TE Vwgh Beschluss 2017/12/19 Ra 2017/16/0165

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Veröffentlicht am 19.12.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BAO §92;
GGG 1984 §18 Abs3;
GGG 1984 §2 Z1;
GGG 1984 TP1;
GGG 1984 TP2;
GGG 1984 TP3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., in der Revisionssache der D s.r.o. in N, Slowakei, vertreten durch Dr. Markus Knoll, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria Theresien-Straße 29/IV, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Oktober 2017, Zlen. W208 2167116-1/3E, W208 2167248-1/2E und W208 2167249-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Handelsgerichtes Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht auf Grund einer Beschwerde der revisionswerbenden Gesellschaft (Revisionswerberin) einen Bescheid der Präsidentin des Handelsgerichtes Wien vom 12. Juni 2017, mit welchem restliche Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG samt Einhebungsgebühr vorgeschrieben worden war, auf und bestätigte zwei Bescheide der Präsidentin des Handelsgerichtes Wien jeweils vom 12. Juni 2017, mit welchen restliche Pauschalgebühren nach Tarifpost 2 und Tarifpost 3 GGG samt Einhebungsgebühr vorgeschrieben worden waren. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Im Grundverfahren habe die Revisionswerberin am 15. September 2009 eine Klage beim Handelsgericht Wien eingebracht. Ein dafür Pauschalgebühren nach TP 1 GGG mit einer Bemessungsgrundlage von 861.574 EUR vorschreibender Zahlungsauftrag vom 2. November 2009 sei in Rechtskraft erwachsen.

3 Gegen das das Klagebegehren abweisende Urteil des Handelsgerichtes vom 21. Dezember 2011 habe die Revisionswerberin am 1. Februar 2012 Berufung erhoben.

4 Gegen das der Berufung keine Folge gebende Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. April 2012 habe die Revisionswerberin am 1. Juni 2012 außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof erhoben, welcher die Revision mit Beschluss vom 22. Juni 2012 zurückgewiesen habe.

5 Mit Zahlungsaufträgen (Mandatsbescheiden) vom 2. Dezember 2016 habe die Kostenbeamtin des Handelsgerichtes Wien Pauschalgebühren für die erwähnte Klage, für die erwähnte Berufung und für die erwähnte außerordentliche Revision jeweils samt Einhebungsgebühr und mit einer Bemessungsgrundlage von jeweils 1,723.148 EUR vorgeschrieben, wogegen die Revisionswerberin am 7. März 2017 Vorstellung erhoben habe.

6 Mit Bescheiden vom 12. Juni 2017 habe die Präsidentin des Handelsgerichtes Wien drei neue Zahlungsaufträge mit denselben Beträgen erlassen und der Revisionswerberin eine restliche Pauschalgebühr für die Klage nach TP 1 GGG samt Einhebungsgebühr, eine restliche Pauschalgebühr für die Berufung nach TP 2 GGG samt Einhebungsgebühr und eine Pauschalgebühr für die außerordentliche Revision nach TP 3 GGG samt Einhebungsgebühr vorgeschrieben.

7 Dagegen habe die Revisionswerberin Beschwerde erhoben. 8 Der Vorschreibung der restlichen Pauschalgebühr für die Klage nach TP 1 GGG stehe das Hindernis der entschiedenen Sache durch den rechtskräftigen Zahlungsauftrag der Kostenbeamtin des Handelsgerichtes Wien vom 2. November 2009 entgegen, weshalb der diese Pauschalgebühr vorschreibende Bescheid vom 12. Juni 2017 (ersatzlos) aufzuheben gewesen sei.

9 Hinsichtlich der (restlichen) Pauschalgebühr nach TP 2 und TP 3 GGG sei kein das Hindernis der entschiedenen Sache bewirkender Zahlungsauftrag vorgelegen. Im Übrigen begründete das Bundesverwaltungsgericht die Höhe der im Instanzenzug vorgeschriebenen Pauschalgebühren.

10 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

11 Tarifpost (TP) 1 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) sieht Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz nach einer nach dem Wert des Streitgegenstandes abgestuften Höhe vor.

12 TP 2 GGG sieht Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz in einer nach dem Berufungsinteresse abgestuften Höhe vor.

13 TP 3 GGG sieht Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz in einer nach dem Revisionsinteresse abgestuften Höhe vor.

14 Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage mit den in § 18 Abs. 2 leg. cit. vorgesehenen Ausnahmen für das ganze Verfahren gleich. Eine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren tritt gemäß § 18 Abs. 3 GGG nicht ein, wenn das Klagebegehren etwa eingeschränkt wird.

15 Der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG entsteht gemäß § 2 Z 1 lit. a GGG mit der Überreichung der Klage, wenn das Klagebegehren erweitert wird, gemäß § 2 Z 1 lit. b leg. cit. mit dem Zeitpunkt der Überreichung des Schriftsatzes oder mangels solchen Schriftsatzes mit dem Beginn der Protokollierung.

16 Der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren nach TP 2 und TP 3 GGG entsteht gemäß § 2 Z 1 lit. c GGG mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift.

17 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, der Zahlungsauftrag vom 2. November 2009 sei sowohl formell als auch materiell in Rechtskraft erwachsen. Diese materielle Rechtskraft entfalte Bindungs- und Feststellungswirkung auch für das Berufungs- und das Revisionsverfahren. Deshalb hätte das Bundesverwaltungsgericht nicht nur den Bescheid betreffend die Vorschreibung restlicher Pauschalgebühren nach TP 1 GGG für die Klage, sondern auch die Bescheide betreffend die Pauschalgebühren für die Berufung und für die außerordentliche Revision ersatzlos aufheben müssen.

20 Die materielle Rechtskraft eines Bescheides bewirkt u. a. das Hindernis der entschiedenen Sache und verbietet eine neuerliche Entscheidung in derselben Sache (vgl. etwa VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027, VwGH 13.9.2016, Ro 2015/03/0045, und VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, sowie Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, 234f).

21 Das Gerichtsgebührengesetz sieht für unterschiedliche Sachverhalte (Überreichen der Klage, Erweiterung des Klagebegehrens, Erheben einer Berufung, Erheben einer Revision) in TP 1, TP 2 und TP 3 in unterschiedlichen Tatbeständen unterschiedliche Pauschalgebühren vor. Der Anspruch des Bundes auf diese Pauschalgebühren entsteht zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

22 Die jeweilige Bemessungsgrundlage kann durchaus unterschiedlich sein, wenn etwa das Klagebegehren eingeschränkt wird und bezüglich des verminderten Betrages Rechtsmittel erhoben wird oder wenn ein Urteil nicht in vollem Umfang, sondern nur zum Teil bekämpft wird.

23 Eine Entscheidung über die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG für das erstinstanzliche Verfahren entfaltet deshalb keine Bindungswirkung für die Vorschreibung der Pauschalgebühren nach TP 2 GGG oder nach TP 3 GGG für die anschließenden Rechtsmittelverfahren.

24 Die Revisionswerberin zeigt somit nicht auf, dass die Revision von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge.

25 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2017

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017160165.L00

Im RIS seit

08.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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