TE Vfgh Erkenntnis 2014/12/9 V54/2014

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Veröffentlicht am 09.12.2014
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art7 Abs2
ASVG §338 Abs1, Abs2, §343 Abs1, Abs1a
Reihungskriterien-V, BGBl II 487/2002 idF BGBl II 239/2009 §2 Abs1 Z5, §3 Abs1
GleichbehandlungsG §1, §5, §8, §9
Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.07.06 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen Art14 Abs2

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der Reihungskriterien-Verordnung betreffend das Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe; Bevorzugung von Frauen bei der Vergabe von Facharztstellen angesichts des bestehenden Mangels weiblicher Vertragsfachärzte für Frauenheilkunde sachlich gerechtfertigt; kein Verstoß der Regelungen gegen das Gleichbehandlungsgesetz

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren

1.       Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesgericht Salzburg, zwei näher bezeichnete Bestimmungen "der Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Kriterien für die Reihung der ärztlichen und zahnärztlichen BewerberInnen um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern (Reihungskriterien-Verordnung), BGBl II Nr 487/2002 idF [ergänze: der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit,] BGBl II Nr 239/2009, als gesetzwidrig aufzuheben", und zwar "[i]n §2 Abs1 Z5 die Wortfolge 'bei im Sonderfach 'Frauenheilkunde und Geburtshilfe' ausgeschriebenen Einzelverträgen die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit' sowie in §3 Abs1 Gedankenstrich 5 die Wortfolge 'nach §2 Abs1 Z5 zehn Prozent der durch die jeweiligen Gesamtvertragsparteien festgelegten erreichbaren Punkte".

1.1.    Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.2.    Beim Landesgericht Salzburg ist ein Verfahren gegen die Ärztekammer für Salzburg als beklagte Partei anhängig. Der Kläger, ein Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (im Folgenden: Frauenheilkunde), hat sich sowohl bei der Salzburger Gebietskrankenkasse als auch bei anderen Krankenkassen um Einzelverträge beworben, die gemäß §343 Abs1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl 189/1955, zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Vertragsarzt nach den Bestimmungen des jeweiligen Gesamtvertrages im Einvernehmen mit der Ärztekammer abzuschließen sind. Die Auswahl des jeweiligen Bewerbers bzw. der jeweiligen Bewerberin erfolgt dabei nach Maßgabe der Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Kriterien für die Reihung der ärztlichen und zahnärztlichen BewerberInnen um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern (Reihungskriterien-Verordnung), BGBl II 487/2002, die ihre Grundlage in §343 Abs1a ASVG findet und die für die Vertragspartner des Gesamtvertrages verbindliche Kriterien für die Reihung der Bewerberinnen und Bewerber um Einzelverträge festlegt.

Die Verordnung sieht unter anderem in §2 Abs1 Z5 leg.cit. vor, dass bei den im Sonderfach Frauenheilkunde ausgeschriebenen Einzelverträgen auch "die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit" ein Reihungskriterium ist, das gemäß §3 Abs1 fünfter Gedankenstrich Reihungskriterien-Verordnung mit zehn Prozent der durch die jeweiligen Gesamtvertragsparteien festgelegten erreichbaren Punkte zu bewerten ist. Gestützt auf diese Vorschriften schreibt auch §3 Abs6 Z6a der Richtlinien der Ärztekammer für Salzburg und der Gebietskrankenkasse Salzburg für die Auswahl der VertragsärztInnen für Allgemeinmedizin und VertragsfachärztInnen vor, dass im Sonderfach Frauenheilkunde 7,5 von insgesamt 75 Punkten an weibliche Bewerber zu vergeben sind.

1.3.    Nach Durchführung eines – den genannten Bestimmungen entsprechenden – Reihungsverfahrens wurde der Kläger des Anlassverfahrens mit den von ihm – nach seinen Behauptungen – erreichten 70 Punkten auf den dritten Platz gereiht, während zwei weibliche Bewerber mit 78,75 bzw. 71 Punkten den ersten bzw. zweiten Platz belegten. Da der Kläger eigenen Angaben zufolge nahezu alle Punktekontingente vollständig ausgeschöpft habe, sei es ihm unmöglich, in künftigen Reihungsverfahren weitere Punkte zu erlangen. Das habe zur Konsequenz, dass wegen des Punktevorsprunges von 10% für weibliche Bewerber dauerhaft nicht der Kläger, sondern Frauen erstgereiht würden; dies sogar im Falle schlechterer fachlicher Kompetenz.

1.4.    Mit der am 26. November 2013 beim Landesgericht Salzburg im Anlassverfahren eingebrachten Klage begehrte der Kläger das Urteil, die Ärztekammer für Salzburg sei schuldig, gegenüber dem Kläger für den Fall der Bewerbung um eine freie Kassenvertragsstelle die Anwendung des §3 Abs6 Z6a der genannten Richtlinien der Ärztekammer für Salzburg und der Salzburger Gebietskrankenkasse zu unterlassen. Er begründete seine Klage damit, dass es gleichheitswidrig sei, ausschließlich wegen seiner Geschlechtszugehörigkeit bei der Reihung zur Vergabe von Einzelverträgen benachteiligt zu werden. Die Ärztekammer für Salzburg bestritt das Klagebegehren und brachte vor, dass sie an die Reihungskriterien-Verordnung gebunden sei.

2.       Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesgericht Salzburg beim Verfassungsgerichtshof den vorliegenden Antrag. Dabei legt es seine Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen im Einzelnen wie folgt dar:

"Das antragsstellende Gericht teilt die Bedenken des Klägers, dass die Reihungskriterien-Verordnung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt und dadurch gesetzwidrig ist. Die Bedenken beziehen sich dabei konkret auf §2 Abs1 und §3 Abs1 Reihungskriterien-Verordnung […].

Das Landesgericht Salzburg begründet seine Bedenken wie folgt:

Das Landesgericht Salzburg hat Bedenken, dass, wenn bei der Reihung zur Vergabe von Einzelverträgen ausschließlich auf die Geschlechtszugehörigkeit abzustellen ist und die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit mit 10 % der durch die jeweiligen Gesamtvertragsparteien festgelegten erreichbaren Punkte zu bewerten ist, der Gleichheitsgrundsatz verletzt wird. Zudem hat das antragsstellende Gericht Bedenken, dass die Reihungskriterien-Verordnung nicht mit dem Bundesgesetz über die Gleichbehandlung vereinbar ist.

a) Zur Verletzung des Gleichheitsgrundsatz[es]

Eine Verordnung verletzt den Gleichheitsgrundsatz dann, wenn sie entweder auf einem gleichheitswidrigen Gesetz beruht oder wenn sie eine Differenzierung vornimmt, die sachlich nicht gerechtfertigt ist (VfSlg 10.492). Es gelten daher im Prinzip die gleichen Maßstäbe wie bei der Gesetzesprüfung.

Beruhend auf die oben angeführten Bestimmungen der Reihungskriterien-Verordnung, werden Frauen bei der Reihung gegenüber Männern bevorzugt, da sie 10% der Reihungspunkte auf Grund der durch das weibliche Geschlecht zusätzlichen besonderen Vertrauenswürdigkeit bekommen. Die Ungleichbehandlung bei der Vergabe von Einzelverträgen beruht daher ausschließlich auf dem Geschlecht.

Nach den Erläuterungen zur Reihungskriterien-Verordnung besteht das Ziel der Bestimmungen darin, die Zahl der Frauenfachärztinnen zu erhöhen, da man davon ausgeht, dass viele Frauen das Bedürfnis haben, gynäkologische Untersuchungen und Behandlungen von Ärztinnen durchführen zu lassen. Frauen würden oft vor dem Problem stehen, dass in ihrer Versorgungsregion alle Vertragsarztstellen im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe durch Männer besetzt sind. Beim Aufsuchen einer Wahlärztin sind die Kosten zunächst selbst zu tragen und können dann vom Krankenversicherungsträger teilweise rückerstattet werden. Dies ist mit einem administrativen Aufwand verbunden.

Nach Art7 Abs2 B-VG sind Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten zulässig. Dem EU-Recht folgend sind positive Aktionen nur zulässig, wenn sie darauf abzielen, die aus der gesellschaftlichen Realität folgenden, tatsächlichen Ungleichheiten, die in erster Linie Frauen in ihrem Berufsleben treffen, zu beseitigen oder zu verringern.

Nach Ansicht des antragsstellenden Gerichts dient die Verordnung in erster Linie dem Ziel, den weiblichen Patientinnen einen leichteren Zugang zu Frauenärztinnen zu verschaffen. Um dieses Ziel zu erreichen ist es die Absicht die Anzahl der Ärztinnen mit einem Kassenvertrag gegenüber der Anzahl der Ärzte zu erhöhen. Zwar gibt es zur Zeit mehr männliche als weibliche Frauenfachärzte, die einen Einzelvertrag mit einer Krankenkasse haben, jedoch würden bei der Vergabe von neuen Kassenverträgen ohne die Vergabe der zusätzlichen Reihungspunkte für die durch das weibliche Geschlecht vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit keine tatsächlichen Unterschiede zwischen Bewerberinnen und Bewerbern bestehen.

Da keine tatsächlichen Unterschiede bestehen, verfehlt die Bestimmung des §2 Abs1 Reihungskriterien-Verordnung das von der Verfassung geforderte Ziel der Förderung der Gleichstellung. Nach Meinung des Gerichts gibt es keinen Grund, aus dem man herleiten könne, dass Frauen aus rein medizinischer Sicht bessere fachliche Fähigkeiten als Männer besitzen und somit aus biologisch bestehenden Gründen eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt wäre.

Der Zweifel des Gerichts, die Bestimmungen der Reihungskriterien-Verordnung [dienten] der Beseitigung tatsächlicher Ungleichheiten beim Zugang zu Einzelverträgen wird dadurch bestätigt, dass eine Bevorzugung der Frauen nur im Fach der Frauenheilkunde und Geburtshilfe und in keinem anderen medizinischen Fach vorgesehen ist.

Es liegt außerhalb der Möglichkeiten des Gerichts zu beurteilen, ob Frauen wirklich lieber Frauenärztinnen aufgrund der vermittelten besonderen Vertrauenswürdigkeit aufsuchen. Nach Meinung des Gerichts ist es mit Sicherheit ein Bedürfnis von Frauen den Zugang zu jenen Ärzten mit der besten Fachkenntnis zuhaben, ohne Rücksicht auf das Geschlecht. Die Bewertung der besonderen Vertrauenswürdigkeit von 10 % der bei der Reihung gesamt zu vergebenden Punkte scheint daher unverhältnismäßig zu sein.

Aus den genannten Gründen kann nach Ansicht des antragsstellenden Gericht[s] die Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt werden.

b) Zur Unvereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgesetz

Das antragsstellende Gericht hat zudem Bedenken, dass die Reihungskriterien-Verordnung nicht dem Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz - GIBG), BGBl I Nr 66/2004, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 107/2013 entspricht. Mit der letzten Novellierung dieses Gesetzes wurde die Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates umgesetzt. Die EU-Richtlinie ist sowohl auf den privaten als auch auf den öffentlichen Sektor anwendbar.

Die Bestimmungen des I. Teils des GIBG gelten für den Bereich der Arbeitswelt. Dazu zählt nach Z4 die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie die Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit, sofern dies in die Regelungskompetenz des Bundes fällt. Niedergelassene Ärzte sind [selbständig] tätig. Ein Abschluss eines Einzelvertrages mit einer Krankenkasse ist für einen Arzt eine Ausweitung seiner [selbständigen] Tätigkeit. Der dem Antrag zugrundeliegende Sachverhalt liegt in der Regelungskompetenz des Bundes. Der I. Teil des GIBG ist daher anzuwenden.

Nach §4 Z3 GIBG darf niemand bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit unmittelbar oder mittelbar auf Grund des Geschlechtes diskriminiert werden. Das GIBG unterscheidet zwischen einer unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung. Gemäß §5 GIBG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person auf Grund ihres Geschlechtes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.

Die Reihungspunkte für die an Frauen vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit werden nur aufgrund des Geschlechtes vergeben. Männer erfahren dadurch eine weniger begünstigte Behandlung aufgrund des Geschlechts, sie werden unmittelbar diskriminiert.

Gemäß §8 GIBG gelten die in Gesetzen, in Verordnungen, in Instrumenten der kollektiven Rechtsgestaltung oder in generellen mehrere Arbeitnehmer/innen umfassende Verfügungen des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin getroffenen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten im Sinne des Art7 Abs2 B-VG, nicht als Diskriminierungen im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes. Dies gilt auch für Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in den in §4 GIBG genannten Bereichen. Diese Bestimmung kann jedoch auf die Reihungskriterien-Verordnung nicht angewendet werden, da, wie schon oben ausgeführt, das Ziel der Verordnung nicht die Beseitigung von tatsächlich bestehende[n] Ungleichheiten sondern der bessere Zugang von Frauen zu Frauenfachärztinnen ist. Im Gegensatz zur mittelbaren Diskriminierung ist bei der unmittelbaren Diskriminierung eine sachliche Rechtfertigung nicht möglich. Folglich kann in diesem Fall die Diskriminierung in diesem Fall mit dem Ziel den Zugang von Frauen zu Fachärztinnen zu erleichtern nicht gerechtfertigt werden.

Zur Präjudizialität der einzelnen Bestimmungen:

Ein Gericht kann einen Antrag auf Aufhebung von Bestimmungen einer Verordnung an den VfGH nur in dem Ausmaß stellen, als es die entsprechenden Bestimmungen auch anzuwenden hat. Zugleich hat es bei der Angabe der angefochtenen Bestimmung darauf zu achten, dass einerseits alle belastenden Rechtswirkungen durch die Aufhebung auch wirklich entfallen (z.B.: VfSlg 14.477, 14.526) und andererseits der verbliebene Rest keinen völlig veränderten Inhalt hat (z.B.: 15.031). Zudem ist die Aufhebung aller Bestimmungen, die miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, zu beantragen (z.B.: VfSlg 16.121). Der VfGH geht dabei von einem weiten Spielraum des antragstellenden Gerichts aus; eine Zurückweisung erfolgt aber dann, wenn es denkunmöglich ist, dass die angefochtenen Bestimmungen eine Voraussetzung der Entscheidung des Gerichtes bilden (z.B.: VfSlg 18.580, 18.595, 18.738).

Im Lichte dieser Anforderung begründet das antragsstellende Gericht den Umfang seines Anfechtungsbegehrens wie folgt:

Der Kläger wird bei der Vergabe von Einzelverträgen von der Ärztekammer für Salzburg nach der Richtlinie der Ärztekammer für Salzburg und der Salzburger Gebietskrankenkasse für die Auswahl der VertragsärztInnen für Allgemeinmedizin und VertragsfachärztInnen sowie für Vertragsgruppenpraxen und GesellschafterInnen von Vertragsgruppenpraxen gereiht. Die Gebietskrankenkasse und die Ärztekammer sind bei der Erlassung und Anwendung der Richtlinie an die Reihungskriterien-Verordnung gebunden. Daher hat das Landesgericht Salzburg bei der Entscheidung ob die Salzburger Ärztekammer die Anwendung der Richtlinie zu unterlassen hat, die Reihungskriterien-Verordnung mit zu berücksichtigen. Die Bedenken des antragsstellenden Gericht[s] bestehen dabei konkret hinsichtlich der Wortfolge in §2 Abs1 Z5 'bei im Sonderfach 'Frauenheilkunde und Geburtshilfe' ausgeschriebenen Einzelverträgen die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit'. Da die Wortfolge §3 Abs1 Gedankenstrich 5 Reihungskriterien-Verordnung 'nach §2 Abs1 Z5 zehn Prozent der durch die jeweiligen Gesamtvertragsparteien festgelegten erreichbaren Punkte' mit §2 Abs1 Z5 leg cit in einem untrennbaren Zusammenhang steht wird auch deren Aufhebung beantragt."

3.       Der Bundesminister für Gesundheit erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, das Verfahren einzustellen, in eventu die Bestimmungen nicht als gesetzwidrig aufzuheben und für den Fall einer Aufhebung eine Frist von einem halben Jahr für das Außerkrafttreten zu bestimmen. Dabei tritt er den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegen:

"a) Zur Bindung der Ärztekammer Salzburg an die Reihungskriterien-Verordnung:

Die Auswahl der Vertragsärztinnen und -ärzte und der Abschluss der Einzelverträge zwischen dem jeweiligen Krankenversicherungsträger und der Ärztin oder dem Arzt erfolgt nach §343 Abs1 ASVG nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer.

Die nach §343 Abs1a ASVG vom Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen erlassene Verordnung BGBl II Nr 487/2002 idF der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit BGBl II Nr 239/2009 (3. Änderung der Reihungskriterien-Verordnung) legt Auswahlkriterien für die Reihung der Bewerberinnen und Bewerber um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern fest; sie ist sowohl für die Krankenversicherungsträger als auch für die jeweils zuständigen Ärztekammern verbindlich.

Nach §4 Abs2 des gemäß den §§338 ff Allgemeines Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, und §66 Abs2 Z8 Ärztegesetz 1998, BGBl I Nr 169/1998, zwischen dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger für die sogenannten '§2-Kassen' (Salzburger Gebietskrankenkasse, Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Betriebskrankenkasse Austria Tabak) und der Ärztekammer für Salzburg, Kurie der niedergelassenen Ärzte, abgeschlossenen Gesamtvertrages (kompilierte, ab 2. Jänner 2014 geltende Fassung inklusive der 4. Zusatzvereinbarung abrufbar unter www.avsv.at, Verlautbarung Nr 68/2014; nach dem die Salzburger Gebietskrankenkasse von den anderen genannten Versicherungsträgern zum Abschluss gesamtvertraglicher Vereinbarungen und zum Abschluss von Einzelverträgen mit Ärztinnen und Ärzten bevollmächtigt ist – §2 Abs2), können die Vertragsparteien für die Auswahl der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte Richtlinien vereinbaren (siehe dazu die im Anhang A zu §4 enthaltenen 'Richtlinien der Ärztekammer für Salzburg und der Salzburger Gebietskrankenkasse für die Auswahl der VertragsärztInnen für Allgemeinmedizin und VertragsfachärztInnen sowie für Vertragsgruppenpraxen und GesellschafterInnen von Vertragsgruppenpraxen').

Wie auch vom Verfassungsgerichtshof in V123/09 vom 30. Juni 2011 ausgeführt, hat sich die Ärztekammer bei ihrer Mitwirkung im Verfahren zur Vergabe eines Einzelvertrages an der Reihungskriterien-Verordnung zu orientieren. Aus diesem Grund kann die Ärztekammer für Salzburg dem Kläger mangels gegebener Voraussetzungen die nach den §§2 Abs1 Z5 und 3 Abs1 fünfter Teilstrich der Reihungskriterien-Verordnung gebührende Punktezahl nicht gewähren beziehungsweise hat sie diese aufgrund des Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen weiblichen Bewerberinnen zu gewähren.

b) Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitssatz/das Gleichbehandlungs-gesetz:

Der Gleichheitssatz gebietet die Schaffung nur sachlich begründbarer Differenzierungen (VfSlg 8169/1977 uva). Ein Gesetz entspricht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz dann, wenn in ihm enthaltene Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar sind (VfSlg 4392/1963 uva).

Die Reihungskriterien-Verordnung legt in §2 Abs1 die Auswahlkriterien für die Reihung der BewerberInnen um Einzelverträge mit den Krankenversicherungs-trägern fest.

Auswahlkriterien sind:

?    die fachliche Eignung, die aufgrund der Berufserfahrung als Ärztin oder Arzt zu beurteilen ist;

?    zusätzliche fachliche Qualifikationen, die insbesondere durch Vorlage von Diplomen über die erfolgreiche Absolvierung einer fachlichen Fortbildung, die von der Österreichischen Ärztekammer verliehen oder anerkannt werden, nachzuweisen sind;

?    der Zeitpunkt der ersten Eintragung in die BewerberInnenliste um Einzelverträge nach Erlangung des Rechtes zur selbständigen Berufsausübung als Ärztin oder Arzt für Allgemeinmedizin bzw. als Fachärztin oder als Facharzt;

?    die Zusage eines ernsthaften Bemühens um die Schaffung eines behinderten-gerechten Praxiszuganges

?    sowie seit der 3. Änderung der Reihungskriterien-Verordnung durch BGBl II Nr 239/2009 für im Sonderfach 'Frauenheilkunde und Geburtshilfe' ausge-schriebene Einzelverträge die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit.

Daneben können als weitere Kriterien Zeiten eines geleisteten Präsenz-, Aus-bildungs- oder Zivildienstes sowie zurückgelegte Mutterschutz- und Karenzzeiten wie auch die soziale Förderwürdigkeit aufgrund etwaig bestehender Sorgepflichten für Kinder berücksichtigt werden.

Die Erfüllung der Kriterien ist nach dem im §3 Abs1 festgelegten Punktesystem zu bewerten, wobei die einzelnen Kriterien unterschiedlich gewichtet sind.

Die fachliche Eignung nach §2 Abs1 Z1 leg. cit. ist mit 15 bis 35 Punkten zu be-werten; die zusätzlichen fachlichen Qualifikationen nach §2 Abs1 Z2 leg. cit sind mit 5 bis 15 Punkten, die Ersteintragung in die BewerberInnenliste nach §2 Abs1 Z3 leg. cit. mit 5 bis 20 Punkten zu bewerten. Für die Bewertung dieser Kriterien stehen damit die höchsten Punktezahlen zur Verfügung, während die in den nachfolgenden Teilstrichen des §3 Abs1 angeführten Kriterien nach §2 Abs1 Z4 und 5 sowie nach Abs2 Z1 und 2 leg. cit. mit Punkten in geringerem Ausmaß zu bewerten sind.

Für die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit können maximal 10 % aller durch die Gesamtvertragsparteien festgelegten erreichbaren Punkte vergeben werden.

Im Bundesland Salzburg sehen die zwischen der Ärztekammer für Salzburg (ÄKS) und der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) für die Auswahl der VertragsärztInnen für Allgemeinmedizin und VertragsfachärztInnen sowie für Vertragsgruppenpraxen und GesellschafterInnen von Vertragsgruppenpraxen vereinbarten und im Anhang A zu §4 des Ärzte-Gesamtvertrages enthaltenen Reihungsrichtlinien 10 % der in diesen Reihungsrichtlinien festgelegten maximal erreichbaren Punkte, somit 7,5 Punkte im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe für die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit vor (§3 Abs6 Z6a der Richtlinien). Allein der Umstand, dass diesem Kriterium gegenüber den anderen Kriterien, insbesondere den ersten dreien, ein so geringes Gewicht beigemessen wird, zeigt, dass die durch das weibliche Geschlecht vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit in einem nicht [unverhältnismäßigen] Ausmaß berücksichtigt wird.

Ausschlaggebend für die 3. Änderung der Reihungskriterien-Verordnung und für deren Ergänzung unter anderem um die nunmehr in Prüfung gezogenen Wortfolgen war eine aufgrund eines konkreten Einzelfalles durchgeführte österreichweite Betrachtung der Verteilung der Vertragsarztstellen nach Geschlechtern in diesem Sonderfach.

Diese Betrachtung zeigte ein im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe bestehendes starkes Ungleichgewicht bei der tatsächlichen Verteilung der Vertragsfacharztstellen auf Männer und Frauen, das im Bundesland Kärnten mit einem 100%-Anteil an männlichen Vertragsärzten am stärksten ausgeprägt war. In den Bundesländern Steiermark (8,8% weibliche Vertragsärztinnen, 91,2% männliche Vertragsärzte), Tirol (10 % weibliche Vertragsärztinnen, 90% männliche Vertragsärzte) und Salzburg (11,1% weibliche Vertragsärztinnen, 88,9% männliche Vertragsärzte) war der Anteil weiblicher Vertragsärztinnen im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe bei den Gebietskrankenkassen ebenfalls sehr gering. Österreichweit betrug der Anteil weiblicher Vertragsfachärztinnen im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe bei den Gebietskrankenkassen 16,7%, dem stand ein Anteil von 83,3% an männlichen Vertragsärzten im betreffenden Sonderfach […] gegenüber.

Das Geschlecht der Bewerberin oder des Bewerbers spielt jedoch vor allem im Sonderfach 'Frauenheilkunde und Geburtshilfe' eine wesentliche Rolle. Nach Erkenntnissen aus dem Bereich der geschlechtsspezifischen Medizin ziehen Frauen Frauenärztinnen den männlichen Frauenärzten aus einer Vielzahl von Gründen vor (Geschlechtsspezifische Medizin; Männer in der Gynäkologie – Frauen in der Urologie; Artikel von Univ.-Doz. Dr. Katharina Schuchter und Dr. Martha Krumpl-Ströher, ökz 12/2002). Viele Frauen meinen, Ärztinnen seien sensitiver, empathischer und verständnisvoller. Manche Frauen hätten wiederum Schwierigkeiten, ihre Genitalien einem fremden Mann zu exponieren. Zudem zeige sich auch in privaten Gesprächen und bei öffentlichen Diskussionen noch immer eine große Scheu der männlichen Gynäkologen, ihre Patientinnen zum Thema Sexualität zu befragen. Daraus resultiere nach Ansicht der Autorinnen zwangsläufig ein Wissensdefizit, das von den Patientinnen nicht aktiv reduziert werde. Die Autorinnen stellen weiters die – nicht unberechtigte – Frage, ob nicht das Wissen um die Gefühle und Empfindungen der Frau in allen Lebenslagen auch die Operationsmethoden eines operativ tätigen Gynäkologen beeinflussen müsste und ob männliche Gynäkologen ohne die Erfahrung ihrer weiblichen Kolleginnen in der Lage sind, die Empfindungen ihrer Patientinnen nachzuvollziehen. Das bloße Wissen um Anatomie und Physiologie der Frau beinhalte nicht automatisch auch das Wissen um ihre Gefühle, Empfindungen und Wünsche. Die genannten Autorinnen verweisen weiters auf Studien, in denen der Einfluss des Geschlechts auf den ärztlichen Arbeitsstil überprüft wurde. Darin kam man zum Schluss, dass sich Ärztinnen mehr in Richtung Präventivmedizin engagierten und mit den Patientinnen anders kommunizierten als männliche Ärzte. Frauenärztinnen stellten mehr Fragen, involvierten sich mehr in Partnerschaftsprobleme, sprächen positiver und gäben mehr Informationen weiter. Diese Fakten scheinen auch die höhere Patientenzufriedenheit mit Ärztinnen in den Studien teilweise zu erklären (The influence of gender on physician practice style. Bertakis KD, Helms LJ, Callahan EJ, Azari R, Robbins JA. Med Care 1995 Apr; 33(4): 407-16; Preventive care for women: Does the sex of the physician matter? Lurie N., Slater. J., Mc-Govern P, et al. N Engl J Med 1993; 2.0: 478-481). Zudem orientieren sich Ärztinnen häufiger am therapeutischen Ansatz des 'Caring', Ärzten wird eher die Haltung des 'Curing' zugeordnet (Health of female physicians, Artikel von A. Bühren, Deutscher Ärztinnenbund, mit Verweis auf: Von Castelberg B. In: Vetter K, Buddeberg C. Feminisierung in der Medizin, 1. Auflage. Hamburg: akademos Wissenschaftsverlag, 2003: 54-59).

Insbesondere bei gynäkologischen Untersuchungen von Frauen mit Migrations-hintergrund, zum Beispiel von Musliminnen aufgrund eines kulturell unterschiedlichen Schamgefühls, ist die Behandlung durch weibliche Fachärztinnen im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe die ideale Vorgangsweise. Werden diese interkulturellen Unterschiede nicht bedacht, kann dies zum Beispiel dazu führen, dass muslimische Frauen auf eine Schwangerschaftsuntersuchung verzichten, wenn sie nicht von gleichgeschlechtlichem Personal betreut werden (Anneg-Moazedi, Schahrzad (2009). Gynäkologische Behandlung muslimischer Frauen. In: Rasky, Eva (Hrsg.) (2009). Gesundheit hat Bleiberecht - Migration und Gesundheit. Wien, Facultas Verlag, S.180-186; siehe dazu auch den Vortrag von Ass. Prof. OA Dr. Daniela Dörfler, Univ. Klinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien zum Thema 'Anforderungen und Herausforderungen an eine Ambulanz für Migrantinnen' beim Symposium 'Migration – Epidemiologische und medizinische Aspekte', am 16.11.2011 in Wien).

Die österreichweit einzige Missbrauchsambulanz, die bereits seit dem Jahr 2002 bestehende 'Ambulanz für sexuellen Missbrauch und Gewalt' im Krankenhaus Dornbirn, setzt ebenfalls auf die besondere Vertrauenswürdigkeit weiblicher Fachärztinnen: Die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Frauen werden ausschließlich von weiblichem Personal betreut und untersucht. Auch im Falle der Untersuchung und Behandlung von Mädchen im Teenageralter und für die Beratung bei sexuellen Problemen werden weibliche Fachärztinnen bevorzugt. Durch den Umstand, dass weibliche Fachärztinnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe dasselbe Geschlecht aufweisen wie ihre Patientinnen, ist eine besondere Vertrauenswürdigkeit vermittelbar, sodass Frauen den Wunsch verspüren, gynäkologische Untersuchungen und Behandlungen von einer Ärztin durchführen zu lassen.

Aufgrund des im Zeitpunkt der 3. Änderung der Reihungskriterien-Verordnung bestehenden Ungleichgewichts bei der tatsächlichen Verteilung der Planstellen auf Männer und Frauen in diesem Sonderfach waren diese jedoch gezwungen, entweder Wahlärztinnen zu konsultieren oder – bei fehlender Wahlfreiheit aufgrund beschränkter finanzieller Ressourcen – männliche Vertragsfachärzte in Anspruch zu nehmen:

Nach §135 ASVG wird ärztliche Hilfe unter anderem durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte wie auch durch Wahlärztinnen und Wahlärzte erbracht. Während Vertragsärztinnen und Vertragsärzte Sachleistungen unter Vorlage der e-card ohne Beanspruchung der eigenen Mittel der Versicherten erbringen, können Wahlärztinnen und Wahlärzte hingegen nur privat in Anspruch genommen werden. Die oder der Versicherte hat das Honorar für die erbrachten Leistungen daher zunächst selbst zu entrichten und erst nach Vorlage der saldierten Honorarnote Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Krankenversicherungsträger. Kostenerstattung gebührt jedoch nur im Ausmaß von 80 Prozent jenes Betrages, der dem Versicherungsträger bei Inanspruchnahme einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes entstanden wäre (§131 ASVG).

Die Inanspruchnahme einer Wahlärztin oder eines Wahlarztes bringt daher nicht nur eine sofort eintretende finanzielle Belastung und einen daran anschließenden administrativen Aufwand in Form eines zu stellenden Kostenerstattungsantrages mit sich, sondern kann in Fällen, in denen das von der Wahlärztin oder dem Wahlarzt in Rechnung gestellte Honorar den Vertragstarif übersteigt, auch zu einer erheblichen Kostenbeteiligung der Patientin oder des Patienten führen.

Steht im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe keine Vertragsfachärztin zur Verfügung, hat die Versicherte jedoch das Bedürfnis, gynäkologische Unter-suchungen und Behandlungen von einer Ärztin durchführen zu lassen, verbleibt ihr demnach nur die Möglichkeit, eine Wahlärztin zu konsultieren, deren Inanspruchnahme jedoch den Einsatz eigener finanzieller Mittel und die Inkaufnahme eines administrativen Zusatzaufwandes zwecks Erlangung einer Kostenerstattung voraussetzt. Für Versicherte mit knapperen finanziellen Ressourcen besteht hingegen nur die Möglichkeit, einen männlichen Vertragsfacharzt aufzusuchen – eine Problematik, die verstärkt Frauen mit Migrationshintergrund betrifft.

Die mangelhafte Versorgung mit Vertragsfachärztinnen im Sonderfach 'Frauen-heilkunde und Geburtshilfe' im Zeitpunkt der Erlassung der 3. Änderung der Reihungskriterien-Verordnung führte daher insbesondere zu einer Benachteiligung finanziell schlechter gestellter weiblicher Versicherter.

