TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/17 VGW-151/036/10754/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2018
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Entscheidungsdatum

17.01.2018

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG §11 Abs1 Z4
NAG §30 Abs1
NAG §47 Abs1
NAG §47 Abs2
EMRK Art. 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fritz über die Beschwerde des (1986 geborenen) Herrn V. S., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 - Einwanderung und Staatsbürgerschaft, vom 28.03.2017, Zl. MA 35-9/3131257-01, betreffend Aufenthaltstitel, nach am 20.11.2017 durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, wobei die maßgebliche Rechtsgrundlage „§ 11 Abs. 1 Z. 4 NAG iVm § 30 Abs. 1 NAG“ zu lauten hat.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.03.2017 wies die belangte Behörde den am 13.06.2016 im Wege der Österreichischen Botschaft Skopje (Mazedonien) gestellten Erstantrag des Beschwerdeführers (Bf), eines Staatsangehörigen des Kosovo, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 30 Abs. 1 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) idgF ab, weil festgestellt worden sei, dass es sich bei seiner Ehe, die am 29.02.2016 im Kosovo geschlossen worden sei, um eine Aufenthaltsehe handle.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

„Sie haben am 29.2.2016 in St. (Kosovo) die österreichische Staatsbürgerin L. D., verehel. S., geb. 1972, geehelicht.

Für Ihre Ehegattin ist es bereits die 4. Eheschließung, der Altersunterschied zwischen Ihnen Beiden beträgt 14 Jahre.

Sie waren bereits vor der Eheschließung in Österreich aufhältig und haben das Bundesgebiet im November 2015 wieder verlassen, zu diesem Zeitpunkt schien die Rückkehr durch die bereits vereinbarte Eheschließung für Sie offensichtlich bereits gesichert.

Ihre Ehegattin ist seit Jahren fast durchgehend in Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe durch Arbeitsmarktservice Wien. Derzeit in monatlicher Höhe von ca. € 265,20 (täglich € 8,84). Die Gesamtschulden Ihrer Gattin belaufen sich auf ca. € 30.000 - 40.000, Rückzahlungen tätigt sie nicht - mangels Einkommen.

Da Sie sich offensichtlich darüber bewusst sind, dass das Einkommen von Frau S. nicht ausreichen würde um Ihnen einen Aufenthaltstitel zu verschaffen, legten Sie sofort bei Antragstellung einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag der Firma S. GmbH als Nachweis des zukünftig gesicherten Lebensunterhaltes v o r.

Da es sich dabei vermutlich um die Firma einer Verwandten handelt und unbestritten bereits eine Vielzahl von Familienmitgliedern

Gemeldet ist ihre Ehegattin derzeit mit Hauptwohnsitz an der Adresse ihrer Mutter. Bei Antragstellung wurde auch angegeben, dass sie - nach Erteilung eines Aufenthaltstitels - dort gemeinsam leben werden.

Zuvor war Ihre Ehegattin fast drei Jahre an der Adresse Ihrer Tochter K. S., geb. 1987, und deren Mann H. S., geb. 1989, wohnhaft.

Herr H. S. ist nach ha. Information Ihr Cousin.

Gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§30 Abs. 1 oder 2) vorliegt.

Gemäß § 30 Abs. 1 NAG dürfen Ehegatten/eingetragene Partnerinnen, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstitel nicht auf die Ehe/eingetragene

Partnerschaft berufen.

Verbindungen wie in Ihrem Fall (Altersunterschied 14 Jahre und Ehefrau älter) sind im patriarchalischen Kosovo praktisch unbekannt, da dort die Heirat mit einer Frau, die mehr als zehn Jahre älter ist als ihr Ehemann, jede Tradition verletzt. Ehen zum Zwecke der Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Perspektiven der Männer - bei kosovarischen Staatsbürgern - sind gängiger Modus operandi.

Aufgrund des gesamten Sachverhaltes bestand der Verdacht, dass die Eheschließung mit D. (verehelichte S.) lediglich zum Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung für Sie erfolgte.

Daher erging ein Ersuchen um Überprüfung gem. § 37 Abs. 4 NAG an die Landespolizeidirektion Wien.

Diese gab mit Bericht vom 1.3.2017,GZ: E1/259843/2016, bekannt, dass aufgrund der Erkenntnisse durch Erhebungen und Befragungen mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Ehe lediglich geschlossen wurde um Ihnen einen Aufenthaltstitel für Österreich zu ermöglichen.

Ein Eheleben im Sinne des Artikel 8 EMRK hat nie stattgefunden und wird auch nicht angestrebt.

Bei einer Wohnsitzüberprüfung am 14.12. 2016 um 7.20 Uhr an der Adresse Ihrer Schwiegermutter Frau B. M. in Wien, K.-gasse, zeigte diese das Zimmer, in welchem Ihre Ehegattin derzeit - angeblich - nächtigt und in welchem Sie mit Ihrer Ehegattin später nächtigen sollen. Die Wahrnehmung des Beamten im Zusammenhang mit diesem Raum war jedoch, dass dort niemand nächtigt, da das Zimmer eher einem Abstellraum glich.

Ihre Schwiegermutter konnte auch keine Fotos von der Hochzeit zeigen.

Bei ihrer Befragung gab Ihre Ehegattin an, dass Sie keine Hochzeitsfotos hat, da diese bei Ihnen verblieben wären. Sie konnte auch keine sonstigen Fotos vorzeigen, welche sie Beide gemeinsam bei Aktivitäten zeigen.

Einen Tag später erschien ihre Gattin neuerlich in der Dienststelle und zeigte vier Fotos, welche vermutlich auf dem Standesamt aufgenommen wurden, welche Sie und Ihre Gattin beim Unterschreiben der Papiere zeigt, ebenso sind noch ihre Schwiegermutter, sowie zwei weitere männliche Personen.

