TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/29 LVwG-2016/46/1843-14

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag. Linda Wieser über die Beschwerde der AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, **** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 06.06.2016, Zl ****, betreffend eine Übertretung nach dem Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.   Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrenslauf:

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.08.2016, Zl ****, wurde der Beschwerdeführerin folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

Sie haben es zu verantworten, dass Sie am 01.10.2015 im Eigenjagdgebiet W-V einen Hirschen der Klasse II mit einem Alter von 8 Jahren erlegt haben, obwohl laut Abschussplan für das Jagdjahr 2015 für das Eigenjagdgebiet W-V (Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 04.05.2015, Zl. ****) kein Hirsch der Klasse II zum Abschuss freigegeben war. Der Hirsch wurde in der Abschussmeldung als Hirsch der Klasse I gemeldet. Anlässlich der Trophäenbewertung der Rotwildhegegemeinschaft U-T wurde er jedoch als Hirsch der Klasse II mit einem Alter von 8 Jahren bewertet.“

Dadurch habe die Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung gemäß § 70 Abs 1 Z 13 iVm § 37a Abs 1 TJG 2004, idF LGBl 64/2015 begangen und wurde daher über sie gemäß § 70 Abs 1 Schlusssatz Tiroler Jagdgesetz 2004 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 500,-- verhängt. Weiters wurde der Beschuldigten gemäß § 64 VStG ein Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens in der Höhe von Euro 50,-- vorgeschrieben.

Dagegen erhob die Beschuldigte fristgerecht Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass sie seit 30 Jahren Pächterin von österreichischen Revieren sei und es seit jeher so gehandhabt worden sei, dass sich der Jagdaufseher um das Ansprechen gekümmert und die Tiere zum Abschuss freigegeben habe. Sie habe 10 Jahre lang ausschließlich mit dem Jagdaufseher/Jagdleiter Hans Schneider aus S gejagt. Er habe das Wild angesprochen und freigegeben. Nachdem sie einen Ier Hirschen frei gehabt habe, habe der Jagdleiter ihr gesagt, dass er einen ausgemacht habe, den er seit 2 Jahren kenne. Abends in der Dämmerung sei dieser Hirsch gekommen und der Jagdleiter habe gesagt: “Schieß!“. Der Jagdleiter sei von morgens bis abends im Revier und kenne sich aus. Sie habe sich auf den Fachmann verlassen.

Aufgrund dieser Beschwerde wurde der Akt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 30.09.2016 gab RA BB in **** Y bekannt, die Beschwerdeführerin nunmehr rechtsfreundlich zu vertreten.

Zunächst fand am 12.10.2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin erschien und Herr CC, Jagdaufseher im Eigenjagdgebiet W-V, als Zeuge einvernommen wurde.

Vom Landesverwaltungsgericht Tirol wurde ein Gutachten der Universität für Bodenkultur Wien vom 7.04.2017 (vgl ON 7) eingeholt, mit dem das Alter eines Stück Rotwildes geschätzt wurde. Es handelte sich dabei um einen Unterkieferast des gegenständlichen Hirsches. Das Alter wurde mit 8 Jahren (+/- 1 Jahr) geschätzt.

Zum mitgeteilten Ergebnis der Beweisaufnahme teilte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit, dass im Gutachten der BOKU Wien ausgeführt werde, dass die sog „Altersbestimmung“ mittels Zahnschliff keine exakte Methode darstelle, zumal das Verfahren am Gatterwild entwickelt worden sei, wo dem Wild jährlich ein gleichmäßiges Äsungsangebot zur Verfügung stehe. Es sei daher im Bereich des Möglichen, dass das Tier sogar 9 oder 10 Jahre alt sein könne. Darüber hinaus gehe aus den Unterlagen nicht hervor, dass es sich um den gegenständlichen Unterkieferast handle.

