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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde 1. der V Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG und 2. der V Beteiligungsgesellschaft mbH, beide in W und vertreten durch Dr. Gerald Ganzger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1. August 2000, Zl. Jv 2972-33a/00, betreffend Gerichtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Anerkenntnisurteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. März 1997 wurden die beschwerdeführenden Gesellschaften als beklagte Parteien schuldig erkannt, es ab sofort zu unterlassen, Zugaben zur Zeitschrift "News" anzukündigen und/oder zu gewähren, insbesondere "Gratis-Benzin" oder die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit 11 Traumautos von Mitsubishi als Preise anzukündigen und/oder zu gewähren, wenn der Eindruck erweckt werde, dass die Erlangung der Zugabe durch den Kauf der Zeitschrift "News" ermöglicht oder erleichtert werde.
Die obsiegende Partei stellte im Exekutionsverfahren, nachdem die Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen bewilligt worden war, Anträge auf Vollzug der Exekution wegen Zuwiderhandelns gegen das Unterlassungsgebot des Anerkenntnisurteils vom 17. März 1997 (Strafanträge wegen wiederholten Verstoßes gegen § 9a UWG), welche vom Bezirksgericht Donaustadt als Exekutionsgericht mit den Beschlüssen ON 1 bis ON 254 zu 25 E 5225/98 x (vom 24.9.98, 12.10.98, 22.10.98, 17.11.98, 1.12.98, 17.12.98, 8.2.99, 12.2.99, 17.2.99, 19.2.99, 6.4.99, 14.4.99, 30.4.99) bewilligt wurden. Über die beschwerdeführenden Gesellschaften wurden gemäß § 355 Abs. 1 EO iVm § 359 Abs. 1 EO mit den Beschlüssen ON 1 bis ON 7 Geldstrafen von jeweils S 40.000,--, mit den Beschlüssen ON 8 bis ON 14 Geldstrafen von jeweils S 60.000,-- und mit den Beschlüssen ON 15 bis ON 254 Geldstrafen von jeweils S 80.000,-- verhängt.
Mit den Zahlungsaufträgen vom 5. Mai 2000 schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichts Donaustadt die Zahlung der Geldstrafen, jeweils zuzüglich einer Einhebungsgebühr von S 100,-- , gegenüber der Erstbeschwerdeführerin zu den Verzeichniszahlen VZ 82/00 bis VZ 229/00 und gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin zu den Verzeichniszahlen VZ 231/00 bis VZ 378/00 vor. In den für jede in den Beschlüssen ON 1 bis ON 254 verhängte Geldstrafe gesondert erlassenen Zahlungsaufträgen findet sich neben der Aufforderung, die verhängte Geldstrafe und die Einhebungsgebühr zu bezahlen, weil diese Beträge sonst zwangsweise eingetrieben würden, auch jeweils folgender Satz: "Bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird die Freiheitsstrafe vollzogen werden."
In dem gegen diese Zahlungsaufträge erhobenen Berichtigungsantrag vertraten die beschwerdeführenden Parteien die Auffassung, die Erlassung eines Zahlungsauftrages für jede einzelne Geldstrafe und die Vorschreibung einer Einhebungsgebühr von S 100,00 mit jedem einzelnen Zahlungsauftrag widerspreche § 6 GEG. Bei einer Mehrzahl von Geldstrafen sei nur ein Zahlungsauftrag zu erlassen, der eine Aufstellung der geschuldeten Beträge zu enthalten habe. Die Androhung des Vollzuges der Freiheitsstrafe sei unzulässig, weil der Vollzug einer Freiheitsstrafe im Verfahren zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen nur dann zulässig sei, wenn diese Freiheitsstrafe bereits im Strafbeschluss als Beugestrafe verhängt worden sei. Da dies im Exekutionsverfahren nicht der Fall sei, sei der Vollzug von Freiheitsstrafen zur Einbringung verhängter Geldstrafen gesetzeswidrig.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag mit der Begründung keine Folge, die beschwerdeführenden Parteien seien nicht beschwert, weil von dem die Geldstrafe verhängenden Gericht keine Freiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe bestimmt worden und die Androhung "konsequenzlos" sei. Überdies ergebe sich aus der Formulierung des § 6 GEG nicht, dass der Kostenbeamte für mehrere geschuldete gleichartige Beträge wie Geldstrafen, die jeweils mit gesonderten Beschlüssen verhängt worden seien, einen einzigen Zahlungsauftrag erlassen müsse. In der Erlassung je eines Zahlungsauftrages pro verhängter Geldstrafe liege daher kein Missbrauch des Ermessensspielraumes durch den Kostenbeamten.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst bei ihm erhobenen Beschwerde gegen diesen Bescheid mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1679/00-5, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihren Rechten auf eine gesetzmäßige Auslegung und Anwendung des § 6 GEG, des § 355 EO sowie des § 216 Geo dadurch verletzt, dass für jeden einzelnen Strafbetrag ein eigener Zahlungsauftrag erlassen und mit dem angefochtenen Bescheid die "Änderung" (richtig: Androhung) einer Ersatzfreiheitsstrafe bekräftigt bzw. ausgesprochen wurde und machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wenn der Zahlungspflichtige die geschuldeten Beträge nicht sogleich erlegt oder diese nicht aus einem Kostenvorschuss berichtigt werden können, wird die Einbringung dieser Beträge gemäß § 6 Abs. 1 GEG von dem hiezu bestimmten Beamten des Gerichtes erster Instanz (Kostenbeamter) veranlasst (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei Zwangsfolge einzuzahlen (Einhebung). Für die Einhebung ist vom Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von 100 S zu entrichten. Der Zahlungsauftrag ist ein Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung.
