TE Dsk Empfehlung 2014/1/29 DSB-K215.309/0001-DSB/2014

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Veröffentlicht am 29.01.2014
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Norm

DSG 2000 §1 Abs1
DSG 2000 §1 Abs2
DSG 2000 §4 Z1
DSG 2000 §4 Z2
DSG 2000 §7 Abs2
DSG 2000 §8 Abs3 Z1
DSG 2000 §8 Abs4
DSG 2000 §9 Z3
DSG 2000 §30 Abs6
ÄrzteG 1998 §54 Abs4
ÄrzteG 1998 §54 Abs5
ÄrzteG 1998 §54 Abs6
DSG 2000 §61 Abs9
DSG 2000 §4 Z12

Text

GZ: DSB-K215.309/0001-DSB/2014 vom 29. Jänner 2014

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet-)Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

EMPFEHLUNG

Die Datenschutzbehörde spricht aus Anlass der Eingabe der mj. Franziska J*** (Einschreiterin), vertreten durch die Eltern Mag. Helena und Michael J***, vom 18. September 2013 betreffend eine behauptete Verletzung im Recht auf Geheimhaltung infolge Übermittlung personenbezogener Daten der Einschreiterin durch die **** Landes-Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. an den Jugendwohlfahrtsträger aufgrund des Verdachts der Vernachlässigung bzw. Misshandlung der Einschreiterin folgende Empfehlung aus:

1.              Die **** Landes-Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. möge durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass eine Meldung an den Jugendwohlfahrtsträger lediglich im Falle eines hinreichend konkreten Verdachts auf Vernachlässigung, Misshandlung, Quälen oder sexuellen Missbrauch erfolgt.

2.              Diese Empfehlung ist unverzüglich umzusetzen.

Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1 und 2, § 4 Z 1 und 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 3 Z 1 und Abs. 4, § 9 Z 3 und § 30 Abs. 6 Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; § 54 Abs. 4 bis 6 des Ärztegesetzes 1998 – ÄrzteG, BGBl. I Nr. 169 idgF.

Gründe für diese Empfehlung:

A. Vorbringen der Beteiligten und Verfahrensgang

1. Die von ihren Eltern vertretene minderjährige Einschreiterin behauptet in ihren Eingaben vom 18. September und 10. Oktober 2013 eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die **** Landes-Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. (***-LKAG) im Zuge eines Spitalsaufenthaltes der Einschreiterin eine Gefährdungsmeldung (Meldung über den Verdacht der Vernachlässigung bzw. Misshandlung) an die Jugendwohlfahrtsbehörde erstattet habe, obwohl es keine Verdachtsmomente gegeben hätte.

Konkret führt die Einschreiterin aus, dass sie am 9. September 2012 von ihren Eltern ins LKH-**** N*** gebracht worden sei, weil sie plötzlich auf dem rechten Bein nicht mehr hätte auftreten können. Ein Verdacht auf Misshandlung bzw. Vernachlässigung als Ursache der Verletzung sei aber zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Die Gefährdungsmeldung sei daher zu Unrecht erfolgt.

2. Die ***-LKAG führte in ihren Stellungnahmen vom 30. September, 2. Oktober, 18. Oktober und 14. November 2013 aus, dass eine Anzeigepflicht bereits durch den begründeten Verdacht auf Misshandlungen, sexuellen Missbrauch usw. ausgelöst werde. Der begründete Verdacht sei dadurch gegeben gewesen, dass bei der Einschreiterin eine Traumaanamnese der knöchernen Veränderung an beiden Unterschenkeln nicht möglich gewesen wäre. Eine Abklärung der rechten Fibula habe in erster Linie einen Hinweis auf eine ältere Fraktur ergeben. Zusätzlich sei als Zufallsbefund ein posttraumatisches Knochenmarksödem an der linken Tibia aufgefallen. In diesem Zusammenhang würden die Angaben der Eltern zur Entstehung von Verletzungen dokumentiert, eine Beurteilung könne sich auch nur auf diese Informationen stützen. Das Verletzungsmuster müsse mit den Angaben zur Entstehung der Verletzung übereinstimmen bzw. plausibel sein. Es seien Gespräche mit der Mutter der Einschreiterin geführt worden, wobei diese keine Angaben zum Verletzungshergang habe machen können. Es sei dokumentiert worden, dass sich die Mutter nicht überlastet gefühlt und eine liebevolle Mutter-Kind-Aktion stattgefunden habe. Die Mutter der Einschreiterin sei insbesondere zu den Lebensumständen und dem sozialen Umfeld der Einschreiterin genau befragt worden. Auch die Kinderschutzgruppe habe sich mit dem Fall auseinandergesetzt. Nach eingehender Prüfung sei die Meldung an den Jugendwohlfahrtsträger am 1. Oktober 2012 erfolgt. Im Anschluss daran sei die Mutter der Einschreiterin darüber informiert worden. Der ***-LKAG erscheine aber die Zuständigkeit der (ehemaligen) Datenschutzkommission für die Vollziehung von landes- und bundesrechtlichen Verwaltungsvorschriften (insbesondere des ÄrzteG) fraglich.

B. Sachverhaltsfeststellungen

Es wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin wurde von ihren Eltern am 9. September 2012 wegen Schmerzen im rechten Bein in das LKH-**** N***, dessen Trägerin die ***-LKAG ist, gebracht.

