TE OGH 2009/5/15 8Ra15/09y

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2009
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Lindner als Vorsitzenden, den Richter Mag. Atria und die Richterin Mag. Fisher sowie die fachkundigen Laienrichter DI Krall und ADir Seebauer in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH, *****, *****, vertreten durch Engelbrecht & Partner Rechtsanwälte in Wien, wider die Beklagte B***** S*****, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in Schwechat, wegen EUR 5.850,-- brutto s. A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 16.12.2008, 34 Cga 80/08h-7, gemäß §§ 2 ASGG, 492 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist zulässig.

Text

Begründung:

Die Beklagte war bei der klagenden Partei als Sachbearbeiterin in einem Angestelltenverhältnis seit 04.12.2006 beschäftigt (Beilage ./B). In Punkt 12. des am 18.01.2007 abgeschlossenen schriftlichen Dienstvertrages verpflichtete sich die Beklagte, für die Dauer von 12 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Geschäftszweig des Arbeitgebers weder selbständig noch unselbständig tätig zu sein. In Punkt 13. des Dienstvertrages verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Konventionalstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern, errechnet auf Basis der zuletzt bezogenen Entgelte, für jeden einzelnen Fall des Verstoßes gegen eine der vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere auch der Konkurrenzklausel. Das monatliche Bruttogehalt der Beklagten betrug zuletzt EUR 1.950,--.

Das Dienstverhältnis wurde seitens der Beklagten im Frühjahr 2008 aufgelöst und trat diese in weiterer Folge in ein Dienstverhältnis zur I***** GmbH ein.

Mit der am 17.06.2008 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei von der Beklagten die Bezahlung einer Konventionalstrafe in der Höhe von EUR 5.850,-- samt 11,19 % Zinsen ab 01.05.2008. Die Beklagte arbeite nunmehr in einem Dienstverhältnis zu einem die klagende Partei direkt konkurrenzierenden Unternehmen. Die Höhe der Konventionalstrafe betrage ausgehend vom letzten Monatsgehalt der Beklagten (EUR 1.950,-- brutto) gesamt EUR 5.850,--.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und brachte dazu vor, dass ihr monatliches Bruttoeinkommen bei der klagenden Partei unter der Wertgrenze des § 36 Abs 2 AngG (EUR 2.227,-- monatlich) gelegen sei, sodass schon aus diesem Grund die Vereinbarung der Konventionalstrafe unwirksam sei. Darüber hinaus habe die Beklagte das Dienstverhältnis aufgekündigt, da ihr vom Geschäftsführer der klagenden Partei die weitere Zusammenarbeit unmöglich gemacht worden sei und die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses wegen andauernden Mobbings unzumutbar gewesen sei. Jedenfalls müsste vom richterlichen Mäßigungsrecht gemäß § 38 AngG Gebrauch gemacht werden.

Die klagende Partei replizierte, dass für die Bestimmung des maßgeblichen Entgelts bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Konkurrenzklausel gemäß § 36 Abs 2 AngG die aliquoten Sonderzahlungen miteinzubeziehen seien, woraus sich ein der Beklagten zuletzt zustehendes Monatsentgelt in der Höhe von EUR 2.275,-- ergebe, welches über der Wertgrenze des § 36 Abs 2 AngG iVm § 45 ASVG liege. Ein Mobbing gegen die Beklagte habe es nicht gegeben. Die Beklagte sei vielmehr nach einer von ihr gewünschten, jedoch nicht zustandegekommenen Urlaubsvereinbarung in Krankenstand gegangen und habe dabei jenes Hotel besucht, das sie bereits vor ihrem Urlaubsansuchen reserviert habe. Die Beklagte könnte aufgrund ihrer Berufserfahrung grundsätzlich jede Tätigkeit in einem Sekretariat ausüben, ohne gegen die Konkurrenzklausel zu verstoßen. Die Beklagte wäre jedoch bei einem direkten Konkurrenzunternehmen eingetreten und würde sie dort dieselbe Tätigkeit wie bei der klagenden Partei unter Benützung des dabei erworbenen Wissens ausüben. Eine Rechtfertigung für eine richterliche Mäßigung liege somit nicht vor. Die Beklagte replizierte darauf, dass sich der neue Dienstgeber im 4. Wiener Gemeindebezirk befinde, wohingegen die klagende Partei ihren Sitz in Guntramsdorf habe, und sie beim neuen Dienstgeber als Kundenbetreuerin arbeite, wohingegen sie bei der klagenden Partei als Sekretärin beschäftigt gewesen sei.