Zu den männlichen Personen gab sie an, es wären Ihre Freunde, sie konnte keine Namen (auch keine Vornamen) nennen.

Als Begründung dafür, dass sie keine weiteren Fotos hat, gab Sie an, dass ihr Mobiltelefon kaputt ist und ihr Mobiltelefon gestohlen wurde.

Dazu wird angemerkt, dass die Kontaktaufnahme der LPD Wien zwecks Vereinbarung eines Termines für die Befragung auf der Mobiltelefonnummer Ihrer Gattin erfolgt ist.

…..

Die Landespolizeidirektion Wien und die Magistratsabteilung 35 nimmt unter Beachtung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung an, dass Sie die Ehe mit L. S. lediglich geschlossen haben um sich im Verfahren für die Erteilung eines Aufenthaltstitels für Österreich auf die Ehe berufen zu können, wobei die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht beabsichtigt ist und ein solches auch nie geführt wurde. Es wird davon ausgegangen, dass es sich um eine Gefälligkeit im Familienverband (die Tochter ihrer Gattin ist mit ihrem Cousin verheiratet, ein großer Teil ihrer Familie lebt bereits in Österreich) handelt um Ihnen den legalen Zuzug zu ermöglichen.

Mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurden Sie vom Sachverhalt in Kenntnis gesetzt und darüber informiert, dass die Behörde beabsichtigt Ihren Antrag abzuweisen.

Sie hatten die Möglichkeit innerhalb von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Es wurde keine Stellungnahme abgegeben.

Damit steht für die erkennende Behörde fest, dass Ihre am 29.2.2016 in St. (Kosovo) geschlossene Ehe eine Aufenthaltsehe ist.

Aus diesem Grund kann Ihr Antrag nicht positiv entschieden werden.“

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf fristgerecht Beschwerde. Es wurde der gesamte Bescheidinhalt bestritten, sofern er nicht im Nachstehenden als zutreffend anerkannt werde. Zur Frage des Altersunterschiedes und zur behaupteten Unüblichkeit im moslemischen Kulturkreis werde nochmals ausgeführt, dass es gerade in diesem Kulturkreis keinerlei Aversionen gegen ein solches Verhalten gebe, sei doch der Gründer dieser Religion, der Prophet Moham(m)ed selbst mit einer wesentlich älteren Frau verheiratet gewesen. Die Ehegattin des Bf habe mittlerweile eine Arbeit bekommen (die diesbezüglichen Unterlagen lägen bei). Es werde im angefochtenen Bescheid weiters moniert, dass der „arbeitsrechtliche Vorvertrag“ mit einem Verwandten abgeschlossen worden sei. Bei Einsichtnahme in den Vorakt wäre ersichtlich gewesen, dass der Obgenannte bereits ein Verfahren zur Erteilung „Schlüsselkraft/Fachkraft in Mangelberuf“ gehabt habe und dies infolge Wortbezeichnungsstreitigkeiten mit dem AMS zu den Wörtern „Schwarzdecker“ und „Isolierer“ nicht erfolgt sei. Auch hier sei die Firma S. GmbH als präsumptiver Dienstgeber aufgetreten. Es sei nicht ersichtlich, warum es verpönt sein solle, dass Verwandte in (Gross-)Familienbetrieben mitarbeiten. Auf der einen Seite werde der Arbeitnehmer eine ordentliche Leistung erbringen, „um vor der Familie nicht schlecht dazustehen“, auf der anderen Seite werde der Arbeitgeber den Lohn samt Überstunden stets pünktlich bezahlen, ebenfalls „um vor der Familie nicht schlecht dazustehen“. Im Übrigen würden sogar schon „Schönheitswettbewerbe“ in Form von family business abgewickelt.

Die Ausführungen des Bescheides betreffend „Tradition“ im Kosovo und in Albanien würden – siehe vorher zum Thema „Prophet Mohammed“ – voll bestritten. Es sei nicht bekannt, ob die bescheidverfassende Sachbearbeiterin diesbezüglich aus eigener Verwandtschaft oder aus sonstiger eigener Erfahrung Kenntnis habe; wenn sie diese hätte, könnte sie nicht solches behaupten. Es seien daher diese Ausführungen als unkritische Wiedergabe vorurteilsbehafteter Dritt-Wahrnehmungen zu qualifizieren, die in einem Bescheid des Landes Wien nichts zu suchen hätten. Polizeiberichte o.ä. seien nicht vorgehalten worden; ein Einvernahmeprotokoll des Obgenannten sei nicht übermittelt worden. Es werde die persönliche Einvernahme des Ehepaars V. S./L. S. durch das Verwaltungsgericht beantragt.

In einem ergänzenden Schreiben vom 27.04.2017 wies der den Bf vertretende Rechtsanwalt darauf hin, dass beim Verfassen der Beschwerde ein – zwar unwesentlicher – Irrtum unterlaufen sei, welcher jedoch zu berichtigen sei. Nicht der Bf habe den Antrag auf Erteilung eines AT „NB Schlüsselkraft/Fachkraft in Mangelberuf“ bei der Firma S. GmbH gestellt, sondern Herr Ve. S..

Am 07.07.2017 langte eine weitere Äußerung des Bf beim Verwaltungsgericht Wien ein. In dieser Äußerung nimmt der Bf zu den Ausführungen im Bescheid der MA 35 betreffend die im moslemisch-albanischen Raum angeblich vorhandene „Unvereinbarkeit“ von Altersunterschieden und Mehr-Ehen Stellung. Auch zu den Themen Fotos, Armut, „unbenützt“ scheinende Wohnung, Hochzeitsfeier und Geschenke finden sich in dieser Eingabe Ausführungen.

Es wurde dann für den 16.10.2017 eine mündliche Verhandlung ausgeschrieben.

Als Beilage zu seinem Schreiben vom 13.09.2017 übermittelte der Bf eine Ausfertigung betreffend die Einstellung des Strafverfahrens und einen Zeitungsartikel. Der Bf könne zum Verhandlungstermin – so heißt es in der Eingabe – keinesfalls stellig gemacht werden. Auf Ersuchen des Vertreters des Bf wurde die Verhandlung dann auf den 20.11.2017 verlegt.

Das Verwaltungsgericht Wien führte am 20.11.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der Herr Mag. G. als Vertreter des Bf teilnahm und in der Frau L. S., B. M. und Sa. S. als Zeugen einvernommen wurden.

Frau S. (die Ehegattin des Bf) gab bei ihrer Einvernahme als Zeugin Folgendes an:

„Ich bin in Österreich geboren, und dann in Serbien aufgewachsen. Ich habe dann mit ca. 17 Jahren die Österreichische Staatsbürgerschaft bekommen. In Österreich besuchte ich keine Schule mehr. In Serbien habe ich die Hauptschule abgeschlossen. Ich war in erster Linie in der Putzbranche tätig und im Verkauf. Herrn N. habe ich in Serbien geheiratet. Mit diesem lebte ich zunächst in Serbien. Er war dann nur kurz da und ist weiter nach Italien gezogen. Herrn E. habe ich in Österreich geheiratet. Dieser kam von Bosnien nach Österreich. Er bekam dann als Familienangehöriger einen Aufenthaltstitel in Österreich. Mit diesem habe ich keinen Kontakt mehr. Herr Ne. kam aus Serbien und war er schon in Österreich. Dieser lebte bei seinem Cousin. Nach der Eheschließung bekam er dann auch einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger. Von diesem weiß ich auch nichts mehr. Auch von meinem ersten Ehegatten weiß ich auch nichts mehr. Ich hatte mit keinem von diesen Kinder.

Ich wohne seit Juni 2015 bei meiner Mutter. Die Wohnung hat einen Gang, dann ein Wohnzimmer, ein WC, eine Küche und von der Küche aus erreicht man noch ein Kabinett. Die Mutter schläft im Wohnzimmer und ich im Kabinett. Im Kabinett steht ein Bett und ein Schrank. Ich habe am 6.12. eine OP. Ich habe jetzt von der Firma Si. die Kündigung bekommen, bei der Firma R. bin ich bis Ende November 2017. Es ist ein Frisör und habe ich dort geputzt. Zuletzt habe ich von der Firma Si. 1.180 Euro im Monat bekommen. Von Herrn R. habe ich 330 Euro im Monat bekommen. Ich habe den Bf in Serbien kennengelernt, und zwar in Belgrad am 20.6.2015. In Belgrad lebt meine Cousine. Ich bin dort mit dem Bus hingefahren. Ich habe ihn zufällig in einem Kaffeehaus dort kennengelernt, meine Cousine kannte ihn von Belgrad. Er ist immer nach Belgrad gekommen, was er dort gemacht hat, weiß ich nicht. Er lebt in Kosovo. Mein Vater (T.) ist in Serbien gestorben und war ich depressiv. Zu dieser Zeit war ich nicht berufstätig. Wir haben uns telefonisch gehört, ich bin wieder zurück nach Österreich. Ich spreche mit ihm serbisch. Er kann sehr gut Deutsch und auch Englisch. Er hat in Kosovo Hauptschule gemacht und er hat Maurer gelernt. Er hat in Kosovo gearbeitet und jetzt auch. Er arbeitet als Maurer. Ich habe ihn öfters in Belgrad und zwei Mal in Kosovo getroffen. Ich habe mich verliebt. Wir haben in Kosovo geheiratet. Es ist ein Standesamt. Meine Mutter war bei der Hochzeit dabei. Ich weiß heute nicht mehr, wer die Trauzeugen waren. Nach dem Standesamt waren wir mit der Familie, ca. 30 Leute essen und feiern. Ich bin dann zurück nach Österreich. Vor der Hochzeit war er einmal in Österreich. Meines Wissens nach hat er vorher nicht in Österreich gearbeitet. Ich weiß aber nicht das Monat, in welchem er in Österreich war, es war dies vor meiner Bekanntschaft mit ihm. Ich weiß aber nicht, was er in Österreich wollte, er war kurz da. Seit der Hochzeit war er nie in Österreich. Seit der Hochzeit war ich 6 bis 7 Mal in Belgrad und auch einmal in Kosovo. Ich habe in der Nähe von Belgrad ein Haus, von meinem Vater. Der Bf hat ein Auto. Ich weiß nicht, was er in Kosovo verdient, ich schätze so ca. 200 bis 300 Euro. Ich habe derzeit ca. noch 38.000 Euro Schulden und gehe ich bald in Privatkonkurs. Herrn Sa. S. kenne ich. Das ist der Bruder des Bf. Dieser ist hier meine Ansprechperson. Dieser hat eine Baufirma. Dieser wohnt im 5. Bezirk. Vorher habe ich bei meiner Tochter Kr. Re. gewohnt. Deren Mann kenne ich garnicht. Der Mann heißt H. und sie will nichts mit mir zu tun haben. Über eine Verwandtschaft des H. mit meinem Mann weiß ich nicht.

