Entscheidungsdatum
30.03.2017Index
72/01 HochschulorganisationNorm
NAG §64 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Neumann über die Beschwerde des Herrn L. H., vertreten durch Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 - Einwanderung, Staatsbürgerschaft - Einwanderung der Bezirke ..., vom 16.8.2016, Zl. MA35-9/3017608-03, mit welchem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6.3.2017,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
A. Gang des Verfahrens
A.1 Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 16.8.2016 (Zl. MA35-9/3017608-03) wurde der Antrag des Beschwerdeführers (Bf) vom 23.6.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 3 NAG abgewiesen.
Begründend führt die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, dass sich der Bf bereits seit 28.7.2014 mit einer Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ im Bundesgebiet aufhalte. Im Falle des Besuchs des Vorstudienlehrgangs Deutsch seien drei Semester zur Ablegung der Ergänzungsprüfung vorgesehen, um anschließend als ordentlicher Studierender zu inskribieren. Dem Antrag des Bf seien zwar Bestätigungen des regelmäßigen Besuchs des Vorstudienlehrgangs Deutsch beigelegt worden, jedoch würde er sich mit Sommersemester 2016 im vierten Semester befinden. Den Vorstudienlehrgang Deutsch habe er jedoch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht abgeschlossen. In einem Schriftsatz vom 29.7.2016 habe der Bf vorgebracht, dass er seit dem Tod seines Vaters, während des Kosovo-Krieges am 27.4.2016 unter einem Trauma und unter Stress leide und regelmäßig zu seiner alleine im Kosovo lebenden Mutter reisen müsse, um sich um sie zu kümmern. Die Behörde habe zu beurteilen, ob ein Studium ernsthaft und erfolgreich betrieben werde, oder aber ob Missbrauchskonstellationen vorliegen würden. Da der Bf bereits im vierten Semester als außerordentlicher Studierender an der Universität Wien zur Erlernung der deutschen Sprache inskribiert sei und die erforderliche Ergänzungsprüfung Deutsch nicht positiv abgeschlossen habe, würden in seinem Fall die Erteilungsvoraussetzungen für eine weitere Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ nicht vorliegen, da die vorgebrachten Gründe sich nicht als Versagensgründe nach § 64 Abs. 3 NAG eignen würden.
A.2 Mit Schriftsatz vom 30.8.2016 erhob der Bf über seinen Rechtsvertreter dagegen form- und fristgerecht Beschwerde und begründet diese –zusammengefasst wiedergegeben – wie folgt:
Die belangte Behörde würde den abweisenden Bescheid lediglich mit „floskelhaften Formeln“ begründen. Auf die konkrete Situation des Antragstellers sei nur sehr sporadisch eingegangen worden. Zudem sei es unrichtig, dass bloß drei Semester zur Ablegung der Ergänzungsprüfung Deutsch vorgesehen seien. Gemäß dem Statut des Universitätslehrganges „Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten (VWU) – Universitätslehrgang zur Vorbereitung auf Ergänzungsprüfungen“ seien bis zu vier Semester vorgesehen. Der Bf werde am 7.9.2016 zur Deutschprüfung antreten. Unabhängig davon habe er sich im Zeitpunkt der Entscheidung im vierten Semester und sohin innerhalb des Regelzeitraums der vorgesehenen Absolvierungszeit befunden. Abgesehen davon würde gegenständlich ein begründeter Fall entsprechend dem oben erwähnten Statut des Universitätslehrgangs vorliegen, da der Bf dargelegt habe, dass sein Vater während des Kosovo-Krieges getötet worden sei und er seitdem unter einem Trauma und Stress leide. Dies sei eine Krankheit im Sinne des Statuts des Universitätslehrgangs. Dass der Bf sich um seine alleine im Kosovo lebende Mutter kümmern und deswegen regelmäßig zu ihr reisen müsse, stelle überdies eine familiäre Verpflichtung im Sinne des Statuts des Universitätslehrgangs dar. Da der Bf sohin gemäß den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis erbracht habe, sei ihm eine Verlängerung des Aufenthaltstitels zu erteilen.