Soweit für die Einhebung von Geldstrafen, Verfallsbeträgen, Haftungsbeträgen oder Vollzugs- und Wegegebühren der Gerichtsvollzieher und der gerichtlichen Zusteller nichts anderes bestimmt, ist zur Einhebung aller Beträge, die nach den Bestimmungen des GEG 1962 einzubringen sind, gemäß § 216 Abs. 1 Geo der Zahlungsauftrag GeoForm Nr 50 zu verwenden. Der Zahlungsauftrag hat die Bezeichnung der Rechtssache, Namen, Beruf und Anschrift (Bezeichnung und Sitz) des Zahlungspflichtigen, die Höhe des einzubringenden Betrages, wenn er sich aus mehreren Teilbeträgen zusammensetzt, auch eine Aufgliederung und schließlich die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen nach der Zustellung des Zahlungsauftrages grundsätzlich auf das Postscheckkonto (Nebenkonto) des Gerichts einzuzahlen.
Nach § 209 Abs. 4 Geo ist für jeden Zahlungsauftrag eine Einhebungsgebühr von S 100,-- ohne Rücksicht auf die Zahl der Schuldner zu entrichten und im Zahlungsauftrag anzuführen.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob für die mit den Beschlüssen verhängten Geldstrafen nur ein einziger Zahlungsauftrag mit der Vorschreibung einer einzigen Einhebungsgebühr von S 100.-- zu ergehen hatte oder nicht.
Mit den Beschlüssen des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 24.9.98, 12.10.98, 22.10.98, 17.11.98, 1.12.98, 17.12.98, 8.2.99, 12.2.99, 17.2.99, 19.2.99, 6.4.99, 14.4.99, 30.4.99 wurden auf Grund von mehr als hundert Anträgen der betreibenden Partei über die verpflichteten (beschwerdeführenden) Parteien wegen Zuwiderhandelns gegen das Unterlassungsgebot des Anerkenntnisurteils des Handelsgerichtes Wien vom 17. März 1997 jeweils Geldstrafen von je S 40.00,--, 60.000,-- bzw. 80.000,-- verhängt. Der Kostenbeamte hat zur Einbringung der verhängten Geldstrafen für jede den beschwerdeführenden Parteien verhängte Geldstrafe je einen Zahlungsauftrag gesondert ausgefertigt. Diese Zahlungsaufträge sind alle mit 5. Mai 2000 datiert.
Die beschwerdeführenden Parteien vertreten die Auffassung, durch die Formulierung "Aufstellung der geschuldeten Beträge" in § 6 Abs. 1 GEG komme der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass mehrere von Amts wegen einzuhebende Beträge zusammenzufassen seien.
Wenn der Zahlungspflichtige die geschuldeten Beträge nicht sogleich erlegt oder diese nicht aus einem Kostenvorschuss berichtigt werden können, dann hat der Kostenbeamte nach § 6 GEG vorzugehen. Ein Zahlungsauftrag kann auch mehrere Beträge enthalten. Der Zahlungsauftrag hat in einem solchen Fall eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei Zwangsfolge einzuzahlen. Das Gesetz normiert aber positivrechtlich weder eine Zusammenfassung von mit mehreren Beschlüssen verhängten Geldstrafen in einen Zahlungsauftrag noch eine zwingende Trennung durch Vorschreibung jeder einzelnen Geldstrafe durch einen eigenen Zahlungsauftrag, weil es ohne weiteres Differenzieren allein auf "geschuldete Beträge" (Plural) abstellt.