<Der Vertreter des Bf merkt an, für die Erteilung eines Visums müsste der Bf die gleichen Voraussetzungen wie für den Aufenthaltstitel erfüllen.>

Über Befragen des BfV:

Mein erster Mann ging dann nach Italien und hat dann für Österreich keinen Aufenthaltstitel bekommen. Er war nur zwei Wochen in Österreich und hat mich dann verlassen. Die Ehemänner 2 und 3 haben über mich einen Aufenthaltstitel bekommen. Mit dem Ne. habe ich wegen Kindern und seiner Ex-Frau gestritten. Herr N. war viel älter wie ich und wir haben uns auseinander gelebt. Ich habe in Belgrad und in Kosovo jeweils meinen Mann getroffen. In Belgrad sind wir im Haus meines Vaters. Ich war zwei, drei oder vier Tage unten. Nach der OP will ich dann wieder runter fahren, wenn alles gut geht. Er könnte sicher hier gleich arbeiten, auf der Baustelle oder beim Se. in der Firma. Ich würde dann wieder arbeiten gehen nach der OP. Ich war die zwei Jahre bei der Tochter nur gemeldet, gewohnt habe ich nicht bei ihr. Ich habe ab und zu bei der Mutter und ab und zu bei der Tante gewohnt.“

Frau B. M. (d.i. die Schwiegermutter des Bf) machte bei ihrer Einvernahme als Zeugin folgende Angaben:

„Ich bin schon in Pension. Die Tochter wohnt bei mir. Ich schlafe im Wohnzimmer und die Tochter im Zimmer. Das Kabinett ist ca. die Hälfte dieses Zimmers groß. Vor der Hochzeit habe ich den Bf persönlich nicht gesehen. Die Hochzeit war in Kosovo. Ich habe ihn einmal in Serbien gesehen, in Belgrad. Er wohnt in Kosovo. Er hat meine Tochter normal getroffen. Er arbeitet bei der Baustelle. Ich habe ihn nicht nach seinem Beruf gefragt. Der Bf wohnt in Kosovo in einem Haus. Er wohnt dort mit Bruder und Mutter. Sein Vater ist in der Zwischenzeit gestorben. In Österreich war er noch nie zu Besuch. Momentan könnte er bei mir wohnen und dann wo anders. Herrn Sa. S. kenne ich auch. Dieser war bei der Hochzeit. Der arbeitet wo, genaueres weiß ich aber nicht. Der Bf könnte jede Arbeit nehmen. Es war die Hochzeit am Standesamt und dann eine Feier in einem Restaurant. Es waren ca. 30 Leute (engste Familie von ihm). Von uns waren nur meine Tochter und ich. Über Vorhalt der Fotos gebe ich an, die Gäste standen draußen. Ich bekomme 1.170 Euro Pension. Ich war im F. Putzfrau. Ich habe den Bf nach der Hochzeit gesehen, in unserem Haus in Belgrad. Ich glaube der Bf hat 4 Brüder. Ich kenne nur den Sa. und einen zu Hause in Kosovo. Ich weiß nichts darüber, dass er vor dem Kennenlernen meiner Tochter schon einmal in Österreich war. Mit der Tochter habe ich schon Kontakt. Sie ist verheiratet. Sie ist mit einem Mann aus der Verwandtschaft des Bf verheiratet. Ich habe deren Mann schon gesehen, den Namen weiß ich leider nicht. Ich bin auch ein bisschen depressiv.“

Herr Sa. S. (der Bruder des Bf) gab bei seiner Einvernahme als Zeuge Folgendes an:

„Ich bin seit 2013 in Österreich. Ich bin mit einer Slowakin verheiratet. Ich war drei Monate als Tourist in Österreich. Ich habe da bei meinem Onkel gelebt. Den ersten Monat war ich in Klagenfurt und habe ich da auch bei meinem Onkel gewohnt. Ich habe in Kosovo Isolierer und Schwarzdecker gelernt. Früher hatte ich eine Arbeit in Kosovo. Ich habe ca. 350 Euro im Monat verdient. Ich habe am 28.3.2013 die Slowakin geheiratet. Ich bin im Jänner 2013 gekommen und habe ich da die Slowakin in Wien kennengelernt. Ich habe jetzt eine Firma. Die Firma hat ein eigenes Büro. Jetzt haben wir acht Mitarbeiter. Ich verdiene im Monat 2.600 Euro brutto. Der Bf hat in Kosovo Maschinenbau gelernt und mit uns gearbeitet. Wir haben alle unten bei einer Firma als Isolierer und Schwarzdecker gearbeitet. Ich habe so viel Arbeit, dass ich den Bruder aufnehmen könnte. Wir suchen noch immer Arbeiter vom AMS. Mein Bruder war noch nie in Österreich, um etwa eine Beschäftigungsbewilligung zu erhalten. Jetzt macht er alles am Bau. Wir sind 5 Brüder. 3 Brüder leben in Wien und 2 in Kosovo. Der Vater von H. S. ist der Bruder von meinem Vater, wir sind Cousins. H. arbeitet bei mir und auch Hy. S. (1988). Der Bf wohnt in Kosovo in einem Haus. Im Haus wohnt auch noch meine Mutter und mein Bruder, der Vater ist vor kurzem gestorben. H. hat hier geheiratet. Bei der Hochzeit hier war ich dabei, meines Wissens nach war Frau L. auch dabei. Ich glaube auch die Oma. Herr H. ist als Student nach Wien gekommen. Ich habe mit ihm darüber nicht gesprochen, wie er K. kennengelernt hat. Ich war bei der Hochzeit des V. S. dabei. Es waren ca. 25 bis 30 Gäste. Ich war schon im Zimmer der Hochzeit, unterschrieben habe ich aber nicht. Es gibt schon auch in Kosovo Trauzeugen. Der dritte Bruder in Österreich heißt Ve. S. (1992). Dieser hat hier studiert und macht Deutschkurse. Wir helfen diesem. Herr V. S. war noch nie in Österreich. Wir haben alle unten einen Deutschkurs gemacht. Fast jeder junge kann bei uns eine Fremdsprache. In der Schule haben wir Albanisch und Englisch gehabt. Über Vorhalt eines Fotos gebe ich an, es ist dies ein Onkel von uns.

Über Befragen des BfV:

Frau L. hat den Bf ein paar Mal unten besucht, manchmal auch in Serbien, wohin wir von Kosovo reisen können. Ich war noch nie in der Wohnung von Frau L.. Wenn der Bf einen Aufenthaltstitel bekäme, würden sie bei Frau L. wohnen. Sie könnten dann eine größere Wohnung bekommen. Wir können ihn auch unterstützen. Ich unterstütze ihn unten und auch meine Mutter. Manchmal schickt auch Frau L. Geld mit.“

Der Vertreter des Bf ersuchte in seinem Schlusswort um den Aufenthaltstitel für den Bf.

Die anwesende Partei verzichtete auf die mündliche Verkündung der Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 47 Abs. 1 NAG sind Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

Nach § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

Die zuletzt genannte Bedingung erfasst die im § 11 NAG geregelten allgemeinen Voraussetzungen für Aufenthaltstitel. Der für die Abweisung des vom Bf gestellten Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ herangezogene § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG und der dort genannte § 30 Abs. 1 NAG (idF gemäß BGBl. I Nr. 145/2017) lauten samt Überschrift:

„Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

…..

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft und Aufenthaltsadoption

§ 30. (1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.“

Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich, dass ein Aufenthaltstitel bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe iSd § 30 Abs. 1 NAG zwingend nicht zu erteilen ist. Bei § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG handelt es sich um einen absoluten Versagungsgrund (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 26.01.2012, Zl. 2010/21/0417, mwN).

Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG ist u.a. dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des Verwaltungsgerichtes kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK (mehr) geführt wird (vgl. den Beschluss des VwGH vom 20. 07.2016, Zl. Ra 2016/22/0058, mwN). Beantragt ein Fremder die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem Ehegatten, ist seine Absicht entscheidend, wie der angestrebte Titel genutzt werden solle (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2010/21/0177, mwN). Ein formales Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des ausländischen Ehegatten abzuleiten.

Klarstellend ist dazu zunächst vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles zu betonen, dass das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts bzw. eines gemeinsamen Wohnsitzes zwischen Ehegatten nicht per se zu der Annahme führen kann, es fehle das in § 30 Abs. 1 NAG angesprochene gemeinsame Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK. Das ergibt sich in einem Fall wie dem vorliegenden schon daraus, dass der die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem Ehegatten beantragende Fremde in Österreich regelmäßig noch keinen Wohnsitz begründet hat, bedarf es doch gerade dazu des angestrebten Titels. Entscheidend ist vielmehr die Absicht des Fremden, wie der angestrebte Titel zu nutzen sei (vgl. das noch zum Fremdengesetz 1997 ergangene, aber auch für die hier zu beurteilende Rechtslage nach dem NAG heranziehbare Erkenntnis des VwGH vom 24.11.2000, Zl. 2000/19/0126).

Sollte im vorliegenden Fall der Bf die Ehe mit Frau S. – wie von der belangten Behörde angenommen - aber nur zu dem Zweck geschlossen haben „um ihm den legalen Zuzug nach Österreich zu ermöglichen“, so wäre der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG und damit der absolute Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 Z 4 NAG freilich zweifellos erfüllt (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2010/21/0177).

Nach der Aktenlage stellte der Bf am 13.06.2016 über die Österreichische Botschaft Skopje einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“. Als seine Familienangehörige (Ehegattin) führte er Frau S. mit Wohnsitz in Wien an. Aus einer beiliegenden Heiratsurkunde geht hervor, dass der Bf am 29.02.2016 in einem Ort in Kosovo Frau S. geheiratet hat. Bei Frau S. handelt es sich um eine österreichische Staatsbürgerin. Dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels war ein Vorvertrag, abgeschlossen zwischen dem Bf und der S. GmbH angeschlossen, wonach der Bf – im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels – bei diesem Unternehmen als Facharbeiter mit einem Monatslohn von über 2.000,-- Euro brutto arbeiten könnte.

Frau B. M. ist die Mutter der Frau S. und erklärte diese in einem Schreiben vom 12.05.2016, dass ihr Schwiegersohn (der Bf) mit ihrer Tochter bei ihr leben könnte.

Mit „Unterlagenanforderung“ vom 13.07.2016 ersuchte die belangte Behörde den Bf um Übermittlung von Heiratsurkunden und Scheidungsurteilen aller Vorehen (falls solche vorhanden sind). Aus den übermittelten Unterlagen ergibt sich nun, dass die Ehe mit dem Bf für Frau S. bereits die vierte Ehe ist. Sie war zuvor mit N. M. (von 05.10.1990 bis 05.03.1999), mit Ne. Ka. (von 27.06.2003 bis 26.04.2006) und mit E. D. (von 27.02.2008 bis 15.07.2011) verheiratet.

Laut einer vorgelegten Wohnrechtsvereinbarung verfügt die Unterkunft der Frau B. M. über eine Größe von 44 m² und zwei Wohnräume.

Aufgrund der im Akt einliegenden Unterlagen hegte die belangte Behörde den Verdacht auf Aufenthaltsehe und ersuchte die Landespolizeidirektion Wien um Überprüfung gemäß § 37 Abs. 4 NAG. Von der Staatsanwaltschaft wurde das Ermittlungsverfahren gegen das Ehepaar S. aber eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zu einer weiteren Verfolgung bestehe (hierzu ist anzumerken, dass solche Einstellungen deshalb erfolgen, weil die Eheschließung im Ausland erfolgt ist).

