TE Vwgh Erkenntnis 2017/10/17 Ro 2016/15/0037

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.2017
beobachten
merken

Index

E1E;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
37/01 Geldrecht Währungsrecht;
37/02 Kreditwesen;
59/04 EU - EWR;

Norm

12010E063 AEUV Art63;
BAO §184;
InvFG 1963 §42 Abs2;
InvFG 1993 §40 idF 2008/I/069;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der S H in S, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 35, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. August 2016, Zl. RV/2101087/2014, betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin erzielte in den Streitjahren 2008 bis 2010 Kapitalerträge, die u.a. aus ausländischen Investmentfonds stammen, für welche kein inländischer Vertreter einen Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge erbracht hat (so genannte "schwarze Fonds").

2 Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer der genannten Jahre unter Anwendung der Pauschalbesteuerung gemäß § 42 Abs. 2 InvFG 1993 mit der Begründung fest, dass die von der Revisionswerberin vorgenommene Schätzung nicht dem vom InvFG 1993 geforderten Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge entsprochen habe.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerberin als unbegründet ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, weil es zur Frage der Unionsrechtskonformität der Regelungen des § 40 InvFG 1993 idF BGBl. I Nr. 69/2008 und des § 42 InvFG 1993 idF BGBl. I Nr. 9/2005 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.1.2017, Ro 2015/15/0022, zu einem vergleichbaren Revisionsfall ausgesprochen hat, stellt die Bestimmung des § 42 Abs. 2 Investmentfondsgesetz 1993 (InvFG 1993) in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2005 eine Beschränkung des Kapitalverkehrs dar. Die Gefahr, dass bei Misslingen eines gleichartigen Nachweises eine Pauschalbesteuerung erfolgt, kann geeignet sein, in Österreich ansässige Abgabepflichtige von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten. Im Verhältnis zu Drittstaaten, von welchen Informationen aufgrund eines Amtshilfeabkommens eingeholt werden können, erweist sich die in Rede stehende Beschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs als nicht gerechtfertigt. Im Verhältnis zu jenen Drittstaaten, von denen insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittstaates zur Erteilung von Auskünften die erforderlichen Informationen nicht eingeholt werden können, greift hingegen ein Rechtfertigungsgrund, weil es zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen sicherzustellen. Zur eingehenden Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses vom 26.1.2017 verwiesen. Die Neufassung des § 40 InvFG 1993 durch BGBl. I Nr. 69/2008 führt zu keiner anderen Beurteilung.

6 Auch im gegenständlichen Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen darüber getroffen, in welchen Staaten (oder Gebieten; vgl. etwa Art. 355 AEUV) die hier betroffenen Kapitalanlagefonds ansässig sind und ob mit diesen Staaten (oder Gebieten) in Bezug auf die hier zu beurteilenden Einkünfte (ausreichende) Vereinbarungen über die Amtshilfe bestehen. In Bezug auf Staaten (oder Gebiete), bei denen sich die hier in Rede stehende Regelung als unionsrechtswidrig erweist, ist wie bei inländischen Fonds vorzugehen und sind die Erträge gegebenenfalls gemäß § 184 BAO zu schätzen.

7 Der Anregung der Revisionswerberin, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, war nicht zu folgen, weil die Rechtslage durch die im Erkenntnis vom 26.1.2017, Ro 2015/15/0022, zitierte Rechtsprechung des EuGH klargestellt ist.

8 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

9 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem in der Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag bereits berücksichtigt ist.

Wien, am 17. Oktober 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016150037.J00

Im RIS seit

22.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten