TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/19 LVwG-2017/43/0777-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.10.2017
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Entscheidungsdatum

19.10.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Mag. Julia Schmalzl über die Beschwerde der AA und des BB, beide vertreten durch RA CC, RA DD und RA EE, Adresse 1, **** X, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 17.02.2017, Zl ****,

zu Recht erkannt:

1.   Gemäß § 28 VwGVG wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgericht und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Mit Eingabe vom 26.11.2015, eingelangt bei der belangten Behörde am 03.11.2010 legten die FF GmbH, GG und JJ (im Folgenden: die Bauwerber) ein Baugesuch betreffend das Gst Nr **1, KG Y, vor.

Die Beschwerdeführer sind gemeinsame Eigentümer des Gst Nr **2, KG Y, welches unmittelbar östlich an den Bauplatz Gst Nr **1, KG Y, angrenzt.

Über das gegenständliche Bauvorhaben führte die belangte Behörde am 19.12.2016 eine mündliche Verhandlung durch, zu der die Beschwerdeführer nachweislich und unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden. Die Erstbeschwerdeführerin wandte durch ihren Vertreter insbesondere die Verletzungen von Abstandsbestimmungen, des Brandschutzes und des Immissionsschutzes durch die zu erwartende gewerbliche Nutzung sowie das Fehlen eines Bebauungsplans ein. Die Einwendungen des Zweitbeschwerdeführers bezogen sich auf die Einhaltung der Abstandsbestimmungen sowie eine ihm Bauplatz offenbar verlaufende Wasserleitung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.02.2017, Zl ****, erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Y der FF GmbH, GG und JJ die Baubewilligung für den Neubau einer „Kleinwohnanlage“ auf Gst Nr **1, KG Y.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde.

Im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgerichts nahmen die Bauwerber mit Eingabe vom 05.10.2017 eine Änderung ihres verfahrenseinleitenden Antrags vor und übermittelten hierzu folgende Planunterlagen:

a.   „Lageplan gem § 24 TBO“ der K ZT GmbH vom 03.10.2017,

b.   Konvolut „Einreichplan Änderungsplan 2017-10-4“ der L Architekten staatlich befugte und beeidete Ziviltechniker KG, bestehend aus

a.   „Kellergeschoß, Erdgeschoß“, Plan Nr 09.1 vom 04.10.2017,

b.   „1. Obergeschoß, 2. Obergeschoß“, Plan Nr 09.2 vom 04.10.2017 und

c.   „Ansichten“, Plan Nr 09.3 vom 04.10.2017

Die hiermit erfolgte Projektmodifikation besteht darin, dass gegenüber dem Projekt, welches mittels des bekämpften Bescheids der Baubehörde genehmigt wurde und diverse Neu- und Umbaumaßnahmen rund um ein als Bestand vorausgesetztes Gebäude umfasste, nunmehr zusätzlich in den Bestand eingegriffen und zwar die gesamte „Rückwand“ des Bestandsgebäudes abgebrochen und an anderer Stelle neu errichtet werden soll.

Mit E-Mail vom 17.10.2017 wurden die Bauwerber davon in Kenntnis gesetzt, dass das nunmehr vorliegende Projekt den Prozessgegenstand des behördlichen Verfahrens maßgeblich ändere und bei Aufrechterhaltung des Antrags vom 05.10.2017 ihr ursprüngliches Bauansuchen als zurückgezogen gelte. Diesfalls müsse der angefochtene Bescheid behoben und das Bauansuchen in der aktuellen Version zuständigkeitshalber der Behörde übermittelt werden.

Daraufhin teilten die Bauwerber mit E-Mails vom 17.10.2017 und vom 18.10.2017 mit, dass sie an der mit Eingabe vom 05.10.2017 vorgelegten Projektänderung festhielten und eine Teilung des Bauvorhabens nicht wünschten.

II.      Beweiswürdigung:

Der oben festgestellte Sachverhalt ergibt sich aufgrund des Inhalts des vorgelegten sowie des beim Landesverwaltungsgericht geführten Aktes.

III.    Rechtslage:

Die hier relevante Bestimmung der Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011), LGBl Nr 57/2011, lautet wie folgt:

㤠26

Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a)   die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b)   deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a)   der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

b)   der Bestimmungen über den Brandschutz,

c)   der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

d)   der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

e)   der Abstandsbestimmungen des § 6,

f)   das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.“

Die hier relevante Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl 51/1991, lautet wie folgt:

„Anbringen

§ 13

[…]

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.“

Die hier relevante Bestimmung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:

„Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Anzuwendendes Recht

§ 17

Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“

IV.      Erwägungen:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Parteistellung der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzweifelhaft gegeben ist. So liegt das in ihrem Eigentum stehende Grundstück in räumlicher Hinsicht in direktem Anschluss an den Bauplatz und wurden in thematischer Hinsicht tragfähige Einwendungen bereits in der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung vorgebracht, sodass keine Präklusion vorliegt (vgl die obigen Feststellungen).

Aus der einschlägigen Judikatur und Literatur zu § 13 Abs 8 AVG (welche auch für das Verfahren nach dem VwGVG sinngemäß Gültigkeit hat) ergibt sich, dass Projektmodifikationen auch noch im Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht grundsätzlich möglich sind. Begrenzt wird diese Möglichkeit jedoch nicht lediglich durch § 13 Abs 8 AVG, sondern durch die Sache, die den Inhalt des Spruchs der Behörde erster Instanz gebildet hat. Handelt es sich bei dem modifizierten Projekt in dieser Hinsicht um ein aliud, gilt der ursprünglich gestellte Antrag als konkludent zurückgezogen und ist für die Entscheidung über das modifizierte Projekt nicht das Landesverwaltungsgericht sondern die Baubehörde zuständig. In einem solchen Fall muss seitens des Landesverwaltungsgerichts vorab geklärt werden, ob der Bauwerber trotz dieser Beurteilung der Rechtslage an dem geänderten Projekt weiterhin festhält.

Entsprechend den obigen Feststellungen (Punkt II.) bestand der Prozessgegenstand, der den Inhalt des bekämpften Bescheids der Baubehörde bildet, in diversen Neu- und Umbaumaßnahmen rund um ein bestehendes Gebäude. Die nunmehr vorliegende Antragsänderung sieht vor, dass darüber hinaus massiv in den Bestand eingegriffen und die gesamte „Rückwand“ des Bestandsgebäudes abgebrochen und an anderer Stelle neu errichtet werden soll. Diese zusätzlichen Baumaßnahmen gehen zweifellos über das von der belangten Behörde genehmigte Projekt hinaus, da sowohl die nunmehr geplanten Abbruch- als auch Neubauarbeiten in einem Bereich stattfinden, welcher im ursprünglich Projekt, bis auf die Anbringung eines Vollwärmeschutzes – im Wesentlichen als Bestand vorausgesetzt und unangetastet geblieben wäre.

Nachdem ein entsprechender Vorhalt an sie ergangen war, teilten die Beschwerdeführer mit, sie hielten an der Projektänderung vom 05.10.2017 fest und wünschten keine Teilung des Bauvorhabens vorzunehmen.

Im Sinne der obigen Ausführungen war daher der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben. Das Bauvorhaben in der nunmehrigen Variante vom 05.10.2017 wird zuständigkeitshalber an die Behörde übermittelt werden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Julia Schmalzl

(Richterin)

Schlagworte

Projektmodifikation; konkludente Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.43.0777.1

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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