Dass eine solche Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft erfolgt ist, ist für die Beurteilung, ob eine Aufenthaltsehe vorliegt, unerheblich, ist doch dafür weder eine Nichtigerklärung der Ehe gemäß § 23 Abs. 1 Ehegesetz noch eine strafgerichtliche Verurteilung erforderlich (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 19.09.2012, Zl. 2008/22/0329).

Im Akt finden sich dann auch Fotos (4), auf welchen das Ehepaar S. beim Unterschreiben von Unterlagen zu sehen sei. Aus einem Versicherungsdatenauszug geht hervor, dass Frau S. in der Vergangenheit häufig Notstandshilfe und Überbrückungshilfe bezogen hat.

Im Akt der belangten Behörde liegt auch der Bericht der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug vom 01.03.2017 ein; dieser enthält folgende Sachverhaltsdarstellung:

„Aufgrund der Mitteilung von der MA 35, in der der Verdacht geäußert wurde, dass es sich bei der Ehe von Herrn S. V. und Frau S. L. um eine Aufenthaltsehe handeln könnte, wurde mit den Erhebungen begonnen. Die Ehe wurde am 29.02.2016 in St./Kosovo geschlossen.

Da die Ehe im Ausland geschlossen wurde, wurde eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien zur strafrechtlichen Beurteilung übermittelt. Zunächst wurde der Auftrag erteilt, dass zu erheben ist, ob es den Tatbestand der Aufenthaltsehe im Kosovo gibt. Deshalb wurde mit dem Verbindungsbeamten Kontakt aufgenommen. Nach einiger Zeit wurde mitgeteilt, dass es diesen Tatbestand nicht gibt und in weiterer Folge stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren ein.

Am 14.12.2016 um 07:20 Uhr wurde an der Meldeadresse von S. L. Nachschau gehalten. Es wurde von Frau M. B., die Mutter von S. L. geöffnet. Sie wurde auf Ihre Tochter und auf deren Ehemann angesprochen. Sie teilte mit, dass in Kosovo geheiratet wurde und sie ebenfalls bei der Hochzeit dabei war. Frau M. zeigte ein Zimmer, in dem ihre Tochter derzeit und in Zukunft auch ihr Schwiegersohn nächtigen soll. Es machte nicht den Anschein, dass in diesem Zimmer derzeit jemand nächtigt. Das Zimmer glich eher einem Abstellraum. Vorort konnten keine Fotos von der Hochzeit gezeigt werden. Frau M. übergab die Telefonnummer ihrer Tochter.

Mit Frau S. wurde am 15.12.2016 um 14:00 Uhr ein Termin zwecks Befragung vereinbart. Sie entsprach diesem und sie gab an, dass sie ihren Mann im Juni 2015 in Belgrad kennengelernt hat. Auf ihre finanzielle Situation angesprochen gab sie an, dass sie sich im Privatkonkurs befindet und Schulden in der Höhe von ca. € 30.000 bis € 40.000,- hat. Vom AMS bekommt sie € 8,- pro Tag. Auf Hochzeitsfotos angesprochen gab sie an, dass diese Ihr Mann hat. Auch konnte Sie keine Fotos zeigen, auf denen Sie und ihr Mann bei gemeinsamen Aktivitäten abgebildet sind.

Am 05.01.2017 um 14:00 Uhr kam Frau S. erneut in die Dienststelle. Sie zeigte vier Hochzeitsfotos. Kopien dieser Fotos liegen dem Akt bei. Sie zeigen das Ehepaar, die Mutter von Frau S. und zwei weitere männliche Personen. Frau S. gab an, dass es Freunde ihres Mannes waren, konnte die Namen nicht nennen. Weiters teilte sie mit, dass sie keine weiteren Fotos hat, da ihr Mobiltelefon kaputt ist und das Mobiltelefon ihres Mannes gestohlen wurde.

Aufgrund der Aktenlage (4. Ehe für Frau S.) und den gewonnenen Erkenntnissen hat sich der Verdacht, dass es sich bei dieser Ehe um eine Aufenthaltsehe handeln könnte, erhärtet. Sollte ein Aufenthaltstitel erteilt werden, sollte eine neuerliche Überprüfung bzw. Befragung des Ehepaares durchgeführt werden.“

In diesem Bericht heißt es, dass auf den Fotos das Ehepaar S. zu sehen sei, die Mutter von Frau S. und zwei weitere männliche Personen. Laut Frau S. seien dies Freunde des Bf, Namen konnte sie keinen nennen. Es ist nun schon auffällig, dass Frau S., als sie die Fotos der Dienststelle übergeben hat, nicht angeben konnte, wer die beiden Männer (offenbar Trauzeugen) gewesen sind, die bei der Hochzeit dabei waren. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte sie hierzu keine Angaben machen. Ein solches Nichtwissen von näheren Daten der anwesenden Trauzeugen ist ein wesentliches Indiz dafür, dass die Hochzeit arrangiert gewesen ist und Frau S. sich nur in den Kosovo zu dem dortigen Amt hinbegeben und ihre Unterschrift geleistet hat, um dem Bf durch die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Möglichkeit zu geben, allenfalls einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erlangen (und in weiterer Folge hier – ohne weitere Bewilligung – einer Beschäftigung nachgehen zu können).

