TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/20 97/08/0489

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Veröffentlicht am 20.09.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

B-VG Art140;
EStG 1988 §10 Abs8;
EStG 1988 §26;
EStG 1988 §3;
NVG 1972 §10 Abs1 Z2;
NVG 1972 §14 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Dr. Walter Poschinger und Mag. Anita Taucher, Rechtsanwälte in Graz, Burggasse 12/III, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom 31. Jänner 1997, Zl. 5-s 27n 1/11 - 97, betreffend Beitragsneuberechnung nach § 14 NVG (mitbeteiligte Partei: Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates in Wien VIII, Florianigasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1995 führte die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates gemäß § 14 Notarversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 66/1972 (NVG), die "Neuberechnung der Beiträge" des Beschwerdeführers für das Jahr 1993 durch, wobei "Wartetastenverluste" des Beschwerdeführers (§ 10 Abs. 8 EStG 1988) keine Berücksichtigung fanden.

Dem - soweit noch beschwerdegegenständlich - gegen diesen Punkt der Neuberechnung gerichteten Einspruch des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge.

Dagegen richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei erwogen hat:

Die für die Beurteilung der zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittigen Rechtsfrage maßgeblichen Bestimmungen des NVG in ihrer hier zeitraumbezogen jeweils anzuwendenden Fassung lauten:

"Beitragspflicht

§ 9. (1) Die Mittel zur Bestreitung der Aufwendungen der Pensionsversicherung werden durch Beiträge der Versicherten gemäß Abs. 2 und durch sonstige Einnahmen aufgebracht.

(2) Die Versicherten haben monatlich einen Beitrag in der Höhe des jeweils als Beitragssatz festgesetzten Hundertsatzes der Beitragsgrundlage, mindestens jedoch 1000 S, zu entrichten.

...

Beitragsgrundlage

§ 10. (1) Beitragsgrundlage sind die Monatseinkünfte des Versicherten aus seiner Tätigkeit im Notariat. Als Monatseinkünfte gelten:

1.

bei Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit ...

2.

bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit die nach den Vorschriften über die Einkommensteuer versteuerbaren Einkünfte des Beitragsmonates; hiezu zählen insbesondere auch Einkünfte aus Substitutionen, Kuratelen, Masseverwaltungen, Verteidigungen in Strafsachen und Dolmetschtätigkeiten.

...

Neuberechnung der Beiträge

§ 14. (1) Die Versicherungsanstalt hat nach Vorliegen der erforderlichen Unterlagen die nach § 9 zu entrichtenden Beiträge für ein Kalenderjahr im Sinne der §§ 9 und 10 neu zu berechnen, und zwar

1.

im Falle des § 10 Abs. 1 Z. 1 ...

2.

im Falle des § 10 Abs. 1 Z. 2 auf Grund der danach in Betracht kommenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus dem Notariat, die sich nach dem vorzulegenden Einkommensteuerbescheid für das betreffende Kalenderjahr ergeben, nicht vermindert um außerordentliche Belastungen und Sonderausgaben, zuzüglich der im betreffenden Kalenderjahr geleisteten Beiträge zur Pensionsversicherung, wenn diese als Betriebsausgaben abgesetzt und anerkannt worden sind.

..."

In dem der Beitragsneuberechnung zugrunde gelegten Umsatz- und Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 10. November 1995 wurde das Einkommen des Beschwerdeführers für das Jahr 1993 wie folgt berechnet:

"Einkünfte aus selbständiger Arbeit                     3,328.279

Verrechenbare Verluste der Vorjahre                   -   342.010

Gesamtbetrag der Einkünfte                              2,986.269

Sonderausgaben (§ 18 EStG 88):

Hälfte der Aufwendungen für Personenversicherungen,

Wohnraumschaffung und -sanierung, Genussscheine und

junge Aktien (innerhalb des einh. Höchstbetrages)     -    20.000

Verlustabzug                                          -   340.983

Einkommen                                               2,625.286"

Bei den "verrechenbaren Verlusten der Vorjahre" handelt es sich um den strittigen "Wartetastenverlust" nach § 10 Abs. 8 EStG, worunter ein durch gewinnmindernd geltend gemachte Investitionsfreibeträge entstandener oder erhöhter Verlust zu verstehen ist, der nach der genannten Gesetzesstelle "insoweit weder ausgleichs- noch gemäß § 18 Abs. 6 und 7 vortragsfähig" und "mit späteren Gewinnen (Gewinnanteilen) aus diesem Betrieb frühestmöglich zu verrechnen" ist. In der von der belangten Behörde bestätigten Neuberechnung der Beiträge wurde die Beitragsgrundlage gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 und § 14 Abs. 1 Z. 2 NVG unter Hinzurechnung vom Beschwerdeführer als Betriebsausgaben abgesetzter Notarversicherungsbeiträge in der Höhe von S 602.444,-- aus den im Umsatz- und Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen "Einkünften aus selbständiger Arbeit" gebildet. Ein Abzug der "verrechenbaren Verluste der Vorjahre" unterblieb.