A.3 Aufgrund der Beschwerde und zur Abklärung des Sachverhaltes wurde am 6.3.2017 vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher der Bf und seiner Vertreter ladungsgemäß erschienen sind. Die belangte Behörde hat bereits im Vorfeld auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet und demgemäß keinen Vertreter gesendet.
Der Beschwerdeführervertreter (BfV) verwies darauf, dass der Bf mittlerweile seinen Vorstudienlehrgang mit der Ergänzungsprüfung Deutsch abgelegt habe und legte als Nachweis über den Besuch des Vorstudienlehrgangs eine entsprechende Bestätigung der Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall vor. Mit dem weiters vorgelegten ÖSD Zertifikat B2 würden die Anforderungen erfüllt, um das Studium als ordentlicher Hörer aufnehmen zu können. Der Bf sei demgemäß mittlerweile auch als ordentlicher Hörer der Universität Wien für den Studienzweig „Masterstudium ...“ gemeldet. Die Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen werde mit den Urkunden ./C bis ./F nachgewiesen.
Der Bf erklärte zu Beginn seiner Befragung, dass er keinen Dolmetscher benötige und führte Folgendes aus:
„Meinen Unterhalt finanziert mir mein Bruder. Als mein Vater gestorben ist, war ich vor Ort in Kosovo. Ich habe gesehen, wie meinem Vater in den Kopf geschossen wurde, von der serbischen Polizei. Das war im April 1998. Daraus ergibt sich, dass mein Vater zum Zeitpunkt meines Antrags, für ein Studentenvisum schon einige Jahre tot war. Ich habe im Jahr 2014 noch immer unter dem Erlebnis aus dem Jahr 1998 gelitten. In Kosovo war ich auch bei einem Psychologen, aber es ist nicht so leicht, damit fertig zu werden.
Ich soll mich um meine Mutter kümmern, weil sie schon 60 Jahre alt ist. Es sind vor allem auch die Spätfolgen von 1998, die die Betreuung meiner Mutter erforderlich machen. Das bedeutet, dass ich sie bei der Hausarbeit unterstütze. Ich bin aber auch Ansprechperson für meine Mutter.
Auch nach Erhalt meines Studentenvisums, war ich immer wieder in Kosovo, um mich um meine Mutter zu kümmern. Ich werde insgesamt ca. 2 bis 3 Monate in Kosovo gewesen sein, das heißt während des Studienbetriebs und nicht während der Ferien.
Über Befragung des BfV:
Ich habe mit dem Studium angefangen und möchte es gerne weiter machen. Ich besuche regelmäßig die Lehrveranstaltungen. Das Studium dauert 4 Semester und ich denke, dass ich das schaffen werde.
Über Befragen des VL:
Ich bin deswegen zuversichtlich, weil ich in Kosovo bei einer Versicherung im EDV-Bereich gearbeitet habe und deswegen mit dem Gegenstand meines Studiums vertraut bin. Ich habe mich auch im Bereich IT in Kosovo gebildet.“
B. Sachverhalt
B.1 Der am ...1987 geborene Bf ist Staatsangehöriger des Kosovo. Er hält sich seit 28.7.2014 mit Aufenthaltsbewilligungen „Studierender“ im Bundesgebiet auf. Die ihm von 17.7.2014 bis 17.7.2015 erteilte Aufenthaltsbewilligung wurde einmalig bis 18.7.2016 verlängert. Am 23.6.2016 stellte der Bf den gegenständlichen Verlängerungsantrag.
B.2 Der Bf war von 1.10.2014 bis 9.2.2017 als außerordentlicher Studierender im Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten inskribiert. Seit dem 1.3.2017 ist der Bf an der Universität Wien als ordentlicher Studierender des Masterstudiums ... gemeldet.
