung auch Sachverständige für die durch die Sicherheitsanalysen bereits abgedeckten Fachbereiche beizuziehen, so sind, sofern diese Sicherheitsanalysen nicht ohnedies durch Amtssachverständige oder von der Behörde anerkannte nichtamtliche Sachverständige vorgenommen wurden, zusätzlich auch diejenigen Personen oder Stellen zu laden, welche die im Bauentwurf enthaltenen Sicherheitsanalysen erstellt haben.

§ 40 Seilbahngesetz bestimmt, dass Parteien der Bauwerber, die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften und die an diesen dinglich Berechtigten, die Wasserberechtigten und die Bergwerksberechtigten sind. Betroffene Liegenschaften sind außer den durch den Bau selbst in Anspruch genommenen Liegenschaften auch die, die in den Bauverbotsbereich zu liegen kommen sowie diejenigen, die wegen ihrer Lage im Gefährdungsbereich Veränderungen oder Beschränkungen unterworfen werden könnten.

Gemäß § 19 Abs. 1 Z 6 UVP-G haben im Verfahren einer Umweltverträglichkeitsprüfung Bürgerinitiativen gemäß Abs. 4, ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs. 2) Parteistellung.

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung kann eine Stellungnahme gemäß § 9 Abs. 5 durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt werden, wobei Name, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben und die datierte Unterschrift beizufügen ist. Die Unterschriftenliste ist gleichzeitig mit der Stellungnahme einzubringen. Wurde eine Stellungnahme von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren, unterstützt, dann nimmt diese Personengruppe (Bürgerinitiative) am Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben und nach § 20 als Partei oder als Beteiligte (Abs. 2) teil. Als Partei ist sie berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen und Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben.

§ 9 Abs. 5 leg.cit bestimmt betreffend die öffentliche Auflage des Genehmigungsantrages und der Umweltverträglichkeitserklärung, dass jedermann innerhalb der Auflagefrist gemäß Abs. 1 zum Vorhaben und zur Umweltverträglichkeitserklärung eine schriftliche Stellungnahme an die Behörde abgeben kann.

Im wesentlichen stützt sich die Beschwerde auf die Rechtsprechung des EuGH sowie die in Verfolgung der darin zum Ausdruck gekommenen Rechtsansicht ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24.01.2017, 2016/05/0011 in den hier interessierenden Entscheidungsgründen folgendes ausgeführt:

„Im Urteil des EuGH vom 16. April 2015, C-570/13 (Fall Gruber) hat der EuGH ausgesprochen, dass nach Art. 11 Abs. 3 der UVP-RL die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt. Demnach steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 11 der UVP-RL geltend machen kann, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken, d.h. auf individuelle Rechte, die nach dem nationalen Recht als subjektivöffentliche Rechte qualifiziert werden können. Doch dürfen die Bestimmungen dieses Artikels über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen ist, nicht restriktiv ausgelegt werden (vgl. Rz 39 f).

Nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil Gruber müssen Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO - wie es für Frau Gruber bejaht wurde - die Möglichkeit haben, eine Entscheidung, keine UVP durchzuführen, "im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten". Da die betroffene Nachbarin im Fall Gruber nach der nationalen Rechtslage des § 3 Abs. 7 UVP-G keine Parteistellung im UVP-Feststellungsverfahren hatte, kam dem UVP-Feststellungsbescheid ihr gegenüber keine Bindungswirkung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2015, 2015/04/0002, das den Fall Gruber zum Gegenstand hat). In diesem Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hin, dass die (Fach-)Behörde verpflichtet ist, ihre Zuständigkeit unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht.

In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof bei ihm angefochtene Entscheidungen, die sich mit der Erteilung von Baubewilligungen auseinandersetzten, deshalb aufgehoben, weil die entscheidende Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) zu Unrecht die Bindungswirkung eines (negativen) UVP-Feststellungsbescheides gegenüber den revisionswerbenden Grundeigentümern, deren Grundstücke im Einflussbereich der Baugrundstücke lagen, angenommen hatte, obwohl diese Grundeigentümer dem Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G nicht als Parteien beigezogen worden waren, und weil sie sich deshalb mit den von den revisionswerbenden Grundeigentümern im Rahmen des Bauverfahrens vorgetragenen Argumenten für das Vorliegen einer UVP-Pflicht hätte auseinandersetzen müssen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom 4. August 2015, Ro 2014/06/0058, 0063 und Ra 2014/06/0044).

Im Baubewilligungsverfahren hatte der Revisionswerber, weil ihm nicht die Rechtsposition eines Nachbarn gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 BauO zukam, keine Parteistellung und deshalb keine Möglichkeit, vorzubringen, dass das Bauvorhaben einer UVP zu unterziehen sei. Diese - unmittelbar aus der UVP-RL ableitbare - Möglichkeit wäre ihm jedoch dann einzuräumen gewesen, wenn er Mitglied der "betroffenen Öffentlichkeit" (im Sinne des Art. 11 der UVP-RL) wäre.

Aus dem genannten Urteil des EuGH (Fall Gruber) ergibt sich, dass Personen, die unter den Begriff "Nachbar" nach der GewO fallen, unionsrechtlich zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der UVP-RL gehören können (Rz 42; vgl. dazu auch das oben genannte Erkenntnis, Zl. 2015/04/0002). Gemäß § 75 Abs. 2 (erster Satz) GewO sind "Nachbarn" im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob der Revisionswerber in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Vorhaben und das dazu geführte baurechtliche Verfahren als der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 UVP-RL angehörend angesehen werden kann.

Sollte dies zu bejahen sein, hätte dies zur Folge, dass der Revisionswerber auf Grund der Nichtanwendbarkeit der einschränkenden Regelung der Parteistellung in § 31 Abs. 1 Z 2 BauO fallbezogen gemäß den Bestimmungen der UVP-RL Parteistellung im baurechtlichen Verfahren haben müsste, um dort vorbringen zu können, dass das gegenständliche Vorhaben einer UVP zu unterziehen wäre (vgl. das angeführte Erkenntnis Zl. Ro 2014/06/0078, sowie den Beschluss vom 12. September 2016, Zl. Ra 2016/04/0066).

Der Revisionswerber könnte somit, um zu klären, dass er in Bezug auf das vorliegende Vorhaben Mitglied der "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der UVP-RL ist, einen Antrag auf Zustellung des oben genannten Berufungsbescheides des Gemeinderates stellen, in dem er die Gründe dafür darstellen müsste. Sollte im Hinblick darauf sein Zustellantrag berechtigt sein und diesem entsprochen werden, könnte der Revisionswerber im Rahmen einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde seine Argumente betreffend die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP vorbringen (vgl. in diesem Zusammenhang neuerlich das Erkenntnis, Ro 2014/06/0078).

Sollte hingegen seinem Zustellantrag nicht stattgegeben werden, so hätte der Revisionswerber die Möglichkeit, diese Beurteilung im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen.“

Dem folgend erging ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom VwGH 23.02.2017, 2014/07/0034, in welchem sich der Verwaltungsgerichtshof unter anderem mit der Frage beschäftigte, ob eine Bürgerinitiative, die in einem Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren Parteistellung erlangt hat auch in einem Verwaltungsverfahren, in welchem einer Bürgerinitiative grundsätzlich keine Parteistellung zukommt Parteirechte besitzt. Zu diesem Punkt ist den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichtshofes folgendes zu entnehmen:

„Eine Bürgerinitiative kann in einem Verfahren nach dem UVP-G 2000 bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen Existenz erlangen (zu den auch in einem UVP-Verfahren streng auszulegenden Anforderungen an eine Bürgerinitiative gemäß § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 und der notwendigen Interessenhomogenität der Mitglieder einer Bürgerinitiative in der Sache, also das umweltverträglichkeitsprüfungspflichtige Projekt betreffend, vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, 2012/03/0112, mit Hinweis u.a. auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes).

Hingegen sieht das WRG 1959 eine Parteistellung einer "Bürgerinitiative" im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren nicht vor.“ Die Frage, ob eine Bürgerinitiative, die Parteistellung in einem UVP-Verfahren erlangt hat, die UVP-Pflicht eines Vorhabens in einem davon getrennt durchgeführten Verfahren nach einem Materiengesetz unter Berufung auf den Zusammenhang der beiden Projekte überhaupt geltend machen könnte, konnte bei der vorliegenden Fallkonstellation in diesem Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof dahinstehen, weil die Revision der Viertrevisionswerberin aus einzelfallbezogenen Gründen auch dann nicht erfolgreich gewesen wäre, wenn man eine solche Möglichkeit einer Bürgerinitiative angenommen hätte.

In dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.11.2014, 2012/03/0112, auf welches im Erkenntnis vom 23.02.2017, 2014/07/0034 verwiesen wurde, führte der Verwaltungsgerichtshof zu den Voraussetzungen der Anerkennung einer Bürgerinitiative nach § 19 Abs. 1 Z 6 in Verbindung mit Abs. 4 sowie § 9 Abs. 5 UVP-G folgendes aus:

„Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Anforderungen an eine Bürgerinitiative gemäß § 19 Abs 4 UVP-G 2000 streng auszulegen. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die gesetzlichen Anforderungen im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung nicht erfüllt sind, wenn lediglich zum Zweck der Gründung einer Bürgerinitiative aufgerufen wird, ohne dass gleichzeitig die notwendige Interessenhomogenität der Mitglieder der Bürgerinitiative in der Sache, also das umweltverträglichkeitsprüfungspflichtige Projekt betreffend, sichergestellt ist (vgl VwGH vom 24. Juni 2009, 2007/05/0111 (VwSlg 17.712 A/2009), unter Hinweis auf VfGH vom 13. März 2008, B 743/07 (VfSlg 18.415); vgl dazu und zum Folgenden auch VwGH vom 26. Mai 2011, 2008/07/0156, 0158). Ferner ist Voraussetzung für die Konstituierung einer Bürgerinitiative, dass eine bereits vorliegende schriftliche Stellungnahme zum Vorhaben und zur Umweltverträglichkeitserklärung durch die Unterschrift des künftigen Mitgliedes der Bürgerinitiative durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt wird, und dass die zur Unterstützung erstellte Unterschriftenliste gleichzeitig mit der Stellungnahme während der Auflagefrist eingebracht wird. Überdies ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die jeweilige schriftliche Stellungnahme im Text der Unterschriftenliste erwähnt sein sollte (vgl dazu auch Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz3, 2013, § 19 Rz 84).“

Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.11.2015, EU 2015/0008-1 betrifft eine anerkannte Umweltorganisation und keine Bürgerinitiative.

Beim Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, ist zur GZ: BMVIT-238.966/0037-IV/E6/2017 ein Konzessionsverfahren betreffend der Errichtung einer Seilbahn ... anhängig. Die Beschwerdeführerin, die Bürgerinitiative "..." (im Folgenden BI), beantragte mit Schreiben vom 21.08..2017, das BMVIT möge als zuständige Behörde gemäß dem Seilbahngesetz Akteneinsicht gewähren sowie sämtliche Verfahrensunterlagen und etwaige bereits ergangene Bescheide zuhanden der rechtsfreundlichen Vertretung zustellen. Nach der auf die innerstaatliche Rechtslage nach dem Seilbahngesetz 2003 erfolgten Zurückweisung dieses Antrages durch die belangte Behörde berief sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien auf die Rechtsprechung des EuGH sowie des Verwaltungsgerichtshofes und vertrat zusammengefasst die Ansicht, sie sei durch den angefochtenen Bescheid in ihren gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten auf Gewährung der Parteistellung und auf Feststellung der Parteistellung gemäß den Bestimmungen des UVP-G 2000 sowie in ihren gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten auf Nichtgenehmigung des Antrages der mitbeteiligten Partei gemäß den Bestimmungen des Seilbahngesetzes 2003 verletzt, wobei der Bescheid sowohl an Rechtswidrigkeit des Inhaltes wie auch an Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften leide. Das von der belangten Behörde ihre Entscheidung zugrunde gelegte Seilbahngesetz sei in mehreren Punkten unionsrechtswidrig, insbesondere sei die geforderte Beteiligung der Öffentlichkeit nicht umgesetzt und es bestehe auch kein öffentliches Interesse an der Errichtung der Seilbahn vorhanden. Da entsprechend der geltenden österreichischen Rechtslage im gegenständlichen Fall keine Verpflichtung zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung und somit keine Parteistellung der Anrainer vorgesehen sei, hätten diese keine Möglichkeit, ihre Interessen zu wahren oder auch nur vorzutragen. Für die Anrainerpflicht dir insgesamt kein Rechtsschutz. Ein Genehmigungsbescheid ohne Durchführung eines Feststellungsverfahrens oder UVP Verfahrens könne von der betroffenen Öffentlichkeit dahingehend bekämpft werden, dass ein Antrag auf Zustellung dieses Bescheides gestellt und im Rahmen einer Beschwerde die entsprechenden Argumente hinsichtlich der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorgebracht werden. Diese Möglichkeit des Rechtsschutzes sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unmittelbar aus der UVP-RL. Gegenständlich betreffe dies Genehmigungen nach dem Wiener Naturschutzgesetz, dem Seilbahngesetz sowie die Entscheidung in einem etwaigen UVP-Feststellungsverfahren.

