TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/20 96/08/0333

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Veröffentlicht am 20.06.2001
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Index

66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

GSVG 1978 §2;
GSVG 1978 §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 14. November 1996, Zl. 14-SV-3275/3/96, betreffend Vorschreibung von Beiträgen, (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 67), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. Juli 1996 hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt die Beitragsschuld der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. April 1994 bis 30. Juni 1996 inklusive Verzugszinsen und Nebengebühren mit S 70.236,92,-- festgestellt. In der Begründung führt sie aus, dass die Beschwerdeführerin sowohl als Gesellschafterin der O. und E. OHG (in der Folge OHG genannt) als auch auf Grund ihrer Gewerbeberechtigung (Marktfahrer) nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) pflichtversichert sei. Gemäß § 27 GSVG hätten die Pflichtversicherten für die Dauer der Pflichtversicherung Beiträge zu leisten, wobei diese Beiträge, wenn kein Einkommen oder ein negatives Geschäftsergebnis erzielt werde, von der Mindestbeitragsgrundlage (§ 25 Abs. 5 GSVG) zu berechnen sei. Die Beitragsforderung an die Beschwerdeführerin sei von der Mindestbeitragsgrundlage berechnet worden. Die Höhe der Beitragsforderung werde durch den Zwangsausgleich der OHG nicht berührt, weil diese Forderung nicht gegen die OHG, sondern gegen die Beschwerdeführerin selbst bestünde und in gleicher Höhe auf Grund der weiteren Gewerbeberechtigung (Marktfahrer) entstanden sei.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch argumentierte die Beschwerdeführerin, sie übe ihre Gewerbeberechtigung als "Marktfahrer" lediglich in ihrer Funktion als persönlich haftende Gesellschafterin der OHG aus und sei daher lediglich im Rahmen der OHG nach dem GSVG pflichtversichert. Über das Vermögen der OHG sei das Konkursverfahren eröffnet worden, das mit dem Abschluss eines Zwangsausgleiches geendet hätte. Die Zwangsausgleichsquote betrage 20 % und sei in drei Raten zu bezahlen. Gemäß § 164 Abs. 2 Konkursordnung (KO) kämen der Beschwerdeführerin als persönlich haftender Gesellschafterin die Rechtswirkungen des Zwangsausgleiches zustatten, soweit im Ausgleich nichts anderes bestimmt sei. Dementsprechend werde die in § 128 HGB normierte unmittelbare, primäre, unbeschränkte, solidarische und persönliche Haftung eines jeden einzelnen Gesellschafters für die Gesellschaftsschulden durchbrochen. Nach der herrschenden Rechtsprechung werde durch die Bestimmung des § 164 Abs. 2 KO die Haftung des Gesellschafters der OHG abweichend von sonstigen Mitschuldnern der Gesellschaft durch Erfüllung des Zwangsausgleiches der Gesellschaft überhaupt aufgehoben. In Ansehung der Rechtswirkungen des Zwangsausgleiches sei die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft durch Bezahlung der ersten Quote bereits verhältnismäßig befriedigt worden, weshalb der im Bescheid angeführte Saldo jedenfalls in der geltend gemachten Höhe nicht zu Recht bestehe. Ausdrücklich werde die Höhe der Beitragsschuld bestritten.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt nahm zu diesem Einspruch gegenüber der belangten Behörde dahin Stellung, dass die Beschwerdeführerin seit 4. Juli 1985 Gesellschafterin der OHG sei und seit 27. August 1993 die Gewerbeberechtigung "Marktfahrer" besitze. Sie sei daher hinsichtlich der OHG gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 GSVG und auf Grund der Gewerbeberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG pflichtversichert, wobei jeder der Tatbestände für sich allein die Pflichtversicherung und die Beitragspflicht auslöse. Gemäß § 25 Abs. 3 GSVG sei für die Ermittlung der Beitragsgrundlage - wenn ein Versicherter Einkünfte aus mehreren die Pflichtversicherung nach dem GSVG begründenden Erwerbstätigkeiten hat - die Summe der Einkünfte aus diesen Erwerbstätigkeiten heranzuziehen. Nach einer detaillierten Darstellung der Berechnung des vorgeschriebenen Betrages führte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt neben anderen Überlegungen aus, der Einwand, das Marktfahrergewerbe wäre im Rahmen der OHG ausgeübt worden, sei rechtlich unbeachtlich. Jeder Tatbestand löse für sich allein die entsprechenden Rechtswirkungen der Pflichtversicherung aus.

