TE Dsk BescheidSonstiger 2013/12/13 K202.128/0004-DSK/2013

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Veröffentlicht am 13.12.2013
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Norm

DSG 2000 §46 Abs2 Z2;
DSG 2000 §46 Abs3;
DSG 2000 §50d;
AVG §78;

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet-)Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KÖNIG, Mag. HUTTERER, Dr. ROSENMAYR- KLEMENZ, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. SCHMIDL in ihrer Sitzung vom 13. Dezember 2013 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag der B**** Gesellschaft m.b.H.

(Antragstellerin, auch kurz: B****) in **** M*** vom 20. November 2012 auf Erteilung einer Genehmigung zur Datenverwendung für Zwecke einer wissenschaftlichen Untersuchung zur Verkehrssicherheit mit der Bezeichnung „FAST – Fahrverhaltensstudie zur Ablenkungsbewertung von Straßeninfrastruktur“ (im Folgenden auch kurz: FAST) wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, entschieden:

1. Der Antragstellerin wird die Genehmigung erteilt, für Zwecke von FAST durch eine aus dem Testfahrzeug nach vorne auf den Straßenraum gerichtete Kamera mit digitaler Bildaufzeichnung Bilddaten von nicht an der Studie als Testfahrer und sonstige Fahrzeuginsassen teilnehmenden Personen zu verarbeiten (zu speichern und auszuwerten).

2. Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen werden folgende Auflagen erteilt:

a. Das Testfahrzeug ist außen durch auf die Durchführung von Bildaufzeichnungen hinweisende Schilder oder Aufkleber mit Angabe der DVR Nummer der Antragstellerin zu kennzeichnen.

b. Eine Übermittlung der unausgewerteten Bild- und Tondaten ist nur im Fall der behördlichen Anordnung einer solchen gestattet.

c. Die Einsicht in die und die Auswertung der aufgezeichneten Bild- und Tondaten darf nur durch bestimmte, geschulte, über § 15 DSG 2000 aufgeklärte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Antragstellerin erfolgen.

3. Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl. Nr. 24 idgF (BVwAbgV), hat die Antragstellerin eine Verwaltungsabgabe in Höhe von

Euro 6,50

zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.

Rechtsgrundlagen: § 46 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, sowie § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl. Nr. 24/1983 idgF (BVwAbgV).

B e g r ü n d u n g

Vorbringen der Antragstellerin und Sachverhaltsannahme

Die Antragstellerin hat für Zwecke einer FAST die gegenständliche Genehmigung beantragt.

Das Projekt, das vom österreichischen Verkehrssicherheitsfonds des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) als Projekt Nr. 1**.*18 gefördert wird, bezweckt eine objektive Bewertung des Ablenkungsrisikos von Elementen der Straßeninfrastruktur durch das Mittel von Fahrverhaltensstudien. Die Zustimmung der Probandinnen und Probanden (Testfahrer) zur Bilderfassung (durch eine Kamera von zweien) ihres Verhaltens am Steuer des als Testfahrzeug ausgestatteten Pkw wird dabei schriftlich eingeholt. Die zweite Kamera zeichnet in Fahrtrichtung Bilder der Außenumgebung des Fahrzeugs auf.

Dabei werden ausdrücklich „scharfe“, das heißt weder unscharf fokussierte noch nachträglich durch Bildbearbeitung unkenntlich gemachte Bilder benötigt, da u.a. die Reaktion der Testfahrer auf sogenannte „Leseaufgaben“ (Lesen/Nichtlesen von Informationstafeln und Wegweisern in Relation zu Distanz und Größe) beobachtet werden soll. Dabei ist es nicht möglich, die Zustimmung anderer Verkehrsteilnehmer, die sich durch den Aufnahmebereich der Kamera bewegen werden – was auf Grund der Methodik nicht ausgeschlossen werden kann – einzuholen. Kennzeichen der vorausfahrenden bzw. am Straßenrand parkenden Kfz und die Gesichter anderer Verkehrsteilnehmer (Fußgänger) können erkennbar sein. Eine Identifizierung der Betroffenen zwecks Einholung einer Zustimmung ist dabei kaum möglich und jedenfalls nicht tunlich.

Eine personenbezogene Übermittlung, insbesondere Veröffentlichung der Daten ist nicht vorgesehen.

Die Antragstellerin hat (Meldung an die Datenschutzkommission – Datenverarbeitungsregister vom 24. Juni 2013, DVR: ******* eine Datenanwendung „FAST“ mit folgender Zweckangabe gemeldet: „Aufzeichnung von Bilddaten und Blickverhalten fremder Verkehrsteilnehmer im Projekt FAST:

Fahrverhaltensstudie zur Ablenkungsbewertung von Strasseninfrastruktur, gefördert vom österreichischen Verkehrssicherheitsfonds, BMVIT Projektnr.

1**.*18“.

Die Antragstellerin ist eine amts- und allgemein bekannte außeruniversitäre Forschungseinrichtung.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag vom 4. November 2012 und der Meldung an das Datenverarbeitungsregister vom 24. Juni 2012 samt den im Registrierungsakt einliegenden Beilagen.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist.

Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:

„Wissenschaftliche Forschung und Statistik

§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

1.

öffentlich zugänglich sind oder

2.

er für andere Untersuchungen oder auch andere Zwecke zulässigerweise ermittelt hat oder

3.

für ihn nur indirekt personenbezogen sind.

Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten nur

1.

gemäß besonderen gesetzlichen Vorschriften oder

2.

mit Zustimmung des Betroffenen oder

3.

mit Genehmigung der Datenschutzkommission gemäß Abs. 3 verwendet werden.

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn

1.

die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und

2.

ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und

3.

die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.

Sollen sensible Daten ermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muss gewährleistet sein, daß die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verlässlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.

(3a) Einem Antrag nach Abs. 3 ist jedenfalls eine vom Verfügungsbefugten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, oder einem sonst darüber Verfügungsbefugten unterfertigte Erklärung anzuschließen, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Anstelle dieser Erklärung kann auch ein diese Erklärung ersetzender Exekutionstitel (§ 367 Abs. 1 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896) vorgelegt werden.

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“

Die Datenschutzkommission hat schon mehrfach festgestellt, dass Bilddaten (bestimmbare) personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG 2000 sind (vgl. für viele den Bescheid vom 21. Jänner 2009, GZ K121.425/0003-DSK/2009, RIS). Das DSG 2000 ist somit einschlägig.

Bilddaten sollen nun für wissenschaftliche Zwecke ermittelt und ausgewertet werden. Die Verwendung personenbezogener Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik unterliegt der Sondervorschrift des § 46 DSG 2000 (und nicht etwa den §§ 50a ff DSG 2000, die Videoüberwachung zu anderen Zwecken regeln).

Die Antragstellerin begehrt zwar (Antrag vom 15. November

2012) für FAST pauschal die „Genehmigung ... von Daten für

Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik“, doch ist dies so zu verstehen, dass die Genehmigung der Verwendung von Daten im Umfang des dargestellten Forschungsprojekts begehrt wird, für die nicht anders als durch eine bescheidmäßige Genehmigung gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 die Rechtmäßigkeit der Datenverwendung hergestellt werden kann.

Soweit Bilddaten des Lenkers (Testfahrers) verwendet werden sollen, kann die Rechtmäßigkeit gemäß § 46 Abs. 2 Z 2 DSG 2000 durch eine Zustimmungserklärung der Betroffenen hergestellt werden. Dies ist auch so vorgesehen.

Wie sich aber aus dem Sachverhalt klar ergibt, kann die Zustimmung von nicht an FAST teilnehmenden Verkehrsteilnehmern, die sich durch den Aufnahmebereich der nach vorne in Fahrtrichtung ausgerichteten Kamera bewegen (von vornherein unbestimmter Personenkreis), nicht eingeholt werden, ohne einen sehr hohen Aufwand zu treiben (Identifizierung und Ausforschung von Betroffenen, etwa an Hand von Kfz-Kennzeichen)und einen Verarbeitungsvorgang, nämlich die einen direkten Personenbezug herstellende Identifizierung vorzunehmen, der für den Zweck der wissenschaftlichen Untersuchung gar nicht erforderlich ist.

Dies führt zu dem Schluss, dass die Einholung der Zustimmung aller Betroffenen – die im Übrigen nur im Nachhinein erfolgen könnte – nicht nur einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, sondern zumindest teilweise dem Schutzzweck der §§ 1 Abs. 1 und 46 DSG 2000 zuwiderlaufen würde.

Das öffentliche Interesse an der beabsichtigen Datenverwendung ist gegeben. Durch die geplante Forschung im Auftrag einer öffentlichen Stelle (österreichischer Verkehrssicherheitsfonds) besteht die Möglichkeit, Vorschläge zur Prävention von Verkehrsunfällen schon bei der Gestaltung von Verkehrsinfrastruktur zu erarbeiten und das Leben und die Gesundheit von Menschen zu schützen.

Wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen ergibt, ist die Antragstellerin eine allgemein anerkannte Forschungseinrichtung, die Gewähr dafür bietet, dass FAST, samt damit verbundener Datenverwendung, von qualifiziertem Fachpersonal und zuverlässigen Hilfskräften durchgeführt wird.

Die Genehmigung war daher zu erteilen, allerdings gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen (Spruchpunkt 2.).

Die Auflage 2.a. stellt sicher, dass Betroffene die Möglichkeit haben, von der Bilddatenerfassung Kenntnis zu erlangen (§ 24 DSG 2000 unter sinngemäßer Anwendung von § 50d DSG 2000).

Die Auflage 2.b. nimmt auf die Möglichkeit Bezug, dass Bilddaten, etwa nach einem Verkehrsunfall mit Verletzten, für Zwecke eines strafprozessualen Ermittlungsverfahrens als Beweismittel sichergestellt und beschlagnahmt werden. Die Auflage soll klarstellen, dass eine solche Übermittlung der einzige Fall bleiben muss, in dem der unausgewertete, unbearbeitete (nicht-pseudonymisierte) Original-Datenbestand übermittelt werden darf.

Die Auflage 2.c. dient der Einhaltung und Sicherung des Datengeheimnisses.

Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.

Schlagworte

Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik, Forschungsprojekt, Verkehrssicherheitsforschung, Unfallursachenforschung, Fahrverhaltensstudie zur Ablenkungsbewertung von Straßeninfrastruktur, Testfahrzeug, Bilddaten, unbestimmter Betroffenenkreis, öffentliches Interesse

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2014
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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