Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Dr. Gabriele Griehsel (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Monika M*****, vertreten durch Dr. Michaela Tulipan, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Bachmann & Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (Streitwert 5.317,98 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Dezember 2009, GZ 10 Rs 117/09p-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. Dezember 2008, GZ 9 Cgs 272/08t-7, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revisionsbeantwortung der Klägerin sind weitere Verfahrenskosten. Die beklagte Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Klägerin wurde von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft anlässlich der Geburt ihrer Tochter Martha Nadya Shakori M***** für den Zeitraum vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2004 Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von insgesamt 5.317,98 EUR zuerkannt und ausbezahlt.
Sie erwirtschaftete im Jahr 2004 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 6.099 EUR. Im Jahr 2004 wurden der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in der unstrittigen Höhe von insgesamt 10.753,80 EUR vorgeschrieben. Davon entfielen 83,16 EUR auf Unfallversicherung für 2004, 6.480,84 EUR auf Pensionsversicherung für 2004, 3.888,48 EUR auf Krankenversicherung für 2004, 155,04 EUR auf Pensionsversicherung für 2003, 107,64 EUR auf Krankenversicherung für 2003 und 38,64 EUR auf Pensionsversicherung für 2002.
Für das Jahr 2004 wurde eine vorläufige jährliche Bemessungsgrundlage von 43.205,52 EUR angenommen. Die endgültige jährliche Bemessungsgrundlage für 2004 beträgt 16.769,64 EUR, sodass sich eine Differenz von 26.435,88 EUR ergibt. Die anteilige Pensionsversicherung für diesen Differenzbetrag beträgt 3.965,40 EUR, die anteilige Krankenversicherung 2.379,24 EUR. Die Klägerin erhielt daher von der beklagten Partei für Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2004 eine Gutschrift von 6.344,64 EUR.
Mit Bescheid vom 8. 8. 2008 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgelds für den Zeitraum vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2004 und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz der zu Unrecht empfangenen Leistung in Höhe von insgesamt 5.317,98 EUR binnen 4 Wochen nach Zustellung des Bescheids.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage mit dem (sinngemäßen) Begehren auf Feststellung, dass ihr für den Zeitraum vom 1. 1. bis 31. 12. 2004 Kinderbetreuungsgeld gebühre und ein Rückforderungsanspruch der beklagten Partei nicht zu Recht bestehe. Sie brachte im Wesentlichen vor, die Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2004 seien von der beklagten Partei ursprünglich viel zu hoch berechnet und im Jänner 2006 schließlich mit 4.409,16 EUR festgelegt worden. Der zu hoch berechnete Betrag von 6.344,64 EUR sei storniert und dem Konto der Klägerin gutgeschrieben worden. Der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte im Jahr 2004 betrage daher tatsächlich 10.508,16 EUR (= 6.099 EUR zzgl 4.409,16 EUR) und liege somit deutlich unter der maßgebenden Zuverdienstgrenze von 14.600 EUR.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens sowie die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung des zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgelds in Höhe von 5.317,98 EUR. Sie brachte insbesondere vor, dass für die Ermittlung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte gemäß § 8 KBGG den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 6.099 EUR die im Jahr 2004 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 10.753,80 EUR hinzuzurechnen seien. Der maßgebende Gesamtbetrag der Einkünfte für das Jahr 2004 betrage daher richtigerweise 16.852,80 EUR und übersteige somit den Grenzbetrag gemäß § 2 Abs 1 Z 3 KBGG in Höhe von 14.600 EUR.