Was nun die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides bezüglich des Altersunterschiedes und der Traditionen im Kosovo betrifft, so vermögen diese Ausführungen keine tragende Grundlage für die Abweisung des Antrages zu geben. Selbst wenn es im Kosovo unüblich sein sollte, dass Männer deutlich ältere Frauen heiraten, so ist es (wie auch im umgekehrten Fall) wohl nicht auszuschließen, dass es dennoch auch zu Eheschließungen von Ehepartnern mit deutlichen Altersunterschieden kommt (und zwar aus verschiedenen Gründen). Was den „arbeitsrechtlichen Vorvertrag“ betrifft, so brauchte – bei der Annahme einer Aufenthaltsehe – nicht näher überprüft zu werden, ob die Auftragslage bei der genannten Firma wirklich so gut ist, dass ein zusätzlicher Facharbeiter (und zwar über eine längere Zeit hindurch) benötigt wird (und nicht schon nach kürzester Zeit wiederum das Dienstverhältnis aufgekündigt werden würde).

In der Eingabe vom 03.07.2017 ist davon die Rede, dass es wegen fehlenden Geldes keine Hochzeitsfeier gegeben hat. Es war dann auffällig, dass Frau S. in der mündlichen Verhandlung aber davon gesprochen hat, dass sie nach dem Standesamt mit ca. 30 Leuten essen und feiern gewesen sind. Auskünfte dazu, wer dies bezahlt hat (es hatte laut Mitteilung des Bf kein Geld für eine Feier gegeben) machte Frau S. nicht. Während Frau S. nun nicht wusste (nicht einmal den Vornamen), wer denn die Trauzeugen gewesen sind, konnte sie sich noch gut daran erinnern, dass ca. 30 Leute essen und feiern gewesen sind. Auch die Mutter der Frau S. sprach dann (ca. 21 Monate nach der Hochzeit) davon, dass „ca. 30 Leute“ in einem Restaurant gefeiert haben. Schließlich sprach auch Herr Sa. S. davon, dass bei der Hochzeit ca. 25 bis 30 Gäste dabei gewesen seien. Hatte es zunächst von Seiten des Bf geheißen, wegen fehlenden Geldes habe es keine Hochzeitsfeier gegeben, machten in der mündlichen Verhandlung Frau S., deren Mutter und der Bruder des Bf – was die Zahl der Hochzeitsgäste betrifft – gleichlautende Angaben in die Richtung, dass 30 Personen (25 bis 30) essen und feiern gewesen sind. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass sich diese Zeugen (um den Eindruck zu erwecken, es habe eine „normale Hochzeit“ stattgefunden) darüber abgesprochen haben anzugeben, es habe eine Feier mit ca. 30 Leuten gegeben.

Aus dem beigeschafften Fremdenakt des Bf geht hervor, dass er sich im Jahr 2015 in Österreich aufgehalten hat (von einem unsteten Aufenthalt ist die Rede) und dass er im Rahmen der Rückkehrhilfe am 18.11.2015 mit dem Flugzeug in den Kosovo zurückgebracht worden ist. Frau S. hat bei ihrer Einvernahme davon gesprochen, dass sie den Bf in Belgrad im Juni 2015 kennengelernt hat. Wenn dies stimmen würde (wovon die belangte Behörde nicht ausgeht), dann wäre es sonderbar, wenn sich der Bf im November 2015 in Wien aufgehalten hätte, ohne die Person, in die er sich „verliebt“ haben solle, zu besuchen und bei dieser Aufenthalt zu nehmen. Diese Ungereimtheiten sind ein weiteres wesentliches Indiz dafür, dass die gesamten Angaben bezüglich des Kennenlernens der Frau S. mit dem Bf so nicht stimmen.

Frau S. wohnt seit Juni 2015 wiederum in der Wohnung ihrer Mutter. Vorher hatte sie (laut Meldeauskunft) bei ihrer Tochter Kr. Re. gewohnt (und war dort auch gemeldet). Frau S. wies bei ihrer Einvernahme energisch darauf hin, den Mann ihrer Tochter gar nicht zu kennen. Deren Mann heiße H. und ihre Tochter wolle nichts mit ihr zu tun haben. Auffällig ist nun schon, dass Frau S. ihre Tochter als „Kr. Re.“ benannte, diese aber in Wahrheit schon K. S. heißt. Auch den Familiennamen des Herrn H. verschwieg Frau S. – nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien – bewusst, denn sie wollte in jedem Fall vermeiden, dass bekannt wird, dass ihre Tochter Herrn H. S. geheiratet (Anmerkung: die Eheschließung erfolgte am 21.11.2015) hat und dieser ein Verwandter des Bf ist. Es ist völlig unglaubwürdig, wenn Frau S. dann anführte, sie wisse über eine Verwandtschaft des Herrn H. mit ihrem Mann nichts. Hatte Frau S. zunächst noch erklärt, sie habe vorher bei ihrer Tochter gewohnt, schwächte sie dies - über Befragen des Rechtsanwaltes – dahingehend ab, sie sei bei der Tochter nur gemeldet gewesen, gewohnt habe sie nicht bei ihr. Sie habe ab und zu bei der Mutter und ab und zu bei der Tante gewohnt. Die Zeugin S. war auffallend bestrebt, ja keine Angaben zu machen, die in die Richtung gehen würden, sie würde Herrn H. S. näher kennen oder habe mit diesem näheren Kontakt gehabt.

Die zeitlichen Abläufe lassen freilich vermuten, dass Frau K. S. Herrn H. S. geheiratet hat und es danach arrangiert worden ist, dass Frau S. Herrn V. S. (einen Cousin des H. S.) heiraten solle, damit diesem ermöglicht wird, einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erlangen. Es wurde dann eine Geschichte dahingehend konstruiert, dass sie den Bf am 20.06.2015 in Belgrad kennengelernt habe. So wusste Frau S. nicht einmal, aus welchem Grund sich der Bf immer wieder in Belgrad aufgehalten haben solle (ob dieser dort gearbeitet hat oder bestimmte Personen besucht hat). So wäre wohl anzunehmen, wenn sie eine in Kosovo wohnhafte Person in Belgrad kennenlernt, diesen fragt, aus welchem Grund er immer wieder in Belgrad ist. Es ist aber vielmehr so gewesen, dass offenbar unerwähnt bleiben sollte, dass das Kennenlernen über H. S. (in Österreich) erfolgt ist, um eben zu vermeiden, dass es Nachforschungen in die Richtung einer Aufenthaltsehe gibt. Frau S. hinterließ ebenso wie ihre Mutter einen völlig unglaubwürdigen Eindruck, und waren diese bemüht, tatsachenwidrige Angaben in die Richtung zu machen, es habe sich nicht um eine Aufenthaltsehe gehandelt.

