TE Vfgh Erkenntnis 1998/9/28 B4771/96

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Veröffentlicht am 28.09.1998
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1993 §40 Abs1
AVG §6 Abs1
AVG §66 Abs4

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Aufhebung des einen letztwilligen Rechtserwerb genehmigenden Bescheides einer Höfekommission durch die Landesgrundverkehrsbehörde wegen Fehlens eines dem Bescheid der Höfekommission zugrundeliegenden Kollegialbeschlusses

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Bescheid vom 18. Dezember 1995, der vom Vorsitzenden "Für die Höfekommission" gefertigt war, wurde dem letztwilligen Rechtserwerb des nunmehrigen Beschwerdeführers vor dem Verfassungsgerichtshof an einem Grundstück in Scharnitz die grundverkehrsbehördliche Zustimmung nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz erteilt. Gegen diese Entscheidung hat der Landesgrundverkehrsreferent fristgerecht eine im einzelnen begründete Berufung erhoben.

Mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 9. Oktober 1996 wurde der erstinstanzliche Bescheid gemäß §66 Abs4 iVm. §6 Abs1 AVG wegen Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz behoben.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

Die Landes-Grundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Gesetzesbestimmungen trägt die Beschwerde nichts vor. Auch beim Verfassungsgerichtshof sind gegen diese keine Bedenken entstanden.

Der Beschwerdeführer wurde deshalb durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.1. Die belangte Behörde begründet die ersatzlose Behebung des vor ihr bekämpften Bescheides damit, nach der Übergangsbestimmung des §40 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993, habe die Höfekommission Scharnitz als Grundverkehrsbehörde erster Instanz über den letztwilligen Rechtserwerb am Grundstück in Scharnitz die Entscheidung zu fällen gehabt. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei aber hervorgekommen, daß ein auf die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung lautender gültiger Kollegialbeschluß nach Ausweis des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes tatsächlich nicht zustande gekommen sei. Dem Vorsitzenden der Höfekommission Scharnitz habe es an der Ermächtigung zur Ausfertigung des angefochtenen Bescheides gefehlt. Liege einem Bescheid, welcher einem Kollegialorgan zuzurechnen sei, kein entsprechender Beschluß dieses Organes zugrunde, sei der Bescheid so zu betrachten, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre (VfSlg. 11408/1987, VwGH 8.10.1982, Zl 82/08/0043, VwGH 29.4.1986, Zl 84/07/0035). Nachdem die Unzuständigkeit gemäß §6 Abs1 AVG in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

2.2. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid aus folgenden Überlegungen für verfassungswidrig:

"Hierzu ist anzumerken, daß der bezuggenommene §6 Abs1 AVG die jeweils erkennende Behörde dazu verpflichtet, ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Nur dann, wenn eine sachlich oder örtlich unzuständige Behörde eingeschritten ist, liegt ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Gesetzesstelle vor. Der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit ist die Entscheidung durch ein unrichtig oder unvollständig besetztes Kollegialorgan gleichzuhalten (VwGH 4.5.1988, 87/03/0125; 17.3.1992, 92/11/0016; 8.9.1993, 92/09/399 uam.).

Die belangte Behörde geht nunmehr aufgrund der Ergebnisse des Berufungsverfahrens davon aus, daß ein auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung lautender gültiger Kollegialbeschluß der in erster Instanz entscheidenden Höfekommission nicht zustandegekommen ist. Allerdings unterläßt es die belangte Behörde darzutun, aufgrund welcher Umstände sie zu diesem Ermittlungsergebnis gelangt, zumal auch ein amtliches Schreiben der Gemeinde Scharnitz vom 19.9.1995 vorliegt, mit dem diese dem Eigentumserwerb zustimmt. Für den neutralen, unvoreingenommenen Betrachter lassen sich aus dem erstinstanzlichen Bescheid in dieser Hinsicht keinerlei Anhaltspunkte entnehmen. Im Gegenteil: Durch den Hinweis im Spruch des Bescheides, daß die 'Grundverkehrsbehörde für die Gemeinde Scharnitz .... die Zustimmung erteilt' habe sowie aus der Fertigungsklausel 'Für die Höfekommission: Der Vorsitzende' wird die Rechtmäßigkeit des behördeninternen Entscheidungsprozesses (der als solcher im Bescheid selbst auch nicht nach außen hin in Erscheinung zu treten hat) jedenfalls indiziert. Ein Hinweis darauf, wer als Kommissionsmitglied bei der Entscheidung eines Kollegialorganes mitgewirkt hat, ist kein Gültigkeitserfordernis für das rechtmäßige Zustandekommen eines Bescheides und kann auch für die Frage der Zuständigkeit nicht maßgeblich sein. Durch gleichzeitige Zeichnung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck 'für die Höfekommission', die der Vorsitzende der Kommission berechtigterweise vorgenommen hat, handelt es sich jedenfalls (auch im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur) um einen der Höfekommission zuzurechnenden Bescheid (ähnlich VwGH 5.7.1963, 726/61). Die Höfekommission aber ist, sofern sich der Grunderwerb auf ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück bezieht, die zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des gegenständlichen grundverkehrsbehördlichen Verfahrens zuständige Behörde. Da der Bescheid nach außen hin zweifelsfrei als ein der zuständigen Behörde (nämlich der Höfekommission) zuzurechnender Bescheid auftritt, kann die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde jedenfalls mit dieser Begründung nicht eingewendet werden. Demzufolge ist der belangten Behörde der Vorwurf zu machen, daß sie den Bescheid mit Ausführungen begründet hat, denen objektiv gesehen keinerlei Begründungswert zukommt (vgl. VfSlg 9293/1981; 10057/1984).

Selbst wenn der Vorsitzende der Höfekommission den Bescheid ausgefertigt haben sollte, ohne dabei allein zur Entscheidung zuständig gewesen zu sein, so ist dieser Umstand wohl nur als Verfahrensmangel anzusehen, der nicht geeignet ist, die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde zu bewirken (vgl in diesem Sinne argumentierend Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 665).

Handelt es sich bei der in Frage stehenden Liegenschaft allerdings um keinen land- oder forstwirtschaftlichen Grund, wie die belangte Behörde in ihren weiteren Ausführungen ohne nähere Begründung anzudeuten scheint, so wäre im gegenständlichen Fall in erster Instanz eine bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzurichtende Kommission zur Entscheidung berufen gewesen, sodaß aus diesem Grund eine unzuständige Behörde entscheiden hätte, was angesichts des in der Begründung gegangenen Umweges über die Beschlußfassung innerhalb des Kollegialorganes, der ansonsten unverständlich wäre, aber nicht gegeben zu sein scheint.

Richtig ist der Hinweis, daß es sich bei der Unzuständigkeit der erkennenden Behörde um einen Nichtigkeitsgrund gemäß §68 Abs4 Z. 1 AVG handelt. Diese Nichtigkeit ist allerdings nur von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde nach Eintritt der formellen Rechtskraft des davon betroffenen Bescheides wahrzunehmen, sodaß eine Anwendung dieser Bestimmung im gegenständlichen Fall zufolge des Aufgreifens des Fehlers im Berufungsverfahren und damit vor Eintritt der formellen Rechtskraft jedenfalls ausscheidet. Wird diese Bestimmung von der Berufungsbehörde im Berufungsverfahren angewendet, so handelt es sich hierbei um die Wahrnehmung einer in diesem Verfahrensstadium nicht zukommenden Befugnis und damit um einen Fall der Unzuständigkeit."

2.3. Der Vorwurf der Beschwerde, der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist nicht begründet. Es ist offenkundig, daß die belangte Behörde im Grunde zur Erlassung des nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheides zuständig war.

Im übrigen genügt es hiezu, auf die Begründung des auch im angefochtenen Bescheid zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11408/1987 zu verweisen; dort heißt es (S 15 der amtlichen Sammlung):

"Da aber in erster Instanz die Grundverkehrsbehörde nicht durch ihren Vorsitzenden, sondern als Kollegialbehörde ihre Entscheidung zu fällen gehabt hätte, hat die bel. Beh. den erstinstanzlichen Bescheid zu Recht aufgehoben. Den im angefochtenen Bescheid darüberhinaus aus 'prozeßökonomischen Gründen' enthaltenen Hinweisen zur Rechtslage kommt keine bindende Wirkung zu."

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Rechtsprechung. Daraus ergibt sich, daß auch im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer dadurch, daß die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid zu Recht aufgehoben hat, nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde, liegt diesem Bescheid doch offenbar kein Kollegialbeschluß der Behörde erster Instanz zugrunde. Zutreffend verweist die belangte Behörde darauf, daß sich aus den Akten der Behörde erster Instanz kein Hinweis auf die kollegiale Beschlußfassung ergebe. Diese Auffassung der belangten Behörde wird durch den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten bestätigt.

3. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des VfGH, wonach ein Bescheid, dem ausschließlich verfahrensrechtliche Wirkung beizumessen ist, den Beschwerdeführer nur in einem formellen, nie aber in einem materiellen Recht, über das gar nicht entschieden wurde, verletzen kann (vgl. VfSlg. 10374/1985, 13211/1992, 13530/1993 14024/1995), ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden wäre.

4. Die Beschwerde war deshalb insgesamt als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Kollegialbehörde, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B4771.1996

Dokumentnummer

JFT_10019072_96B04771_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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