Aus der Aussage des Jagdaufsehers sei der Hirsch als Hirsch der Klasse I zu beurteilen gewesen, das würde dieser heute noch so machen. Dieser habe den Hirschen auch schon 2 bis 3 Mal gesehen. Auch 10 bis 12 andere Jäger, die sich den Hirsch nach dem Abschuss angesehen hätten, seien der Meinung gewesen, dieser sei mehr als 10 Jahre alt. Bei der Grünvorlage sei sogar von 15 Jahren gesprochen worden. Erst aufgrund des Zahnschliffes sei ein mögliches Alter von 10 Jahren angenommen worden. Auch wenn man davon ausginge, dass es sich beim gegenständlichen Wild um keinen Hirschen der Klasse I gehandelt habe, so sei der Beschwerdeführerin kein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen und folgten Ausführungen dazu.

In Vorbereitung der zweiten mündlichen Verhandlung erstattete die Beschwerdeführerin ein weiteres Vorbringen (vgl ON 10) samt Urkundenvorlage und Beweisanträgen. Es wurde nochmals auf die Ungenauigkeit der Zahnschliffmethode hingewiesen und ein „Erfahrungsbericht zur Altersbestimmung beim Rothirsch mit der Zahnschliffmethode im Kanton R“ von Februar 2017 vorgelegt.

Am 22.06.2017 und am 7.08.2017 fanden zwei weitere öffentliche mündliche Verhandlungen vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt. Am 7.08.2017 wurde der Jagdaufseher nochmals als Zeuge einvernommen. Weiters wurde DI DD des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abteilung landwirtschaftliches Forst- und Schulwesen, Jagd und Fischerei als Amtssachverständiger in der mündlichen Verhandlung einvernommen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dabei insbesondere in das Gutachten der Universität für Bodenkultur Wien vom 7.04.2017, sowie durch Einvernahme des Zeugen CC und des Amtssachverständigen.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ging am 1.10.2015 im Eigenjagdgebiet W-V gemeinsam mit dem Jagdaufseher CC auf die Jagd und erlegte in der Dämmerung, bei guten Lichtverhältnissen, einen Hirsch. Sie hat dabei den Hirschen nicht selbst angesprochen, sondern wurde er vom Jagdaufseher CC, einem langjährigen und erfahrenen Jäger, angesprochen und von ihm der Beschwerdeführerin zum Abschuss freigegeben.

Gemäß dem mit Bescheid der belangten Behörde vom 4.05.2015, Zl ****, genehmigten Abschussplan war an diesem Tag kein Abschuss eines Hirsches der Altersklasse II frei.

Mit Abschussmeldung vom 9.10.2015 wurde der Abschuss eines 10 Jahre alten oder noch älteren Hirschs der Klasse I vom Jagdleiter gemeldet.

Anlässlich der Trophäenbewertung der Rotwildhegegemeinschaft U-T wurde festgestellt, dass es sich um einen Hirschen der Klasse II mit einem Alter von 8 Jahren gehandelt haben muss.

Festzuhalten ist weiters, dass das Alter seitens der Universität für Bodenkultur Wien mit ca 8 Jahren geschätzt wurde. In der Stellungnahme vom 7.04.2017 wird auch festgehalten, dass das Alter aufgrund des optischen Eindrucks des Kieferastes bei der Schätzung ohne Zahnschliff an Hand der Zahnabnutzung auf etwa 7 bis 8 Jahre geschätzt wurde. Diesbezüglich wird auch festgehalten, dass die sogenannte „Altersbestimmung“ mittels Zahnschliff keine exakte Methode ist. Daher kann bei dem geschätzten Alter ein Alter von +/- 1 Jahr erreicht werden.

Tatsächlich kann aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass das erlegte Wildstück 10 Jahre alt und somit der Klasse I zuzurechnen war.

III.    Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aufgrund der unbedenklichen Unterlagen und Urkunden aus dem verwaltungsbehördlichen Akt.

Das Alter des Hirschen wurde seitens der Universität für Bodenkultur Wien mit ca 8 Jahren (+/- 1 Jahr) geschätzt. Auch wenn man das im Gutachten angeführte eine Jahr an Toleranz abzieht oder hinzurechnet, würde es sich um einen Hirschen der Klasse II handeln.