Der Beschwerdeführer bezeichnet dies als "Hinzurechnung der verrechneten Wartetastenverluste" und wirft der belangten Behörde vor, sie sei davon ausgegangen, dass die "Wartetastenverluste als Sonderausgaben im Sinne des § 14 NVG anzusehen" und "deshalb zum einkommensteuerlich ermittelten Gewinn hinzuzurechnen" seien. Nach dem NVG seien nur "außergewöhnliche (außerordentliche) Belastungen und Sonderausgaben ... dem steuerrechtlichen Gewinn als Basis für die Beitragsermittlung wieder hinzuzurechnen". Da "Wartetastenverluste" keine Sonderausgaben seien, ziehe die belangte Behörde "einen unzulässigen Analogieschluss zu Lasten des Beitragspflichtigen". Sie lege "dem Begriff der 'Sonderausgaben' ein unvertretbares Verständnis zugrunde, um ein bestimmtes von ihr gewünschtes Ergebnis zu erreichen".

Im Anschluss an eine kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Hilfsargumenten der belangten Behörde hebt der Beschwerdeführer schließlich hervor, die belangte Behörde verkenne "die im vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Unterschiede in der Rechtsnatur der Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben einerseits und der Verrechnung von Wartetastenverlusten andererseits". Die (vom Beschwerdeführer so genannte) Vortragsfähigkeit von Wartetastenverlusten sei nach Rechtsprechung und Lehre "ein Instrument der Einkommensermittlung" und betreffe "nicht die Gewinnermittlung", woraus der Beschwerdeführer folgende Schlussfolgerungen zieht:

"Darin zeigt sich, dass die Nichteinbeziehung von Wartetastenverlusten in den Sonderausgabenbegriff des § 14 Abs. 1 NVG nicht bloß eine begriffliche Spitzfindigkeit ist, sondern auch vom unterschiedlichen Zweck der Verrechnung von IFB-Verlusten getragen ist. Dieser Zweck ist entscheidend bei der Vornahme eines Analogieschlusses. Selbst wenn man von einer "planwidrigen" Lücke des Gesetzes ausgeht, wofür kein Anhaltspunkt besteht, wäre sie angesichts der steuerrechtlichen Gesetzessystematik durch Analogie dergestalt zu schließen, dass IFB's aus Vorperioden, die zu Verlusten führen, für die Ermittlung des Einkommens (nicht des Gewinns!) ebenso zu berücksichtigen sind, wie IFB's die in einem bestimmten Veranlagungszeitpunkt unmittelbar zum Abzug gelangen. Da das NVG an das Einkommen nach dem EStG anknüpft, ist es schlüssig und vom Gesetzgeber des NVG nur konsequent, die der Einkommensermittlung dienende Verrechnung von IFB-Verlusten zu berücksichtigen, hingegen die Geltendmachung von Sonderausgaben durch Hinzurechnung für die Ermittlung der Beitragspflicht außer Acht zu lassen. Anders gewendet: Die Analogie wäre innerhalb der Geltendmachung des IFB, nicht innerhalb der verschiedenen Formen des Verlustausgleichs zu ziehen. Dies gebietet einerseits eine verfassungskonforme Interpretation, die vermeidet, dass ein Notar, der 'stückchenweise' investiert und durch IFB keine Verluste erleidet, besser gestellt wäre, als ein Notar, der für einen dem Ansehen des Notariates dienlichen standesgemäßen Kanzleibetrieb vor Eröffnung des Kanzleisitzes alle Investitionen tätigt und so Verluste in Kauf nimmt. Andererseits ist bei zwei Auslegungsvarianten (wenigstens im Zweifel) jene zu wählen, die mit dem Wortlaut im Einklang steht.

Die Hinzurechnung von verrechneten IFB-Verlusten zur Beitragsgrundlage für die Berechnung von Beiträgen widerspricht daher dem § 14 Abs. 1 NVG und ist sohin gesetzwidrig."