Das Erstgericht stellte fest, dass der Klägerin für den Zeitraum vom 1. 1. bis 31. 12. 2004 Kinderbetreuungsgeld gebühre und die Rückforderung durch die beklagte Partei nicht zu Recht bestehe. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass die festgestellten Nachzahlungen an Pensions- und Krankenversicherungsbeiträgen für das Jahr 2003 nicht Sozialversicherungsbeiträge für 2004 seien und daher nicht in die Bemessungsgrundlage für das Jahr 2004 gehörten. § 8 Abs 1 Z 2 KBGG spreche von einer Erhöhung der Einkünfte um die „darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung“, woraus nur der Schluss gezogen werden könne, dass die tatsächlich im richtigen Verhältnis zu den in dem betreffendem Jahr erzielten Einkünften stehenden Beiträge hinzuzurechnen seien. Die von der beklagten Partei erteilte Gutschrift sei daher von der ursprünglichen - von der beklagten Partei selbst als vorläufige Hinzurechnung bezeichneten - Summe wieder abzuziehen. Es ergäbe sich somit ein Betrag von 4.326 EUR, welcher zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sei. Der Gesamtbetrag der Einkünfte liege damit deutlich unter der Grenze von 14.600 EUR.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es feststellte, dass der Klägerin für den Zeitraum vom 1. 1. bis 31. 12. 2004 Kinderbetreuungsgeld gebühre und der von der beklagten Partei erhobene Anspruch auf Rückersatz des an die Klägerin in der Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 2004 in der Höhe von insgesamt 5.317,98 EUR geleisteten Kinderbetreuungsgelds nicht zu Recht bestehe. Es teilte unter Hinweis auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 61/09g und 10 ObS 124/09x die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass nur die auf die Einkünfte des Bezugszeitraums aufgrund der endgültigen Festsetzung entfallenden Sozialversicherungsbeiträge bei der Ermittlung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte iSd § 8 KBGG zu berücksichtigen seien. Der Klägerin seien mit der vorläufigen Beitragsvorschreibung im Vergleich zur endgültigen Beitragsvorschreibung unstrittig 6.344,64 EUR zuviel an Sozialversicherungsbeiträgen für das Jahr 2004 abgezogen worden. Ausgehend von den der Klägerin im Jahr 2004 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von unstrittig 10.753,80 EUR ergäbe der Abzug von 6.344,64 EUR einen Betrag von 4.409,16 EUR. Von diesem Betrag seien die für die Jahre 2003 und 2002 nachträglich vorgeschriebenen Beiträge in Höhe von insgesamt 301,32 EUR in Abzug zu bringen, sodass sich ein auf das Jahr 2004 endgültig entfallender und somit in dieser Höhe hinzuzurechnender Betrag an Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 4.107,84 EUR ergäbe. Zuzüglich der unstrittigen Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 6.099 EUR ergäbe sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte für 2004 in Höhe von insgesamt 10.206,84 EUR. Dieser Betrag liege unter dem maßgebenden Grenzbetrag von 14.600 EUR, sodass der Widerruf der Zuerkennung des Kinderbetreuungsgelds an die Klägerin und die Rückforderung des Kinderbetreuungsgelds durch die beklagte Partei für das Jahr 2004 zu Unrecht erfolgt seien.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen und die Klägerin zum Rückersatz der zu Unrecht empfangenen Leistung von insgesamt 5.317,98 EUR verpflichtet werde.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil der erkennende Senat zu der erheblichen Rechtsfrage, ob durch die Änderung des KBGG durch die Novelle BGBl I 2009/116 auch eine authentische Interpretation des § 8 Abs 1 Z 2 Satz 2 KBGG in der bis zu dieser Änderung geltenden Fassung erfolgt sei, bisher nicht Stellung genommen hat. Sie ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel vorrangig geltend, dass die vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen 10 ObS 61/09g und 10 ObS 124/09x vorgenommene Auslegung der Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 2 Satz 2 KBGG dahin, dass für den Gesamtbetrag der Einkünfte im Sinne dieser Gesetzesstelle die auf der Grundlage der in dem relevanten Jahr erzielten Einkünfte letztlich auf der endgültigen Bemessungsgrundlage vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge maßgeblich seien, durch eine authentische Interpretation dieser Bestimmung durch den Gesetzgeber überholt sei. So habe der Gesetzgeber in § 8 Abs 1 Z 2 Satz 2 KBGG idF BGBl I 2009/116 nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, um die im betreffenden Kalenderjahr vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erhöhen seien. In den Gesetzesmaterialien werde klargestellt, dass dadurch keine neue Rechtslage geschaffen werde, sondern nur eine Auslegung einer bereits zuvor bestandenen Norm durch den Gesetzgeber erfolge. Diese authentische Interpretation des Gesetzgebers gemäß § 8 ABGB sei auch auf die in den Rechtsmittelinstanzen anhängigen Fälle anzuwenden. Der Gesetzgeber habe damit klargestellt, dass nicht die auf die Einkünfte entfallenden Sozialversicherungsbeiträge, welche erst im Nachhinein festgestellt werden könnten, sondern die im Jahr der Einkunftserzielung vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge, unabhängig von ihrer Zusammensetzung, relevant seien. Der Gesetzgeber habe dies einerseits mit der Begründung der größtmöglichen Gleichbehandlung (bei Sozialversicherungsbeiträgen soll es sich im Normalfall nur um einen Durchlaufposten handeln) und andererseits mit der nur dadurch bestehenden Möglichkeit zur aktuellen Berechnung der Höhe des Zuverdienstes nachvollziehbar begründet.
Dazu wurde vom erkennenden Senat Folgendes erwogen:
1. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob der Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin (§ 8 KBGG) im Jahr 2004 den maßgeblichen Grenzbetrag von 14.600 EUR (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG) überschritten hat. War dies der Fall, ist die Klägerin gemäß § 31 Abs 2 KBGG zum Ersatz des Kinderbetreuungsgelds verpflichtet.
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Zuverdienstgrenze überschritten wurde, sind den Einkünften aus unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung hinzuzurechnen. Nach § 8 Abs 1 Z 2 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) sind Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit „mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht. Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, sind um die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erhöhen.“
3. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 10 ObS 61/09g ausführlich mit der Frage der Bedeutung der Erhöhung „um die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge“ befasst und darauf hingewiesen, dass der zitierte Gesetzeswortlaut nicht eindeutig erkennen lasse, ob für die Zurechnung die auf die aktuellen Einkünfte entfallenden Sozialversicherungsbeiträge oder die aktuell vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge maßgeblich seien. Der erkennende Senat hat die zitierte Gesetzesbestimmung letztlich dahingehend interpretiert, dass die dem Kalenderjahr des Kinderbetreuungsgeldbezugszeitraums zugrundeliegenden Einkünfte um die darauf bezogenen (und nicht um die in diesem Zeitraum vorgeschriebenen) Sozialversicherungsbeiträge zu erhöhen seien. Maßgeblich seien somit die auf der Grundlage der in dem relevanten Zeitraum erzielten Einkünfte letztlich aufgrund der endgültigen Bemessungsgrundlage vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge. In der Entscheidung 10 ObS 124/09x vom 21. 7. 2009 wurde diese Rechtsansicht fortgeschrieben.
4. Mit BGBl I 2009/116, ausgegeben am 17. 11. 2009, wurde das KBGG novelliert. Es wurde dabei ua auch die Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG betreffend die Ermittlung des Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG) geändert bzw neu gefasst. Danach sind andere maßgebliche Einkünfte (§§ 21 bis 23 EStG 1988) mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht (Satz 1). Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, sind um die im betreffenden Kalenderjahr vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erhöhen (Satz 2). Die Bestimmung des § 8 KBGG idF BGBl I 2009/116 ist gemäß § 49 Abs 19 KBGG mit 1. 1. 2010 in Kraft getreten.
4.1. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl RV 340 BlgNR 24. GP 7) sollte durch den Wegfall der drei Nebeneinkunftsarten (§§ 27 bis 29 EStG 1988) eine Vereinfachung der Berechnung der Zuverdienstgrenze erfolgen. Die Berechnung des Zuverdienstes selbst sollte hingegen unverändert bleiben. Es sollte lediglich klargestellt werden, dass bei der Ermittlung des Zuverdienstes die im und nicht die für das betreffende Kalenderjahr (in dem Kinderbetreuungsgeld bzw Zuschuss oder Beihilfe bezogen wurde) vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge hinzuzurechnen sind. Damit soll die Regelung verständlicher für die betroffenen Eltern formuliert werden, um allfällige Missverständnisse und Befürchtungen im Hinblick auf die späteren Nachbemessungen von Sozialversicherungsbeiträgen der in dem betreffenden Kalenderjahr erzielten Einkünfte hintanzuhalten. Nach den Gesetzesmaterialien beruht das System der Berechnung des Zuverdienstes bei sozialversicherungspflichtigen Einkünften auf der Überlegung, dass man von der Steuerbemessungsgrundlage (Bruttoeinkünfte minus Sozialversicherungsbeiträge) ausgeht und dann die Sozialversicherungsbeiträge wieder hinzuschlägt, sodass die Sozialversicherungsbeiträge in der Regel einen Durchlaufposten darstellen. Die Berechnungsweise (zuerst Abzug, dann Hinzuschlagen) fußt auf dem Gedanken der größtmöglichen Gleichbehandlung der Eltern mit unterschiedlichen Einkunftsarten im Hinblick auf das Ergebnis der Berechnung (= Zuverdienst) unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Gewinnermittlungsarten und dem uneinheitlichen österreichischen Sozialversicherungssystem. Bei den unselbständigen Einkünften wurde im Sinn einer Durchschnittsbetrachtung wegen der uneinheitlichen Sozialversicherungsbeitragssätze ein Zuschlag von 15 % gewählt. Bei den anderen sozialversicherungspflichtigen Einkünften handelt es sich hinsichtlich der in dem betreffenden Kalenderjahr (des Bezugs) vorgeschriebenen und gezahlten Sozialversicherungsbeiträge um steuermindernde Ausgaben; daher werden auch die in diesem betreffenden Jahr (des Leistungsbezugs) vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge wieder hinzugeschlagen (damit sind die Sozialversicherungsbeiträge wie zuvor erwähnt in der Regel bloße Durchlaufposten). Letztlich kommt man nur durch die gewählte Berechnungsart im Ergebnis zu einer Gleichbehandlung der Bezieher/-innen, unabhängig von der Art der erzielten Einkünfte. Eine andere Art der Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen (zB Verminderung des steuerpflichtigen Gewinns dieses Jahres durch Abzug von höheren, in dem Jahr gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen als steuerrechtliche Ausgaben, aber nur Hinzuschlagen von in Zukunft zu berechnenden und vorzuschreibenden niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen der Einkünfte desselben Kalenderjahrs) würde einerseits zu sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen (Erhöhung des Zuverdienstes nur für diese Gruppe) und andererseits zur Unmöglichkeit einer laufenden Zuverdienstberechnung für die beziehenden Eltern führen (vgl RV 340 BlgNR 24. GP 7).
4.2. Nach ständiger Rechtsprechung lässt sich auch aus späteren gesetzlichen Regelungen interpretativ erschließen, wie eine bestimmte, zuvor geltende Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers zu verstehen war. Von einer authentischen Interpretation spricht man dann, wenn das zur Aufstellung oder Änderung der Grundnorm berechtigte Organ bestimmt, in welchem Sinn diese zu verstehen ist. Dies bedeutet die Anordnung einer Rückwirkung. Diese authentische Interpretation ist keine Auslegung im eigentlichen Sinn; vielmehr sieht § 8 ABGB die Möglichkeit vor, dass der Gesetzgeber den normativen Sinn eines (unklaren) Gesetzes durch ein neuerliches Gesetz erklärt. Diese Aufklärung hat - sofern keine andere Regelung erfolgt - rückwirkende Kraft, da sie ab dem Inkrafttreten des „erklärten Gesetzes“ gilt (vgl zuletzt 4 Ob 53/09m mwN).
4.3. Die Zulässigkeit der „authentischen Interpretation“ wird von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung - auch für den Bereich des Sozialrechts (vgl 9 ObS 41/87 = SSV-NF 2/9 ua) - anerkannt. Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung, dass das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine Änderung (bzw Klarstellung) der Rechtslage Bedacht zu nehmen hat, sofern die neuen (hier: authentisch interpretierten) Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind (vgl zuletzt 4 Ob 53/09m mwN).
