TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/27 2000/13/0077

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Veröffentlicht am 27.02.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BAO §93 Abs3 lita;
FinStrG §150 Abs2;
FinStrG §156 Abs1;
FinStrG §56 Abs2;
FinStrG §56 Abs3;
VwGG §36;
VwGG §42 Abs2 Z3;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des FK in W, vertreten durch Dr. Gerold Wietrzyk, Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs-Kai 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 26. Juli 1999, Zl. GA 10 - 674/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Finanzstrafsache, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Spruchsenates vom 26. Jänner 1998 wurde der Beschwerdeführer des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG sowie nach dem § 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a und lit. b FinStrG schuldig erkannt und bestraft. Nach Ausweis der Akten wurde dieses Erkenntnis des Spruchsenates dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt, wobei als Beginn der Abholfrist der 14. April 1998 beurkundet wurde.

Ein von einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft am 22. April 1998 gestellter Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist, der damit begründet worden war, dass sich der Beschwerdeführer im Ausland befunden habe und deshalb innerhalb der gesetzlichen Berufungsfrist keinen Rechtsbeistand für seine Berufung in dieser Angelegenheit habe beauftragen können, wurde mit Bescheid der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 30. April 1998 als unzulässig zurückgewiesen.

In einer mit dem 26. Mai 1998 datierten und am 27. Mai 1998 beim Finanzamt eingelangten Berufung wurde zur Frage der Berufungserhebung innerhalb offener Frist vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Folgendes vorgebracht:

Der erste Versuch, dem Beschwerdeführer das Erkenntnis persönlich zuzustellen, sei am 13. April 1998 erfolgt. Dieser Zustellversuch sei aber aufgrund eines USA-Aufenthaltes des Beschwerdeführers erfolglos gewesen, weshalb das Erkenntnis in weiterer Folge am 14. April 1998 beim Postamt hinterlegt worden sei. Die Benachrichtigung von dieser Hinterlegung sei jedoch nicht an der persönlichen Adresse des Beschwerdeführers, seiner Abgabestelle, hinterlassen, sondern unrichtigerweise an das Postfach der C. GmbH weitergeleitet worden. Der Beschwerdeführer habe indessen seine Anteile an dieser Gesellschaft mit Wirkung vom 1. Dezember 1997 zur Gänze an X.Y. abgetreten und sei seit diesem Zeitpunkt auch nicht mehr Geschäftsführer der C. GmbH, sodass er keinen Zugang zum betroffenen Postfach mehr gehabt habe. Der neue Geschäftsführer der C. GmbH, X.Y., habe den Beschwerdeführer am 28. April 1998 darüber informiert, dass Privatpost (nämlich die Verständigung über die Hinterlegung) für den Beschwerdeführer an das Postfach der C. GmbH weitergeleitet worden sei. Am selben Tag sei dem Beschwerdeführer die Hinterlegungsbescheinigung übergeben worden, wodurch er erstmals vom Zustellversuch Kenntnis erlangt habe. Der Beschwerdeführer habe die Hinterlegungsbescheinigung noch am 28. April 1998 seinem Briefträger übergeben, welcher ihm den RSa-Brief mit dem Erkenntnis am 29. April 1998 ausgehändigt habe. Die Zustellung sei somit nicht durch Hinterlegung sondern erst mit dem 29. April 1998 wirksam geworden. Die dem ehemaligen Steuerberater der C. GmbH (der um Fristverlängerung ansuchenden Steuerberatungsgesellschaft) zugestellte Ausfertigung des Erkenntnisses des Spruchsenates könne nicht an den Beschwerdeführer als zugestellt gelten, weil die betroffene Wirtschaftstreuhänderkanzlei mit der Vertretung des Beschwerdeführers nicht beauftragt und zur Empfangnahme von an ihn adressierten Schriftstücken auch nicht berechtigt gewesen sei. Der von der Wirtschaftstreuhänderkanzlei am 22. April 1998 eingebrachte Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist sei zudem unter der falschen Annahme gestellt worden, dass das betroffene Erkenntnis durch Zustellung an die C. GmbH per Adresse dieser Kanzlei auch gleichzeitig dem Beschwerdeführer rechtswirksam hätte zugestellt werden können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des Spruchsenates wegen Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Das Erkenntnis des Spruchsenates sei dem Beschwerdeführer am 14. April 1998 durch Hinterlegung zugestellt worden, weshalb die Frist für die Einbringung einer Berufung mit Ablauf des 14. Mai 1998 geendet habe. Die Berufung vom 26. Mai 1998 sei daher verspätet. Der Antrag der Wirtschaftstreuhänderkanzlei auf Verlängerung der Berufungsfrist sei vom Finanzamt zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden, weil eine Erstreckung der Berufungsfrist im Finanzstrafverfahren nicht vorgesehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über welche der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 150 Abs. 2 FinStrG beträgt die Rechtsmittelfrist einen Monat und beginnt mit der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses oder sonstigen Bescheides.

Gemäß § 56 Abs. 3 FinStrG gelten für Zustellungen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, und sinngemäß die Bestimmungen des 3. Abschnittes der Bundesabgabenordnung.

Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 Zustellgesetz regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist nach § 17 Abs. 1 des Zustellgesetzes das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

§ 17 Abs. 2 Zustellgesetz ordnet an, dass der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen ist. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung ein Vorbringen zur Frage der Rechtzeitigkeit des erhobenen Rechtsmittels erstattet, mit welchem die belangte Behörde im angefochtenen Zurückweisungsbescheid jegliche Auseinandersetzung unterlassen hat. Der angefochtene Bescheid leidet aus diesem Grunde schon an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil der ihm anhaftende Begründungsmangel weder dem Beschwerdeführer zum Zwecke der Bescheidbekämpfung noch dem Verwaltungsgerichtshof zum Zwecke der Bescheidüberprüfung die Gründe nennt, aus denen die belangte Behörde das in der Berufung erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers über die Rechtzeitigkeit seines Rechtsmittels für unzutreffend erachtet hat.

