TE Vwgh Beschluss 2018/1/11 Ra 2017/11/0296

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Veröffentlicht am 11.01.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/01 Arbeitsvertragsrecht;

Norm

AVG §19 Abs3;
AVRAG 1993 §7d Abs1;
AVRAG 1993 §7i Abs4 Z1;
AVRAG 1993 §7i Abs4;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §23;
VwGVG 2014 §45 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/11/0297

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision von 1. J E, 2. E M GmbH, beide in W (Deutschland), beide vertreten durch die Urbanek & Rudolph Rechtsanwälte OG, in 3100 St. Pölten, Europaplatz 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29. März 2017, Zlen. LVwG 33.13-533/2017- 17, LVwG 33.13-556/2017-17, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Erstrevisionswerber als handelsrechtlichem Geschäftsführer der Zweitrevisionswerberin zur Last gelegt, die Lohnunterlagen für zwei Arbeitnehmer anlässlich einer Kontrolle der Abgabenbehörde nicht bereitgehalten und dadurch § 7i Abs. 4 Z 1 iVm. § 7d Abs. 1 AVRAG übertreten zu haben. Über ihn wurden gemäß § 7i Abs. 4 AVRAG Geldstrafen von insgesamt EUR 2000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage und 18 Stunden) verhängt und es wurde die Haftung der Zweitrevisionswerberin gemäß § 9 Abs. 7 VStG ausgesprochen.

2 Das Verwaltungsgericht hatte am 29. März 2017 eine - in der Beschwerde beantragte - mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der Rechtsvertreter der beiden Revisionswerber anwesend war und ein Zeuge vernommen wurde.

Zur Zurückweisung des Antrags des Erstrevisionswerbers vom 21. März 2017, wegen der großen räumlichen Entfernung aus Zeit- und Termingründen im Rechtshilfeweg (mittels Videokonferenz) durch ein deutsches Gericht einvernommen zu werden, führte das Verwaltungsgericht aus, der Erstrevisionswerber sei vier Wochen vor der Verhandlung geladen worden. Er hätte die Möglichkeit gehabt, seine weiteren Termine entsprechend abzustimmen oder unmittelbar nach Erhalt der Ladung um Verschiebung der Verhandlung zu ersuchen. Auch könne es dem Geschäftsführer eines in Österreich tätigen Unternehmens zugemutet werden, einen Gerichtstermin in Österreich wahrzunehmen, wenn er sein Erscheinen als unbedingt erforderlich erachte. Überdies habe der rechtsfreundlich vertretene Erstrevisionswerber die ihm in diversen Rechtfertigungen und Stellungnahmen sowie in der Beschwerde eröffnete Möglichkeit, seine Sicht ausführlich darzulegen und Vorbringen zu erstatten, umfassend genützt.

Zur Zurückweisung des Antrags auf Einvernahme der beiden Arbeitnehmer, deren Lohnunterlagen nicht bereitgehalten worden seien, führte das Verwaltungsgericht aus, beide seien zur Verhandlung geladen worden, jedoch nicht erschienen. Dass die Lohnunterlagen nicht bereitgehalten worden seien, sei überdies unbestritten.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

6 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, es gebe keine hg. Judikatur zur Frage, "ob ein Landesverwaltungsgericht die beantragte Vernehmung eines bundesdeutschen Beschwerdeführers via Videokonferenz bei einer deutschen Behörde im Wege der Rechtshilfe aufgrund der Maßgaben des Art 5 Abs 1 Z 2 Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr. 526/1990 mit der Begründung zurückweisen könne, dass die dementsprechenden Voraussetzungen zur Durchführung einer Vernehmung im Wege der Videokonferenz nicht möglich seien und er darüber hinaus ohnehin alles auf schriftlichem Wege bzw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter habe vorbringen können".

7 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass das Schicksal der Revision von der aufgeworfenen Rechtsfrage abhängt. Nach § 23 VwGVG ist das Verwaltungsgericht berechtigt, auch Personen, die ihren Aufenthalt (Sitz) außerhalb des Sprengels des Verwaltungsgerichtes haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Gemäß § 45 Abs. 2 VwGVG hindert dann, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Nach dem gemäß § 17 VwGVG im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten. Das Vorliegen eines der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen des Geladenen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine berufliche Behinderung nur dann unter den Begriff der "sonstigen begründeten Hindernisse" im Sinn des § 19 Abs. 3 AVG fallen, wenn sie so zwingend ist, dass sie nicht etwa durch entsprechende rechtzeitige Dispositionen beseitigt werden kann (vgl. etwa VwGH 23.11.2009, 2009/05/0314, mwN). Vor diesem Hintergrund und mangels entsprechenden Vorbringens des Erstrevisionswerbers kann dem Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausging, dieser hätte angesichts der vier Wochen vor der Verhandlung erfolgten Ladung die Möglichkeit gehabt, seine weiteren Termine entsprechend abzustimmen oder unmittelbar nach Erhalt der Ladung um Verschiebung der Verhandlung zu ersuchen.

8 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird weiters vorgebracht, die Unterlassung einer Einvernahme der beiden Arbeitnehmer zum Thema der Verfügbarkeit der Lohnunterlagen stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar und widerspreche der hg. Judikatur.

9 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 18.8.2017, Ro 2015/04/0006, mwN).

10 Vor dem Hintergrund der Feststellung des Verwaltungsgerichtes, dass die Lohnunterlagen unbestritten nicht bereitgehalten worden seien, und mangels einer Relevanzdarstellung in der Zulässigkeitsbegründung fehlt es an einer Darlegung, dass das Schicksal der Revision von der aufgeworfenen Rechtsfrage abhängt.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110296.L00

Im RIS seit

06.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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