4.4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Gesetzgeber durch § 8 Abs 1 Z 2 zweiter Satz KBGG idF BGBl I 2009/116 die zuvor strittige Frage, ob für die Zurechnung die auf die aktuellen Einkünfte entfallenden oder die aktuell vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge maßgeblich sind, im Sinne der zweiten Auslegungsvariante klargestellt und geregelt hat. Sowohl der Wortlaut des § 8 Abs 1 Z 2 zweiter Satz KBGG idF BGBl I 2009/116 als auch die zitierten Gesetzesmaterialien weisen deutlich darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung nicht neues Recht geschaffen, sondern eine authentische Interpretation dieser bisher im Gesetz nicht klar definierten Wortfolge „die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung“ vorgenommen hat. Hat aber der Gesetzgeber auf diese Weise eine zuvor unklare Gesetzeslage durch ein neuerliches Gesetz geklärt, muss der Oberste Gerichtshof auf diese Änderung der Rechtslage auch im Anlassfall bei seiner Auslegung der Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG Bedacht nehmen. Dieser ist im Lichte der durch das BGBl I 2009/116 erfolgten Neufassung daher abweichend von der bisherigen Rechtsprechung dahin auszulegen, dass nicht die auf die Einkünfte entfallenden Sozialversicherungsbeiträge, welche erst im Nachhinein festgestellt werden können, sondern die im jeweiligen Jahr der Einkunftserzielung insgesamt vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge maßgebend sind.
4.5. Soweit die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung dagegen ins Treffen führt, es dürfe im Ergebnis nicht dazu kommen, dass ohne entsprechende konkrete Grundlage bloß aufgrund einer Schätzung vorgeschriebene Beiträge zur Sozialversicherung eine Erhöhung ihrer Einkünfte bewirkten und damit Grundlage eines Rückforderungsanspruchs der beklagten Partei seien, ist ihr mit den Ausführungen der beklagten Partei in ihrer Revision entgegenzuhalten, dass auch bei den für den vorliegenden Fall im Sinne der Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG maßgebenden Einkunftsarten gleich den Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (§ 8 Abs 1 Z 1 KBGG) grundsätzlich der Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Einkünfte iSd § 2 Abs 2 EStG 1988 maßgeblich ist. Gemäß § 2 Abs 3 EStG 1988 zählen dazu auch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, also der Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs 4 Z 1 EStG 1988). Gemäß § 4 EStG 1988 ist Gewinn der durch doppelte Buchführung zu ermittelnde Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (Abs 1) bzw bei nicht buchführenden Betrieben der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (Abs 3). Betriebsausgaben sind dabei die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Gemäß § 4 Abs 4 Z 1 lit a EStG 1988 zählen dazu jedenfalls die Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung. Die Sozialversicherungsbeiträge mindern daher die Einkünfte. Je höher die Sozialversicherungsbeiträge sind, desto niedriger ist der steuerpflichtige Gewinn des Jahres. Wenn die Klägerin daher die ihr im Jahr 2004 vorgeschriebenen und von ihr bezahlten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 10.753,80 EUR als Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht hat, ergaben sich durch die Höhe dieser Sozialversicherungsbeiträge auch entsprechend niedrigere Einkünfte der Klägerin aus ihrem Gewerbebetrieb.