B.3 Mit Bescheid der Universität Wien vom 4.3.2014 wurde dem Bf vor der tatsächlichen Zulassung zum ordentlichen Masterstudium ... die positive Ablegung der Ergänzungsprüfung Deutsch vorgeschrieben. In der Folge hat sich der Bf von Sommersemester (SS) 2014/15 bis Wintersemester (WS) 2016/17 jeweils als a. o. Hörer für einen Deutschkurs zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung aus Deutsch im Auftrag des Vorstudienlehrgangs der Wiener Universitäten angemeldet. Die Teilnahme an den Kursen der Österreichischen Orientgesellschaft im SS 2014/15 und im SS 2015/16 erfolgte regelmäßig und erfolgreich und ermächtigte den Bf zum Besuch der nächsthöheren Kursstufe. Die Teilnahme an den Kursen im WS 2014/15, im WS 2015/16 und im WS 2016/17 erfolgte zwar regelmäßig, führte aber nicht zur Erreichung der für die jeweilige Kursstufe definierten Lernziele.
B.4 Am 26.1.2017 absolvierte der Bf außerhalb des Vorstudienlehrgangs am Prüfungszentrum „B. GmbH“ in Wien eine Deutschprüfung auf B2 Niveau. Eine Anerkennung des diesbezüglichen ÖSD Zertifikates im Rahmen des Vorstudienlehrganges liegt nicht vor. Ebensowenig besteht eine ECTS-Bewertung dieses Zertifikates. Ein positiver Abschluss des Vorstudienlehrganges ist nicht dokumentiert.
B.5 Nach eigenen Angaben leidet der Bf seit der Ermordung seines Vaters im Kosovokrieg unter einem Trauma und Stress und müsse zur Betreuung bzw. Unterstützung seiner Mutter auch während der Studienzeit regelmäßig in den Kosovo reisen, was sich auf sein Studium auswirke.
- Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen gründen sich auf den unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt, der nicht in Zweifel zu ziehen war (u.a. Studienblätter der Universität Wien, Kursbesuchs-Bestätigungen der Österreichischen Orient-Gesellschaft, ÖSD Deutsch-Zertifikat, Zulassungsbescheid der Universität Wien), sowie auf das eigene Vorbringen des Bf.
Dass der Bf die Deutschprüfung auf B2 Niveau nicht im Rahmen des Vorstudienlehrganges ablegte, ergibt sich zunächst aus dem von ihm selbst vorgelegten „Deutsch-Zertifikat“.
C. Rechtliche Beurteilung
C.1 Maßgebliche Rechtsgrundlagen:
C.1.1. § 64 NAG des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) lautet:
„§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie
1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2. ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule oder einen anerkannten privaten Studiengang oder anerkannten privaten Hochschullehrgang absolvieren und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient.
Eine Haftungserklärung ist zulässig.
(2) […]
(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule oder anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule erbringt. Gleiches gilt beim Besuch eines anerkannten privaten Studienganges oder anerkannten privaten Hochschullehrganges. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.“
C.1.2. Maßgebliche Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002 (UG):
Gemäß § 51 Abs. 2 Z 18 UG, BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 131/2015, sind Ergänzungsprüfungen die Prüfungen zur Erlangung der allgemeinen Universitätsreife oder für den Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache oder der körperlich-motorischen Eignung.
Gemäß § 51 Abs. 2 Z 20 UG sind Außerordentliche Studien die Universitätslehrgänge und der Besuch einzelner Lehrveranstaltungen aus wissenschaftlichen Fächern.
Gemäß § 63 Abs. 1 Z 3 UG setzt die Zulassung zum ordentlichen Studium die Kenntnis der deutschen Sprache voraus. Gemäß § 63 Abs. 10 UG haben Personen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die Kenntnis der deutschen Sprache, sofern und soweit diese für einen erfolgreichen Studienfortgang erforderlich ist, nachzuweisen. Kann der Nachweis der deutschen Sprache nicht erbracht werden, so hat das Rektorat gemäß § 63 Abs. 11 UG die Ablegung einer Ergänzungsprüfung vorzuschreiben, die vor der Zulassung abzulegen ist.