Der Beschwerdeführerin kommt im Konzessionsverfahren nach dem Seilbahngesetz 2003 keine Parteistellung zu und sie besitzt daher auch nicht das Recht, Akteneinsicht zu nehmen oder Verfahrensunterlagen bzw. Bescheide zugestellt zu bekommen.

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Antragslegitimation auf § 19 Abs. 4 UVP-G und meint, ihr komme es als Teil der betroffenen Öffentlichkeit unionsrechtlich zu, die Frage, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei und damit, ob die belangte Behörde in der Sache überhaupt zuständig sei, gerichtlich klären zu lassen.

In „Alles neu bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im UVP-Verfahren?“ von Bettina Bachl, Öffentliches Recht, Jahrbuch 2016, Hrsg. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Baumgartner, NWV Verlag GmbH, S 277ff führt die Autorin unter Bezugnahme auf EuGH 16.04.2015, C-570/13, Fall Gruber aus, dass durch dieses Urteil zwar die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit für jene Fälle geklärt sei, in denen zur qualifiziert betroffenen Öffentlichkeit gehörende Personen kein Überprüfungsrecht der negativen UVP-Feststellungsentscheidung, jedoch in den darauf folgenden, materiengesetzlichen Verfahren Parteistellung zukomme (so bezeichnete „Materiengesetz-Parteien“). Anders als die diese betreffenden Personen sei es den Personen(gruppen), denen zwar nach dem UVP-G Parteistellung im UVP-Genehmigungsverfahren zukommen würde, denen aber in den jeweiligen Materiengesetzen keine Parteistellung eingeräumt werde (so bezeichnete „Potentielle-UVP-Parteien“) nie möglich, im Rahmen eines der negativen UVP-Feststellungsentscheidung nachfolgenden Genehmigungsverfahren die Frage der UVP-Pflicht des Vorhabens gerichtlich prüfen zu lassen. Ob diese Personen im Materienverfahren den Einwand der UVP-Pflicht erheben könnten, sei klärungsbedürftig. Werde rechtswidriger Weise ein UVP-Feststellungsverfahren unterlassen und ausschließlich ein Materienverfahren durchgeführt, müsse der betroffenen Öffentlichkeit Rechtsschutz im Sinne des Art 11 UVP-RL bzw Art 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention zukommen.

Nicolas Raschauer führt in „Auswirkungen des Unionsrechts auf das Verfahrensrecht im Umweltbereich“, in Griller/Kahl/Kneihs/Obwexer (Hrsg), 20 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs (2016), S. 992ff aus, dass das Umweltsekundärrecht an verschiedenen Stellen die Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen („Umweltorganisationen“) sowie sonstiger Personen, die bestimmte von den Mitgliedstaaten zu definierende Kriterien erfüllten (z.B. Bürgerinitiativen, Nachbarn, etc.), in Umweltverfahren verlange. Abgesehen von den „Nichtregierungsorganisationen“ könnten die Mitgliedstaaten den Kreis der zu involvierenden Öffentlichkeit selbst bestimmen und entsprechend eng oder weit ziehen (Hinweis auf Art 11 Avs. 3 Satz 1 UVP-RL). Es müsste daher zum Beispiel keine Bürgerinitiativen geben, die in Umweltgenehmigungsverfahren zu beteiligen seien. Sehe der Gesetzgeber allerdings Bürgerinitiativen vor, habe er ihnen konsequenterweise auch die unionsrechtlich gebotenen Mitwirkungsrechte zur Hand zu geben.

Peter Bußjäger und Stefan Lampert kommen in „Öffentlichkeitsbeteiligung im UVP-Feststellungsverfahren“, ecolex 2015 aus EuGH 16.04.2015, C-570/13, Fall Gruber zu dem Schluss, dass eine auf einer negativen UVP-Feststellungsentscheidung gegründete Verwaltungsentscheidung einen zur betroffenen Öffentlichkeit im Sinne der UVP-RL gehörenden Einzelnen, der die Kriterien des nationalen Rechtes in Bezug auf ein ausreichendes Interesse oder gegebenenfalls eine Rechtsverletzung erfülle, nicht daran hindern dürfe, diese Entscheidung im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes anzufechten. Im Rahmen ihrer Parteistellung hätten Nachbarn ein subjektives Recht auf Einhaltung der gesetzlich normierten Zuständigkeit sowie das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Nachbarn könnten daher den Einwand der Unzuständigkeit im darauffolgenden Materienverfahren erheben.

