RS UVS Oberösterreich 1997/12/19 VwSen-520009/7/Ga/Ha

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Veröffentlicht am 19.12.1997
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Rechtssatz

Obgleich dem § 123 Abs.1 letzter Satz KFG, wonach dann, wenn der Landeshauptmann in erster Instanz entscheidet, der unabhängige Verwaltungssenat als Berufungsbehörde zuständig ist, durch § 35 Abs.1 des (mit 1. November 1997 in Kraft getretenen) Führerscheingesetzes-FSG materiell derogiert wurde und daher die im Grunde des Art. 129a Abs.1 Z3 B-VG bzw. § 67a Abs.1 Z1 AVG dem unabhängigen Verwaltungssenat vom Bundesgesetzgeber zugewiesene Kompetenz als Berufungsbehörde gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Landeshauptmannes (ua) in FS-Entziehungsangelegenheiten nach dem KFG - und daraus abgeleiteten verfahrensrechtlichen Entscheidungen - mit 1. November 1997 weggefallen ist, muß die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidung über die vorliegende Berufung dennoch bejaht werden.

Dies ergibt sich zum einen aus der Übergangsbestimmung des § 41 Abs.1 FSG. Danach sind zum 1.11.1997 schon "anhängige" Verfahren (wie in diesem Fall) auf Grund der §§ 64 bis 77 KFG nach der bis dahin geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Von dieser Überleitung sind nach h Auffassung sowohl die inhaltlichen als auch die daraus entspringenden verfahrensrechtlichen Verfahren erfaßt. Für alle diese anhängigen Verfahren gilt somit, auch ohne ausdrückliche Verweisung, die bisherige Zuständigkeitsregelung des § 123 Abs.1 KFG (idF vor dem FSG!), weil ein Verfahren für sein Anhängigwerden voraussetzungsgemäß jedenfalls auch einer Zuständigkeitsnorm bedarf. Ausgehend davon aber ist zum anderen für die diesem Übergangsregime unterliegenden Fälle die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtlich, wonach der Landeshauptmann dann, wenn er in einem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren (wegen FS-Entziehung) über die Aussetzung des Verfahrens entscheidet, als Behörde erster Instanz einschreitet und daher der Rechtszug gegen einen solchen - verfahrensrechtlichen - Bescheid an den unabhängigen Verwaltungssenat geht (vgl das bereits von der belangten Behörde in ihrer Bescheidbegründung zit. Erkenntnis des VwGH vom 15.12.1992, 92/11/0266; ebenso - was die Aussage über den Rechtszug anbelangt - VwGH vom 7.10.1997, 97/11/0131, 0156). In der Sache selbst erweist sich der angefochtene Aussetzungsbescheid jedoch als rechtswidrig, weil die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer gehörig kundgemachten Gesetzesvorschrift keinesfalls vorfragentauglich im Sinne des § 38 AVG ist.

So verwarf der Verwaltungerichtshof im Erkenntnis Slg.Nr. 3324 (A) vom 24.2.1954 die Frage nach der Gesetzmäßigkeit einer gehörig kundgemachten Verordnung als einer Vorfragen-Entscheidung nicht zugänglich. Die in diesem Erkenntnis vertretene Rechtsauffassung ist - sinngemäß angewendet - auch für den vorliegenden Fall maßgeblich. Danach  bindet eine (einfach)gesetzliche Vorschrift, sobald sie gehörig kundgemacht ist, die Verwaltungsbehörde auf jeden Fall, und zwar auch dann, wenn sie Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der von ihr anzuwendenden Vorschrift hätte. Sie hat, so der Verwaltungsgerichtshof, eben im Gegensatz zu den Gerichten - und auch im Gegensatz zum unabhängigen Verwaltungssenat! - (vgl Art. 89 und 140 B-VG) die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Gesetzesvorschrift als gegeben hinzunehmen und darf sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit nicht vorlegen und diese Frage keinesfalls selbständig beurteilen. Eine solche Frage kann demnach auch nicht als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG angesehen werden. Anders gewendet: Im Hinblick auf diese uneingeschränkte Verpflichtung des Landeshauptmannes als Berufungsbehörde, die in Rede stehenden generellen Normen im konkreten Verwaltungsverfahren jedenfalls anzuwenden, kann deren Verfassungsmäßigkeit für die Entscheidung der Hauptfrage, nämlich ob die Entziehung der Lenkerberechtigung diesfalls zu Recht erfolgte, kein unentbehrliches Tatbestandsmoment bilden (vgl VwGH 16.9.1956, 2876/54; zitiert nach Hauer/Leukauf, Handbuch 5.A, unter E 1. zu § 38 AVG).

Diese Rechtsauffassung konnte im übrigen der belangten Behörde nicht unzugänglich sein, hat sie doch selbst in der (in einem anderen, jedoch dem Grunde nach gleichgelagerten Verfahren) an den VfGH gerichteten Gegenschrift vom 17.6.1997, Zl. VerkR- 392.592/5-1997/Vie, noch ausdrücklich auf ihre "Verpflichtung der Anwendung auch - allenfalls - verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen bis zu deren Aufhebung" hingewiesen. Vor diesem Hintergrund ist daher der Berufungswerber im Recht, wenn er ausführt, daß "ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof über einen Individualantrag nach Art. 140 Abs.1 B-VG keinen Aussetzungsgrund bilden (kann) und der Landeshauptmann als Berufungsbehörde im Lenkerberechtigungsentzugsverfahren die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrundezulegen (hat), gegenständlich im Sinne des § 41 Abs.1 FSG die der behördlichen Entscheidung zugrunde gelegten Bestimmungen des KFG, weil das Verfahren nach diesen fortzuführen ist."

Im Ergebnis war, weil die Aussetzung aus allen diesen Gründen nicht dem Gesetz entsprach, wie im Spruch zu entscheiden und wird demnach die belangte Behörde in materiellrechtlicher Hinsicht das Verfahren fortzuführen und eine Sachentscheidung zu treffen haben.

Ein ausdrücklicher Auftrag zur umgehenden Entscheidung war jedoch der belangten Behörde, entgegen der aus seinem diesbezüglichen Antrag hervorleuchtenden Rechtsmeinung des Berufungswerbers, nicht zu erteilen, weil insgesamt jene Rechtsordnung, die das Verhältnis des unabhängigen Verwaltungssenates als Kontrollorgan der Verwaltung (vgl VfGH vom 26.6.1997, G 270/96 uwZ) zu den die Verwaltung führenden Behörden regelt, dergleichen Aufträge nicht vorsieht.

Schlagworte
Lenkerberechtigung, Entziehung, Aussetzungsbescheid; Landeshauptmann im Berufungsverfahren; Zuständigkeit des UVS, Vorfrage i.S. § 38 AVG; Verfassungsmäßigkeit der materiellen Norm ist keine Vorfrage, Aussetzungsbescheid rechtswidrig, Stattgabe
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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