TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/13 98/10/0151

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Veröffentlicht am 13.11.2000
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Index

L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Vorarlberg;
L40058 Prostitution Sittlichkeitspolizei Vorarlberg;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der E in Bregenz, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 10. Dezember 1997, Zl. 1-0229/97/K2, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin einer Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (Vlbg SittenpolG), schuldig erkannt. Die von der Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- wurde auf S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 Tagen) und die verhängte Arreststrafe in der Dauer von 25 Tagen auf 14 Tage herabgesetzt.

In der Begründung vertrat die belangte Behörde im Wesentlichen die Auffassung, auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung, sei als erwiesen anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt habe. Auf die Gewerbsmäßigkeit könne schon deshalb geschlossen werden, weil die Beschwerdeführerin ein Verhalten an den Tag gelegt habe, wie dies von Prostituierten üblich sei. Es sei davon auszugehen, dass sie sich aus der Prostitution eine fortlaufende Einnahmequelle habe verschaffen wollen. Sie habe zur Tatzeit auch schon mehrere einschlägige Vorstrafen aufgewiesen.

Zur Frage der Strafbemessung verwies die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage auf den Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit trotz mehrfacher Bestrafungen nicht davon habe abhalten lassen, eine gleichartige Straftat zu begehen. Sie habe zum Tatzeitpunkt vier einschlägige Vorstrafen aufgewiesen:

"a)

Bezirkshauptmannschaft Bregenz, Zl. X-26458-1994 vom 21.4.1994: 20 Tage und 20.000 S

b)

Bezirkshauptmannschaft Bregenz, Zl. X-17522-1994 vom 12.7.1994: 20 Tage und 10.000 S

c)

Bezirkshauptmannschaft Bregenz, Zl. X-175-1993 vom 22.1.1993: 14 Tage

d)

Bezirkshauptmannschaft Bregenz, Zl. X-26620-1992 vom 9.12.1992: 10 Tage"

Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass die darin zum Ausdruck kommende außergewöhnliche Nachhaltigkeit der wertwidrigen Einstellung der Beschwerdeführerin und somit der atypisch schwer wiegende Schuldgehalt der Tat die Höhe der nunmehr zu verhängenden Freiheitsstrafe rechtfertige; es sei unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin durch eine geringere Arreststrafe noch zu beeindrucken sei. Andererseits erachte die belangte Behörde die von der Erstbehörde über die Beschwerdeführerin verhängte Arreststrafe von 25 Tagen deshalb für überhöht, weil die Erstbehörde von sechs Vorstrafen ausgegangen sei. Dies sei jedoch nicht richtig, da eine der angeführten Vorstrafen zum Tatzeitpunkt noch nicht rechtskräftig und eine weitere Vorstrafe inzwischen getilgt sei. Nach § 18 Abs. 3 letzter Satz Vlbg SittenpolG könnten bei besonders erschwerenden Umstände Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden. Nach Auffassung der belangten Behörde sei jene weitere Vorstrafe, die über die drei die Grundlage für die Verhängung der Freiheitsstrafe bildenden Vorstrafen hinausgehe, ein besonders erschwerender Umstand im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung. Die Geldstrafe sei allerdings wegen der sehr angespannten finanziellen Situation der Beschwerdeführerin herabzusetzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 1998, B 263/98, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof über nachträglichen Antrag zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c Vlbg SittenpolG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.

Nach § 4 Abs. 1 leg. cit. ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten.

Gemäß § 18 Abs. 3 Vlbg SittenpolG sind Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 lit. c bis f von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden.

Nach § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen darf nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist.

Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- sowie eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen verhängt.

Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, das Verhalten der Beschwerdeführerin stelle eine Übertretung des § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Vlbg SittenpolG dar, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Annahme der Gewerbsmäßigkeit der Unzucht (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 30. Mai 1994, Zl. 94/10/0059) entsprach im Beschwerdefall im Ergebnis dem Gesetz. Dass der belangten Behörde zwar darin nicht gefolgt werden kann, dass bereits ein "Aufenthalt an einer viel befahrenen Bundesstraße zu nächtlicher Stunde" auf die Gewerbsmäßigkeit schließen lässt, wurde bereits im Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 97/10/0074, dargelegt. Die belangte Behörde durfte jedoch im Hinblick auf das übrige Verhalten der Beschwerdeführerin frei von Rechtsirrtum vom Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmales ausgehen. Dass die belangte Behörde als einen untergeordneten Aspekt der Beweiswürdigung im gegebenen Zusammenhang auch auf mehrere einschlägige Vorstrafen der Beschwerdeführerin verwiesen hat, bedeutet nicht, dass diese damit zum Tatbestandsmerkmal geworden wären, das bei der Strafbemessung wegen des Doppelverwertungsverbotes nicht gewertet werden dürfte (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26. Mai 1997, Zl. 96/10/0183).

Bezüglich der Frage, ob gemäß § 11 VStG mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe vorzugehen sei, hat die belangte Behörde zutreffend die maßgebenden Gesichtspunkte der Spezialprävention in der Richtung dargelegt, dass sich die Beschwerdeführerin durch die bisher verhängten Strafen nicht von der Begehung einer weiteren gleichartigen Straftat habe abhalten lassen. Es kann auch keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde die Verhängung einer weiteren Vorstrafe, die über die drei die Grundlage für die Verhängung der Freiheitsstrafe bildenden Vorstrafen hinaus ging, als besonders erschwerenden Umstand im Sinne des § 18 Abs. 3 letzter Satz Vlbg SittenpolG gewertet hat (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 97/10/0074, ferner das Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zlen. 96/10/0142, 0143).

Der in der Beschwerde behauptete Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot lag daher nicht vor.

Soweit in der Beschwerde die Behauptung einer Verletzung im "Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK)" erhoben und die Auffassung vertreten wird, der Unabhängige Verwaltungssenat sei kein "Tribunal" im Sinne des Art. 6 EMRK, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 26. Mai 1997, Zl. 96/10/0183, zu verweisen. Darin wurde ausgeführt, dass diese Darlegungen keinen Anhaltspunkt für eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit bilden.

Die in § 24 Abs. 3 erster Satz VwGG idF 1997/I/088 vorgesehene Einbringungsgebühr von S 2.500,-- ist nicht als unangemessen hoch anzusehen. Sie stellt keine formale Hürde im Sinn der Art. 25 und 26 MRK dar, zumal Beschwerdeführer, die außer Stande sind, die Kosten des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, gemäß den §§ 63 ff ZPO iVm § 61 VwGG von ihrer Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühr befreit werden können. Auch das gerichtliche Strafverfahren sieht eine Verpflichtung zur Zahlung von Pauschalkosten vor (§§ 381 ff StPO). Der Verwaltungsgerichtshof sieht somit keine Veranlassung, einen Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG betreffend die Bestimmung des § 24 Abs. 3 erster Satz VwGG zu stellen (vgl. das Erkenntnis vom 21. September 1998, Zl. 98/21/0325).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. November 2000

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen Geldstrafe und Arreststrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998100151.X00

Im RIS seit

15.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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