Im Beschwerdefall ist zunächst, vorgreifend der Beantwortung der Frage, ob im Zuge des seilbahnrechtlichen Verfahrens über den im Seilbahngesetz gezogenen Rahmen der Parteistellung weitere Angehörige der betroffenen Öffentlichkeit Parteienrechte besitzen beziehungsweise ob diesen Parteistellung einzuräumen wäre, zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin selbst überhaupt dem Kreis der betroffenen Öffentlichkeit angehört und ob ihr damit als „Potentieller-UVP-Partei“ ein entsprechendes Antragsrecht zukommen kann.

Während Bettina Bachl diese Frage offen lässt, kann den anderen Veröffentlichungen entnommen werden, dass die Autoren für die Wahrnehmung der Rechte als betroffener Öffentlichkeit voraussetzen, dass die sonstigen Personen bestimmte von den Mitgliedstaaten zu definierende Kriterien erfüllen (Raschauer a.a.O.) beziehungsweise die Kriterien des nationalen Rechtes in Bezug auf ein ausreichendes Interesse oder gegebenenfalls eine Rechtsverletzung erfüllen (Bußjäger/Lampert a.a.O.).

Unter anderem für Bürgerinitiativen legt somit der innerstaatliche Gesetzgeber fest, unter welchen Umständen diese zu einer betroffenen Öffentlichkeit gehören.

Die in VwGH 23.02.2017, 2014/07/0034 beschwerdeführende Bürgerinitiative hat in einem Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren Parteistellung erlangt. Die Voraussetzungen (Interessenshomogenität der Mitglieder der Bürgerinitiative das umweltverträglichkeitsprüfungspflichtige Projekt betreffend; Unterstützung einer bereits vorliegenden schriftlichen Stellungnahme zum Vorhaben und zur Umweltverträglichkeitserklärung durch Unterschrift in eine Unterschriftenliste; Einbringung der Stellungnahme und der zur Unterstützung erstellten Unterschriftenliste während der Auflagefrist) dafür ergeben sich aus VwGH 27.11.2014, 2012/03/0112. Eine Bürgerinitiative bedarf somit der Erfüllung dieser Voraussetzungen zu ihrer Konstituierung im Sinne des § 19 UVP-G

Gegenständlich sind diese Voraussetzungen schon deshalb nicht erfüllt, weil kein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren durchgeführt wurde und daher eine zu unterstützende Stellungnahme nicht vorliegt. Eine Konstituierung, wie sie der Verwaltungsgerichtshof fordert, kann somit gar nicht stattgefunden haben.

Da es, wie bereits oben ausgeführt, dem innerstaatlichen Gesetzgeber obliegt, die Kriterien für die Zulassung sonstiger Personen festzulegen, kann hier auch keine Verletzung von Unionsrecht gesehen werden.

Die Beschwerdeführerin kann sich somit zur Begründung ihrer Antragslegitimation nicht auf § 19 UVP-G berufen und gehört somit nicht zur betroffenen Öffentlichkeit im Sinne des Urteils des EuGH 16.04.2015, C-570/13, Fall Gruber und der folgenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Sonstige Umstände, die eine Zurechnung der Beschwerdeführerin zur betroffenen Öffentlichkeit im Sinne des unionsrechtes gebieten würden, haben sich vorliegendenfalls nicht ergeben und wurden auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.

Die Beschwerde war somit abzuweisen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, konnte doch auf die ausführlich zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht uneinheitlich.

Schlagworte

Zuständigkeit; Bundesverwaltung, mittelbare; Ministerzuständigkeit; Delegation; Verkehrswesen; Parteistellung; Umweltverträglichkeitsprüfung; Feststellungsverfahren; Bürgerinitiative; Konstituierung; betroffene Öffentlichkeit; Unionsrecht; Gemeinschaftsrecht; Umweltorganisation; Öffentlichkeitsbeteiligung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.101.020.15052.2017

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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