TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/20 97/08/0622

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Veröffentlicht am 20.09.2000
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §49 Abs1;
AlVG 1977 §49 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/08/0344 98/08/0413 98/08/0415

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden des W in W, vertreten durch Dr. Armin Kaufmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 3A, Dr. Wulf Kern, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 22, Dr. Esther Lenzinger, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weyrgasse 8, und Dr. Michael Lesigang, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 11, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 24. November 1997, Zl. LGS-W Abt. 12/1218/56/1997 (Zl. 97/08/0622), vom 25. Oktober 1998, Zl. LGSW Abt. 10-AlV/1218/56/1998-86 (Zl. 98/08/0344) und vom 17. Dezember 1998, Zl. LGSW Abt. 10-AlV/1218/56/1998-86 (Zlen. 98/08/0413 und 98/08/0415), betreffend Verlust der Notstandshilfe gemäß § 49 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von S 18.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit sechs Bescheiden des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 23. Mai 1997, 9. Juli 1997, 27. August 1997, 26. Juni 1998, 28. August 1998 und 17. September 1998 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 49 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) für die Zeiträume vom 13. Mai 1997 bis 15. Mai 1997, 3. Juni 1997 bis 26. Juni 1997, 11. August 1997 bis 19. August 1997, 23. April 1998 bis 18. Juni 1998, 2. Juli 1998 bis 13. August 1998 und 10. September bis 13. September 1998 keine Notstandshilfe erhalte, weil er die für den 13. Mai 1997, 3. Juni 1997, 11. August 1997, 23. April 1998, 2. Juli 1998 bzw. 10. September 1998 vorgeschriebenen Kontrollmeldungen nicht eingehalten und sich erst am 16. Mai 1997, 27. Juni 1997, 20. August 1997, 19. Juni 1998, 14. August 1998 bzw. 14. September 1998 wieder beim Arbeitsmarktservice gemeldet habe.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer im Wesentlichen gleich lautende Berufungen vom 18. Juni 1997, 14. Juli 1997, 1. September 1997, 3. Juli 1998, 9. September 1998 bzw. 23. September 1998, in denen er vorbrachte, ein triftiger Grund im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG für das Unterbleiben der Kontrollmeldungen sei die Unterlassung jeglicher Vermittlungstätigkeit durch das Arbeitsmarktservice. Kontrollmeldungen wären daher überflüssig, hätten jeglichen Sinn und Zweck verloren und könnten ohne weiteres unterbleiben. Ein "weiterer triftiger Grund iSd § 49 Abs. 2 AlVG für das Unterbleiben der Kontrollmeldung" sei der Umstand, dass er an den Kontrollmeldungstagen "einen alters- und krankheitsbedingten Migräneanfall/Kreislaufschwächeanfall hatte und den ganzen Tag/wegen der Kopfschmerzen im abgedunkelten Zimmer/liegen/und etliche Male von Übelkeit gepeinigt erbrechen/musste". Es sei ihm in diesem Zustand völlig unmöglich gewesen, "außer Haus bzw. zum Telefon zu gehen und den Kotrollmeldungstermin wahrzunehmen bzw. telefonisch abzusagen". Bezüglich seines Krankenzustandes verwies der Beschwerdeführer "auf das im Akt liegende amtsärztliche Gutachten vom 7. September 1995". In den Textbausteinen sind die Wendungen "Migräneanfall/wegen der Kopfschmerzen im abgedunkelten Zimmer/und etliche Male von Übelkeit gepeinigt erbrechen" jeweils gestrichen. Schließlich sei ein "weiterer triftiger Grund iSd § 49 Abs. 2 AlVG" für das Unterbleiben der Kontrollmeldungen "gesetzlos-willkürliche Verweigerung einer Kontrollmeldungsnachsicht".

Diesen Berufungen des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit den angefochtenen Bescheiden nicht Folge. Sie führte mit näherer Begründung aus, ein persönlicher Kontakt mit dem Arbeitslosen scheine unerlässlich, um den Zustand der Arbeitslosigkeit zu beenden. Auf die Vorschreibung von Kontrollmeldungen könne unter anderem zwecks Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen nicht verzichtet werden. Zwar scheine eine Kreislaufschwäche möglicherweise ein Grund, den vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin nicht einzuhalten. Vom Beschwerdeführer werde jedoch erwartet, dass er nach dem Wegfall dieser Beschwerden unverzüglich den Kontrollmeldetermin nachhole bzw. das Arbeitsmarktservice nach Wegfall der Beschwerden unverzüglich vom Grund des Kontrollmeldeversäumnisses informiere. Beides habe der Beschwerdeführer in den Bescheiden, die der Beschwerde zur Zl. 97/08/0622 zu Grunde liegen, unterlassen. Im Übrigen liege kein triftiger Entschuldigungsgrund für das Versäumen der Kontrollmeldungen vor. Der Beschwerdeführer habe kein ärztliches Attest vorgelegt. Seine Angaben seien unglaubwürdig.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der überwiegende Teil der insgesamt mehr als 30 Beschwerden, die der Beschwerdeführer seit dem Beginn des Jahres 1995 in den Angelegenheiten seiner Bezüge nach dem AlVG an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet hat, betraf die Rechtsfolgen der Vorschreibung und Nichteinhaltung von Kontrollmeldungen nach § 49 AlVG. Für den vorliegenden Fall wird zu dieser Vorgeschichte zunächst auf die zuletzt ergangenen Erkenntnisse vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0464, und vom 3. Mai 2000, Zl. 99/03/0354, verwiesen.

§ 49 AlVG idF der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 lautet auszugsweise:

"§ 49.(1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose monatlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, dass das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. ...

(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, erhält vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."

§ 49 Abs. 2 AlVG in der ab 1. Mai 1996 geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 lautet auszugsweise:

"(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

... Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."

Wie schon in dem Verfahren, das dem hg. Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0464, zu Grunde lag, vertritt der Beschwerdeführer auch in den vorliegenden Beschwerdeverfahren die Auffassung, dass die Verweigerung der Nachsicht von der Einhaltung von Kontrollmeldungen ein triftiger Grund im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG sei, die Vorschreibung von Kontrollmeldungen zu missachten. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits in dem Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 97/08/0040 bis 0042, klargestellt, dass vorgeschriebene Kontrolltermine so lange einzuhalten sind, bis über den Antrag auf Nachsicht von der Einhaltung von Kontrollmeldungen entschieden worden ist.

Dem § 49 Abs. 1 AlVG kann im Übrigen nicht entnommen werden, dass die Vorschreibung einer einmaligen Kontrollmeldung pro Monat - womit die gesetzliche Verpflichtung nach § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG konkretisiert wird - nur dann zulässig wäre, wenn dies die Situation auf dem Arbeitsmarkt bedingt. Es besteht auch keine Verpflichtung der Behörde, die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachzusehen oder die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabzusetzen. Die Vorschreibung einer Kontrollmeldung pro Monat ist daher rechtmäßig (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 18. März 1997).

Dass dem am 7. Oktober 1943 geborenen Beschwerdeführer auch in der Meinung nicht gefolgt werden kann, eine Vermittlung wäre auf Grund seines Alters grundsätzlich ausgeschlossen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom 5. September 1995, Zlen. 95/08/0191, 0192, zum Ausdruck gebracht: Da der Anspruch des Beschwerdeführers auf den Bezug von Arbeitslosengeld erschöpft ist und bei ihm - nach seinem eigenen Vorbringen - keine Aussicht besteht, dass er in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet, erscheint auch eine Beschäftigung zumutbar, die eine künftige Verwendung in seinem Beruf wesentlich erschweren könnte (vgl. § 9 Abs. 2 AlVG). Dass eine solche Möglichkeit auf dem Arbeitsmarkt in Wien gegeben sein könnte, erscheint weder unschlüssig noch widerspricht dies jeglicher Lebenserfahrung.

Soweit sich die Beschwerden ferner gegen die Auffassung der belangten Behörde wenden, eine Erkrankung am Kontrollmeldungstag könne nur dann als triftiger Versäumnisgrund im Sinne § 49 Abs. 2 AlVG anerkannt werden, wenn das Arbeitsmarktservice über den Grund des Kontrollmeldeversäumnisses unverzüglich informiert und der versäumte Kontrollmeldetermin unverzüglich nachgeholt werde, und soweit die Beschwerden der belangten Behörde vorwerfen, sie habe Beweismittel über die Nebenwirkungen des von ihm als Dauertherapie benötigten Medikaments "Pantoloc" übergangen, sie würde unmöglich beizubringende Beweise (Arztbestätigungen) verlangen und Beweisanleitungen verweigern, sind sie aus folgenden Gründen nicht berechtigt:

Wie schon beim zitierten Vorerkenntnis vom 29. März 2000 ergibt sich auch hier aus den vorgelegten Verwaltungsakten, dass Entschuldigungen der Versäumung der vorgeschriebenen Kontrollmeldetermine im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG überhaupt nicht vorliegen, weil den in seiner Gesamtheit zu betrachtenden bisherigen Verhaltensweisen und Erklärungen des Beschwerdeführers bei der Nichtwahrnehmung bisher vorgeschriebener Kontrollmeldungen und seinen in den vorliegenden Verfahren abgegebenen Erklärungen keine ernsthaften, einer Überprüfung zu unterziehenden Entschuldigungsgründe entnommen werden können. Auch in den vorliegenden Beschwerden weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass ihm Kontrollmeldetermine einzig und allein deshalb vorgeschrieben würden, "um ihn zu terrorisieren und zu schikanieren". Bei jedem Kontrollmeldetermin bekomme der Beschwerdeführer "immer nur das zu hören, was er selbst weiß, nämlich dass es für ihn wegen seines hohen Alters und seiner Herzkrankheit keine Arbeitsplätze mehr gibt, und wird ihm dann trotzdem immer wieder nur ein neuer Kontrollmeldetermin vorgeschrieben". Dies stelle "zweifelsfrei einen Missbrauch des Instrumentes der Kontrollmeldung durch das Arbeitsmarktservice und damit einen triftigen Grund für die Unterlassung solcher missbräuchlich vorgeschriebener Kontrollmeldungen dar." Wenn der Beschwerdeführer daher neben seinen sonstigen Einwänden gegen die Vorschreibung von Kontrollterminen die Nichteinhaltung des Kontrolltermins vom 13. Mai 1997 damit entschuldigte, dass er "eine Kreislaufschwäche hatte", die Nichteinhaltung des Kontrollmeldetermins vom 3. Juni 1997 damit, dass er wieder eine Kreislaufschwäche hatte und sich hinlegen musste, die Nichteinhaltung des Kontrollmeldetermins vom 11. August 1997 damit, dass "ich Kreislaufprobleme hatte", die Nichteinhaltung des Kontrollmeldetermins vom 23. April 1998 damit, dass "ich einen Kreislaufschwächeanfall hatte", die Nichteinhaltung des Kontrollmeldetermins vom 2. Juli 1998 damit, dass "ich einen Migräneanfall mit Kreislaufschwäche hatte" und die Nichteinhaltung des Kontrollmeldetermins vom 10. September 1998 damit, dass "ich Migräne hatte", wenn ferner in den drei Berufungen vom 18. Juni 1997, 14. Juli 1997 und 1. September 1997, die dem zur hg. Zl. 97/08/0622 angefochtenen Bescheid zu Grunde liegen, sowie in den Berufungen vom 3. Juli 1998 (hg. Zl. 98/08/0344), vom 9. September 1998 (hg. Zl. 98/08/0413) und vom 23. September 1998 (hg. Zl. 98/08/0415), textbausteinartig ausgeführt wird, dass Kontrollmeldungen überflüssig seien, eine Kontrollmeldungsnachsicht gesetzlos-willkürlich verweigert worden sei und von den beiden als Entschuldigungsgrund zur Auswahl stehenden Varianten "Migräneanfall" oder "Kreislaufschwächeanfall" jeweils der Migräneanfall durchgestrichen wurde, um den Kreislaufschwächeanfall geltend zu machen, dann kann den in der beschriebenen Art und Weise vorgebrachten "Entschuldigungen" kein ernsthafter Erklärungswert im Sinn des § 49 Abs. 2 AlVG beigemessen werden. Dies wird noch dadurch untermauert, dass das mit dem 23.4.1998 datierte Entschuldigungsschreiben des Beschwerdeführers in Bezug auf den vorgeschriebenen Kontrolltermin vom 23. April 1998 bereits am 22. April 1998 beim Arbeitsmarktservice einlangte und sein mit 2. Juli 1998 datiertes Entschuldigungsschreiben in Bezug auf den vorgeschriebenen Kontrolltermin vom 2. Juli 1998 bereits am 1. Juli 1998 zur Post gegeben wurde. Beide Entschuldigungsschreiben sind in der Vergangenheitsform gefasst.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997080622.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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