Diese Benachteiligung sollte durch die im Rahmen der 3. Änderung der Reihungskriterien-Verordnung vorgenommenen und nunmehr in Prüfung gezogenen Änderungen, durch die der Anteil der Vertragsfachärztinnen im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe erhöht werden sollte, beseitigt werden.

Das Bundesministerium für Gesundheit verkennt nicht, dass ein Kassenvertrag wirtschaftlich wertvoll ist, da er der Inhaberin oder dem Inhaber eine größere Anzahl von Patientinnen und Patienten sichert.

Dennoch wurden die durch die 3. Änderung der Reihungskriterien-Verordnung vorgenommenen Neuregelungen im Bereich des Sonderfaches Frauenheilkunde und Geburtshilfe vor allem darum vorgenommen, um damit allen Frauen – unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit – die Möglichkeit zu geben, gynäkologische Untersuchungen und Behandlungen auch von Vertragsfachärztinnen im genannten Sonderfach vornehmen zu lassen.

Die durch die Verordnung getroffene Differenzierung zwischen Bewerberinnen und Bewerbern im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur Erhöhung des Anteiles der Vertragsfachärztinnen in diesem Sonderfach liegt nach dem Ausgeführten im Interesse der Versicherten und ist daher jedenfalls solange sachlich begründbar und rechtfertigbar, bis die Versicherten die Möglichkeit haben, in ihrer Versorgungsregion zwischen der Inanspruchnahme einer Vertragsfachärztin oder eines Vertragsfacharztes zu wählen. Auch die Vergabe von 10 % der durch die jeweiligen Gesamtvertragsparteien festgelegten erreichbaren Punkte ist nicht unverhältnismäßig.

Nach Art7 Abs2 B-VG idF BGBl I Nr 68/1998 sind Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch die Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten zulässig. Damit sind Maßnahmen einer 'positiven Diskriminierung' zu Lasten von Männern insoweit zulässig, als sie einer Beseitigung tatsächlicher Benachteiligungen von Frauen förderlich und verhältnismäßig sind.

Nach den Materialien dazu (1114 d.B, XX. GP) steht 'außer Streit, dass es notwendig ist, Maßnahmen zu ergreifen, um die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau herbeizuführen und faktische Benachteiligungen zu beseitigen.' Ausdrücklich wird auch 'betont, dass Maßnahmen zur Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern zulässig sind.' Durch diese Ergänzung werde auch 'klargestellt, dass durch diese Novelle – entgegen den Bedenken im Begutachtungsverfahren – der Gleichheitssatz keineswegs durchbrochen werden soll. Selbstverständlich ist eine unsachliche Diskriminierung von Männern weiterhin genauso verboten wie eine unsachliche Diskriminierung von Frauen, doch besteht kein Zweifel, dass angesichts der tatsächlichen Schlechterstellung von Frauen deren Förderung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist.'

Für die durch das weibliche Geschlecht vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit können nach §2 Z5 in Verbindung mit §3 fünfter Teilstrich der Reihungskriterien-Verordnung im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe 10 % der erreichbaren Punkte vergeben werden. Das sind nach §3 Abs6 Z6a der Reihungsrichtlinien 7,5 Punkte, mit denen ein nur den weiblichen Bewerberinnen zugänglicher Umstand berücksichtigt wird. Da dadurch gerade einmal ein Zehntel aller erreichbaren Punkte erlangt werden kann, ist die Bepunktung der durch das weibliche Geschlecht vermittelbaren besonderen Vertrauenswürdigkeit aus Sicht des Bundesministeriums für Gesundheit weder als unsachlich noch als unverhältnismäßig zu betrachten.

Auch nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet der Gleichheitssatz nicht zu einer absoluten Gleichbehandlung der Geschlechter, sodass Differenzierungen zulässig sind (VfSlg 12.568). Ungleichheiten können (vorübergehend) sachlich sein, wenn sie wenigstens in die Richtung eines Abbaus der Unterschiede wirken (VfSlg 8871).

Auch eine ausschließlich an Frauen gerichtete Stellenausschreibung kann zulässig sein, wenn das Geschlecht für die Tätigkeit von wesentlicher Bedeutung ist (z.B. Betreuerin im Mädcheninternat, Integrationsberaterin für zugewanderte Frauen; siehe zum Beispiel ein Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission vom Jänner 2012; ähnlich VG Münster, Urteil vom 23. Januar 2009, Az. 11 K 1383/07). Im Hinblick auf diese Möglichkeit stellt die besondere Berücksichtigung des vermittelten Vertrauens durch das weibliche Geschlecht in der Reihungskriterien-Verordnung nicht nur ein sachliches und taugliches Mittel dar, sondern ist auch als gelinderer Eingriff zu sehen.

Die in der Zuteilung von Punktewerten durchgeführte Differenzierung nach dem Geschlecht findet ihre Entsprechung daher in Unterschieden im Tatsächlichen, so dass die getroffene Regelung aufgrund der besonderen Gegebenheiten bei der Versorgung der weiblichen Bevölkerung mit gynäkologischen Leistungen insgesamt als sachlich anzusehen und jedenfalls solange gerechtfertigt ist, bis die Zahl der Vertragsärztinnen gegenüber den Vertragsärzten im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe auf ein vertretbares Maß angestiegen ist.

Das Bundesministerium für Gesundheit vertritt daher die Ansicht, dass die vom Beschwerdeführer angefochtenen Bestimmungen auch im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des Art7 Abs2 B-VG dem Gleichheitssatz entsprechen.

c) Zu den Auswirkungen der angefochtenen Bestimmungen in Salzburg und österreichweit:

Zur Veranschaulichung der Situation im Bundesland Salzburg werden folgende Zahlen der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) angeführt:

Zum 23. Juli 2009 waren im Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Vertragspartnerbereich von 22 besetzten Planstellen drei mit Frauen besetzt. Diese Zahl hat sich bei gleichbleibender Planstellenzahl bis zum 18. Juli 2014 auf sieben Frauen erhöht. Dies entspricht einem Anteil von rund 13,6 %.

Im Jahr 2013 wurden 69.123 Anspruchsberechtigte durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte behandelt. Im Vergleich dazu suchten 23.511 Anspruchsberechtigte Wahlfachärztinnen und Wahlfachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe auf.

Im Jahr 2013 wurden insgesamt 40.288 Honorarnoten von Wahlfachärztinnen und Wahlfachärzten für Frauenheilkunde – 62,5 % davon wurden von Frauen ausgestellt – zur Kostenerstattung eingereicht. Dies entspricht einem Drittel aller Honorarnoten für Wahlfachärztinnen und Wahlfachärzte aller Fächer und übersteigt die auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin eingereichten Honorarnoten.

Der Stellenplan der SGKK weist eine relativ hohe – österreichweit die drittstärkste – Versorgungsdichte mit Vertragsärztinnen und Vertragsärzten im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe auf. Dennoch suchen fast 26 % der Patientinnen Wahlärztinnen und Wahlärzte auf. Der Anteil ist fast dreimal so hoch wie bei allen übrigen Fachgebieten. Dies dürfte mit der höheren Anzahl und der besseren Verteilung von Frauen im Wahlärztebereich und dem Bedürfnis nach Behandlung durch eine Frau zu erklären sein.

Vergleicht man österreichweit die Anzahl von Vertragsärztinnen im Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe – die einen Vertrag mit allen Krankenversicherungsträgern haben – im Jahr 2009 mit der Anzahl im Jahr 2014 so ergibt sich, dass die Zahl der Vertragsärztinnen in jedem Bundesland um zumindest eine Vertragsärztin gestiegen ist:

So ist die Zahl der Vertragsärztinnen beispielsweise im Bundesland Steiermark von 4 auf 8, im Bundesland Tirol von 2 auf 4 und im Bundesland Oberösterreich von 7 auf 12 gestiegen […].

Außerdem hat im Bundesland Kärnten nunmehr erstmals eine weibliche Vertragsfachärztin im genannten Sonderfach einen Kassenvertrag mit allen Kassen erhalten. Diese Fachärztin war bislang als Wahlärztin tätig und soll künftig in Klagenfurt-Stadt ordinieren.

Auch die Zahl der Vertragsärztinnen, die zumindest mit einem Sonderversicherungsträger einen Kassenvertrag haben, ist seit 2009 gestiegen:

So ist die Zahl beispielsweise im Bundesland Niederösterreich von 20 auf 22, im Bundesland Oberösterreich von 8 auf 13 und im Bundesland Wien von 30 auf 35 gestiegen.

Damit wirken die nunmehr in Prüfung gezogenen Wortfolgen der 3. Änderung der Reihungskriterien-Verordnung in Richtung Abbau der Unterschiede und führen de facto zu einer Erhöhung der Zahl an weiblichen Vertragsfachärztinnen im Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Zusammenfassend kommt das Bundesministerium für Gesundheit daher zu dem Ergebnis, dass die in Prüfung gezogene Regelung gesetzmäßig und verfassungsrechtlich unbedenklich ist."

4.       Die beim Landesgericht Salzburg klagende Partei erstattete eine Äußerung, in der sie sich den Bedenken des Landesgerichts anschließt.

5.       Der Verfassungsgerichtshof hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die für das Verfahren wesentlichen Tat- und Rechtsfragen mit den Parteien erörtert wurden.

II.      Rechtslage

1.       Die maßgeblichen Vorschriften des Bundesgesetzes vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG), BGBl 189/1955, lauten in der hier maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt:

"§338. (1) Die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den freiberuflich tätigen Ärzten/Ärztinnen, Zahnärzten/Zahnärztinnen, Gruppenpraxen nach den §§52a und 52b des Ärztegesetzes 1998 und §26 des Zahnärztegesetzes, BGBl I Nr 126/2005, Dentisten/Dentistinnen, Hebammen, Apothekern/Apothekerinnen, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen/Psychologinnen, freiberuflich tätigen Psychotherapeuten/Psychotherapeutinnen, freiberuflich tätigen Heilmasseuren/Heilmasseurinnen, Pflegepersonen, die medizinische Hauskrankenpflege nach §151 erbringen, und anderen Vertragspartnern/Vertragspartnerinnen werden durch privatrechtliche Verträge nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geregelt. Diese Verträge bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der schriftlichen Form. Die Verträge sowie allfällige Änderungen und Zusatzvereinbarungen sind vom Hauptverband im Internet zu veröffentlichen. Nach jeder fünften Änderung ist vom Hauptverband eine konsolidierte Fassung zu veröffentlichen.

(2) Durch die Verträge nach Abs1 ist die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen. Eigene Einrichtungen der Versicherungsträger dürfen für die Versorgung mit diesen Leistungen nur nach Maßgabe der hiefür geltenden gesetzlichen Vorschriften herangezogen werden.

(2a) – (4) […]"

"Aufnahme der Ärzte in den Vertrag und Auflösung des Vertragsverhältnisses

§343. (1) Die Auswahl der Vertragsärztinnen/Vertragsärzte und der Vertrags-Gruppenpraxen und der Abschluss der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Arzt/der Ärztin oder der Gruppenpraxis erfolgt nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer. Diese Einzelverträge sind sodann für alle Gebiets- und Betriebskrankenkassen sowie für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wirksam. Die Einzelvertragsparteien können abweichend von §341 Abs3 mit Zustimmung der zuständigen Ärztekammer ergänzende oder abweichende Regelungen hinsichtlich Art, Umfang und Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit insbesondere im Zusammenhang mit der Festlegung der Öffnungszeiten, für Spitalsambulanzen entlastende Leistungen, oder für dislozierte Standorte treffen. Wurden in einem Zulassungsverfahren nach §52c ÄrzteG 1998 oder §26b Abs1 ZÄG Auflagen erteilt, so sind diese Inhalt des jeweiligen Einzelvertrages. Einzelverträge, die nicht im Rahmen der jeweils nach §342 Abs1 Z1 vereinbarten Zahl und örtlichen Verteilung abgeschlossen werden, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Hauptverbandes und der zuständigen Ärztekammer, bei Nichteinigung der Zustimmung des Hauptverbandes und der Österreichischen Ärztekammer. Mit approbierten Ärztinnen/Ärzten (§44 Abs1 ÄrzteG 1998) kann kein Einzelvertrag abgeschlossen werden, es sei denn, der Arzt/die Ärztin hat gemäß Artikel 29 der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen das Recht erworben, den ärztlichen Beruf als Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin im Rahmen eines Sozialversicherungssystems auszuüben.