Mit dem nun angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Auf Grundlage des soweit außer Streit stehenden Sachverhaltes führte es rechtlich aus, dass für die Bestimmung des für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts im Sinne des § 36 Abs 2 AngG vom sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff gemäß § 49 ASVG auszugehen sei und darin Sonderzahlungen nicht einzubeziehen seien. Der Grenzbetrag für die Wirksamkeit einer Konkurrenzklauselvereinbarung nach § 36 Abs 2 AngG betrage für das hier maßgebliche Jahr 2008 EUR 2.227,--. Das von der Beklagten zuletzt bezogene monatliche Entgelt von EUR 1.950,-- liege unter diesem Grenzbetrag und sei daher die Vereinbarung der Konkurrenzklausel unwirksam.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der klagenden Partei aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt. Gemäß § 36 Abs 2 AngG idF BGBl I 2006/35 ist eine Konkurrenzklauselvereinbarung unwirksam, „wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses getroffen wird, bei dem das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt das Siebzehnfache der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG nicht übersteigt."

Unstrittig ist diese Bestimmung auf die zwischen den Parteien getroffene Konkurrenzklauselvereinbarung anzuwenden. Zutreffend und von den Parteien nicht bestritten hat das Erstgericht den im Jahre 2008 – und damit bei der Beendigung des Dienstverhältnisses - geltenden Grenzbetrag im Sinne des § 36 Abs 2 AngG mit einem Betrag von EUR 2.227,-- ermittelt (EUR 131,-- als tägliche Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 Abs 1 ASVG iVm § 108 Abs 3 ASVG iVm § 1 Z 2 der Verordnung über die veränderlichen Werte nach dem ASVG für das Kalenderjahr 2008, BGBl II 2007/359, multipliziert mit 17).

Strittig ist nun ausschließlich die Frage, ob bei der Bestimmung des dem Angestellten zuletzt gebührenden Entgeltes die der Beklagten unstrittig zustehenden anteiligen Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration, jeweils in Höhe eines monatlichen Bruttogehalts) aliquot einzubeziehen sind, was zu einem monatlichen Entgelt von EUR 2.275,- führen würde (1.950 x 14 : 12), oder nicht. Soweit überblickbar liegt zu dieser Frage eine veröffentlichte höchstgerichtliche oder auch unterinstanzliche Rechtsprechung noch nicht vor.

Die Gesetzesmaterialien (Initiativantrag 605/A und Ausschussbericht 1215 BlgNR 22.GP) ergeben zur Beantwortung dieser Frage keinen Hinweis.

In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Heilegger (Neue Regelungen zur Konkurrenzklausel und zum Ausbildungskostenrückersatz, infas 2006, 87ff; Neuregelung von Konkurrenzklausel und Ausbildungskostenrückersatz, RdW 2006, 287) und Resch (in Löschnigg, AngG, Teil II, § 36 Rz 52 bis 55) vertreten die Auffassung, dass die anteiligen Sonderzahlungen bei der Berechnung des für die Wirksamkeit einer Konkurrenzklauselvereinbarung entscheidenden Entgeltes nicht miteinzubeziehen seien. Aus dem unmittelbaren Abstellen auf § 45 ASVG lasse sich ableiten, dass der dort verwendete sozialversicherungsrechtliche Entgeltbegriff heranzuziehen sei; dieser umfasse – im Gegensatz zum arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff – nicht die Sonderzahlungen, da für diese im ASVG eigene Höchstbeitragsgrundlagen bestünden. Reissner/Preiss (Die Neuerungen im Recht der Konkurrenzklausel und der Ausbildungskostenklausel, DRdA 2006/3, 185) lassen die Frage offen und verweisen auf eine vorzunehmende Klärung seitens der Rechtsprechung.

Für eine Berücksichtigung der anteiligen Sonderzahlungen sprechen sich im Ergebnis Oberhofer (Ausbildungskostenrückersatz und Konkurrenzklausel neu, ZAS 2006/24), Neubauer/Rath (Nochmals zu den Neuerungen bei der Konkurrenzklausel und beim Ausbildungskostenrückersatz, ASoK 2007,46), Eypeltauer (Einbeziehung der Sonderzahlungen in die Entgeltgrenze für Konkurrenzklauseln, ecolex 2006, 678), sowie in weiterer Folge auch Holzer/Reissner (AVRAG § 2c Rz 6) und Reissner (in Zellkom § 36 AngG Rz 89 sowie in Marhold/G.Burgstaller/Preyer, AngG § 36 Rz 11) aus. Als Argumente werden angeführt, dass mit dem Verweis auf die 17-fache Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG nur die Entgeltgrenze betragsmäßig bestimmt und in ihrer Höhe „dynamisiert" werde. Eine Einschränkung des für den Angestellten zu ermittelnden Entgelts lasse sich daraus nicht zwingend ableiten. Der Gesetzgeber habe den arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff verwendet, der nach allgemeinem Verständnis und insbesondere in der wortgleichen Formulierung der Abfertigungsregelung in § 23 Abs 1 AngG auch aliquote Sonderzahlungen umfasse. Für diese Auslegung spreche auch, dass es ansonsten zu einer wertungsmäßig nicht nachvollziehbaren Benachteiligung von Arbeitnehmern kommen würde, die keine Sonderzahlungen erhalten. Im Ergebnis hält das Berufungsgericht die Argumente für überzeugender, die für eine Berücksichtigung der anteiligen Sonderzahlungen bei der Ermittlung des zuletzt gebührenden Entgelts des Angestellten im Sinne des § 36 Abs 2 AngG sprechen. Zunächst ist festzuhalten, dass ein Rückgriff auf den sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff keinesfalls zu einer Nichtberücksichtigung der Sonderzahlungen führt. Auch Sonderzahlungen fallen unter den grundlegenden sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff des § 49 Abs 1 ASVG, jedoch mit der Einschränkung in Bezug auf die beitragsmäßige Erfassung nach § 49 Abs 2 ASVG. Richtig ist aber, dass § 45 ASVG nur die Höchstbeitragsgrundlage für das laufende Entgelt mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen regelt (§ 45 Abs 1 ASVG iVm § 44 Abs 1 ASVG), wohingegen die beitragsmäßige Erfassung von Sonderzahlungen in § 54 ASVG gesondert geregelt ist. Insofern ist es sicherlich ein beachtliches Argument, dass das Abstellen des Gesetzgebers auf ein Vielfaches der allgemeinen Höchstbeitragsgrundlage (d.h. der nur für das laufende Entgelt geltenden Höchstbeitragsgrundlage) dafür spricht, auch bei der Bestimmung des dem Angestellten zuletzt gebührenden Entgelts - als zweite Vergleichsgröße - nur das laufende Entgelt und nicht auch die anteiligen Sonderzahlungen miteinzubeziehen.

Diese rein systematische Überlegung lässt jedoch unberücksichtigt, dass die beiden Vergleichsgrößen keinesfalls zwingend nach übereinstimmenden Faktoren zu berechnen sind, und der Gesetzgeber mit der Formulierung „das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt" nicht nur ohne Einschränkung auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff abgestellt hat (unter den ganz eindeutig auch anteilige Sonderzahlungen fallen), sondern vor allem auch eine wortgleiche Formulierung wie bei der Regelung der Höhe des Abfertigungsanspruches in § 23 Abs 1 AngG gewählt hat (unter welchen Entgeltbegriff ebenfalls völlig unstrittig auch anteilige Sonderzahlungen fallen), und nicht etwa den im Angestelltengesetz selber auch verwendeten Begriff des fortlaufenden Gehaltes (so bei der Regelgung der Fälligkeit in § 15 AngG) verwendet hat. Allein der Schutzcharakter der Wirksamkeitsbeschränkung einer Konkurrenzklauselvereinbarung hilft für die hier vorzunehmende Interpretation nicht weiter, weil es ja gerade um die Frage geht, die Grenze des Anwendungsbereiches dieser arbeitsrechtlichen Bestimmung festzulegen (Eypeltauer aaO).

Dass die Einbeziehung anteiliger Sonderzahlungen in den Entgeltbegriff die Erkennbarkeit eines Überschreitens der Entgeltgrenze etwas erschwert, ist wohl zutreffend. Die Variabilität der maßgeblichen Einkommenshöhe ist jedoch bereits durch das Abstellen des Gesetzgebers auf das für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührende Entgelt gegeben, da auch die Höhe des laufenden Gehalts, etwa infolge anfallender Überstundenentgelte oder einer Gehaltserhöhung, schwanken kann.

Im Ergebnis hält das Berufungsgericht daher das Berufungsvorbringen für zutreffend, dass die gegenständliche Konkurrenzklauselvereinbarung aufgrund der vorzunehmenden Berücksichtigung der anteiligen Sonderzahlungen bei der Bestimmung des maßgeblichen Entgelts der Klägerin nicht nach § 36 Abs 2 AngG unwirksam ist.

Da das Erstgericht seine Abweisung des Klagebegehrens ausschließlich auf diese Unwirksamkeit gestützt hat und keine Beweise zum weiteren Vorbringen der Parteien aufgenommen hat, war das angefochtene Urteil in Stattgebung der Berufung aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Die hier auszulegende Rechtsfrage ist von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, sodass gemäß § 519 ZPO die Zulässigkeit

des Rekurses auszusprechen war.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW006898Ra15.09y

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2009:0080RA00015.09Y.0515.000

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten