Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des W in B, geboren am 11. Mai 1983, vertreten durch Dr. Gerda Mahler-Hutter, Rechtsanwalt in 2560 Berndorf, Hernsteinerstraße 2/1/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. Februar 2001, Zl. Fr 5243/00, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. September 2000 erließ die Bezirkshauptmannschaft Baden gegen den Beschwerdeführer ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Dieser Bescheid wurde am 16. Oktober 2000 mittels Hinterlegung zugestellt. Seinen Antrag vom 31. Oktober 2000 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist begründete der Beschwerdeführer damit, er habe am 30. Oktober 2000 die Berufungsschrift seinem Dienstgeber übergeben. Dieser habe sich bereit erklärt, anstelle des Beschwerdeführers, der dienstfrei hätte nehmen müssen, das Schriftstück zur Post zu bringen. Der Beschwerdeführer habe ihn hingewiesen, dass die Berufungsfrist an diesem Tag endet. Sein Dienstgeber habe dann jedoch gemeint, dass die Postaufgabe an diesem Tag durch ein persönliches Abgeben der Berufung bei der Behörde am nächsten Tag ersetzt werden könnte. Deswegen wäre es zur Versäumung der Berufungsfrist um einen Tag gekommen. Auf Grund der Zuverlässigkeit seines Dienstgebers habe der Beschwerdeführer darauf vertrauen können, dass dieser für die Einhaltung der Berufungsfrist dergestalt Sorge tragen würde, dass er das Schriftstück am selben Tag zur Post bringe. Dies sei ihm auch zugesagt worden.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe keinen Grund glaubhaft machen können, dass die Versäumung der Berufungsfrist ohne sein Verschulden infolge eines unvorhergesehenen unabwendbaren Ereignisses eingetreten sei. Die Versäumung der Berufungsfrist sei letztendlich nur deshalb eingetreten, weil sein Bote, dessen Verschulden dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei, irrtümlicherweise angenommen habe, dass eine nach Ablauf der Berufungsfrist persönlich eingebrachte Berufung noch fristgerecht wäre. Es wäre nämlich Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, darauf Bedacht zu nehmen, dass der Bote seinen Anweisungen auch nachkomme. Ein Verschulden des Boten treffe die Partei grundsätzlich nicht. Dem Beschwerdeführer könne aber zum Vorwurf gemacht werden, dass er die zumutbare und der Sachlage nach gebotene Überwachungspflicht vernachlässigt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0141) trifft ein zur Versäumung einer Frist führendes Verschulden eines Boten zwar nicht den Rechtsvertreter einer Partei und damit diese selbst, doch kann in der Versäumung eines Auftrags durch den Boten nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das ohne Verschulden der Partei die Einhaltung der Frist verhinderte, erblickt werden, wenn sie (ihr Vertreter) der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen ist.
Der Bescheidbegründung ist vorerst zu entnehmen, dass die belangte Behörde ein Verschulden des Arbeitgebers des Beschwerdeführers dem Beschwerdeführer zurechnet, weil er Bote des Beschwerdeführers gewesen sei. In der weiteren Bescheidbegründung führt sie im Gegensatz dazu an sich zutreffend aus, dass ein Verschulden des Boten grundsätzlich die Partei nicht treffe. Sie versagt die begehrte Wiedereinsetzung jedoch mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer die zumutbare und der Sachlage nach gebotene Überwachungspflicht vernachlässigt habe.
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Beschwerde verweist zutreffend auf das bereits genannte Erkenntnis Zl. 98/11/0141. Diesem lag der vergleichbare Sachverhalt zu Grunde, dass jemand am letzten Tag der Frist zugesagt hatte, die Postsendung noch am selben Tag aufzugeben. Der Gerichtshof lehnte die von der Behörde aufgestellte Forderung, der Auftraggeber hätte sich noch am selben Tag über die fristgerechte Postaufgabe vergewissern müssen, mit der Begründung ab, dass dies als Überspannung der Überwachungspflicht anzusehen wäre.
Im vorliegenden Fall zog die belangte Behörde keinen Umstand heran, der den Beschwerdeführer hätte zweifeln lassen müssen, dass sein Arbeitgeber die zugesagte Postaufgabe der Berufung doch nicht erledigen werde. Eine Nachfrage am nächsten Tag wäre, weil die Frist bereits verstrichen ist, ohne Bedeutung gewesen. Eine Verletzung der Überwachungspflicht durch den Beschwerdeführer kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde dem unstrittig gebliebenen Sachverhalt nicht entnommen werden.
Die von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnisse vom 28. Februar und 4. September 1992, Zl. 91/10/0208 und 90/19/0471, vermögen ihre Rechtsansicht nicht zu tragen. Dem erstgenannten Erkenntnis lag nämlich zu Grunde, dass der Beschwerdeführer seine Kanzleikraft nicht über den Zustelltag informiert und damit zur irrtümlichen Anbringung des unrichtigen Einlaufdatums beigetragen hat. Im zweiten Fall hat sich der Beschwerdeführer erst einige Wochen später nach dem Stand der Angelegenheit erkundigt.
Da somit die belangte Behörde bei Verweigerung der begehrten Wiedereinsetzung einem Rechtsirrtum unterlegen ist, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Juli 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001210045.X00Im RIS seit
27.11.2001