(1a) Zur Auswahl nach Abs1 sind auf Vorschlag der Österreichischen Ärztekammer durch Verordnung des Bundesministers für Gesundheit verbindliche Kriterien für die Reihung der Bewerberinnen und Bewerber um Einzelverträge festzulegen (Reihungskriterien). Dabei sind auch die fachliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber und die zeitliche Reihenfolge der Bewerbungen um Einzelverträge zu berücksichtigen. Für den Fall der Vergabe eines Gruppenpraxen-Einzelvertrages ist die Bewertung der sich jeweils gemeinsam bewerbenden Ärztinnen/Ärzte als Gesamtes vorzusehen. Für die Besetzung einer in einer Gruppenpraxis gebundenen Planstelle ist prozentmäßig eine Bandbreite festzulegen, innerhalb derer die Bewerbungen, aus denen die Gruppenpraxis auswählen kann, liegen müssen. Die Reihungskriterien haben jedenfalls dem Gleichheitsgebot, der Erwerbsausübungs- und Niederlassungsfreiheit sowie den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, BGBl Nr 210/1958, zu entsprechen. Vor Erlassung dieser Verordnung ist der Hauptverband anzuhören.

(1b) – (5) […]"

2.       Die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Kriterien für die Reihung der ärztlichen und zahnärztlichen BewerberInnen um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern (Reihungskriterien-Verordnung), BGBl II 487/2002 idF der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, BGBl II 239/2009, lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Auswahl der Vertragsärztinnen/Vertragsärzte

§1. Die Auswahl der Vertragsärztinnen/Vertragsärzte und der Vertrags-Gruppenpraxen hat im Sinne des §343 Abs1 erster Satz ASVG nach den im §2 genannten Reihungskriterien zu erfolgen.

Reihungskriterien

§2. (1) Die Kriterien für die Reihung der BewerberInnen um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern sind:

1. die fachliche Eignung, die auf Grund der Berufserfahrung als Ärztin/Arzt zu beurteilen ist; dabei sind jedenfalls Tätigkeiten als niedergelassene Ärztin/niedergelassener Arzt, als Praxisvertreterin/Praxisvertreter sowie als angestellte Ärztin/angestellter Arzt zu berücksichtigen; zusätzlich können Tätigkeiten als Notärztin/Notarzt oder als Ärztin/Arzt im Bereitschaftsdienst oder eine Tätigkeit im Rahmen einer Lehrpraxis berücksichtigt werden;

2. zusätzliche fachliche Qualifikationen, die insbesondere durch Vorlage von Diplomen über die erfolgreiche Absolvierung einer fachlichen Fortbildung, die von der Österreichischen Ärztekammer verliehen oder anerkannt werden, nachzuweisen sind;

3. der Zeitpunkt der ersten Eintragung in eine BewerberInnenliste um Einzelverträge nach Erlangung des Rechtes zur selbständigen Berufsausübung als Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin bzw. als Fachärztin/Facharzt und die allenfalls darauf folgende nach zeitlichen und örtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende regelmäßige Bewerbung um Einzelverträge; in Bundesländern, in denen eine derartige BewerberInnenliste bis zum In-Kraft-Treten dieser Verordnung nicht besteht, ist dem Zeitpunkt der ersten Eintragung jener Zeitpunkt gleichzuhalten, zu dem die Bewerberin/der Bewerber die Voraussetzungen für eine Eintragung in die nunmehr zu schaffende BewerberInnenliste erstmals erfüllt hätte;

4. die Zusage, sich ernsthaft zu bemühen, einen behindertengerechten Zugang zur Praxis nach den Bestimmungen der ÖNORM B 1600 'Barrierefreies Bauen' sowie der ÖNORM B 1601 'Spezielle Baulichkeiten für behinderte und alte Menschen' bei Vertragsbeginn oder innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsbeginn zu schaffen;

5. bei im Sonderfach 'Frauenheilkunde und Geburtshilfe' ausgeschriebenen Einzelverträgen die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit.

(2) Als weitere Kriterien für die Reihung können berücksichtigt werden:

1. ein geleisteter Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst sowie zurückgelegte Mutterschutzzeiten nach dem Mutterschutzgesetz 1979, zurückgelegte Karenzzeiten, auch wenn diese in einem anderen EG-Mitgliedstaat oder EWR-Staat zurückgelegt wurden und Zeiten, für die ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld oder gleichartige Leistungen für BewerberInnen aus anderen EG-Mitgliedstaaten oder EWR-Staaten besteht.

2. die soziale Förderungswürdigkeit, etwa auf Grund von bestehenden Sorgepflichten für Kinder oder auf Grund von gegenwärtiger Arbeitslosigkeit.

Bewertung

§3. (1) Die Bewertung der BewerberInnen hat nach einem Punktesystem in der Weise zu erfolgen, dass für die Erfüllung der Kriterien

- nach §2 Abs1 Z1 15 bis 35 Punkte,

- nach §2 Abs1 Z2 fünf bis 15 Punkte,

- nach §2 Abs1 Z3 fünf bis 20 Punkte,

- nach §2 Abs1 Z4 zwei bis fünf Punkte,

- nach §2 Abs1 Z5 zehn Prozent der durch die jeweiligen Gesamtvertragsparteien festgelegten erreichbaren Punkte,

- nach §2 Abs2 Z1 und 2 jeweils bis fünf Punkte erreicht werden können. Dabei darf der auf Grund der Kriterien nach §2 Abs2 Z1 und 2 erreichte Anteil an der Gesamtpunktezahl 30% nicht überschreiten.

(2) Der Krankenversicherungsträger und die Ärztekammer können gemeinsam die Invertragnahme der/des Erstgereihten mit Begründung ablehnen, wenn erhebliche Bedenken bestehen, dass der mit dem Einzelvertrag verbundene Versorgungsauftrag durch diese Bewerberin/diesen Bewerber nicht erfüllt werden kann.

(3) Sind zwei oder mehrere BewerberInnen erstgereiht, so gilt jene Bewerberin/jener Bewerber als allein erstgereiht, die/der mehr Punkte für die fachliche Qualifikation (Summe der Punkte nach §2 Abs1 Z1 und 2) erreicht hat. Liegt auch bei der fachlichen Qualifikation Punktegleichstand vor, so ist die Entscheidung über die Vergabe auf Grund eines Hearings der Erstgereihten vor VertreterInnen des Krankenversicherungsträgers und der Ärztekammer zu treffen; die Frauenquote im jeweiligen Versorgungsgebiet ist zu berücksichtigen. Darüber hinaus kann zwischen Krankenversicherungsträger und Ärztekammer vereinbart werden, ein Hearing jener BewerberInnen, deren Punktezahl innerhalb einer Bandbreite von 5% der Punktezahl der/des Erstgereihten liegt, durchzuführen.

(4) Ist im Fachgebiet (Allgemeinmedizin und Sonderfächer) des ausgeschriebenen Einzelvertrages der Anteil an Vertragsärztinnen geringer als

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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