Der von der belangten Behörde unternommene Versuch, die im angefochtenen Bescheid verabsäumte Begründung in der Gegenschrift nachzuholen, ist verfahrensrechtlich von vornherein zum Scheitern verurteilt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1999, 97/15/0075, und vom 19. Februar 1997, 96/13/0094).

Der Vollständigkeit halber sei der belangten Behörde jedoch bedeutet, dass auch die in der Gegenschrift nachgeholte Begründung den angefochtenen Zurückweisungsbescheid nicht hätte tragen können. Die belangte Behörde hat nach Beschwerdeerhebung das Zustellpostamt um schriftliche Mitteilung gebeten, ob und wann das am 14. April 1998 hinterlegte Schriftstück vom Empfänger übernommen worden war. Vom Postamt war der belangten Behörde daraufhin eine Ablichtung der Hinterlegungsanzeige übermittelt worden, die mit dem 14. April 1998 datiert ist und den Stempel des Zustellpostamtes trägt. Auf der Empfangsbestätigung findet sich beim Datum des Erhaltes des Schriftstücks der 28. oder 29. April 1998 (eine der beiden Tagesangaben wurde durch die andere überschrieben), eine Unterschrift sowie darunter den mit der Paraphe des Zustellers unterfertigten Vermerk "Empfänger persönlich bekannt". In der Gegenschrift wird dazu die Auffassung vertreten, weder auf dem Rückschein noch auf der Hinterlegungsverständigung sei ein Hinweis auf ein Postfach ersichtlich, weshalb sich das Vorbringen, es sei die Benachrichtigung an das Postfach der C. GmbH weitergeleitet worden, mit der Aktenlage nicht decke. Dass eine Hinterlegungsverständigung an ein Postfach übersandt werde, entspräche nicht dem üblichen Vorgehen der Postverwaltung und scheine daher unglaubhaft. Das Vorbringen über eine Ortsabwesenheit habe der Beschwerdeführer nicht belegt.

Dass mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung nicht dargetan werden kann, ist eine in der Gegenschrift vorgetragene Rechtsauffassung, die der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1990, 90/02/0117) ebenso entspricht, wie es auch zutrifft, dass der Beschwerdeführer die behauptete Ortsabwesenheit zum Zustellzeitpunkt infolge eines USA-Aufenthaltes weder konkretisiert noch belegt hat. Es hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung aber ein als ausreichend konkretisiert anzusehendes Vorbringen des Inhaltes erstattet, dass die Hinterlegungsanzeige entgegen der Vorschrift des § 17 Abs. 2 ZustellG nicht in der dort vorgesehenen Weise hinterlassen, sondern an das dem Zusteller offenbar bekannte Postfach der C. GmbH weitergeleitet worden sei, worüber er vom nachmaligen Geschäftsführer der betroffenen Gesellschaft informiert worden sei, seinem Briefträger in der Folge am 28. April 1998 die Empfangsbestätigung übergeben und am 29. April 1998 von diesem die Sendung ausgehändigt erhalten habe. Ob dieser Sachverhalt zutraf, wurde mit der von der belangten Behörde nach Beschwerdeerhebung vorgenommenen Anfrage an das Postamt gerade nicht überprüft. Dass die Weiterleitung einer Verständigung von der Hinterlegung eines Schriftstückes an ein dem Zusteller zufällig bekanntes Postfach anstelle der gesetzmäßigen Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige im Sinne des § 17 Abs. 2 ZustellG vorschriftswidrig gewesen wäre und deshalb nicht als eine Vorgangsweise angesehen werden dürfe, welche von der Postverwaltung üblicherweise eingeschlagen werde, trifft gewiss zu. Dass eine Vorgangsweise unzulässig und daher im Allgemeinen auch nicht üblich ist, erlaubt aber noch keinen zwingenden Schluss darauf, dass sie in einem konkreten Fall nicht doch unterlaufen sein könnte. Dass Rechtsvorschriften der unterschiedlichsten Art mitunter nicht befolgt werden, entspricht der täglichen Wahrnehmung des Verwaltungsgerichtshofes. Im konkreten Fall stimmt gerade das Erscheinungsbild der Empfangsbestätigung auf der Hinterlegungsanzeige mit dem überschriebenen Empfangsdatum und dem Hinweis des Zustellers darauf, dass ihm der Empfänger persönlich bekannt sei, mit dem Sachvorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung über die tatsächlichen Vorgänge im Zusammenhang mit der Hinterlegungsanzeige in auffälliger Weise überein, was die belangte Behörde vor Zurückweisung der Berufung umso mehr dazu verhalten musste, das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung durch genaue Nachfrage beim Postamt zu überprüfen.

Eine Hinterlegung ohne dem Gesetz entsprechende schriftliche Verständigung im Sinne des § 17 Abs. 2 ZustellG entfaltet nämlich keine Rechtswirkungen und erlaubt eine Sanierung des damit unterlaufenen Zustellmangels nur nach Maßgabe des § 7 ZustellG (vgl. das vom Beschwerdeführer zutreffend zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1997, 96/17/0063).

Der angefochtene Bescheid aber war schon zufolge des ihm anhaftenden wesentlichen Begründungsmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; das Mehrbegehren auf Ersatz von Stempelgebührenaufwand war abzuweisen, weil zufolge bewilligter Verfahrenshilfe Stempelgebührenaufwand nicht anfiel.

Wien, am 27. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000130077.X00

Im RIS seit

12.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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