Ob nun im Beschwerdefall nur ein Zahlungsauftrag an eine beschwerdeführende Partei zu ergehen hatte oder für jede verhängte Geldstrafe ein eigener, hat die Behörde unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens im Rahmen ihres Ermessens zu entscheiden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einer Ermessensentscheidung ebenso wie bei einer gebundenen Entscheidung um einen Verwaltungsakt in Vollziehung eines Gesetzes, für den das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in gleicher Weise zu gelten hat. Dazu gehört, dass auch bei Ermessensentscheidungen die Beschlussfassung auf sorgfältig angestellten Überlegungen beruht, wie in den Fällen, in denen das Gesetz im Einzelnen vorschreibt, worauf die Behörde Bedacht zu nehmen hat. Eine Ermessensentscheidung darf sohin erst dann getroffen werden, wenn eine die besonderen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles voll berücksichtigende Interessensabwägung vorangegangen ist. Nur danach lässt sich verlässlich beurteilen, ob die Behörde vom freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1966, Slg. N. F. Nr. 7022/A).
Die Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes von Bescheiden, die im Ermessen der Verwaltungsbehörde liegen, gilt den so genannten Ermessensfehlern. Ein Ermessensfehler liegt dann vor, wenn das der Ermessensübung durch die Behörde zugrunde liegende Verwaltungsverfahren mangelhaft ist (formelle Ermessensfehler) oder wenn von der Verwaltungsbehörde bei der Ermessensübung der Sinn des Gesetzes nicht beachtet wurde (materielle Ermessensfehler). Ein materieller Ermessensfehler liegt vor, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes übt. Ein derartiger Ermessensfehlgebrauch bedeutet, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung die Wertungsgesichtspunkte außer Acht lässt, die dem ermessensbegründenden Gesetz oder der Rechtsordnung insgesamt zugrunde liegen (vgl. die Ausführungen bei Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 131 f).
Nach Eintritt der Rechtskraft der Geldstrafen ergingen von der Behörde ca. 300 getrennt ausgefertigte, alle mit 5. Mai 2000 datierte Zahlungsaufträge an die beschwerdeführenden Parteien, die einen unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand bei der Erstellung, Unterfertigung und Versendung verursachten, der im Fall nur eines Zahlungsauftrages an jede beschwerdeführende Partei mit einer Aufstellung der geschuldeten Beträge vermeidbar gewesen wäre.
Dadurch, dass die Behörde ohne dass dafür aus den Verwaltungsakten ein sachlicher Grund ersichtlich wäre, eine Vielzahl von Zahlungsaufträgen erlassen hat, hat sie den beschwerdeführenden Parteien auf Grund eines von ihr zu vertretenden Ermessensfehlers rechtswidrig Einhebungsgebühren in exzessivem Ausmaß vorgeschrieben. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.
Die beschwerdeführenden Parteien erachten eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch darin gelegen, dass in jedem Zahlungsauftrag durch den Kostenbeamten rechtswidrig die Androhung einer Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen wird und diese Rechtswidrigkeit von der belangten Behörde durch den angefochtenen Bescheid nicht aufgegriffen wurde.
Bei dieser Formulierung des Textes ("Bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird die Freiheitsstrafe vollzogen werden.") handelt es sich nicht um eine normative Festsetzung einer Freiheitsstrafe oder um die Androhung einer solchen im Zahlungsauftrag, sondern um den Hinweis, dass im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe die in einer Entscheidung des Gerichtes (allfällig) festgesetzte Freiheitsstrafe vollzogen wird. Mit den bereits genannten Beschlüssen hat das Bezirksgericht Donaustadt jeweils Geldstrafen, aber keine Freiheitsstrafen verhängt. Dieser Hinweis in den Zahlungsaufträgen ist daher im Beschwerdefall unangebracht und sollte zur Vermeidung von Missverständnissen immer dann entfallen, wenn eine Freiheitsstrafe nicht verhängt wurde. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist wegen dieses in die Leere gegangenen Hinweises mangels Verletzung eines subjektiven Rechtes jedoch nicht gegeben.
Der angefochtene Bescheid war somit aus den dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben..
Mit Rücksicht auf diese Entscheidung erübrigte sich ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 532 letzter und 533 erster Absatz referierte hg. Judikatur).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Mai 2001
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000160773.X00Im RIS seit
26.11.2001