4.6. Um eine Gleichbehandlung der Bezieher/innen von Kinderbetreuungsgeld, unabhängig von der Art der erzielten Einkünfte, zu erreichen, ist es daher im Sinne der bereits zitierten Ausführungen in den Gesetzesmaterialien (RV 340 BlgNR 24. GP 7) erforderlich, auch bei den anderen Einkünften iSd § 8 Abs 1 Z 2 KBGG die in dem betreffenden Jahr des Bezugs des Kinderbetreuungsgelds vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge der Steuerbemessungsgrundlage wieder hinzuzuschlagen. Das System der Berechnung des Zuverdienstes bei sozialversicherungspflichtigen Einkünften beruht nämlich auf der Überlegung, dass man von der Steuerbemessungsgrundlage (Bruttoeinkünfte minus Sozialversicherungsbeiträge) ausgeht und dann die Sozialversicherungsbeiträge wieder hinzuschlägt, sodass die Sozialversicherungsbeiträge in der Regel einen Durchlaufposten darstellen. Diese Berechnungsweise (zuerst Abzug, dann Hinzuschlagen) fußt auf dem Gedanken der größtmöglichen Gleichbehandlung der Eltern mit unterschiedlichen Einkunftsarten im Hinblick auf das Ergebnis der Berechnung unter Berücksichtigung der steuerlichen Gewinnermittlungsarten und dem uneinheitlichen österreichischen Sozialversicherungssystem. Deshalb wurde bei den unselbständigen Einkünften im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung wegen der uneinheitlichen Sozialversicherungsbeitragssätze ein Zuschlag von 15 % gewählt, während bei den anderen sozialversicherungspflichtigen Einkünften die dem Versicherten vorgeschriebenen, von ihm bezahlten und von ihm auch als Betriebsausgaben steuerlich geltend gemachten Sozialversicherungsbeiträge der Steuerbemessungsgrundlage wieder hinzugeschlagen werden. Der Klägerin war während des Bezugs des Kinderbetreuungsgelds im Jahr 2004 naturgemäß die Höhe der ihr von der beklagten Partei in diesem Jahr vorgeschriebenen und von ihr auch bezahlten Sozialversicherungsbeiträge bekannt, sodass ihr auch eine laufende Zuverdienstberechnung im Hinblick auf die Zuverdienstgrenze des KBGG möglich war. Der erkennende Senat sieht sich daher zu der von der Klägerin angeregten (neuerlichen) Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG nicht veranlasst.
5.1. Im vorliegenden Fall stehen die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2004 in Höhe von 6.099 EUR außer Streit. Es steht weiters fest, dass der Klägerin im Jahr 2004 von der beklagten Partei Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 10.753,80 EUR vorgeschrieben und von der Klägerin bezahlt wurden. Bisher nicht erörtert wurde jedoch die Frage, ob und inwieweit bei der Summe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 6.099 EUR (2004) bereits Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt wurden. Dazu sind entsprechende Feststellungen erforderlich (vgl 10 ObS 61/09g). Insoweit erweist sich das Verfahren daher als ergänzungsbedürftig.
5.2. Sollten die Einkünfte von 6.099 EUR bereits die „steuerpflichtigen Einkünfte“ darstellen, müssten diesem Betrag im Sinne der dargelegten Ausführungen die von den Gesamteinkünften der Klägerin im Jahr 2004 bereits abgezogenen vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge auch wieder hinzugerechnet werden. Bei Hinzurechnung der im Jahr 2004 der Klägerin insgesamt vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 10.753,80 EUR würde sich gemäß § 8 KBGG für das Jahr 2004 ein maßgeblicher Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin in Höhe von insgesamt 16.852,80 EUR ergeben, welcher den Grenzbetrag von 14.600 EUR überschreiten würde. Auch eine bloß geringfügige Überschreitung des Grenzbetrags um nicht mehr als 15 % iSd § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2001/405 idF BGBl II 2004/91), bei der zwingend auf die Rückforderung zu verzichten wäre, würde in diesem Fall nicht mehr vorliegen. Gemäß § 31 Abs 2 KBGG besteht die Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung auch dann, wenn rückwirkend eine Tatsache festgestellt wurde, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht. Da diese Rückforderungsbestimmung lediglich auf den objektiven Umstand des Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen abstellt, kommt auch dem Einwand des gutgläubigen Verbrauchs durch die Klägerin keine Berechtigung zu (vgl 10 ObS 54/09b ua). Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass das Gericht gemäß § 89 Abs 4 ASGG die Erstattung eines zu Unrecht gezahlten Betrags an Kinderbetreuungsgeld unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin auch in Ratenzahlungen zulassen kann (vgl 10 ObS 49/09t ua). Das Erstgericht wird auch über den von der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung gestellten Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zu entscheiden haben (vgl § 65 Abs 2 ZPO).
5.3. Da es somit einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und es ist die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der von der Klägerin erstatteten Revisionsbeantwortung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Die Entscheidung, dass die beklagte Partei die Kosten ihrer Revision unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen hat, beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 ASGG.
Schlagworte
12 Sozialrechtssachen,Textnummer
E94333European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00031.10X.0601.000Im RIS seit
28.07.2010Zuletzt aktualisiert am
04.10.2011