Es wurde ein Wadenbeinbruch diagnostiziert. Eine Traumaanamnese der knöchernen Veränderung an beiden Unterschenkeln der Einschreiterin war nicht möglich. Eine Abklärung der rechten Fibula ergab einen Hinweis auf eine ältere Fraktur. Zusätzlich fiel als Zufallsbefund ein posttraumatisches Knochenmarksödem an der linken Tibia auf.

Die Mutter der Einschreiterin wurde zur Verletzungsursache und zu den Lebensumständen und dem sozialen Umfeld der Einschreiterin befragt. Es wurde dokumentiert, dass sich die Mutter nicht überlastet fühlte und eine liebevolle Mutter-Kind-Aktion stattfand. Die Kinderschutzgruppe befasste sich mit dem Fall.

Am 1. Oktober 2012 erstattete die ***-LKAG eine Gefährdungsmeldung an die zuständige Jugendwohlfahrtsbehörde.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden bzw. unbestrittenen Ausführungen der Einschreiterin und der ***-LKAG in ihren Eingaben an die Datenschutzbehörde.

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus

Rechtliche Schlussfolgerungen

1. Zur Zuständigkeit der Datenschutzbehörde:

1.1. Gemäß § 61 Abs. 9 DSG 2000 in der Fassung BGBl. I Nr. 83/2013 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2013 die Datenschutzbehörde an die Stelle der Datenschutzkommission. Am 1. Jänner 2014 bei der Datenschutzkommission anhängige Verfahren sind nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 83/2013 von der Datenschutzbehörde fortzuführen.

Das gegenständliche Verfahren war am 1. Jänner 2014 bei der Datenschutzkommission anhängig. Die Datenschutzbehörde ist daher zum Aussprechen der gegenständlichen Empfehlung zuständig.

1.2. Die ***-LKAG bezweifelt die sachliche Zuständigkeit der Datenschutzbehörde für die Vollziehung von landes- und bundesrechtlichen Verwaltungsvorschriften, konkret des ÄrzteG.

Vorliegend fand unbestrittenermaßen eine Übermittlung (siehe dazu § 4 Z 12 DSG 2000) von personenbezogenen Daten (§ 4 Z 1 DSG 2000), wenn auch unter Berufung auf § 54 ÄrzteG, statt. Der Sachverhalt fällt somit unzweifelhaft in den Anwendungsbereich des DSG 2000, weshalb eine sachliche Zuständigkeit der Datenschutzbehörde gegeben ist.

2. In der Sache:

Eine Übermittlung personenbezogener Daten stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 dar und kann einen Betroffenen dann in seinem Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 verletzen, wenn die für eine Übermittlung normierten Voraussetzungen (§ 7 Abs. 2 iVm §§ 8 und 9 DSG 2000) nicht vorliegen.

§ 54 Abs. 4 bis 6 ÄrzteG sieht eine gesetzlich angeordnete Übermittlungsverpflichtung in bestimmten Fällen vor. Die Übermittlung wird aber davon abhängig gemacht, dass sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes ein Verdacht ergibt.

Das Vorliegen eines hinreichend konkreten Verdachtes ist somit condition sine qua non für die Rechtmäßigkeit einer Übermittlung auf Basis des § 54 ÄrzteG. Nur wenn ein derartiger Verdacht besteht, der sich auch durch zumutbare Ermittlungsmaßnahmen (wie etwa Befragungen etc.) nicht entkräften lässt, ist daher die Übermittlung personenbezogener Daten durch § 7 Abs. 2 iVm §§ 8 und 9 DSG 2000 gedeckt und stellt somit einen zulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz dar. Welche Ermittlungsmaßnahmen zumutbar sind, ist einzelfallbezogen zu beurteilen. Bei einer (öffentlichen) Krankenanstalt wird jedoch, da diese über einen entsprechenden administrativen Hilfsapparat bzw. über ärztliches Wissen verschiedener Fachrichtungen verfügt, ein strenger Maßstab anzulegen sein.

Wie die ***-LKAG in ihren Stellungnahmen ausführte, werden die Angaben der Eltern zur Entstehung von Verletzungen dokumentiert, wobei sich eine Beurteilung nur auf diese Informationen stützen kann. Weiters gab die ***-LKAG an, dass die Mutter der Einschreiterin zu den möglichen Gründen der Verletzung(en) befragt wurde; auch wurde vermerkt, dass sich diese nicht überfordert fühlte und es eine liebevolle Mutter-Kind-Beziehung gab. Dies sind jedoch eindeutige Indizien, die gegen den Verdacht einer Gewaltanwendung bzw. einer Vernachlässigung der Einschreiterin sprechen. Weshalb dennoch die Verdachtsmomente diese Indizien, welchen nach Angaben der ***-LKAG große Bedeutung zukommt, überwogen, vermochte die ***-LKAG gegenüber der Datenschutzbehörde – trotz mehrmaliger Aufforderungen ihr Vorbringen diesbezüglich zu präzisieren – nicht darzulegen.

Da nicht auszuschließen ist, dass in vergleichbaren Fällen ähnlich vorgegangen wird, war daher zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes die gegenständliche Empfehlung auszusprechen.

Schlagworte

Empfehlungen, Geheimhaltung, Krankenanstalt, Krankenhaus, sensible Daten, Gesundheitsdaten, strafrechtlich relevante Daten, Kindeswohl, Missbrauchsverdacht, Meldepflicht, Jugendwohlfahrtsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2014:DSB.K215.309.0001.DSB.2014

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2014
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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