RS Vfgh 2013/9/27 U1233/2013

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Veröffentlicht am 27.09.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
B-VG Art83 Abs2
AsylG 2005 §25 Abs1 Z1, §35 Abs1, §61 Abs1 Z2, §75 Abs9
AVG §13 Abs1, §73 Abs1

Leitsatz

Verletzung in den Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erhobenen Beschwerde; willkürliche Annahme des Fehlens eines Anspruches auf bescheidmäßige Erledigung des Antrags einer im Ausland befindlichen Familienangehörigen eines Asylberechtigten durch das Bundesasylamt auf Grund einer unrichtig angewendeten novellierten Fassung der Bestimmung über Anträge bei Berufsvertretungsbehörden

Rechtssatz

Der AsylGH geht fälschlicherweise von §35 AsylG 2005 idF BGBl I 122/2009 aus. §75 Abs9 leg cit bestimmt aber unmissverständlich, dass §35 AsylG 2005 idF BGBl I 122/2009 auf Verfahren, die bereits vor dem 01.01.2010 anhängig waren, nicht anzuwenden ist. Vielmehr sind diesfalls §35 und §25 Abs1 Z1 AsylG 2005 in ihren am 31.12.2009 gültigen Fassungen - die ihren Stammfassungen entsprechen - anzuwenden.

Das BAA hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes vom 09.01.2007 (nach Ablehnung der Erteilung eines Visums) zunächst gemäß §25 Abs1 Z1 AsylG 2005 als gegenstandslos abgelegt. Mit dem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens durch den am 22.09.2008 beim BAA eingelangten Schriftsatz hat aber die Beschwerdeführerin - im Einklang mit dem im an sie ergangenen Erk des VwGH vom 19.06.2008, 2007/21/0423, vertretenen Rechtsauffassung - hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie auf einer bescheidmäßigen Erledigung des Antrages auf Gewährung desselben Schutzes besteht. Damit bestand auf Grundlage der damals geltenden Stammfassung des §35 AsylG 2005 jedenfalls ein Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung durch das BAA. Die dafür gemäß §23 Abs1 AsylGHG geltende sechsmonatige Entscheidungsfrist des §73 Abs1 AVG hat somit am 22.09.2008 zu laufen begonnen. Denn ein Antrag iSd §13 Abs1 AVG, der bei der Behörde, für die er bestimmt ist, einlangt, ist jedenfalls eingebracht. Ob eine allfällige Missachtung von Einbringungsvorschriften einer inhaltlichen Erledigung entgegensteht, ist für den Anspruch auf Erledigung irrelevant. Dieser besteht unabhängig davon, ob der Antrag prozessual oder inhaltlich zu erledigen ist und jedenfalls dann, wenn ein Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung behauptet wird.

Demgegenüber ist die vom AsylGH vertretene Auffassung, es bestehe auf Grund asylrechtlicher Regelungen kein Erledigungsanspruch, mit der vom VwGH vertretenen Auslegung der Stammfassung des §35 AsylG 2005 nicht in Einklang zu bringen.

Der Beschwerdeführerin stand es frei, auf der bescheidmäßigen Erledigung ihres als gegenstandslos abgelegten Antrages zu beharren, weil ansonsten keine Möglichkeit bestünde, über den Antrag im Familienverfahren in rechtsstaatlich einwandfreier Weise und nicht bloß nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen zu erkennen (vgl auch VfSlg 17033/2003 zum AsylG 1997, dessen Argumentation der VwGH zutreffend auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 in der Stammfassung überträgt).

Wenn demgegenüber der AsylGH mit der angefochtenen Entscheidung die Beschwerde nach §61 Abs1 Z2 AsylG 2005 zurückweist, weil er - auf Grundlage der von ihm unrichtigerweise angewendeten novellierten Fassung des §35 AsylG 2005 - annimmt, dass es an der Zuständigkeit des BAA zur bescheidmäßigen Erledigung mangle, so gelangt er zu einem Ergebnis, das mit der dargestellten verfassungskonformen Auslegung nicht vereinbar ist. Durch dieses als Willkür zu qualifizierende Verkennen der Rechtslage verletzt der AsylGH die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.

Indem der AsylGH die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß §61 Abs1 Z2 AsylG 2005 zurückgewiesen hat, obwohl eine Entscheidungspflicht des BAA bestanden hat und zwischen der Aktualisierung derselben (mit Einlangen des wiederholten Antrags auf Gewährung desselben Schutzes vom 22.09.2008) und der Einbringung der Beschwerde beim AsylGH (12.03.2010) jedenfalls mehr als sechs Monate vergangen sind, hat er zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungspflicht, Devolution, Übergangsbestimmung, Novellierung, Rechtsschutz, Auslegung verfassungskonforme, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Geltungsbereich Anwendbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U1233.2013

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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