TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/7 VGW-101/020/1049/2017, VGW-101/020/1050/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.11.2017
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Entscheidungsdatum

07.11.2017

Index

74/01 Kirchen Religionsgemeinschaften
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

IslamG 2015 §6 Abs1
IslamG 2015 §23 Abs1
AVG §69 Abs1
VwGVG §14 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Beschwerden 1) des Herrn Mag. Dr. H. M. und 2) des Herrn Mag. Mo. H., beide vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundeskanzleramtes, vom 26.02.2016, Zl. BKA-KA9.020/0004-Kultusamt/2016, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung des Bundeskanzleramtes der Republik Österreich vom 14.12.2016, Zl. BKA-KA9.070/0032-Kultusamt/2016,

zu Recht erkannt:

 I.     Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Bundeskanzlers der Republik Österreich vom 26.02.2016, GZ: BKA-KA/9.070/0004-Kultusamt/2016 wurde aufgrund des Antrages der „I.“ vom 30. Dezember 2015, in der Fassung vom 25. Februar 2016, auf Genehmigung der Verfassung der Religionsgesellschaft gemäß § 23 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 Islamgesetz 2015 die Verfassung der „I.“ einschließlich Lehre der I., einer Kultusumlageordnung sowie einer Wahlordnung genehmigt.

Dieser Bescheid wurde ausschließlich gegenüber der antragstellenden I. erlassen.

Mit Schreiben vom 01.07.2016 beantragten die Beschwerdeführer, beide Mitglieder des Schurarates der I., die Wiederaufnahme des dem oben genannten Bescheid zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens. Für die Wiederaufnahmewerber sei nicht erkennbar gewesen, dass mit der im genannten Bescheid angeführten Wahlordnung und Kultusumlageordnung neue Ordnungen gemeint sein sollten, da solche dem Schurarat nicht vorgelegt und von diesem auch nicht beschlossen worden seien. Mangels diesbezüglicher Beratung und Beschlussfassung sei für die Wiederaufnahmewerber vielmehr klar gewesen, dass zwar die Verfassung selbst geändert werden solle, nicht hingegen die Wahlordnung oder die Kultusumlageordnung. Wenn der Bundeskanzler eine geänderte, den Wiederaufnahmewerber als Schuraratsmitglieder nicht bekannte und vom Schurarat nicht beschlossene Wahlordnung und Kultusumlageordnung genehmigt habe, so sei dem eine Täuschung zugrunde gelegen. Es lägen demnach neue Tatsachen vor, an deren früherer Unkenntnis die Wiederaufnahmewerber kein Verschulden treffe. Die Wiederaufnahmewerber hätten als Schuraratsmitglieder ein rechtliches Interesse daran, dass die Bestimmungen des Islamgesetzes, insbesondere dessen § 8, rechtsrichtig angewendet würden sowie daran, dass den Genehmigungen im genannten Bescheid ein ordnungsgemäßes Verfahren innerhalb der I. zugrunde liege. Fehle es an einem solchen, so sei zwangsläufig auch der sich darauf gründende Genehmigungsbescheid unrichtig und bedürfe der Aufhebung. Beantragt wurde daher die Wiederaufnahme des Verfahrens und in der Folge die Aufhebung des Genehmigungsbescheides.

Mit Bescheid des Bundeskanzlers der Republik Österreich vom 27.09.2016 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Genehmigung der Verfassung der I., GZ.:BKA-KA/9.070/0004-Kultusamt/2016 im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Beschwerdeführer seien nicht Parteien des zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens, weil im Verfahren zur Genehmigung der Verfassung einer Religionsgesellschaft immer nur die antragstellende Religionsgesellschaft Parteistellung habe. Aber selbst bei Annahme der Parteistellung seien die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gegeben.

Dagegen richtet sich die innerhalb offener Frist eingebrachte Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht, mit welcher der Rechtsansicht des Bundeskanzlers entgegen getreten wird. Beantragt wurde, das Bundesverwaltungsgericht wolle nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Wiederaufnahmeantrag bewilligt werde, in eventu die Sache an die Behörde zurückverweisen.

Diese Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung des Bundeskanzlers vom 14. Dezember 2016 im Wesentlichen mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Parteistellung in Verfahren betreffend die Genehmigung der Verfassung einer islamischen Religionsgesellschaft abgewiesen und gleichzeitig auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien zur Frage der Parteistellung in diesen Verfahren hingewiesen.