In einer Replik dazu vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt sei Gläubigerin der OHG, weil die Beschwerdeführerin das Gewerbe "Marktfahrer" lediglich als persönlich haftende Gesellschafterin der Handelsgesellschaft ausgeübt habe und daher lediglich "im Rahmen der OHG" nach dem GSVG pflichtversichert gewesen sei. Sofern die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt die Beitragsforderung gegen die OHG im Konkursverfahren nicht angemeldet habe und daher auch bisher nicht quotenmäßig befriedigt worden sei, könne dieses Versäumnis der Beschwerdeführerin nicht zur Last fallen. Die Beitragsschuld sei eine Verbindlichkeit der OHG, sodass schon allein deshalb die Rechtswirkungen eines Ausgleiches auch der Beschwerdeführerin als persönlich haftender Gesellschafterin im Sinne des § 164 KO zustatten kämen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. Nach der Begründung nahm sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens als unbestritten an, dass die Beschwerdeführerin seit 4. Juli 1985 Gesellschafterin der OHG sei und seit 27. August 1993 die Gewerbeberechtigung "Marktfahrer" besitze. Gemäß § 25 Abs. 3 GSVG sei bei mehreren nach dem GSVG pflichtversicherten Erwerbstätigkeiten für die Ermittlung der Beitragsgrundlage die Summe der Einkünfte aus diesen Erwerbstätigkeiten heranzuziehen. Es könnten nur natürliche Personen, nicht aber Handelsgesellschaften einer sozialen Pflichtversicherung unterliegen. Unabhängig von dem Gesellschaftsverhältnis sei die Beschwerdeführerin aber auch auf Grund ihrer Tätigkeit als "Marktfahrer" der Pflichtversicherung unterlegen, weil sie auf Grund dieses Tatbestandes Mitglied der Wirtschaftskammer gewesen sei. Ob das Marktfahrergewerbe im Rahmen der OHG ausgeübt worden sei, sei rechtlich unbeachtlich. Jeder Tatbestand gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 und Z 2 GSVG löse für sich alleine die entsprechenden Rechtswirkungen aus. Die Bezahlung der Ausgleichsquoten stelle keine Entlastung von der die Beschwerdeführerin höchstpersönlich treffenden Verpflichtung zur Beitragszahlung dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt eine Gegenschrift erstattet, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wiederholt die Beschwerdeführerin ihre bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente. Sie stützt die Bestreitung ihrer Verpflichtung insbesondere darauf, sie hätte das Marktfahrergewerbe lediglich "im Rahmen der OHG" ausgeübt, weshalb die Beitragsforderung richtigerweise gegenüber der OHG zu stellen gewesen wäre. Die OHG wiederum habe einen Zwangsausgleich abgeschlossen, der auch der Beschwerdeführerin zugute komme.

Die im Anlassfall anzuwendenden Bestimmungen des GSVG lauten:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

1.

die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

2.

die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, .... sofern diese Gesellschaften Mitglieder einer der in Z 1 bezeichneten Kammern sind; ...

§ 24. Die Mittel der Kranken- und Pensionsversicherung sind durch Beiträge der Versicherten ... aufzubringen.

§ 25 ...

(3) Hat der Pflichtversicherte Einkünfte aus mehreren die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeiten, so ist die Summe der Einkünfte aus diesen Erwerbstätigkeiten für die Ermittlung der Beitragsgrundlage heranzuziehen.

...

     (5) Die Beitragsgrundlage ... beträgt mindestens ...

     § 27. (1) Die Pflichtversicherten ... haben für die Dauer der

Pflichtversicherung als Beitrag 1. in der Krankenversicherung ...

vH, 2. in der Pensionsversicherung ... vH der Beitragsgrundlage

(§ 25) zu leisten."

Unbestritten blieb die Mitgliedschaft sowohl der Beschwerdeführerin als auch der OHG in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft. In der Beschwerde bleiben auch die Art der Berechnung und die Höhe der Beiträge unbekämpft. Folgt man nun dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe das Marktfahrergewerbe seit 4. Juli 1985 "als persönlich haftende Gesellschafterin der OHG" ausgeübt, widerspricht dies einerseits der Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin diese Gewerbeberechtigung erst seit 27. August 1993 besitzt, und ist andererseits unbeachtlich, weil es nicht darauf ankommt, ob bzw. in welcher Eigenschaft die Beschwerdeführerin das Gewerbe ausübt; wesentlich für die Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin ist lediglich deren Mitgliedschaft in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft bzw. (im Falle einer Personengesellschaft) die Eigenschaft der Beschwerdeführerin als Gesellschafterin und die Kammermitgliedschaft der Gesellschaft. Weitere Voraussetzungen für die Pflichtversicherung sieht das Gesetz nicht vor.

Die OHG wird jedoch nicht dadurch Beitragsschuldnerin, dass eine ihrer Gesellschafterinnen (persönlich) ein Gewerbe ausübt. Nach § 27 GSVG sind nämlich nur die Pflichtversicherten selbst zur Beitragsleistung verpflichtet. Als Beitragsschuldnerin käme die OHG nach dem Gesagten (anders als etwa als Dienstgeberin nach § 35 ASVG) nicht in Frage. Daraus folgt, dass das Konkursverfahren über das Vermögen der OHG samt Zwangsausgleich auf die konkrete Beitragsschuld der Beschwerdeführerin keinerlei Auswirkungen hat. Die Insolvenz einer Personenhandelsgesellschaft vermindert Verbindlichkeiten ihrer Gesellschafter in keiner Weise. Die belangte Behörde hat daher zutreffend erkannt, dass keine Beitragsschuld der OHG, sondern eine solche der Beschwerdeführerin vorliegt, die vom Insolvenzverfahren der OHG nicht betroffen ist.

Der Beschwerde ist es somit nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für die Gegenschrift der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt war kein Ersatz für Schriftsatzaufwand zuzusprechen, weil die Anstalt nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, 96/08/0269).

Wien, am 20. Juni 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1996080333.X00

Im RIS seit

22.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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