Der Ansicht des Beschwerdeführers, die Verrechnung des "Wartetastenverlustes" mit späteren Gewinnen sei eine Maßnahme der Einkommens- und nicht der Gewinnermittlung, ist beizupflichten (vgl. dazu etwa Quantschnigg/Schuch, ESt-HB zum EStG 1988, § 10 Tz 84 f). Den Ausführungen des Beschwerdeführers ist aber - vor allem - insofern entgegenzutreten, als in ihnen behauptet wird, das NVG knüpfe "an das Einkommen nach dem EStG" an. Maßgeblich sind gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 NVG "die nach den Vorschriften über die Einkommensteuer versteuerbaren Einkünfte" und gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 NVG "im Falle des § 10 Abs. 1 Z. 2" die "danach in Betracht kommenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus dem Notariat, die sich nach dem vorzulegenden Einkommensteuerbescheid für das betreffende Kalenderjahr ergeben". Die Einkünfte sind nicht mit dem Einkommen gleichzusetzen (vgl. dazu im Zusammenhang mit § 25 GSVG etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0158, und vom 21. Februar 1995, Zl. 95/08/0003), woran auch die Beifügung "versteuerbar" nichts ändert (vgl. zur Bedeutung dieses Ausdrucks etwa Doralt, EStG3, § 3 Tz 1, und Quantschnigg/Schuch, a.a.O., § 3 Tz 1 und 4 sowie § 26 Tz 1). Folgerichtig sieht das Gesetz in Bezug auf "außerordentliche Belastungen und Sonderausgaben" - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers - auch nicht vor, dass sie zum Ausgangspunkt für die Berechnung der Beitragsgrundlage "hinzuzurechnen" seien. Der Ausgangspunkt der Berechnung, nämlich die Einkünfte, hat vielmehr um diese bei der Einkommensermittlung vorgesehenen Abzüge "nicht vermindert" zu werden, während die als Betriebsausgaben abgesetzten Beiträge zur Pensionsversicherung hinzuzurechnen sind.

Mit dieser Regelung im NVG wurde - in Bezug auf die "außerordentlichen Belastungen und Sonderausgaben" - der wesentliche Inhalt des § 36 Abs. 3 lit. b NVG 1938, wonach die Neuberechnung aufgrund der durch außerordentliche Belastungen und Sonderausgaben "noch" nicht verminderten Einkünfte aus dem Notariat zu erfolgen hatte, "übernommen" (so die Regierungsvorlage zum NVG 1972, 114 BlgNR 13. GP 27). Von der Nichtverminderung ausdrücklich ausgenommen waren nach dem alten Gesetz die im betreffenden Kalenderjahr geleisteten Beiträge zur Notarversicherung, was für den Fall, dass sie "steuerlich als Sonderausgaben und nicht schon als Betriebsausgaben behandelt wurden", als Anlass zum Abzug von dem im Einkommensteuerbescheid als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ausgewiesenen versteuerbaren Betrag angesehen wurde (Wagner, Das österreichische Notarversicherungsrecht (1969), 131). In diesem Punkt sieht das geltende Gesetz Gegenteiliges vor, was konsequenterweise in der Anordnung einer Hinzurechnung der als Betriebsausgaben anerkannten Beiträge zum Ausdruck kommt (vgl. auch dazu die schon zitierte Stelle in der Regierungsvorlage).

Vom Wortlaut der geltenden Regelung her steht somit - auch vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte - fest, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Beitragsgrundlage nicht, wie der Beschwerdeführer meint, das Einkommen ist, zu dem der als "Wartetastenverlust" abgezogene Betrag erst wieder hinzugerechnet werden müsste, um beitragswirksam zu werden. Die Frage nach einer Rechtsgrundlage für eine derartige Hinzurechnung stellt sich daher nicht. Ausgangspunkt sind die Einkünfte, von denen der "Wartetastenverlust" mangels einer dies vorsehenden Anordnung des Gesetzgebers nicht abzuziehen ist. Dass das in Bezug auf dieses vergleichsweise neue Element der Einkommensermittlung - anders als in Bezug auf "außerordentliche Belastungen und Sonderausgaben" - im Gesetz nicht noch eigens hervorgehoben wird, ist keine geeignete Basis für einen Umkehrschluss, mit dem die getroffene Regelung über ihren Wortlaut hinaus um die Anordnung des Abzuges aller sonstigen bei der Einkommensermittlung derzeit abzuziehenden Beträge oder etwa im Besonderen nur des "Wartetastenverlustes" ergänzt würde. Das Ergebnis begegnet nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Zusammenfassend ist dem Beschwerdeführer daher entgegenzuhalten, dass im vorliegenden Zusammenhang, wie er auch selbst meint, kein Anlass zu einer Abweichung vom Gesetzeswortlaut besteht. Da von den Einkünften und nicht vom Einkommen auszugehen ist, hat dies aber nicht die vom Beschwerdeführer gewünschte Konsequenz.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der wesentliche Inhalt der von der belangten Behörde erstatteten "Gegenschrift" bestand - abgesehen von einem Verweis auf die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erstattete Gegenschrift - nur in der Erklärung, von einer weiteren Stellungnahme abzusehen, weshalb der belangten Behörde im Rahmen des von ihr allgemein beantragten Aufwandersatzes nur Vorlageaufwand zuzusprechen war. Die mitbeteiligte Partei hat - mangels anwaltlicher Vertretung zutreffenderweise - keinen Zuspruch von Schriftsatzaufwand beantragt.

Wien, am 20. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997080489.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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