§§ 75 und 76 UG idF BGBl. I Nr. 77/2005 lautet auszugsweise:
„Zeugnisse
§ 75. (1) Die Beurteilung der Prüfungen und wissenschaftlichen sowie künstlerischen Arbeiten ist jeweils durch ein Zeugnis zu beurkunden. Sammelzeugnisse sind zulässig.
(2) Die Zeugnisse sind vom Senat festzulegen und haben jedenfalls folgende Angaben zu enthalten:
1.
die ausstellende Universität und die Bezeichnung des Zeugnisses;
2.
die Matrikelnummer;
3.
den Familiennamen und die Vornamen;
4.
das Geburtsdatum;
5.
die Bezeichnung des Studiums;
6.
die Bezeichnung der Prüfung oder das Fach und die erfolgte Beurteilung sowie die ECTS-Anrechnungspunkte;
7.
den Namen der Prüferin oder des Prüfers, das Prüfungsdatum und die Beurteilung;
8.
den Namen der Ausstellerin oder des Ausstellers.
Bei Zeugnissen über die Beurteilung wissenschaftlicher sowie künstlerischer Arbeiten ist das Thema anzugeben.
(3) - (5) […]
(6) Die Universität hat einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat.“
„Zulassungs- und Ergänzungsprüfungen
§ 76. (1) Das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ hat fachlich geeignete Prüferinnen oder Prüfer für die Zulassungs- und Ergänzungsprüfungen heranzuziehen, die Prüfungsmethode zu bestimmen und festzulegen, ob die Prüfung als Einzelprüfung oder als kommissionelle Prüfung abzulegen ist. …
(3) Wird zur Vorbereitung auf eine Ergänzungsprüfung ein Universitätslehrgang eingerichtet, gilt dessen positiver Abschluss als Ergänzungsprüfung.“
C.1.3. Maßgebliche Bestimmungen des Statuts des Universitätslehrganges “Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten (VWU) - Universitätslehrgang zur Vorbereitung auf Ergänzungsprüfungen (in der Folge Statut):
Gemäß § 2 Abs. 1 letzter Satz des Status werden die Ergänzungsprüfungen zum Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache am Vorstudienlehrgang abgenommen.
§ 5 des Statuts lautet:
„Dauer und Gliederung
(1) Der Besuch von Lehrveranstaltungen des Vorstudienlehrganges ist für maximal vier Semester zulässig, jedoch längstens bis zur erfolgreichen Absolvierung aller vorgeschriebenen Ergänzungsprüfungen.
(2) In begründeten Fällen kann die einweisende Universität, vertreten durch ihr Kommissionsmitglied, den Besuch von Lehrveranstaltungen für ein fünftes oder sechstes Semester genehmigen. Als wichtige Gründe gelten solche, die geeignet waren, die Studierende oder den Studierenden an der gehörigen Fortsetzung des Besuchs des Vorstudienlehrganges zu hindern (z.B. Krankheit, Schwangerschaft, familiäre Verpflichtungen, sonstige unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse).“
Die Aufgaben des Vorstudienlehrgangs gemäß § 2 Abs. 3 des Statuts spiegeln sich im Lehrplan des Vorstudienlehrgangs wieder. In diesem Lehrplan wird u.a. festgehalten, dass neben der Vermittlung der für ein Studium nötigen Sprachkompetenz (u.a. Deutschunterricht), eine Unterstützung des Integrationsprozesses sowie die Förderung der Studierfähigkeit durch den Unterricht erzielt werden soll. Im Rahmen eines vorgegebenen Themenkatalogs werden studienrelevante Aspekte besprochen.
Betreffend die Ergänzungsprüfung Deutsch/Modul 2 werden im Lehrplan des Vorstudienlehrgangs insbesondere folgende Anforderungen für die Kompetenzen der Studierenden und dementsprechend folgende Lehrinhalte festgelegt:
„In diesem Modul erweitern die Studierenden ihre bereits vorhandenen sprachlichen Grundkenntnisse, die sie im Modul 1 (oder extern) erworben haben.
