TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/7 99/19/0228

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Veröffentlicht am 07.07.2000
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/09 Internationales Privatrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ABGB §140 impl;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs3;
IPRG §24;
IPRG §25 Abs2;
IPRG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der 1978 geborenen NR in Vrsak, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Oktober 1998, Zl. 309.002/2-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 29. Juni 1978 geborene Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Jugoslawiens (Republik Serbien), beantragte am 13. Februar 1998 (beim Landeshauptmann von Wien eingelangt am 2. März 1998) die erstmalige Erteilung einer "Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz" zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrer in Österreich lebenden Mutter. Als in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer des Aufenthaltes berief sich die Beschwerdeführerin auf das Nettoeinkommen ihrer Mutter in Höhe von S 20.000,--. Die Mutter erkläre sich bereit, für den Unterhalt der Beschwerdeführerin aufzukommen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 1998 wurde dieser Antrag gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführerin verfüge nicht über ausreichende eigene Mittel zum Unterhalt. Ihr Aufenthalt könne zu einer finanziellen Belastung der Gebietskörperschaft führen. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grund einer "Verpflichtungserklärung" der Mutter der Beschwerdeführerin sei gemäß § 10 Abs. 3 letzter Satz FrG 1997 unzulässig (nach der Aktenlage wurde eine solche Verpflichtungserklärung allerdings nicht vorgelegt).

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. In diesem Zusammenhang brachte sie insbesondere vor, ihre Mutter leiste den versprochenen Unterhalt in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung. Sie sei von ihrer Mutter wirtschaftlich abhängig und habe sich diese mit "beglaubigter Verpflichtungserklärung" bereit erklärt, für ihren Unterhalt aufzukommen. Der gesetzliche Unterhaltsanspruch gegen ihre Mutter verschaffe der Beschwerdeführerin aber eigene Mittel zur Sicherung ihres Unterhalts. Schließlich wird in der Berufung erwähnt, dass der Bruder der Beschwerdeführerin in Österreich lebe und über ein Nettoeinkommen von S 10.000,-- verfüge. Zuwendungen seitens des Bruders beruhten auf einer moralischen Verpflichtung.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Oktober 1998 wies diese die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 sowie gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen aus, die Beschwerdeführerin habe als Aufenthaltszweck die "Familiengemeinschaft mit Fremden" angeführt. Im Falle der Beschwerdeführerin sei jedoch der Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter ausgeschlossen, weil die Beschwerdeführerin bereits volljährig sei. Überdies sei die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung gemäß § 10 Abs. 3 letzter Satz FrG 1997 unzulässig. Die Beschwerdeführerin beziehe Unterhaltsmittel einzig und allein aus dem Einkommen ihrer Mutter. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen. Die öffentlichen Interessen überwögen die durch die Anwesenheit der Mutter und der Geschwister der Beschwerdeführerin in Österreich begründeten privaten Interessen, weil unter Berücksichtigung der "eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen" eine Bewilligung auf Grund einer Verpflichtungserklärung nicht erteilt werden könne. Auch im Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Zweck sowie auf ihre Volljährigkeit sei den öffentlichen Interessen der Vorrang einzuräumen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 6. Oktober 1999, B 2273/98-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 Abs. 2 Z. 1, § 19 Abs. 5 und § 21 Abs. 3 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 10. ...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;

...

§ 19. ...

...

(5) ... Drittstaatsangehörigen, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, wird eine Niederlassungsbewilligung für Private erteilt; sie gilt für jeglichen Aufenthaltszweck außer für Erwerbstätigkeit.

...

§ 21. ...

...

(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. ..."

Art. 298, Art. 299 und Art. 305 des serbischen Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 22. April 1980 lauten (auszugsweise):

"Art. 298. Die Eltern sind verpflichtet, ihre minderjährigen

Kinder zu unterhalten.

...

Art. 299. Ist ein volljähriges Kind wegen Krankheit, körperlicher oder geistiger Mängel arbeitsunfähig, hat es keine notwendigen Mittel zum Unterhalt oder kann es sie aus dem bestehenden Vermögen nicht aufbringen, sind die Eltern verpflichtet, solange dieser Zustand andauernd, Unterhalt für es zu leisten.

...

Art. 305. Geschwister sind verpflichtet, ihre minderjährigen Geschwister, die keine Mittel für den Unterhalt haben, die Eltern aber nicht am Leben sind oder nicht die Möglichkeit haben, Unterhalt für sie zu leisten, zu unterhalten."

