RS Vfgh 2014/3/12 F1/2013

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Veröffentlicht am 12.03.2014
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Index

93/01 Eisenbahn

Norm

B-VG Art138a Abs1
BVG über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes Art1, Art2
Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, BGBl I 35/1999 Art1, Art4, Art6
EisenbahnkreuzungsV 2012 (EisbKrV) §1 ff
EisenbahnG 1957 §48 Abs2, §49

Leitsatz

Feststellung der Nichterfüllung der aus der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus folgenden Verpflichtung des Bundes zur Konstituierung und Einberufung eines Konsultationsgremiums betreffend den Rechtsetzungsakt der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012; Abweisung des Feststellungsantrags des Österreichischen Gemeindebundes hinsichtlich der behaupteten Verletzung der Verpflichtung zur Darstellung der finanziellen Auswirkungen des rechtsetzenden Vorhabens im Hinblick auf die Übermittlung eines eine solche Darstellung enthaltenden zweiten Verordnungsentwurfes

Rechtssatz

Zulässigkeit des auf Art138a Abs1 B-VG gestützten Antrags des Österreichischen Gemeindebundes auf Feststellung, dass der Bund aus der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus folgende Verpflichtungen bei der Verwirklichung des rechtsetzenden Vorhabens der EisenbahnkreuzungsV 2012 nicht erfüllt hat.

Nach Art1 Abs1 des BVG über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes, BGBl I 61/1998, sind Bund, Länder und Gemeinden, diese vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, ermächtigt, miteinander Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus abzuschließen. Auf solche Vereinbarungen sind gemäß Art2 Abs1 leg cit die für Vereinbarungen gemäß Art15a Abs1 B-VG geltenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften mit näher genannten Abweichungen anzuwenden. Gemäß Art2 Abs2 leg cit sind der Gemeindebund und der Städtebund berechtigt, Anträge gemäß Art138a Abs1 B-VG zu stellen.

Die Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus ist auf den Rechtsetzungsakt der EisenbahnkreuzungsV 2012 (und die davor erstellten Entwürfe der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie) anwendbar. Die Ausnahmetatbestände gemäß Art6 Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus sind nicht erfüllt - keine rechtsetzende Maßnahme auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtung, keine Maßnahme auf dem Gebiet des Abgaben- oder Finanzausgleichsrechts, aber auch keine rechtsetzende Maßnahmen, die "die Gebietskörperschaften in ihrer Eigenschaft als Träger von Privatrechten so wie jeden anderen Rechtsträger treffen".

Die in der EisenbahnkreuzungsV 2012 festgelegten Verpflichtungen zur Sicherung von öffentlichen Eisenbahnkreuzungen und die dadurch zusätzlich entstehenden Kosten treffen nicht jedermann gleichermaßen; vielmehr treffen die gemäß §48 Abs2 EisenbahnG anteilig vom Erhalter von Straßen mit öffentlichem Verkehr zu tragenden Kosten typischerweise die Gebietskörperschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer in den Straßengesetzen festgelegten gesetzlichen Aufgaben.

Keine Verletzung des Art1 Abs1 und Abs4 der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus im Zusammenhang mit der EisenbahnkreuzungsV 2012.

Bei der Verpflichtung zur Darstellung der finanziellen Auswirkungen des rechtsetzenden Vorhabens handelt es sich nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift. Die Darstellung der finanziellen Auswirkungen ist nach der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus zwingender Inhalt eines rechtsetzenden Vorhabens; die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung wird durch Art4 Abs2 Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus sanktioniert: Mit der Übermittlung eines Vorhabens iSd Art1 Abs1 leg cit, in das keine Darstellung der finanziellen Auswirkungen im Sinne des Art1 Abs3 leg cit aufgenommen wurde, wird den gegenbeteiligten Gebietskörperschaften "keine Gelegenheit zur Stellungnahme" zum Rechtsetzungsvorhaben innerhalb der in Art1 Abs4 leg cit genannten Fristen gegeben, sodass die Kostentragungsverpflichtung die rechtsetzende Gebietskörperschaft trifft.

Angesichts dieser zentralen Bedeutung der Darstellung der finanziellen Auswirkungen eines Rechtsetzungsvorhabens ist es im konkreten Fall rechtserheblich, dass der zweite Verordnungsentwurf erstmals eine solche Darstellung der finanziellen Auswirkungen der EisenbahnkreuzungsV für die gegenbeteiligten Gebietsköperschaften enthielt.

Mit der Übermittlung des hier zu beurteilenden zweiten Verordnungsentwurfs entsprach die Bundesministerin den vom Österreichischen Gemeindebund als verletzt gerügten Verpflichtungen gemäß Art1 Abs1 und Abs4 Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus. Die nach Ansicht des antragstellenden Österreichischen Gemeindebundes fehlenden Hinweise auf die Übermittlung gemäß Art1 Abs1 und Abs4 Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus zur Stellungnahme und auf das Vorliegen eines "beschlussreifen" Entwurfs vermögen daran nichts zu ändern. Eine derartige Verpflichtung ist Art1 Abs1 und Abs4 leg cit nicht zu entnehmen. Es genügt die Übermittlung des beschlussreifen Verordnungsentwurfs, selbst wenn dieser keinen Hinweis auf die Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus enthält.

Art4 Abs1 Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus normiert die Verpflichtung zur Konstituierung und unverzüglichen Einberufung des Konsultationsgremiums durch den Vorsitzenden, wenn die Aufnahme von Verhandlungen im Konsultationsgremium fristgerecht verlangt wurde. Die Zustellung des iSd Art1 Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus übermittelten, zweiten Verordnungsentwurfs erfolgte mit E-Mail vom 16.05.2011. Mangels einer gesonderten Fristsetzung für Stellungnahmen iSd Art1 Abs4 Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus ist davon auszugehen, dass die für Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren gesetzte Frist bis 15.07.2011 auch für Stellungnahmen im Sinne der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus galt.

Da der Österreichische Gemeindebund mit Schreiben vom 06.06.2011, somit rechtzeitig, die Aufnahme von Verhandlungen in einem Konsultationsgremium über die durch die im Fall der Verwirklichung des Vorhabens zusätzlich entstehenden Kosten verlangte, der Bundeskanzler aber das Konsultationsgremium weder konstituierte noch unverzüglich einberief, hat der Bund gegen die in Art4 Abs1 Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus statuierten Verpflichtungen verstoßen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Eisenbahnrecht, Kostentragung, Vereinbarungen nach Art 15a B-VG, Geltungsbereich Anwendbarkeit, Privatwirtschaftsverwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:F1.2013

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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