Die Studierenden verstehen die wesentlichen Aussagen komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen und können diese zusammenfassen. Sie verfügen über ein elementares Instrumentarium für den Umgang mit längeren Texten (Strategien zur Informationssuche und -entnahme, Strategien zur Texterfassung, Textexzerpte, Notizen machen, Arbeit mit dem einsprachigen Wörterbuch etc.). Sie können sich zu einem breiteren Themenspektrum unter entsprechender Verwendung verschiedener Mittel zur Textverknüpfung ausdrücken. Sie können ihre Meinung zu aktuellen Fragen äußern und sind in der Lage, sich in argumentativen und diskursiven Zusammenhängen angemessen, d.h. entsprechend ihren Kenntnissen, einzubringen. Ein Gespräch mit MuttersprachlerInnen ist ohne größere Anstrengungen auf beiden Seiten möglich.
Ein vorgegebener Themenkatalog bietet den Rahmen für die inhaltlichen Schwerpunkte:
• Studium
• Arbeitswelt
• Konsumgesellschaft
• Globalisierung
• Umweltschutz
• Verkehr
• Generationen
• zwischenmenschliche Beziehungen
• Gleichberechtigung von Frau und Mann
• Abhängigkeiten und Süchte
• Minderheiten und Randgruppen
• verschiedene Kulturen und
Wertvorstellungen usw.
Darüber hinaus wird im Unterricht sowohl regelmäßig auf aktuelle Ereignisse und Diskussionsthemen in der österreichischen Medienlandschaft eingegangen, als auch ein erster Bezug zu den künftigen fachlichen Bereichen der Studierenden (z.B. Uni-Exkursionen, fakultativer Vorlesungsbesuch außerhalb des Kurses, Informationssuche über Internet etc.) hergestellt.
Diese Inhalte werden in Form von Einzel-, Partner- und Gruppenarbeiten sowie im Plenum anhand geeigneter Materialien erarbeitet. Dazu gehören Materialien der Lehrwerke ebenso wie authentische Hör- und Lesetexte, Video- und Filmausschnitte, Internet etc. Neben der Wortschatzerweiterung wird auch auf die Vermittlung landeskundlich relevanter Informationen (z.B. in Form von Exkursionen in Museen und wirtschaftliche Institutionen etc.) Wert gelegt. Die produktiven Fertigkeiten (Sprechen und Schreiben) wie auch die rezeptiven Fertigkeiten (Lesen und Hören) werden durch vielfältige Aufgabenstellungen auf höherem Niveau intensiv geübt. …
Durch Referate bzw. andere Kurzpräsentationen (z.B. über Rechercheergebnisse) werden weitere Techniken (z.B. erste Schritte zu Mitschreib-Techniken) geübt, die eigenverantwortliches Arbeiten stärken und zur Studierfähigkeit beitragen sollen.
Auch Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Zeitmanagement, interkulturelle Sensibilisierung, Perspektivenwechsel, Reflexionsfähigkeit etc. werden gefördert.“
Die Kompetenzen, welche dem Niveau B 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens entsprechen, sind hingegen folgendermaßen umschrieben:
„Kann die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen; versteht im eigenen Spezialgebiet auch Fachdiskussionen. Kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben.“
C.2 Rechtliche Beurteilung:
Der verfahrensgegenständliche Antrag des Bf ist auf die Verlängerung seines Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ gerichtet.
Gemäß § 64 Abs. 3 NAG ist die Verlängerung des Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ nur zulässig, wenn nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften ein Studienerfolgsnachweis der Universität erbracht wird. Dazu zählt insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 UG.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 19. Februar 2014, Zl. 2013/22/0177) stellt die Regelung des § 75 Abs. 6 UG, die wiederum auf § 8 Z 7 lit. b NAG-DV verweist, ausdrücklich auf die im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilten Prüfungen ab. Das Studienjahr beginnt nach der Bestimmung des § 52 UG am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres. Der Studienerfolg ist nicht für die gesamte bisherige Studienlaufbahn zu prüfen, sondern lediglich für das vorangegangene Studienjahr (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Jänner 2016, Zl. Ra 2015/22/0094).