Die Beschwerdeführerin war bereits im Zeitpunkt ihrer Antragstellung volljährig im Sinne des § 20 Abs. 2 FrG 1997 in Verbindung mit § 21 ABGB. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 20, 21 Abs. 3 bis 5 FrG 1997 war daher nicht möglich.

Nach dem Fremdengesetz 1997 ist es auch für volljährige Fremde nicht ausgeschlossen, die Anwesenheit von Familienangehörigen im Bundesgebiet als Grund für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ins Treffen zu führen. Die Beschwerdeführerin hat sich daher vorliegendenfalls in grundsätzlich tauglicher Weise zur Begründung ihres Antrages auf die Anwesenheit ihrer Mutter im Bundesgebiet gestützt. Es wäre daher Sache der Behörde gewesen, von Amts wegen die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Gründe für die angestrebte Niederlassungsbewilligung - ihr Vorliegen vorausgesetzt - einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen gesetzlichen Aufenthaltszweck zu subsumieren und den Antrag im Rahmen der für diesen Zweck vorgesehenen Niederlassungsquote zu behandeln. War aber nach dem Vorgesagten die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 nicht mehr möglich, so war die belangte Behörde gehalten, den Antrag der Beschwerdeführerin im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 festgelegten Quote für Drittstaatsangehörige, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, zu behandeln (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0236).

Indem sie diese Rechtslage verkannte, belastete die belangte Behörde den Bescheid in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 21 Abs. 3 FrG 1997 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Dieser Umstand hat zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen, weil auch der weiters herangezogene Versagungsgrund nach § 10 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 FrG 1997 den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zu tragen vermag:

Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Berufung ausdrücklich auf das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen ihre Mutter gestützt. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid auf diese Behauptungen mit keinem Wort eingegangen. Ihr liegt daher in diesem Umfang ein Begründungsmangel zur Last.

Gemäß §§ 24 und 25 Abs. 2 IPRG sind die Wirkungen der Ehelichkeit und der Unehelichkeit eines Kindes nach dessen Personalstatut zu beurteilen. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung erstreckt sich grundsätzlich auf den gesamten Inhalt des Eltern-Kind-Verhältnisses. Hiezu zählen insbesondere auch die wechselseitigen Unterhalts- und Versorgungsansprüche. In Ermangelung einer gemäß § 5 Abs. 1 IPRG zu beachtenden Rückverweisung durch das internationale Privatrecht Serbiens wäre gemäß §§ 24 und 25 Abs. 2 IPRG für das Bestehen eines Unterhaltsanspruches Art. 299 des serbischen Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen maßgeblich gewesen. Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmungen erscheint aber das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches der Beschwerdeführerin gegen ihre Mutter nicht von vornherein ausgeschlossen. Die belangte Behörde hätte sich daher mit dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen auseinander zu setzen gehabt, zumal das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen eine Person, die in der Lage ist, diesen zu erfüllen, einem Fremden eigene Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 verschafft (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. August 1999, Zl. 99/19/0071).

Bei Bestehen eines solchen Unterhaltsanspruches der Beschwerdeführerin gegen ihre Mutter in ausreichender Höhe läge der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 nicht vor. Dann könnte aber auch das Bestehen der im angefochtenen Bescheid (und auch in der Berufung) erwähnten Verpflichtungserklärung, die jedoch in den Verwaltungsakten betreffend den hier gegenständlichen Antrag nicht enthalten ist, nicht zur Abweisung des vorliegenden Antrages gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 führen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 98/19/0303).

Allerdings hätte die belangte Behörde auf Grund der Behauptungen der Beschwerdeführerin, ihre Mutter habe sich zur Übernahme von Unterhaltsleistungen verpflichtet, zu prüfen gehabt, ob zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter ein Unterhaltsvertrag zu Stande gekommen ist (vgl. auch hiezu das eben zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999). Bejahendenfalls stünden der Beschwerdeführerin aus diesem Titel eigene Mittel auch dann zur Verfügung, wenn eine gesetzliche Unterhaltspflicht der Mutter nicht bestünde.

Gemäß Art. 305 des serbischen Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 22. April 1980 besteht eine Unterhaltspflicht von Geschwistern nur für minderjährige Geschwister. Das Einkommen des Bruders der Beschwerdeführerin könnte daher im vorliegenden Fall nur dann von Belang sein, wenn zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Bruder ein Unterhaltsvertrag bestünde.

Da die Aufhebung eines Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit jener wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 21 Abs. 3 FrG 1997) aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. Juli 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999190228.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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