So räumte Frau S. selbst ein, dass zwei ihrer früheren Ehemänner durch die Heirat mit ihr Aufenthaltstitel als Familienangehörige in Österreich bekommen haben. Dass sie mit dem Bf eine dritte Person (Ausländer) geheiratet hat, dem sie mit der Eheschließung wiederum einen Aufenthaltstitel verschaffen will, ist gerade bei ihrer angespannten finanziellen Situation naheliegend und ein wesentliches Indiz dafür, dass tatsächlich eine Aufenthaltsehe vorliegt. Dazu kommt noch, dass sie über ihre ersten drei Ehegatten überhaupt nichts mehr weiß (was nicht weiter verwunderlich ist, wenn es allenfalls auch zumindest bei zwei von diesen hauptsächlich um die Vermittlung eines Aufenthaltstitels gegangen sein könnte). Frau S. war – wie erwähnt – sehr bemüht darzustellen, dass sie den Bf rein zufällig in einem Kaffeehaus in Belgrad kennengelernt hat. Sie erwähnte dann telefonische Kontakte und auch Besuche im Kosovo und in Belgrad, doch handelt es sich hierbei um bloße Behauptungen der Frau S. (nähere Beweismittel hierfür, etwa Flugtickets, Bustickets, gemeinsame Fotos etc. konnte sie nicht vorlegen). Laut Angabe der Frau M. habe sie den Bf einmal in Belgrad gesehen. Frau S. sprach davon, dass der Bf Maurer gelernt und auch als Maurer arbeite. Dieser verdiene im Kosovo so ca. 200,-- bis 300,-- Euro.

In der mündlichen Verhandlung wurde auch der Bruder des Bf, Herr Sa. S. als Zeuge einvernommen. Dieser gab an, seit 2013 in Österreich zu sein, er sei für drei Monate als Tourist nach Österreich gekommen und habe dann gleich eine Slowakin geheiratet (er sei im Jänner 2013 gekommen und am 28.03.2013 habe er die Slowakin geheiratet). Er erwähnte, dass der Bf noch nie in Österreich gewesen sei. Auch dies erscheint merkwürdig, ist doch der Bf im November 2015 von Wien in den Kosovo zurückgebracht worden. Dass sich dieser während seines Aufenthaltes in Wien nicht bei seinem Bruder gemeldet haben sollte, glaubt das Verwaltungsgericht Wien nicht. Vielmehr war auch Herr Sa. S. bemüht, nur keine Angaben dazu zu machen, dass der Bf schon einmal in Österreich gewesen ist, denn man könnte dann ja annehmen, er sei hier gewesen, um sich jemanden für eine Heirat vermitteln zu lassen. Drei Brüder würden in Wien leben und zwei im Kosovo. Seines Wissens sei Frau S. bei der Hochzeit des H. (mit deren Tochter) dabei gewesen. Er erwähnte, Frau S. habe den Bf ein paar Mal „unten“ besucht, dass er etwa dabei gewesen sei oder dass er mit Frau S. gemeinsam in den Kosovo oder nach Belgrad gefahren sei, behauptete er nicht.

Das Verwaltungsgericht Wien geht aufgrund der obigen Überlegungen davon aus, dass die Ehe der Frau S. (auch im Hinblick auf ihre schlechte finanzielle Situation) vermittelt worden ist und eine eheliche Lebensgemeinschaft nie beabsichtigt gewesen ist. Für Frau S. ist dies die vierte Ehe, wobei zwei ihrer ersten Männer durch die Eheschließung mit ihr einen Aufenthaltstitel für Österreich bekommen haben. Es waren Frau S. und deren Mutter sichtlich bemüht, nur ja keine Angaben zu machen, dass die Tochter der Frau S. den Cousin des Bf geheiratet gehabt hat, denn dann könnte man Rückschlüsse darauf ziehen, dass ihre Behauptungen bezüglich des Kennenlernens in Belgrad nicht der Wahrheit entsprechen (sondern, dass die Ehe der Frau S. mit dem Bf vermittelt worden ist).

Zusammenfassend ist somit davon auszugehen, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien der Bf eine Aufenthaltsehe eingegangen ist.

Die Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht, begegnet daher keinen Bedenken. Anzumerken ist noch, dass für eine Bedachtnahme darauf, ob bei Vorliegen dieses Erteilungshindernisses allenfalls ein Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht des Bf aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt sei, kein Raum besteht, zumal § 11 Abs. 3 NAG eine Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK bei Vorliegen des genannten Versagungsgrundes nicht erforderlich macht (siehe dazu das Erkenntnis des VwGH vom 03.03.2011, Zl. 2008/22/0454).

Die Beschwerde war daher aus den vorgenannten Gründen abzuweisen, wobei die Rechtsgrundlagen insofern zu berichtigen gewesen sind, als es sich um „§ 11 Abs. 1 Z. 4 NAG iVm § 30 Abs. 1 NAG“ handelt.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich keine über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehenden Rechtsfragen stellten.

Schlagworte

Aufenthaltsehe, Beurteilung des Vorliegens einer Aufenthaltsehe, absoluter Versagungsgrund, Absicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.036.10754.2017

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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