Das gegenständlich zuletzt abgelaufene (vorangegangene) Studienjahr ist das Studienjahr vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016. Maßgeblich ist daher der nachgewiesene Studienerfolg im Wintersemester 2015/16 sowie im Sommersemester 2016.
Der Bf war von 1.10.2014 bis 9.2.2017 als außerordentlicher Studierender für den Vorstudienlehrgang (Ergänzungsprüfung Deutsch) an der Universität Wien zugelassen (vgl. § 51 Abs. 2 Z 20 UG). Für diesen Vorstudienlehrgang müsste nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften ein Studienerfolgsnachweis der Universität Wien vorliegen (vgl. zur Art des Studienerfolgsnachweises das Erkenntnis des VwGH vom 11.2.2016, Zl. Ra 2015/22/0095).
Die belangte Behörde verwies diesbezüglich darauf, dass im Falle des Besuches des Vorstudienlehrganges lediglich drei Semester für die Ablegung der Ergänzungsprüfung Deutsch vorgesehen seien. Dies ist vor dem Hintergrund der maßgeblichen unter Punkt C.1. dargestellten Rechtsgrundlagen nicht nachvollziehbar. Gemäß § 5 Abs. 1 des Statuts des Vorstudienlehrgangs der Wiener Universitäten (vgl. auch § 63 Abs. 11 in Verbindung mit § 76 UG) ist der Besuch von Lehrveranstaltungen des Vorstudienlehrgangs für maximal vier Semester zulässig und kann in begründeten Fällen ein fünftes oder sechstes Semester genehmigt werden. Aus dem Studienblatt für das Sommersemester 2017 ergibt sich, dass der Bf für ein weiteres fünftes Semester zu dem Vorstudienlehrgang zugelassen wurde. Folglich ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Bf durch Ablegen der Ergänzungsprüfung Deutsch im fünften Semester, d.h. im Wintersemester 2016/17, einen Studienerfolgsnachweis erbringen hätte können.
Der Bf hat aber im Rahmen des Vorstudienlehrgangs die Ergänzungsprüfung Deutsch nicht abgelegt und ist ein positiver Abschluss des Vorstudienlehrgangs nicht dokumentiert (vgl. § 76 Abs. 3 UG).
Der Bf brachte, nachdem er in den Wintersemestern 2014/15 und 2015/16 zweimal erfolglos den Deutschkurs im Rahmen des Vorstudienlehrgangs besuchte, ein ÖSD Sprachzertifikat auf B2 Niveau in Vorlage. Die ÖSD Deutschprüfung auf B2 Niveau wurde jedoch nicht im Auftrag des Trägers des Vorstudienlehrganges der Universität Wien, sondern außerhalb des Vorstudienlehrgangs bei einer anderen Institution absolviert (vgl. zu der Bewertung des Studienerfolgs im Rahmen von Vorstudienlehrgängen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. April 2016, Zl. Ro 2015/22/0004, sowie das Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, Zl. 2012/22/0066). Das im Jänner 2017 erlangte Deutsch-Zertifikat auf B2 Niveau kann daher dem Vorstudienlehrgang nicht zugerechnet werden.
Schon aufgrund des Inhaltes des unter Punkt C.1.3. wiedergegebenen Lehrplans des Vorstudienlehrgangs ist zudem ersichtlich, dass die Ergänzungsprüfung Deutsch, welche insbesondere für das aufzunehmende Studium die erforderliche Sprachkompetenz vermitteln soll (vgl. auch die explizit auf das Studium Bezug nehmende Zielsetzung in § 2 des Statuts des Vorstudienlehrgangs der Wiener Universitäten), nicht nur formal, sondern auch inhaltlich nicht mit einer Prüfung auf B2 Niveau gleichzusetzen ist.
