TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/26 2000/05/0060

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Veröffentlicht am 26.04.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
VVG §3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. N, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 21. Jänner 2000, Zl. UVS 20.14-10,11,12/1999-18, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Graz vom 11. Dezember 1997 wurden dem Beschwerdeführer drei Verwaltungsübertretungen vorgehalten, weil er seine Anfang September 1996 erfolgte Wohnsitzverlegung weder der Meldebehörde noch der Zulassungsstelle des Verkehrsamtes rechtzeitig gemeldet habe. Es wurden über ihn Geldstrafen in Höhe von insgesamt S 2.000,-- verhängt. Die an den Beschwerdeführer persönlich adressierte Strafverfügung an die näher angeführte Adresse in Graz wurde nach zwei Zustellversuchen am 16. Dezember 1997 beim näher angeführten Zustellpostamt hinterlegt. Am 7. Jänner 1998 schickte die Post das behördliche Schriftstück mit dem Vermerk "nicht behoben" der Bundespolizeidirektion Graz zurück. Am 2. Juni 1999 wurde der Beschwerdeführer durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Graz zur Bezahlung der Geldstrafe aufgefordert, dem der Beschwerdeführer keine Folge leistete, weil er im Zeitpunkt der Zustellung des RSa-Briefes nicht in Graz gewesen sei. Im August 1999 stellte die Bundespolizeidirektion Graz an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz einen Exekutionsantrag zur Hereinbringung der mit der Strafverfügung vom 11. Dezember 1997 verhängten Geldstrafe gegenüber dem Beschwerdeführer.

Mit Beschluss vom 12. August 1999 bewilligte das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz die beantragte Gehaltsexekution. Die Exekutionsbewilligung wurde am 17. August 1999 dem Beschwerdeführer und dem Drittschuldner (Arbeitgeber) zugestellt. Den Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Exekutionsbewilligung (er brachte vor, dass kein Exekutionstitel vorliege) wies das Gericht mit Beschluss vom 8. September 1999 ab, nachdem die Bundespolizeidirektion Graz die Strafverfügung vom 11. Dezember 1997 mit der beurkundeten Vollstreckbarkeit (Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 5. August 1999) dem Gericht vorgelegt hatte. Der gepfändete Geldbetrag von S 2.260,-- wurde dem Beschwerdeführer vom Gehalt des September 1999 abgezogen. Der Beschwerdeführer erfuhr davon am 16. September 1999 durch den Erhalt des Gehaltszettels. Am 13. Oktober 1999 beantragte die Bundespolizeidirektion Graz die Einstellung der Exekution.

Am 5. Oktober 1999 langte bei der belangten Behörde eine auf § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützte Beschwerde des Beschwerdeführers ein, die sich gegen die von der Bundespolizeidirektion Graz beantragte und vom Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz durchgeführte Gehaltsexekution richtete.

Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person zulässt. Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfordere ein behördliches Handeln, das sich bereits als solches im Bereich des Faktischen auswirke. Diese Voraussetzungen seien nur dann als erfüllt anzusehen, wenn es keines weiteren Tuns bedürfe, um den behördlich gewollten Akt herzustellen. Der Exekutionsantrag der Behörde bei Gericht sei damit noch keine Maßnahme in diesem Sinne, weil ihm die faktische Wirkung fehle. Gleiches gelte im Übrigen für die von der Behörde ausgestellte Vollstreckbarkeitsbestätigung. Erst die Gehaltsexekution sei ein Vorgang, der in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und in das im Art. 1 des 1. ZP MRK verankerte Recht auf Achtung des Eigentums eingreife. Der Beschwerdeführer gehe offenbar davon aus, die in Beschwerde gezogene Maßnahme bilde deshalb einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, weil die gerichtliche Gehaltsexekution von der belangten Behörde in die Wege geleitet worden sei, ohne dass die gesetzlichen Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen vorgelegen seien. Diese Ansicht werde von der belangten Behörde nicht geteilt. Gemäß § 3 Abs. 1 erster Satz VVG sei die Verpflichtung zu einer Geldleistung in der Weise zu vollstrecken, dass die Vollstreckungsbehörde die Eintreibung durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften veranlasse. Mit dem Exekutionsantrag überlasse die Behörde dem Gericht die Führung des Vollstreckungsverfahrens. Somit sei ein Exekutionsantrag nur ein Akt (mittelbarer "Rechtsdurchsetzung"), der dem vorgesehenen verfahrensrechtlichen Regime unterliege. Gegen eine gerichtliche Exekutionsbewilligung gewähre die EO dem Verpflichteten einen ähnlichen Rechtsschutz wie das VVG gegen Vollstreckungsverfügungen (vgl. § 10). Die Behörde könne auf das Verfahrensergebnis - ihr sei hier die Rolle des Gläubigers zugewiesen - keinen unmittelbaren Einfluss nehmen. Die Beschlüsse und Anordnungen im Exekutionsverfahren - so auch eine Gehaltspfändung - oblägen dem Rechtspfleger, der als Gerichtsbeamter Geschäfte der Gerichtsbarkeit besorge (vgl. § 1 Rechtspflegergesetz). Über Rekurse gegen Beschlüsse des Rechtspflegers entscheide der Exekutionsrichter. Eine gerichtliche Gehaltspfändung könne nicht dadurch, dass sie von einer Behörde beantragt worden sei, zu einer verwaltungsbehördlichen Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt werden. Die vom Beschwerdeführer in Beschwerde gezogene gerichtliche Gehaltsexekution sei ein Akt der Gerichtsbarkeit und keine Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 VVG ist die Verpflichtung zu einer Geldleistung in der Weise zu vollstrecken, dass die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlasst. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.

Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, dass eine (durch das Gericht vorgenommene) Gehaltspfändung, die von der Bundespolizeidirektion ohne Prüfung, ob eine Zustellung des Titelbescheides überhaupt stattgefunden habe, erfolgt ist, eine verwaltungsbehördliche Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt darstelle, da die Bundespolizeidirektion Graz durch Antragstellung beim Exekutionsgericht das Exekutionsverfahren ausgelöst habe und das Exekutionsgericht ausschließlich den "verlängerten Arm" der Titelbehörde darstelle. Die Bundespolizeidirektion hätte auch unmittelbaren Einfluss auf das Verfahren vor Gericht nehmen können, da es in ihrer Macht gelegen wäre, die Einstellung der Exekution zu beantragen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Veranlasst die Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 3 Abs. 1 erster Satz VVG die Eintreibung der Verpflichtung zu einer Geldleistung durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften, so stellt die Vollstreckung eine gerichtliche Angelegenheit dar (vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses zu § 3 Abs. 1 VVG 360 Blg. Nr. 2. GP, 36; weiters Mayer, Zuständigkeit, 106 ff und Walter - Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, 1999, 431 f, Rz. 981).

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Voraussetzung für die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate gemäß dieser Bestimmung ist somit u.a., dass eine der Staatsfunktion Verwaltung zuzuordnende Maßnahme bzw. eine Maßnahme einer Verwaltungsbehörde überhaupt vorliegt. Diese Voraussetzung trifft - wie dies die belangte Behörde zutreffend zum Ausdruck gebracht hat - in Bezug auf die im vorliegenden Fall bekämpfte gerichtliche Gehaltsexekution nicht zu. Die vorliegende Beschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG wurde daher zu Recht wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.

Die vom Beschwerdeführer angeführten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes haben jeweils Vollstreckungsbescheide von Verwaltungsbehörden betroffen und keine Exekutionsakte von Gerichten. Es stehen dem Beschwerdeführer im Falle einer gerichtlichen Durchführung der Vollstreckung einer Geldleistung die in der EO vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten offen. Einen Rechtsschutz gegen gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigungen von Behörden sieht § 7 Abs. 4 EO vor, nach dem bei der titelschaffenden Behörde Anträge auf Aufhebung der Bestätigung einzubringen sind, die über den Antrag durch Bescheid zu entscheiden hat (vgl. auch § 3 Abs. 2 VVG).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. April 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000050060.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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