Daraufhin wurde der nunmehr verfahrensgegenständliche Vorlageantrag vom 22.12.2016 gestellt, in welchem vor allem ausgeführt wird, die zitierte Rechtsprechung sei zum Islamgesetz 1912 und der Islamverordnung 1988 ergangen und sohin nicht mehr einschlägig. Das Vorbringen in der Beschwerde bleibe aufrecht.

Das Bundeskanzleramt/Kultusamt legte die Beschwerden samt Akt mit Schreiben vom 17.01.2017 dem Verwaltungsgericht Wien vor und bemerkte zur Zuständigkeit des Gerichtes, dass sich das Verwaltungsgericht Wien im Verfahren VGW-101/0069/4623-2016 in Angelegenheiten des Kultus für sachlich zuständig erachtete. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien sei derzeit Gegenstand einer ordentlichen Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30.06.2017, VGW-101/020/1049/2017 und VGW-101/020/1050/2017 wurde das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Frage der sachlichen Zuständigkeit ausgesetzt.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.09.2017, Ro 2016/10/0043 hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass dem Islamgesetz 2015 keine verfassungsgesetzliche Grundlage für die Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung entnommen werden könne. Beim Islamgesetz 2015 handle es sich um eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung, in der ausnahmsweise erstinstanzliche Ministerialzuständigkeiten bestünden. Damit gehe der Rechtsmittelzug an das jeweils örtlich zuständige Landesverwaltungsgericht.

Gemäß § 69 Abs. 1 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens bei Vorliegen der in den in den Z. 1 bis 4 genannten Tatbeständen stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist.

Ein Antrag auf Wiederaufnahme kann nur von demjenigen gestellt werden, der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren Partei war (VwGH 30.04.2008, 2007/04/0033 mit Hinweis auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) S 1476 E 29 f. zu § 69 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).

§ 69 Abs. 1 AVG, dem zufolge dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens unter bestimmten Voraussetzungen stattzugeben ist, schließt Wiederaufnahmeanträge von Nichtparteien aus; der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann vielmehr nur von demjenigen gestellt werden, der im vorangegangenen Verfahren Partei war (VwGH 10.12.1996, 96/04/0065).

Sogar eine übergangene Partei ist nicht legitimiert, einen Antrag auf Wiederaufnahme jenes Verfahrens, dem sie zu Unrecht nicht beigezogen wurde, zu stellen, obgleich ihre Parteistellung in diesem Verfahren zu keinem Zeitpunkt umstritten war (VwGH 24.09.2014, 2012/03/0165 mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 20. Dezember 1991, 90/17/0313).

Dem angefochtenen Bescheid und der mit Vorlageantrag bekämpften Beschwerdevorentscheidung liegt die Annahme zu Grunde, dass die Beschwerdeführer dem den Gegenstand des vorliegenden Wiederaufnahmeantrages bildenden Verwaltungsverfahren zur Genehmigung der Verfassung der I., GZ: BKA-KA/9.070/0004-Kultusamt/2016 nicht als Partei beigezogen wurden. Auch in der Beschwerde (S. 3 erster Absatz) wird davon ausgegangen, dass „die Beschwerdeführer, da sie keine Religionsgesellschaft sind, sondern einem Organ einer solchen angehören, nicht Partei des Genehmigungsverfahrens nach dem Islamgesetz gewesen sind“.

Wenn nun im Wiederaufnahmeantrag geltend gemacht wird, dass den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren Parteistellung zukomme, so ändert dies im Lichte der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nichts an ihrer fehlenden Legitimation zur Erhebung eben dieses Antrages, weil eine solche eben nur jenen Personen, die dem Verfahren als Partei beigezogen wurden, zusteht. Liegt dieses Tatbestandselement nicht vor, so ist auch eine Person, der im Verwaltungsverfahren grundsätzlich Parteistellung zukommt nicht legitimiert, einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen (siehe das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.09.2014, 2012/03/0165). Insoweit ist auch die in der Beschwerde zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich grundsätzlich mit der Frage der Parteistellung im Verwaltungsverfahren beschäftigt, für gegenständlichen Fall nicht entscheidungserheblich.

Die Zurückweisung der Anträge durch die belangte Behörde erfolgte somit zu Recht.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Vorliegend wurde der dem Beschwerdeverfahren zu Grunde liegende Wiederaufnahmeantrag mit angefochtenem Bescheid zurückgewiesen. Der heranzuziehende Sachverhalt ist unbestritten und war nur mehr eine Rechtsfrage an Hand des eindeutigen Gesetzeswortlautes und der dazu ergangenen umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu klären, so dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Parteistellung; subjektives Recht; Religionsgesellschaft; Wiederaufnahme; Legitimation, fehlende; Beschwerdevorentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.101.020.1049.2017

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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