Es wurde auch nicht dokumentiert, dass der Bf von der Universität Wien aufgrund des vorliegenden B2 Zertifikats als ordentlicher Studierender zum Bachelorstudium zugelassen worden wäre und damit seitens der Universität implizit ein positiver Abschluss des Vorstudienlehrgangs anerkannt worden wäre.
Das in Rede stehende ÖSD Sprachzertifikat Deutsch auf B2 Niveau kann sohin nicht als Studienerfolgsnachweis nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften im Sinne von § 64 Abs. 3 NAG qualifiziert werden, auch wenn es in Folge – ohne jeglichen Zusammenhang mit dem zuvor in Österreich betriebenen außerordentlichen Studium - als ausreichender Sprachnachweis im Sinne des § 63 Abs. 1 Z 3 UG bei der Zulassung zum Masterstudium anerkannt worden sein sollte. Der - außerhalb des Universitätsbetriebs und außerhalb des in Österreich betriebenen Studiums erlangte - Nachweis einer Zulassungsvoraussetzung stellt per se noch keinen Studienerfolgsnachweis für die jeweilige Studienrichtung dar.
Im Hinblick auf das vom Bf an der Universität Wien im Studienjahr 2015/16 betriebene Studium (Vorstudienlehrgang Deutsch) liegt daher kein Studienerfolgsnachweis vor.
Gemäß § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG kann trotz Fehlen des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden, wenn Gründe vorliegen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind. Diesbezüglich brachte der Bf einerseits vor seit der Ermordung seines Vaters vor etwa 19 Jahren traumatisiert zu sein und an Stress zu leiden und andererseits auch während der Studienzeit regelmäßig zu seiner Mutter in den Kosovo reisen zu müssen um diese zu betreuen bzw. zu unterstützen.
Nach der Rechtsprechung des VwGH fällt aber weder die psychische Belastung durch den Tod eines Familienmitglieds (VwGH vom 13.12.2011, 2011/22/0315) noch das Erfordernis aus familiären Gründen öfter in das Heimatland zu reisen und somit das Studium vernachlässigen zu müssen (VwGH vom 11.5.2010, 2010/22/0049) unter den Tatbestand des § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG. Die Traumatisierung durch Erlebnisse des Beschwerdeführers ereignete sich vor längerer Zeit und überschattet seitdem das Leben des Beschwerdeführers, somit auch zum Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums. Der Bf konnte demnach auch kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis im Sinne dieser Bestimmung nachweisen.
Da gegenständlich die besondere Erteilungsvoraussetzung des Studienerfolgsnachweises fehlt, war die Beschwerde ohne weitere Prüfung der privaten und familiären Interessen des Bf (gem. Art. 8 EMRK) abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
C.3 Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da hinsichtlich der Bewertung von außerhalb des Vorstudienlehrgangs erlangten Sprachzeugnissen auf B2 Niveau, die noch innerhalb der (auf fünf Semester verlängerten) Frist für die Absolvierung des Vorstudienlehrgangs erlangt werden, für welche aber keine Anerkennung der B2 Prüfung im Rahmen des Vorstudienlehrgangs vorliegt, sondern das Sprachzeugnis lediglich bei der anschließenden Zulassung zum Masterstudium als ausreichender Sprachnachweis (§ 63 Abs. 1 Z 3 UG) zugrunde gelegt wird, keine explizite Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vorliegt.
Die aufgezeigte Fragestellung ist auch entscheidungsrelevant. Es war sohin die ordentliche Revision zuzulassen.
Schlagworte
Verlängerungsantrag, Studienerfolgsnachweis, Studienerfolg, Vorstudienlehrgang, Sprachnachweis außerhalb des VorstudienlehrgangsAnmerkung
VwGH v. 25.10.2017, Ro 2017/22/0006; ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.060.11332.2016Zuletzt aktualisiert am
23.11.2017