Dass jedoch letztlich nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Tier ein Alter von 10 Jahren aufwies, ergibt sich aus der Aussage des Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 7.08.2017. Er legte dar, dass er sich im Rahmen von weiteren Strafverfahren ausführlich mit dieser Thematik (insbesondere der Zahnschliffmethode) auseinandergesetzt hat und kam er zu dem Schluss, dass bei Rotwild bei einem Alter von unter 10 Jahren von einer Toleranz von +/- 2 Jahren auszugehen sei. Er hielt es zwar für unwahrscheinlich, dass der gegenständliche Hirsch 10 Jahre alt oder älter war, er könne es aber auch nicht zur Gänze ausschließen.

IV       Rechtliche Erwägungen:

Zur Zeit der Tat waren das TJG 2004 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl Nr 64/2015 und die Verordnung der Landesregierung vom 15. Juni 2004 zur Durchführung der Bestimmungen des Tiroler Jagdgesetzes 2004 über die Jagd- und Schonzeit, die Altersklassen, den Abschussplan, die Mindestenergiewerte, die Kennzeichnung von Sperrflächen und das Musterstatut der Jagdgenossenschaft (Zweite Durchführungsverordnung zum Tiroler Jagdgesetz 2004) in der Fassung des Landesgesetzes LGBl Nr 63/2016 in Kraft. Sofern nichts anderes erwähnt wird, beziehen sich die unten stehenden Ausführungen auf diese Fassungen des TJG 2004 und der Zweiten Durchführungsverordnung zum Tiroler Jagdgesetz 2004.

Gemäß § 37b Abs 1 TJG 2004 bedarf der Abschussplan der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn für das betreffende Jagdgebiet oder den betreffenden Teil eines Jagdgebietes die Erhaltung bzw Herstellung des nach § 37a Abs 1 und 3 angemessenen Wildbestandes gewährleistet ist und der Hegemeister im Rahmen seiner Stellungnahme keine Bedenken zum beantragten Abschussplan geäußert hat.

Nach § 37 Abs 6 TJG 2004 hatte die Landesregierung durch Verordnung unter Bedachtnahme auf einen den wildbiologischen Gesetzmäßigkeiten entsprechenden Altersaufbau des Wildstandes die einzelnen Arten von Schalenwild in die drei Altersklassen, und zwar die Altersklasse I (Ernteklasse), die Altersklasse II (Mittelklasse) und die Altersklasse III (Jugendklasse), einzuteilen.

Die Zweite Durchführungsverordnung zum Tiroler Jagdgesetz 2004 wurde insbesondere aufgrund dieser Bestimmung verordnet.

Nach § 2 dieser Verordnung wird das Schalenwild in drei Altersklassen eingeteilt. Zur Altersklasse II (Mittelklasse) gehören beim Rotwild nach § 2 Z 2 lit a der Verordnung fünf- bis neunjährige Hirsche sowie alle Tiere, die nicht zur Klasse III gehören. Zur Altersklasse I (Ernteklasse) gehören beim Rotwild nach § 2 Z 3 lit a der Verordnung zehnjährige und ältere Hirsche.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat nach der Aufnahme von Beweisen zu prüfen, ob diese die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen des maßgeblichen Sachverhaltes vermitteln (vgl VwGH vom 17.12.1992, Zl 91/16/013). Unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ist dabei gemäß § 45 Abs 2 AVG nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (VwGH vom 16.06.1992, Zl 92/08/0062).

Aus den getroffenen Feststellungen geht hervor, dass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden konnte, dass es sich beim erlegten Hirschen nicht um einen Hirschen der Klasse I handelte. Der Grundsatz "in dubio pro reo" hatte daher im gegenständlichen Fall zur Anwendung zu kommen, da nach dem Ergebnis der Beweiswürdigung Zweifel an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes blieben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

V.       Begründung für die Nichtzulassung der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war im Wesentlichen der Sachverhalt zu klären. Insofern liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht vor und ist auszusprechen, dass die ordentliche Revision unzulässig ist.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Linda Wieser

(Richterin)

Schlagworte

Abschussplan; in dubio pro reo; Sachverhalt; Beweiswürdigung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2016.46.1843.14

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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